Vor etwa zwei Monaten, am 24. Mai, brachte der
"Weltexpress" einen ätzenden Verriss von Douglas Wolfspergers Film "Der entsorgte Vater". (Genderama
erwähnte diesen Verriss beiläufig.)
Die Leserreaktionen scheinen deutlich gewesen zu sein. So deutlich, dass der "Weltexpress" sich über eine "entrüstete Brieflawine" reichlich
entnervt zeigt:
Liebe Leute. Tieferhängen. So sehr es eine Zeitung freut, wie zahlreich die Leserbriefe eintrudelten zu unserer Filmkritik (…) – denn, daß Leserbriefe kommen, ist wichtiger, als ob sie zustimmend oder widersprechend sind - , so fehlt es uns doch an Glauben, daß alle diese Schreiber von alleine diesen Artikel im Weltexpress aufgefunden und jeder für sich ganz alleine und unheimlich spontan und in der Regel wütend geantwortet hat.
Tja, wie man in den Wald hineinruft … Aber natürlich kann hinter so starker Reaktion in einer feministischen Gesellschaft keineswegs der Ärger einzelner Leser stecken; dafür muss eine gesteuerte Aktion verantwortlich sein. Und überhaupt muss frau den blöden Lesern erst mal beibringen, was eine Zeitung überhaupt von ihnen erwarten darf, wenn sie schon großmütig deren Geld für schrottige Beiträge annimmt:
Wir erwarten also vom Leser gleich Zweierlei: Daß er sich vergegenwärtigt, daß es um die Besprechung eines Films, um die Wertung seiner künstlerischen Mittel in Blick auf Wahrheit und das Leben geht und nicht eine gesellschaftliche oder moralische Wertung des allgemeinen Problems darstellt, die in der Rezension ausgedrückt wird. Zweitens – und auch so ist das Leben – haben Menschen zu Filmen und anderen Dingen unterschiedliche Meinungen und mit der muß man nicht übereinstimmen, kann sie kritisieren, auch verdammen, müßte aber immer die Distanz zum Geschehen aufbringen, um mit der von der eigenen Meinung abweichenden Perspektive umzugehen.
Von einer "Distanz zum Geschehen, um mit der von der eigenen Meinung abweichenden Perspektive umzugehen" kündete aber genau die so vielfach kritisierte Filmbesprechung nicht. Und auch die Redakteurin, die ihren Lesern so offen mitteilt, was diese tun müssen und was nicht, berichtet erfrischend offen über ihre eigene Ideologie:
Aber als für die Kulturrubriken verantwortliche Redakteurin, die sehr sehr viele Artikel und das schon lange schreibt, würde ich mich persönlich immer als Feministin bezeichnen, was aber noch nie ein Briefschreiber als Vorwurf mir gegenüber geäußert hätte, denn Feminismus ist ja nur die derzeitige Antwort auf eine gesellschaftliche Situation, in der gerade in Deutschland bei Pressekonferenzen von Banken, Schwer-, Groß- und Autoindustrie sowie Wirtschaftsverbänden nur Männer auf dem Podium sitzen, weil auch nur Männer an den Hebeln der wirtschaftlichen Macht sitzen. Feminismus ist also soziologisch eine Antwort auf bestehende Verhältnisse, hat also eine gesellschaftliche Orientierung, aber bedeutet keine Bevorzugung oder Verdammung eines Geschlechts.
Woraufhin sie im folgenden Ihre Leser wegen "niedrigsten Kommentarniveaus" abkanzelt und versucht, sie zu psychoanalysieren.
Alles in allem lässt einen dieser Auftritt einer Lehrerin, die ihren Zöglingen mit erhobenem Zeigefinger erklärt, was statthaft ist und was nicht, etwas fassungslos zurück. Ist unseren JournalistInnen inzwischen völlig der Blick dafür verlorengegangen, dass sie sich nach ihren Lesern ausrichten müssen und nicht umgekehrt?
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