Montag, Juli 31, 2023

Gefesselter Mann schwer verletzt auf Grillplatz gefunden - Ehefrau in Haft

1. Heute beginnen wir mit einem Beitrag zur häuslichen Gewalt aus der Reihe "Ein Einzelfall ist anschaulicher als viele Statistiken":

Am Dienstagnachmittag ist ein Mann gefesselt und schwer verletzt auf einem Grillplatz in Wetzlar gefunden worden. Das teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Der Mann, ein 58-jähriger aus Aßlar (Lahn-Dill), habe eine Stichwunde am Hals gehabt, zudem sei er offenbar vorher stranguliert worden.

Ein Zeuge habe den Mann am Grillplatz Hermannstein liegen sehen und die Polizei alarmiert. Per Rettungswagen kam er in ein Krankenhaus in Gießen - mit lebensgefährlichen Verletzungen.

Den Angaben zufolge nahm die Polizei noch am Dienstagabend die Ehefrau des Mannes fest. Sie sei dringend tatverdächtigt, bestätigten die Beamten auf Nachfrage. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wetzlar wurde die 42-Jährige am Mittwochnachmittag einer Haftrichterin am Amtsgericht Wetzlar vorgeführt und sitzt nun in Untersuchungshaft.


2. Am Freitag habe ich für Genderama Medienreaktionen auf den Freispruch für Kevin Spacey zusammengestellt. Inzwischen gibt es Grund für zwei Nachträge: einen besonders missratenen und einen gelungenen Artikel.

Die Zeitschrift "Stern" tut mit ihrer Schlagzeile "Der mächtige Mann gewinnt eh" so, als sei das Urteil eine Folge des unterdrückerischen Patriarchats. Wie sehr man an der Vorverurteilung Spaceys festzuhalten versucht, zeigen Sätze wie "Eine Frage bleibt: Glaubt man den Opfern, oder dem Täter?"

In der Neuen Zürcher Zeitung hingegen sieht Claudia Schwartz in dem Urteil einen "Warnschuss für die Cancel Culture". Der Fall Spacey insgesamt zeige "die Zerstörungskraft des woken Mobs".

Kevin Spacey war bis zu dem Zeitpunkt, als ihm sexuelle Übergriffe vorgeworfen wurden, einer der weltweit begehrtesten und angesehensten Schauspieler. Sechs Jahre später steht er da ohne Job, seine Reputation ist zerstört, sein Name bleibt verbunden mit dem Ruch sexueller Nötigung. Das zeigt sich just nach dem Londoner Freispruch diese Woche. Die Medien trieb die Frage um, ob der zweifache Oscarpreisträger sich nun wieder erholen und an seine grandiose Karriere anknüpfen werde. Natürlich wird er das nicht. Ganz einfach, weil man sich von jahrelangen öffentlichen falschen Anschuldigungen, ein Sexmonster zu sein, nicht erholt.

Auch am Dienstag hielten manche Medien nicht inne. Freispruch vor Gericht? Das gilt jedenfalls für Prominente wie Kevin Spacey offenbar nicht mehr, ist die Meinung einmal gemacht. "Kein üblicher Verdächtiger" titelte das deutsche Magazin "Stern" wenige Stunden nach Prozessschluss, um dann, fett hervorgehoben, nochmals die Anschuldigungen in voyeuristischen Details aufzuwärmen. Dass Spacey bereits im vergangenen Oktober in einem ersten Zivilprozess in New York von dem Vorwurf freigesprochen worden ist, den damals vierzehnjährigen Schauspieler Anthony Rapp sexuell belästigt zu haben: Wen interessiert’s?

Wenn soziale Netzwerke und Internetportale erst einmal moralischen Anspruch, Anklage, Verurteilung und umgehende Bestrafung in einen Topf geworfen haben, ist das manchen genug Legitimation, nach einem Freispruch weiter in der trüben Suppe zu rühren. Verdächtig bleibt verdächtig.


Schwartz empfindet es als problematisch, dass "#MeToo bewusst den Verdachtsmoment über die Unschuldsvermutung" stellte, womit die Bewegung "sich von Beginn weg auch ins Unrecht" gesetzt hätte.

Allerdings muss der Fall Spacey nun auch ein Anlass sein, sich diese Folgen bewusst zu machen und sich die Frage zu stellen, wie eine Gesellschaft zugerichtet ist, in der manche die Vorverurteilung höher gewichten als ein gerichtliches Urteil. "Ich verlor meinen Job, ich verlor meinen Ruf, ich verlor alles in nur wenigen Tagen. Noch bevor eine einzige Frage gestellt wurde", sagte Spacey zum Auftakt des vierwöchigen Strafprozesses. Man darf das einmal so stehen lassen, weil eine Rehabilitation sehr unwahrscheinlich ist.

(…) Netflix war damals in einer schwierigeren Lage, da die Vorwürfe gegen Spacey während der Dreharbeiten für die letzte Staffel von "House of Cards" laut wurden. Man kann unter solchen Umständen kein Filmset fortführen. Aber Netflix verklagte Spacey darüber hinaus auf über 30 Millionen Dollar Schadenersatz. Keiner hat gesagt: "Warten wir damit noch, bis er verurteilt ist." Von Netflix war in den letzten Tagen noch keine Entschuldigung zu vernehmen gegenüber Kevin Spacey, ohne den "House of Cards" nie zu dem legendären Serien-Flaggschiff geworden wäre. Das ist feige.

Die Cancel Culture stösst nicht nur historische Figuren vom Sockel und verbannt Bücher, sondern sie geht – Kevin Spacey ist ein mahnendes Beispiel dafür – ans Lebendige und zerstört in moralischer Überheblichkeit Menschen, Karrieren, Existenzen. Deshalb sollte man auch das Urteil in derzeit diskutierten Fällen wie Til Schweiger oder Till Lindemann den Gerichten überlassen.


Der Filmredakteur Hanns-Georg Rodek schließlich sagt in einem finfminütigen Interview mit dem MDR voraus: Es wird auch nach dem Freispruch keine Rehabilitierung für Spacey in Hollywood geben – genauso wenig wie für Johnny Depp.



3. Die Amadeu Antonio Stiftung sammelt Spenden zur Unterstützung mutmaßlicher Betroffener von Rammstein. Mittlerweile sind über 826.000 Euro von 70.000 Spendern zusammengekommen. Inzwischen zeichnet sich Beobachtern zufolge ab, dass wohl nur ein Bruchteil der gesammelten Mittel tatsächlich für die Unterstützung mutmaßlich Betroffener eingesetzt wird. Was geschieht mit dem übergroßen Rest? Das Magazin "Tichys Einblick" hat sich das näher angeschaut. (Dazu gibt es auch einen ebenso aufschlussreichen zweiten Teil.



Freitag, Juli 28, 2023

Nach dem Freispruch für Kevin Spacey: Welche Medien müssen sich jetzt entschuldigen?

1. Auf Telepolis beschäftigt sich Thomas Pany in einem starken Artikel mit der Frage, welche Medien jetzt für ihre Berichterstattung um Kevin Spacey um Verzeihung bitten müssen. Ein Auszug:

Das ist der große Unterschied zum Fall Rammstein: Die Band ist weiterhin kommerziell erfolgreich. Für Spacey war es das Aus. Beide Fälle werden in Diskussionen, ersichtlich etwa auf Twitter, verglichen.

Als Gemeinsamkeit wird ein kampagnenartiges Anprangern herausgestellt, das die Unschuldsvermutung auf eklatante Weise aushöhlt. Rechtsstaatliche Prinzipien fehlen im Selbstverständnis derer, die solche Anklagen, die auf Verdacht beruhen, untermauern, lautet der Kernvorwurf.

Der Zeitgeist spielt jedenfalls im Ton mit. Das kann man etwa einem Spiegel-Artikel vom November 2017 entnehmen. Dort werden zwar an keiner Stelle die Vorwürfe gegen Spacey als Tatsachenbehauptung wiedergegeben, was juristisch relevant ist. Aber sein Fall wird in eine Reihe gestellt:

"Weinstein, Spacey und die zahlreichen anderen Entertainment-Männer, die das US-Magazin Consequence of Sound auf einer ständig aktualisierten Liste verzeichnet, sollen 'Abuser' sein, Missbraucher."

Dem wird, ohne die Seite der Beschuldigten zu Wort kommen zu lassen, angefügt, dass täglich neue Anschuldigungen an die Öffentlichkeit dringen.

"Die Betroffenen berichten, wie sie sexuell bedrängt, genötigt, herabgewürdigt, in einigen Fällen wohl sogar vergewaltigt wurden."

Das sind keine geringfügigen Vorwürfe, auch wenn relativiert wird:

"Zum Teil, wie bei Spacey oder dem Bericht einer Praktikantin über Dustin Hoffmans sexuelle Anzüglichkeiten, sind die Vorfälle mehrere Jahrzehnte alt."

Es hätte schon einen kleinen, aber wichtigen Unterschied gemacht, wenn betont worden wäre, dass die Vorfälle erhoben wurden und nicht nachgewiesen. So stehen sie ganz unbedrängt da, als ob es daran keinen Zweifel gäbe.

Gute 14 Tage, nachdem Spaceys Sturz begonnen hatte (siehe dazu: das seltene Interview mit ihm in der Zeit), sendet der Spiegel mit diesem Artikel unter der Überschrift "Traumfabrik, aufgewacht" ein starkes Signal:

"Die Konsequenz, mit der die Unterhaltungsindustrie ihre Weinsteins und Spaceys abräumt, ist gut."

Spiegel, 12.11.2017

Auch das Publikum müsse sich auf unbequeme Wege einstellen.

"Wer möchte nicht am liebsten weiter Francis Underwood bei seinen Niederträchtigkeiten in House of Cards zusehen und sich an seiner fiktiven, grandios gespielten Schlechtigkeit ergötzen? Die Erkenntnis, dass sein Darsteller Kevin Spacey auch in der Realität ein Ekel sein könnte, ist ernüchternd: Was für ein Spielverderber!"

Spiegel, 12.11.2017

Sollte Kevin Spacey tatsächlich ein Spielverderber sein und Abmahnanwälten Jobs verschaffen, dann müssten Medien jetzt ein paar Leute in die Archiv-Recherche schicken, ob nicht doch der eine oder andere Beitrag über das "Ekel" den Kriterien der Verdachtsberichterstattung eben nicht vollumfänglich gerecht wird.




2. Bezeichnenderweise heißt es NACH Kevin Spaceys Freispruch auf Spiegel-Online:

Der Regisseur Scott sagte 2017 in einem Interview über Spacey: "Ich durfte nicht zulassen, dass die Einstellung einer einzelnen Person, die Arbeit von so vielen Menschen ruiniert." Ich empfand die Entfernung eines Mitspielers aus einem eigentlich fertigen Film damals als einen barbarischen Akt.


Und sechs Jahre später schreibst du das sogar auf Spiegel-Online. Dürfen wir dann, wenn in ein paar Jahren Till Lindemann freigesprochen werden sollte, von dir lesen, dass du den Umgang mit ihm und seiner Band eigentlich ganz furchtbar fandest? Ohne das Versagen des eigenen Hauses auch nur kurz zur Sprache zu bringen?

Weiter geht es in dem Artikel mit der gewohnten Propaganda: Selbstverständlich sei MeToo immer noch eine Bewegung, die "Großartiges bewirkt" habe: "Durch das Benennen und Bloßstellen von mutmaßlichen Tätern haben Opfer Gesicht und Stimme bekommen, ihr Leid wurde anerkannt, die Wachsamkeit vieler Menschen gegenüber übergriffigem Verhalten hat sich verändert.

Tatsächlich war MeToo außerhalb der feministischen Legendenbildung ein einziger Rohrkrepierer:

Der Anteil der amerikanischen Erwachsenen, die antworteten, dass Männer, die vor 20 Jahren Frauen bei der Arbeit sexuell belästigt haben, ihren Arbeitsplatz behalten sollten, ist von 28% auf 36% gestiegen. Der Anteil derjenigen, die glauben, dass Frauen, die sich über sexuelle Belästigung beschweren, mehr Probleme verursachen, als sie lösen, ist von 29% auf 31% gestiegen. Und 18% der Amerikaner denken jetzt, dass falsche Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffe ein größeres Problem darstellen als Angriffe, die nicht gemeldet oder ungestraft bleiben, verglichen mit 13% im November letzten Jahres. (…) Überraschenderweise waren diese Meinungsänderungen (…) bei Frauen etwas stärker als bei Männern.

Aber auch anderweitig hat MeToo Frauen geschadet: Laut einer Studie, die im Mai 2019 veröffentlicht wurde, berichten 60 Prozent der männlichen Manager, dass sie zu viel Angst davor hätten, der Belästigung beschuldigt zu werden, um mit Frauen in "gemeinsamen Arbeitsabläufen" wie Mentoring, Sozialisierung und Einzelgesprächen zu interagieren.

Dies stellt gegenüber dem Jahr 2018 eine Steigerung von 32 Prozent dar. 36 Prozent dieser Männer sagen, dass sie jetzt aktiv Frauen in Junior-Positionen meiden – und damit deren Chance, die Karriereleiter zu erklimmen, effektiv reduzieren. "Die überwiegende Mehrheit der Manager und Senior Leader sind Männer", erklärte hierzu Sheryl Sandberg, deren Institut diese Untersuchung erstellte. "Wenn sie sich nur widerwillig mit Frauen treffen, gibt es keine Möglichkeit, dass Frauen eine gleichwertige Chance haben, sich zu beweisen." Leider aber zögern Männer in höheren Positionen nach MeToo neunmal mehr, mit einer Frau zu reisen und sechsmal mehr, ein Arbeitsessen mit ihr zu haben. Sie zögerten gegenüber einer jungen Mitarbeiterin auch zwölf mal mehr, sich zu einem Gespräch unter vier Augen zu treffen. Diese Gespräche finden statt mit Frauen jetzt verstärkt mit jungen Männern statt.


Zuletzt heißt es in dem Spiegel-Online-Artikel, Spaceys Fall tauge "vielleicht ganz gut dafür, darüber nachzudenken, wie zweifelhaft unsere eigenen moralischen Urteile sind, zu denen wir uns mitunter berufen fühlen."

Dann dürfen wir ja alle gespannt sein, ob sich die Berichterstattung der Spiegel-Redaktion über Till Lindemann jetzt ändert. Ich rechne nicht damit.



3. In der Frankfurter Allgemeinen geht es nicht um die Heuchler der deutschen Medien, sondern die "Heuchler von Hollywood":

Mit Spaceys vollständiger Rehabilitation ist [trotz des Freispruchs] nicht zu rechnen. Weder wird die Firma Netflix, die damals vor sechs Jahren, als Rapp mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit ging, den Hauptdarsteller der Serie "House of Cards" prompt und kühl entfernte ("ich bin fertig mit dir", sagt ungerührt die Witwe) und die sechste Staffel ohne ihn beendete, jetzt eine siebte Staffel produzieren, in welcher Spacey, wie einst Bobby Ewing in "Dallas", dann doch nicht gestorben sein wird.

Noch werden der Regisseur Ridley Scott und das Studio Sony Pictures, die aus dem schon abgedrehten Film "Alles Geld der Welt" alle Szenen mit Spacey herausschnitten, jetzt die ursprüngliche Fassung restaurieren. Und dass die Firma Netflix, die von Spacey als Entschädigung für den Serientod, zu dem sie sich gezwungen sah, dreißig Millionen Dollar forderte, diese Summe jetzt zurückerstatten wird, ist auch nicht wahrscheinlich.

(…) Kevin Spacey wird (…) schon deshalb nicht rehabilitiert werden, weil damit ja all die Filmfirmen, Produzenten, Regisseure, die damals an seiner völligen Auslöschung arbeiteten, die ihn sterben ließen, herausschnitten aus einem fertigen Film und allen Ernstes darüber diskutierten, ob man ihm seine zwei Oscars und den Golden Globe aberkennen solle – weil sie alle damit zugäben, wie hysterisch, heuchlerisch und opportunistisch sie gehandelt haben, damals, als MeToo völlig zu Recht ganz Hollywood erschütterte und verunsicherte, was trotzdem kein Grund war, jeden, der bezichtigt wurde, sofort auch als schuldig zu betrachten.




4. Der Nachrichtensender Fox News öffnet den Fokus weiter und fragt, inwiefern Hollywood aufgrund von haltlosen Anschuldigungen nicht nur einem einzelnen Mann, sondern Männern insgesamt den Krieg erklärt habe:

Laut einer aktuellen Politico/Ipsos-Umfrage glauben 36 % der Amerikaner, dass "Unterhaltung und Kultur es schwer machen, stolz darauf zu sein, ein traditioneller Mann zu sein." (...) Der republikanische Senator Josh Hawley hat sich zu diesem Thema geäußert und erklärte gegenüber Fox News Digital, dass amerikanische Männer aufgrund einer Kombination von Faktoren vom Weg abgekommen sind: das schnelle Aufkommen von Technologie, die Bequemlichkeit und Selbstgefälligkeit mit sich bringt, die Auslagerung amerikanischer Arbeitsplätze dank der politischen Entscheidungsträger in Washington D.C. und die schrille progressive Erzählung, dass Männer "Unterdrücker" sind.

"Ich denke einfach, dass die Botschaft, die die Linke den Männern in diesem Land seit Jahrzehnten vermittelt, lautet, dass sie Abschaum sind. Ich meine, das ist ein wörtliches Zitat von einem linken Professor. Männer sind Abschaum", sagte Hawley. "Ich glaube, zu viele Männer haben diese Botschaft zu lange gehört und sie in der einen oder anderen Form geglaubt", fügte er hinzu.

Die Darstellung von Männern in dem Barbie"-Film ist nur ein Beispiel dafür.

"Es ist ziemlich klar, dass die Medien Männlichkeit nur auf zwei Arten sehen: dumm oder giftig", sagte der Komiker Tim Young gegenüber Fox News Digital. "Wie bei Barbieland ist das Konzept der Gleichheit zwischen Männern und Frauen laut den Medien fiktiv - und wo es eine Chance geben könnte, dass alle miteinander auskommen, ist ihre Sicht der Dinge, spaltend zu sein und Männer herabzusetzen."

"Das Lustige ist, dass sie auch die ersten sind, die schreien, dass man frauenfeindlich oder toxisch männlich ist, wenn man darauf hinweist, dass in dem 'Barbie'-Film Männer gehasst werden. Für sie gibt es so etwas wie Misandrie nicht", so Young weiter.

Aber "Barbie" ist nicht das einzige Beispiel dafür, dass Männer in den Medien schlecht dargestellt werden. Hawley verwies auf Sitcoms der letzten drei Jahrzehnte, in denen Männer und Väter als "komplette Idioten" oder "aktiv bösartige Einflüsse" dargestellt werden.

Riley Gaines, eine ehemalige NCAA-Schwimmerin und OutKick-Moderatorin, hat diesen Trend im Sport aus erster Hand miterlebt. Sie sagt, dass Maskulinität für viele moderne Männer eine "unerwünschte Eigenschaft" ist, da sie in der Angst leben, abgelehnt zu werden. "Als Gesellschaft haben wir verloren, was es bedeutet, männlich zu sein. Eigentlich haben wir Männlichkeit als etwas Schlechtes angesehen, als etwas Giftiges", sagte Gaines gegenüber Fox News Digital.

(...) Dieser kulturelle Wandel sei auch in der Arbeitswelt und in der Wirtschaft zu beobachten, sagte Brenda Hafera, Wissenschaftlerin bei der Heritage Foundation, gegenüber Fox News Digital. (...) "Jungen haben ein höheres Selbstmordrisiko, sie haben ein höheres Risiko, inhaftiert zu werden, die Zahl der Verzweiflungstode unter Jungen und Männern, d. h. der Todesfälle infolge von Selbstmord oder Alkoholismus, nimmt zu, und die Lebenserwartung von Männern sinkt sogar", sagte sie. "Die Hauptursache ist natürlich das Fehlen von Vätern zu Hause und das Fehlen von männlichen Vorbildern, was verheerende Auswirkungen auf Jungen und Männer hat."

Der Wertewandel und die Probleme der Männer wirken sich auch auf die Frauen aus, befindet Hafera.

"Ich denke, die Geschlechter sind völlig miteinander verwoben ... wenn es Männern schlecht geht, wirkt sich das auch auf Frauen aus", sagte sie. "Frauen haben es schwer, Väter, Ehemänner und gute Lebenspartner zu finden, und das gilt auch umgekehrt. Ich denke, wir müssen das Narrativ und die Vorstellung, dass Männer und Frauen einander nicht brauchen, zurückdrehen."




Donnerstag, Juli 27, 2023

Kevin Spacey, Till Lindemann und Co.: Was nützt diesen Männern ein Sieg vor Gericht?

1. Die Tagesschau berichtet:

Schauspieler Kevin Spacey ist im Londoner Strafprozess um angebliche sexuelle Übergriffe freigesprochen worden. Die Geschworenen befanden den zweifachen Oscar-Preisträger in allen Anklagepunkten für nicht schuldig.

(…) Spacey hatte die Vorwürfe stets abgestritten. Er räumte im Prozess etwa Berührungen eines Mannes in der Leistengegend sowie einen sexuellen Akt mit einem weiteren ein. Spacey betonte aber, es habe sich um "romantische" Berührungen beziehungsweise einvernehmlichen Sex gehandelt.Er bestritt auch, seinen Ruhm für sexuelle Übergriffe gegen mehrere Männer ausgenutzt zu haben. Einige Vorwürfe nannte er "frei erfunden".

(…) Die Karriere des bis dahin erfolgreichen Schauspielers wurde durch die im Zuge der #MeToo-Debatte aufgebrachten Vorwürfe abrupt unterbrochen. Netflix beendete die Zusammenarbeit zu "House of Cards" und verklagte Spacey auf Schadenersatz, nachdem Beschwerden von Mitarbeitern am Set über ihn aufgekommen waren. Das Theater Old Vic distanzierte sich ebenfalls. Szenen mit Spacey in dem Thriller "All The Money in the World" (Alles Geld der Welt) wurden nachträglich entfernt. Er selbst sagte vor Gericht, er sei damals übereilt als Straftäter abgestempelt worden. "Es kam zu einer Vorverurteilung und bevor die erste Frage gestellt oder beantwortet war, verlor ich meinen Job, verlor ich meinen Ruf. Ich habe innerhalb weniger Tage alles verloren."

(…) In einem kurzen Statement nach dem Freispruch sagte Spacey, er müsse die Geschehnisse nun erst einmal verarbeiten. Er sei der Jury aber enorm dankbar, dass sie sich die Zeit genommen habe, alle Beweise genau zu prüfen, bevor sie zu einer Entscheidung gekommen sei. "Und ich bin demütig über den Ausgang heute."

Noch vor Prozessbeginn in London hatte Spacey die Hoffnung geäußert, im Falle eines Freispruchs wieder an seine Erfolge anknüpfen zu können. In einem "Zeit"-Interview Mitte Juni hatte Spacey erklärt, Regisseure hätten ihm gesagt, dass sie mit ihm zusammenarbeiten wollten, es aber derzeit nicht könnten. "Wir leben in einer Zeit, in der viele Menschen fürchten, dass sie gecancelt werden, wenn sie mich unterstützen," sagte er weiter.


In einem weiteren Beitrag der Tagesschau heißt es:

Prominente Stimmen, die ihm zum Freispruch gratulieren, sucht man jedoch vergeblich. Hollywood hüllt sich eher noch in Schweigen. Möglicherweise ist es noch zu früh, um zu sagen, ob Spaceys Karriere wieder Fahrt aufnehmen kann und ob man ihn wieder auf den roten Teppichen empfangen will - die gibt es wegen der anhaltenden Schauspieler-Streiks ohnehin gerade nicht.


Den Paria-Status bekommt Mann so leicht nicht los, so unbegründet man ihn auch aufgezwungen bekommen haben mag.

Die MeToo-Bewegung hat viel Unheil angerichtet, das kaum jemand offen anzusprechen wagt. Zu denen, die sich das trauen, gehört Brendan O'Neill, Chefredakteur des liberalen Magazins Sp!ked:

Der Freispruch von Kevin Spacey ist brisant. Nicht nur in Bezug auf den Fall Spacey selbst, bei dem der Hollywood-Star in neun Fällen von sexueller Nötigung für nicht schuldig befunden wurde. Nein, in Bezug auf die gesamte Ideologie von #MeToo. Es sieht aus wie ein vernünftiges, rationales Urteil, erstens über die Dinge, die Spacey getan haben soll, und zweitens über die Schuldzuweisungskultur, die das öffentliche Leben in den letzten fünf Jahren beherrscht hat; über die Schuldvermutung, die wir alle als Reaktion auf jede Anschuldigung gegen berühmte Männer wegen sexueller Freizügigkeit zu spüren bekamen. Sind die ungerechten Auswüchse von #MeToo nun endlich in das Licht demokratischer Überlegungen gerückt worden?

Die Geschworenen am Southwark Crown Court in London sprachen Spacey in allen Anklagepunkten frei. Ihm wurden neun Vergehen gegen vier Männer vorgeworfen, die vom Griff in den Schritt bis zur "Veranlassung einer Person zu sexuellen Handlungen ohne Zustimmung" reichten. Die Anschuldigungen bezogen sich auf Vorfälle, die sich zwischen 2001 und 2013 ereignet haben sollen, als Spacey hauptsächlich in London als künstlerischer Leiter am Old Vic Theater tätig war. Nach Angaben der BBC legte er nach seinem Freispruch die Hand auf die Brust und sagte den Geschworenen "Danke". Es war das zweite Mal, dass Spacey in einem Verfahren wegen sexueller Belästigung für nicht schuldig befunden wurde: 2022 wurde er in New York von jeglichem Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Schauspieler Anthony Rapp freigesprochen, der behauptet hatte, Spacey habe ihm 1986 unerwünschte sexuelle Avancen gemacht, als Rapp 14 und Spacey 26 Jahre alt war.

Die Entscheidung der Londoner Geschworenen ist nicht nur ein Schlag gegen Spaceys Ankläger, sondern auch gegen das anklagende Klima der #MeToo-Ära. "Glaubt dem Opfer" war der Ruf unserer Zeit. Aber diese 12 Männer und Frauen, die aus dem Alltag gegriffen sind, haben den Anklägern nicht geglaubt. Oder besser gesagt, sie waren nicht von den Behauptungen der Ankläger überzeugt. Nach einer monatelangen Beweisaufnahme und einer 12 Stunden und 26 Minuten dauernden Beratung der Geschworenen brachten diese Volksvertreter ihre Skepsis gegenüber den Dingen zum Ausdruck, die Spacey vorgeworfen wurden. Sie taten nicht das, was die aufgeweckten Eliten heutzutage von uns allen erwarten - nämlich jedem Vorwurf sexueller Übergriffe sofort zu glauben -, sondern das, was eine demokratische, aufgeklärte, faire Kultur verlangt: dass wir nachdenken, diskutieren, Dinge abwägen und immer nach der Wahrheit suchen. Dass wir ein rationales Urteil fällen und nicht vorschnell urteilen.

Die Entscheidung der Geschworenen ist in gewisser Weise ein Akt des Widerstands gegen unser unversöhnliches Klima der sofortigen Überzeugung und der wütenden Denunziation. Es lohnt sich, an die Behandlung zu erinnern, die Spacey und andere berühmte Männer erfahren haben, denen sexuelle Übergriffe vorgeworfen wurden.Alle wurden von der Social-Media-Meute schnell für schuldig befunden. "NATÜRLICH glauben wir dir", twitterten Influencer als Reaktion auf Rapps Anschuldigungen gegen Spacey. Spacey wurde aus Hollywood verdrängt. Millionen von Dollar wurden ausgegeben, um ihn in Ridley Scotts Film "All the Money in the World" (2017) durch Christopher Plummer zu ersetzen, als ob die Zuschauer in einem Dunst von emotionalem Schmerz vergehen würden, wenn sie diesen bösen, beschuldigten Schauspieler zu Gesicht bekämen. Spaceys Anwältin im Fall Rapp hatte sicherlich Recht, als sie "eine der Kardinalregeln der sogenannten #MeToo-Bewegung" kritisierte - "dass man dem Opfer glauben muss".

Gegen die fieberhafte Vorverurteilung des elitären #MeToo-Projekts, gegen die vorschnelle, grenzwertig stalinistische Denunziation berühmter Menschen allein aufgrund von Anschuldigungen sagte diese Jury in London: "Nein. Wir ziehen es vor, Vernunft walten zu lassen". Ihr Widerstand gegen den kulturellen und medialen Druck, jeder Anschuldigung Glauben schenken zu müssen, mutet fast herkulisch an. Selten wurde deutlicher, dass Geschworenengerichte oft eine Oase der Vernunft und Objektivität in einem turbulenten Meer von Zensur durch den Mob sind. Dieses Urteil erinnert daran, dass die Vernunft selbst in diesen fiebrigen, rachsüchtigen Zeiten noch vorhanden ist, und dass sie viel eher bei den "Proleten" zu finden ist als bei den Einflusseliten. So wie das Urteil zugunsten von Johnny Depp gegen Amber Heard im vergangenen Jahr sowohl wie ein spezifisches Urteil als auch wie ein Akt moralischer Kritik an #MeToo wirkte, so sagt dieser Freispruch von Spacey im Wesentlichen: "Wir lassen uns von eurem unversöhnlichen Klima nicht beeinflussen. Wir werden stattdessen unsere Vernunft walten lassen.

Ob dies das Ende von #MeToo ist, bleibt natürlich abzuwarten. Mir scheint, dass die Erteilung von heiligen, unanfechtbaren Anschuldigungen für das kulturelle Establishment ein zu nützliches Instrument ist, als dass es jetzt aufgegeben werden könnte. #MeToo hat es den kulturellen Eliten ermöglicht, Einzelpersonen zurechtzuweisen, neue Kontroll- und Aufsichtskulturen zu schaffen und die Karrieren ganz neuer Schichten von korrekt denkenden Aktivisten und Akteuren zu fördern. Und doch stellt die stetige, maßvolle Entscheidungsfindung dieser Männer und Frauen in Southwark zweifellos die Raserei dessen in Frage, was sich in unseren #MeToo-Zeiten oft wie sexueller McCarthyismus angefühlt hat. Der nächste Schritt wird sicherlich die Rehabilitierung von Spaceys Karriere sein: Hollywood wird geradezu mittelalterlich wirken, wenn es einen Mann, der keines Verbrechens für schuldig befunden wurde, weiterhin verbannt. Danach sollte es eine umfassendere Abrechnung mit der Denunziationskultur unserer Zeit und ihren schrecklichen Folgen für die Vernunft, die Gerechtigkeit und die alltäglichen Beziehungen geben.


Die Männerrechtsbewegung und Genderama haben sich den Hosianna-Rufen auf MeToo nie angeschlossen, sondern immer auf die Schattenseiten dieser Bewegung hingewiesen. Eine der Folgen besteht darin, dass wir selbst vom Establishment gecancelt werden beziehungsweise gar nicht erst eine Stimme erhalten. So wie die Leitmedien momentan aufgestellt sind, leben wir in düsteren Zeiten. Inzwischen kann man darauf nur noch mit einem herzhaften "Fickt euch!" reagieren. Wenn ihr die gespaltene Gesellschaft unbedingt herbeischreiben wollt, dann können wir euch dabei sowieso nicht aufhalten. Ihr seid dann eben der Mob mit den Fackeln und Mistgabeln, und wir halten an den Errungenschaften der zivlisierten Gesellschaft wie der Unschuldsvermutung fest.

Beim "Stern" versucht auch heute noch Dagmar Seeland das Feuer am Köcheln zu halten: "Warum im Fall Kevin Spacey Freispruch nicht Unschuld heißt." Es ist abstoßend.



2. Die Rechtsanwälte des Rammstein-Sängers Till Lindemann berichten per Presseerklärung über ihren aktuellen juristischen Sieg:

Die YouTuberin Kayla Shyx (bürgerlicher Name Kaya Loska) hatte über ihren YouTube-Kanal am 05.06.2023 ein Video mit dem Titel "Was wirklich bei Rammstein Afterpartys passiert" hochgeladen, welches bis heute 5,8 Millionen Mal abgerufen wurde. In diesem Video hatte sie unter Berufung auf Shelby Lynn und andere angebliche Zeuginnen u.a. behauptet, Mädchen seien bei Rammstein-Konzerten von Till Lindemann unter Einfluss von Drogen, K.O.-Tropfen und Alkohol sexuell missbraucht worden.

Nachdem Kayla Shyx gegenüber unserem Mandanten schon eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu zwei Aussagen abgegeben hatte, wurden ihr nun weitere, wesentliche Passagen aus dem Video per einstweiliger Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 24.07.2023 (Az. 324 O 264/23) untersagt. Verboten wurden die nachfolgend wiedergegebenen Kernvorwürfe, die das Landgericht in seinem Beschluss unterstrichen hat:

"Vor circa einer Woche war ein Mädchen namens Shelby bei seinem Konzert und wurde dort unter Drogen gesetzt, ist mit blauen Flecken und Druckspuren an ihrem ganzen Körper aufgewacht und war mutig genug, sich dazu öffentlich zu äußern. Was eine Welle an Opfern losgelöst hat, die das Gleiche beim Rammstein-Konzert erlebt haben."

"Dann wird bei der After-Party Till Lindemann reingebracht. Die Mädchen werden besoffen gemacht, sie trinken zusammen mit ihm. Anscheinend werden bei einigen Mädchen auch K.O.-Tropfen reingemacht, weil es gibt jetzt schon so viele, die berichtet haben, dass sie keine Erinnerungen haben, dass sie die Tage danach gezittert haben, gekotzt haben, dass sie nicht bei sich waren. Einige davon haben geschrieben, sie sind in seinem Hotelzimmer aufgewacht, mit Wunden, mit aufgerissenen Klamotten, sie sich nicht erinnern können, was passiert ist, aber sie wissen, sie spüren, sie hatten Sex. Das heißt, es werden Fan-Girls da reingebracht, sie werden besoffen gemacht und dann sucht er sich aus, mit wem er Sex haben will."

"Das ist so hart. Sie wurde halt vor dem Konzert so wie Shelby und viele andere gedrugt und schreibt, dass sie am Ende Sex mit ihm hatte und zwar komplett unter Drogen gestellt Das sind so viele Fälle. Das ist so schlimm. Oh Digger."

"Und ich war so, Digger, das macht es noch tausendmal schlimmer, dass dort alle wissen, es ist genauso eine Scheiße wie bei so R. Kelly und diesen ganzen pädophilen Vergewaltigern, die irgendwelche 15-jährigen ficken wollen."

"Und dass jetzt so viele Mädchen auch gesagt haben, dass sie unter K.O.-Tropfen waren und sich an nichts erinnern können, ist halt so herzzerreißend. Oder dass sie spüren, dass sie blutend aufwachen und wissen, dass ihnen was passiert ist, woran sie sich aber nicht erinnern können. Das ist so schlimm."

"Es passiert jetzt gerade. Auf der ganzen Welt nutzen Männer ihre Machtposition aus Mädchen sexuell zu missbrauchen, weil sie so ein ganzes riesen fucking System um sich herum haben, beschützt zu werden. Und es ist einfach nichts Neues. Wir wissen, dass sowas passiert. Und Till Lindemann ist einer davon."

Das Landgericht Hamburg begründet seine Entscheidung damit, dass es sich bei den Kernvorwürfen um prozessual unwahre Tatsachenbehauptungen bzw. Bewertungen handele, für die es keine Anknüpfungstatsachen gebe, weil es an einer entsprechenden Glaubhaftmachung fehle.

Damit mangelt es weiterhin an jeglichem Beweis für die Richtigkeit der nicht nur von Kayla Shyx erhobenen Vorwürfe.

Parallel zu dem Verfügungsverfahren gegen Kayla Shyx läuft seit dem 29.06.2023 ein weiteres Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Hamburg gegen Shelby Lynn. Im dortigen Verfahren verzögert sich die Entscheidungsfindung aufgrund des im Ausland liegenden Wohnorts der Antragsgegnerin. Wir rechnen aber in den nächsten Tagen mit einer stattgebenden einstweiligen Verfügung gegen Shelby Lynn, die mit ihren Anschuldigungen in den sozialen Netzwerken die Welle schwerer und bis heute unbewiesener Vorwürfe gegenüber unserem Mandanten ausgelöst hatte.


Die Legal Tribune kommentiert die Auseinandersetzung der Lindemann-Anwälte mit der Zeitschrift SPIEGEL:

Das LG Hamburg bleibt in seiner Entscheidung der Abgrenzung treu, die es auch im von Lindemann gegen den Spiegel erwirkten Beschluss gezogen hatte. Nach diesem Beschluss sind Verdächtigungen verboten, die Lindemann unterstellen, K.O.-Tropfen, Drogen einzusetzen oder junge Frauen betrunken zu machen, um anschließend mit ihnen Sex zu haben. Erlaubt sind hingegen Schilderungen von Frauen von Sexerlebnissen mit Lindemann, in denen diese Erinnerungslücken angaben. Die Verbreitung des Verdachts, dass Lindemann mit ihnen sexuelle Kontakte hatte, obwohl sie nicht mehr "Herrinnen ihrer Sinne" waren, sei zulässig, so das LG im Spiegel-Beschluss. Auch im Shyx-Beschluss werden Behauptungen zum Einsatz von Drogen durch Lindemann untersagt. Die Schilderungen von Sexerlebnissen mit Frauen waren hingegen nicht streitgegenständlich.

Unterdessen greifen sich Lindemanns Rechtsanwälte und der Spiegel gegenseitig öffentlich an. Während Rechtsanwalt Bergmann dem Spiegel im Interview mit Cicero unter dem Zitattitel "Schlimmer als 'Bild'" einen "reißerischen Stil" vorwirft, rechtfertigt dieser seine Berichterstattung in einem eigenen Artikel und keilt in Richtung Schertz Bergmann zurück.

Dabei moniert das Nachrichtenmagazin zunächst, dass es "sehr einseitige" Berichterstattung über den Beschluss des LG gegeben habe. Der Bericht des Spiegel liest sich indes auch nicht gerade neutral. Er schreibt, das Gericht sei "neben zwei kleineren Punkten" "nur bei einem der vielen relevanten Sachverhalte" zu einer anderen Bewertung gekommen. Doch dabei handelt es sich um einen zentralen Vorwurf gegen Till Lindemann, nämlich den Verdacht der Vergabe von K.O.-Tropfen. Auch hat der Spiegel die überwiegenden Prozesskosten zu tragen.

Weiter lässt sich der Spiegel zu Gerichtsschelte gegen das LG Hamburg hinreißen und bezeichnet die Pressemitteilung der Lindemann Anwälte als "übermotiviert" und "handwerklich schlampig". In der Pressemitteilung der Anwälte war davon die Rede, dass dem Spiegel Tatsachenbehauptungen untersagt worden seien, obwohl es tatsächlich Verdachtsäußerungen waren. Der Spiegel kündigt an, hiergegen juristisch vorzugehen.

Der Erfolg dürfte ungewiss sein, da das Verbot einer Verdachtsäußerung weitgreifender ist als das Verbot einer Tatsachenbehauptung. Denn es bedeutet, dass nicht einmal über den Verdacht eines vermeintlichen Ereignisses berichtet werden darf. Sofern der Spiegel nun beklagt, es sei unterschlagen worden, dass ihm "nur" ein Verdacht verboten wurde, könnte dem entgegnet werden, dass "sogar" ein Verdacht verboten wurde.


Auch eine Berlinerin, die mit einer Petition drei Konzerte Rammsteins verhindern wollte, bekommt mit dieser Kanzlei nun juristische Probleme. Die Frankfurter Rundschau gibt den Angreiferinnen eine Plattform und schlagzeilt Aktivistinnen auf Radar von Lindemanns Anwälten: "Soll uns stoppen und mundtot machen"

Österreichs "Standard" beschreibt derweil den Rammstein-Auftritt in Wien als "deutsch und hart und toxisch männlich":

Tun wir einmal so, als ob nichts wäre. Wir haben vor dem ersten von zwei Konzerten der Band Rammstein im Wiener Ernst-Happel-Stadion draußen von der Gegendemonstration "Keine Bühne für mutmaßliche Täter" nichts mitbekommen. Frontmann Till Lindemann ist ja seit Mai 2023 wegen seines kolportierten Lebenswandels abseits, hinter und unter der Bühne sowie eidesstattlicher Erklärungen von mutig an die Öffentlichkeit gegangenen Opfern bezüglich mutmaßlicher Sexualdelikte und der Abgabe von K.-o.-Tropfen etwas ins Gerede gekommen. Sprich, der Kasperl wurde zum Krokodil.

Bei einem Rundblick im Stadion wird eines klar. Die tausendfach in schwarzen Rammstein-T-Shirts steckenden, durchaus fröhlichen und enthusiastischen, oder aber auch einfach nur Schwarz oder schlichtes Schwarz tragenden Besucher und Besucherinnen haben meist ebenfalls trotzig wie unsereins an Arik Brauers alten Schlager Sein Köpferl im Sand gedacht: Wir haben nichts gesehen, nichts gespürt, nichts gehört und nichts gerochen. Wir haben uns nichts dabei gedacht, wir reden nicht darüber – und dagegen etwas tun, das tun wir schon gar nicht! Es ist ja nichts gewesen! Es gilt das Wort des Jahres: Unschuldsvermutung!

(…) Ein weiser Mann hat einmal geschrieben: "Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein." Vielleicht sind Till Lindemann bei seiner Tabus nach Exerzierplan brechenden Tour durch die dunklen Seiten der Seele irgendwann über die Jahre die Grenzen zwischen künstlerischer Position und privater Person durcheinandergeraten. Kann passieren, shit happens. Adieu, Rammstein.




3. Der auf Sexualstrafrecht spezialisierte Rechtsanwalt Alexander Stevens erklärt, warum Ines Aiolis Anklage gegen Luke Mockridge abgelehnt wurde:

Stevens behauptet im RTL-Interview, dass die Staatsanwaltschaft völlig zurecht das Strafverfahren gegen Mockridge eingestellt habe und bringt dabei folgende Punkte an:

"Anioli hatte in ihrem Podcast zunächst noch von einer ‘toxischen Beziehung’ (nicht etwa: Ich wurde vergewaltigt) gesprochen und den vermeintlichen Übergriff noch ganz anders geschildert als in ihrer Strafanzeige."

"Im Rahmen der Strafanzeige kam dann auch der eigentliche Grund der Trennung heraus, der mitnichten die angebliche Vergewaltigung, sondern ein Flirt mit einer Sängerin war, worauf Anioli mit ihrem von Luke überlassenen Zweitschlüssel in seine Wohnung eindrang und diese so schwer verwüstete, dass sie vorübergehend unbewohnbar war."

"Auch eine WhatsApp-Nachricht die da lautet: ‘Du machst es mir so leicht meine nächsten Schritte zu planen’, wurde öffentlich nie erwähnt, gleichwohl Anioli Luke diese Nachricht nur kurze Zeit vor der Strafanzeige geschickt haben soll."

"In dem Strafverfahren selbst verhält sich Anioli höchst kontraproduktiv: So lässt sie sich nicht aussagepsychologisch begutachten und stimmt auch einer audio-visuellen Aufzeichnung ihrer polizeilichen Vernehmung nicht zu (aber öffentlich in einem Podcast drüber reden?!) – übrigens alles Standard-Maßnahmen im Sexualstrafrecht."

"Last but not least behauptet Anioli in einem Spiegel-Artikel nach der Einstellung des Strafverfahrens gegen Luke und dessen Bestätigung durch die Generalstaatsanwaltschaft den Rechtsweg ausgeschöpft und den ‘Glauben in die Justiz verloren’ zu haben, doch auch das ist leider nicht nachvollziehbar: Denn Anioli wäre es freigestanden, ein sog. Klageerzwingungsverfahren durchzuführen und da stellt sich für mich als Strafjurist die Frage, warum jemand, der doch fest davon überzeugt ist ‘im Recht zu sein’ dann nicht auch die entsprechenden Rechtsmittel ausschöpft?"


Ines Anioli wollte sich auf RTL-Anfrage zu diesen Punkten nicht äußern.

Gegen Luke Mockridge hatte es zwischenzeitlich Stimmungsmache unter anderem durch die Schauspieler und Comedians Maren Kroymann und Hazel Brugger gegeben.



4. In Großbritannien kam gestern ein Mann frei, der 17 Jahre unschuldig wegen Vergewaltigung im Knast gesessen hatte. Er bezeichnet seine Haft als "Entführung durch den Staat". Polizei und Gerichte hätten seine Gesuche wiederholt ignoriert - bis das Berufungsgericht ihn am Mittwoch aufgrund von DNS-Beweisen entlastete.

In einer emotionalen Erklärung beschuldigte er die Polizei von Greater Manchester, "Lügner" zu sein, und sagte, die letzten anderthalb Jahrzehnte seien ein Albtraum gewesen, in dem er sich oft gefragt habe, ob er getötet werden oder sich im Gefängnis das Leben nehmen würde.

"Als eine Minderheit von einem bist du gezwungen, ihre falsche Fantasie zu leben", sagte er vor Reportern.

(...) Herr Malkinson sagte, dass er trotz seiner Freisprechung nun "arbeitslos und obdachlos ist und von ihm erwartet wird, wieder in die Welt zu schlüpfen, ohne dass das Loch, das sie in meinem Leben aufgerissen haben, anerkannt wird".

Er sagte: "Ich habe 17 Jahre damit verbracht, auf der Hut vor jeder Bedrohung zu sein; 17 Jahre lang habe ich die Minuten bis zum Einschluss gezählt, um hinter meiner Tür in Sicherheit vor anderen Gefangenen zu sein, in Sicherheit vor meinen eigenen Gedanken, in der Vorstellung, dass ich dort sterben würde. Vielleicht wurde ich in der Küche von einem Mitgefangenen ermordet, oder ich starb nachts in meiner Zelle an Unterzuckerung, oder ich wurde von dem System in den Wahnsinn getrieben und starb durch meine eigene Hand."

Er sagte, die Polizei, der Gefängnisdienst und das Bewährungssystem hätten immer wieder darauf bestanden, dass er ein Lügner sei. "Sie behaupteten, ich würde leugnen, und ließen mich 10 Jahre länger im Gefängnis sitzen, weil ich kein falsches Geständnis ablegen wollte", so Malkinson.




Mittwoch, Juli 26, 2023

Spiegel-Online: "Feministin? Die meisten Frauen sagen: Bloß nicht!"

1. Auf Spiegel-Online erörtert René Pfister, warum sich die meisten Frauen nicht als Feministinnen bezeichnen wollen:

Laut einer Erhebung aus dem Februar 2023 sagen nur 15 Prozent der Deutschen, sie würden sich als Feministen bezeichnen. Gleichzeitig geben 83 Prozent der Befragten an, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte und den gleichen Status haben sollten. Eine deutliche Mehrheit der Deutschen – 61 Prozent – beklagt, dies sei nicht der Fall. Trotzdem liegt selbst bei Frauen die Zahl derer, die sich Feministinnen nennen würden, nur bei 20 Prozent.

Es ist ein Befund, der zunächst rätselhaft widersprüchlich erscheint: Warum, um Himmels willen, identifizieren sich nicht mehr Frauen mit einer Bewegung, die doch nichts anderes will, als sich für die Rechte von Frauen einzusetzen? Und deren Vertreterinnen ständig in Talkshows sitzen und in großen Zeitungen über ihre Ziele schreiben?


Die Antwort könne darin liegen, was Feministinnen von sich geben. Jutta Allmendinger etwa erkläre, "dass nur hoffnungslos naive Frauen sich auf eine eher traditionelle Arbeitsteilung in einer Ehe einlassen", während Teresa Bücker & Co "für das Ende der Ehe insgesamt" plädieren. Währenddessen, führt Pfitzer weiter aus, wünschen sich zwei Drittel aller jungen Frauen eine Ehe mit Kindern.

Aber wer so argumentiert, denkt viel zu schlicht für die moderne Feministin, die ständig damit beschäftigt ist, finstere Machtverhältnisse zu dekonstruieren, die eine einfache Krankenschwester leider nicht durchschaut und die selbst akademisch gebildete Frauen kaum entwirren können. Wenn Sie mich fragen: Solange der Feminismus Verteidigerinnen wie Allmendinger und Bücker hat, braucht er keine Feinde.


Dies zeige sich auch bei der Debatte zum Ehegattensplitting:

Es ist – bei Lichte betrachtet – ein sehr vernünftiges Modell, das aber in den Augen vieler Feministinnen immer nur auf ein Fallbeispiel zusammenschnurrt: das romantisch verblendete Heimchen am Herd. "Mütter steigen nach der Geburt eines Kindes viel länger aus als Väter und kehren in den meisten Fällen nur noch in Teilzeit in den Job zurück", sagte Allmendinger in einem SPIEGEL-Gespräch. Das sei das "Hauptübel".

Dass etliche Frauen dies genauso wollen, kommt in Allmendingers Vorstellungswelt offenbar gar nicht vor. Meine Kollegin Anna Clauß schrieb vor ein paar Tagen, dass viele Mütter lieber zu Hause bei ihren Kindern blieben, "als stundenlang in Meetings zu hocken". Aus der Sicht des modernen Feminismus ist das ein hoffnungslos rückständiger Satz – zumindest, wenn er bedeutet, für Kinder auf Karriere zu verzichten.

Dabei lässt sich sehr gut nachweisen, dass Annas Sichtweise sehr weit verbreitet ist. "Während populäre Bücher davor warnen, sich in ›Teilzeitfallen zu manövrieren‹, und Zeitungen schreiben, dass nur die ›Kümmerfalle noch tückischer ist als die Teilzeitfalle‹, zeigten Daten und wissenschaftliche Studien ganz im Gegenteil, dass Frauen in dieser vermeintlichen Falle recht zufrieden waren", schreibt der Saarbrücker Soziologe Martin Schröder.

In diesem Frühjahr hat Schröder ein Buch veröffentlicht, in dem er schreibt, der Wunsch von Frauen, ihre Männer sollten sich um die Kinder kümmern, habe in den vergangenen zehn Jahren deutlich ABGENOMMEN. Gleichzeitig zeige eine Umfrage, dass sich Frauen in Beziehungen freier fühlten als ihre Partner. Allmendinger verfasste daraufhin eine aufgebrachte Erwiderung. Wenn Frauen zufriedener seien, als der Feminismus annehme, müsse man die Frage stellen, ob sie nicht der "Biologie" oder "erlernten Verhaltensmustern" folgten – was wohl heißen soll, dass man Frauen lieber nicht trauen sollte, wenn sie sagen, was sie denken.

Wenn es ein Markenzeichen des modernen Feminismus gibt, dann ist es seine Ignoranz für die Frage, ob er die Interessen der Frauen überhaupt vertritt. Gerade in den USA verliert er sich lieber in Grabenkämpfen, statt zu ergründen, warum Donald Trump, der wohl sexistischste Präsident der jüngeren Geschichte, seine Zustimmung bei weiblichen Wählern noch steigern konnte: von 39 Prozent im Jahr 2016 auf 44 Prozent im Jahr 2020. Es ist eine Frage, die echte politische Relevanz hat.




2. In einem neuen Beitrag für den ARD-Kanal "Y-Kollektiv" geht es um das Thema "Frauen gegen Frauenrechte – Das Phänomen Antifeminismus".

Nachdem die Y.Kollektiv-Reporterin Eva Müller, die sich selbst als Feministin versteht, entdeckt, dass auf Instagramm und TikTok Frauen zuhauf Feminismuskritik äußern, besucht sie für ein Interview "drei Frauen, die sich offen gegen den Feminismus stellen". Dabei wirkt sie kontinuierlich durch die ungewohnten Perspektiven überfordert und reagiert immer wieder auf entgeisterte Weise: "Mir war nicht klar, dass es so viele Menschen gibt, die Feminismus für gefährlich halten." (Das ist nachvollziehbar, wenn jemand für die ARD arbeitet und sich auch privat nur mit Gleichgesinnten umgibt.) Befragt, was sie denn am Feminismus störe, sprechen die befragten Frauen den Hass auf Männer an, die Abwertung von Hausfrauen und Müttern sowie "toxische Weiblichkeit", die mit dieser Ideologie verbunden sei. Eine Frau zeigt sich "genervt von der Opferrolle" und behauptet sogar zutreffend, "Frauen hätten hier längst die gleichen Rechte wie Männer". Wie soll das eine feministische Jounralistin nicht verstört machen?

Eva Müller berichtet weiter, dass diese Frauen hasserfülltes Online-Mobbing erfahren, etwa Aufforderungen, sich umzubringen. Sie kommentiert das so: "Mein Eindruck ist: Maxaline ist Teil einer Online-Bubble, in der viel Hass herrscht und in der der Begriff Feminismus oft als Kampfbegriff für Männerhass missbraucht wird." Sie besucht die Meldestelle Antifeminismus, die unkritisch als Teil des Kampfs gegen Rechtsextremismus vorgestellt wird, und wo ihre Initiatorin Judith Rahner darüber klagt, dass viele "antifeministische Vorfälle" nicht angezeigt würden, weil sie unter der Strafbarkeitsgrenze liegen. Dass Antifeminismus kein Straftatbestand sei, scheint sie zu bedauern. "Hat da die Politik was versäumt?" fragt Eva Müller einfühlsam, und befragt dazu die Soziologin Mareike Bauer, die Antifeminismus als eine menschenfeindliche Gefahr für die Demokratie charakterisiert.

Zuletzt interviewt Müller eine Mutter, die problematisiert, dass an den Schulen Kinder, die "keine Feministen, keine Emos und keine Klimaaktivisten" sind, ausgegrenzt werden. Die einseitige Y-Kollektiv-Reportage dürfte diese Tendenz verstärken: Die Feminismuskritikerinnen werden von dem Text, den Eva Müller über die Filmausschnitte spricht, immer wieder als dubios abgewertet und "berichtigt", während Müller Mitglieder des eigenen Lager als sachkundige Experten präsentiert.

Eine der gezeigten Frauen ist über die Art, wie sie in der Sendung präsentiert wurde, dementsprechend wenig begeistert.



3. Die linken Nachdenkseiten haben der Meldestelle Antifeminismus die Meldestelle Antifeminismus als Fall von Antifeminismus gemeldet.



Montag, Juli 24, 2023

"Datinghölle der Akademikerinnen", Rechtsruck in Spanien, Rammstein-Debatte

1. Für "Die Zeit" hat Wlada Kolosowa die US-amerikanische Anthropologin Marcia Inhorn interviewt, die ihrerseits 150 Frauen befragt hat, die ihre Eizellen einfrieren ließen. Der Grund dafür, berichtet Inhorn, sei ein gesellschaftliches Missverhältnis.

Inhorn: Meine Interviewpartnerinnen haben nicht mit Mitte oder Ende 20 beschlossen: Ich vertage meinen Kinderwunsch, um mehr Zeit für Selbstfindung oder die Karriere zu haben. Zum Zeitpunkt des Einfrierens waren sie im Schnitt fast 37 Jahre alt und hatten jahrelang einen Partner gesucht, der mit ihnen eine Familie gründen will. Mit dem Eingriff kaufen sie sich Zeit für die Suche nach einem passenden Vater.

ZEITmagazin ONLINE: Warum war die Suche so schwer für sie?

Inhorn: (…) In den USA gibt es ein großes Missverhältnis zwischen gut ausgebildeten Frauen und Männern: An den Unis und weiterbildenden Schulen studieren 27 Prozent mehr Frauen als Männer, in Kanada, UK und Australien sieht es ähnlich aus. Es gibt also mehr Akademikerinnen als Akademiker, die eine Familie gründen wollen. Dieser Mangel an verfügbaren, gebildeten Partnern führt zu einem Phänomen, das ich als mating gap bezeichne – eine Paarungslücke.

ZEITmagazin ONLINE: Gibt es dieses Bildungsmissverhältnis auch in anderen Ländern?

Inhorn: Das gibt es in den allermeisten Ländern. Weltweit gab es 2020 im Schnitt 13 Prozent mehr Frauen an Hochschulen als Männer. In Europa gibt es im Schnitt 20 Prozent mehr Frauen an den Hochschulen. (…) Forschende aus UK und Australien kommen zu ähnlichen Ergebnissen wie ich: Frauen frieren ihre Eizellen ein, weil sie keine passenden Partner finden.

(…) ZEITmagazin ONLINE: Der Soziologe Hans-Peter Blossfeld, der die Lebensläufe von mehr als 100.000 Menschen in Deutschland untersucht hat, stellte fest, dass Akademikerinnen und schlecht ausgebildete Männer es am schwierigsten auf dem Datingmarkt haben. Das lässt sich auch auf deutschen Datingplattformen beobachten, die sich an gut ausgebildete Singles richten.

Inhorn: Eine der möglichen Lösungen wäre natürlich, dass die Ärztin einen Krankenpfleger heiratet. Aber das passiert kaum. Viele Frauen, mit denen ich gesprochen habe, wünschen sich einen Partner, der ähnlich gebildet oder noch erfolgreicher ist als sie. Sie sagten: Bei der wichtigsten Entscheidung meines Lebens will ich meine Ansprüche nicht aufgeben. Da muss ich ehrlich sagen: Heterosexuelle Akademikerinnen, die in einer Partnerschaft Kinder bekommen wollen, müssen offener werden. Es gibt einfach nicht genug gebildete Männer.

(…) ZEITmagazin ONLINE: Auch die Frauen, die sich auf weniger gebildete Männer einlassen, berichten in den Interviews mit Ihnen von gescheiterten Dates.

Inhorn: Das stimmt. Ein Wort, das in ihren Erzählungen häufig fiel, war Einschüchterung. Eine Interviewpartnerin erzählte von einem Date, das vielversprechend schien, bis sie den Mann zu sich nach Hause einlud. Der Mann sah zum ersten Mal ihre Eigentumswohnung, ihr teures Auto. Er meldete sich nie wieder. Ich hörte viele solcher Geschichten.


Das ist ein bemerkenswertes Interview. Als Frauen noch weniger verdient haben, als Männer, hieß es in unseren Medien "die armen Frauen", und Feministinnen kamen vielfach zu Wort. Jetzt, da das Ungleichgewicht zunehmend zu Lasten der Männer geht … heißt es immer noch "die armen Frauen", und natürlich werden keineswegs die Opfer der "Jungenkrise" befragt – und schon gar nicht die Männerrechtler, die schon vor 25 Jahren auf genau diese sich abzeichnende Entwicklung hingeweisen haben. Aus Sicht der Medien steckt die gut verdienende Frau in der "Datinghölle", wenn sie zunächst partnerlos bleibt. Männer in derselben Situation werden als "Incels" geschmäht. Ihre Situation wird für die Leitmedien dann erwähnenswert, wenn sich daraus Folgeprobleme für Frauen ergeben.



2. Ebenfalls in der "Zeit" findet man einen Beitrag darüber, wie die feministische Politik Spaniens zum Erstarken der rechten Partei "Vox" geführt hat. Ein Auszug:

Guillermo Fernandéz Vázquez ist Politikwissenschaftler an der Universität Complutense in Madrid. Er sagt, dass die Vox-Partei vor allem wegen ihrer antifeministischen Haltung beliebt sei, hauptsächlich bei jungen Männern. "Das ist eine Reaktion auf den institutionalisierten Feminismus und ein Protest gegen vermeintliche feministische Cancel Culture." Frauen würden die Partei kaum wählen. Umfragen bestätigen das. Demzufolge wollen bei den Parlamentswahlen nur 5,3 Prozent aller Frauen für Vox stimmen, aber durchschnittlich 12,3 Prozent aller Männer. Schon bei den Kommunalwahlen in der Region Castilla y León im vergangenen Jahr waren junge Männer die größte Wählergruppe der Partei.

Dass Vox damit gewinnt, hat mit den vergangenen Jahren zu tun, in denen die spanische Regierung progressive, feministische und queerpositive Gesetze verabschiedete, und damit auch international Aufsehen erregte. Es gibt ein Gesetz über Sexual- und Reproduktionsgesundheit, das menstruierenden Personen ermöglicht, bei Menstruationsbeschwerden nicht zu arbeiten. Ein weiteres erlaubt, den Geschlechtseintrag im Ausweis und anderen offiziellen Dokumenten mit einer einfachen Erklärung gegenüber den Behörden zu ändern. Medizinische Gutachten sind dafür in Spanien nicht mehr nötig.

(…) Diese Stärkung weiblicher und queerer Selbstbestimmung stellt Vox als männerfeindlichen Akt einer Großstadtelite dar und als ideologisch motivierte Freiheitseinschränkung für Männer. "Vox inszeniert sich dagegen als Partei der Rebellion und Freiheit", sagt der Politikwissenschaftler Fernandéz Vázquez. Das komme insbesondere bei jungen Männern an, von denen laut einer im Mai 2023 veröffentlichten Studie der Fundación Fad 44,7 Prozent sexistische Ansichten vertreten. Befeuert von ähnlich denkenden Influencern mit extrem großer Reichweite fühlten sie sich durch die feministische Agenda der Regierung angegriffen und gekränkt. Vox verspricht Abhilfe. Eine Stimme für die Partei ist dann nicht nur ein Akt des Widerstandes gegen die männliche Kränkung, sondern auch eine Rebellion gegen "die da oben" insgesamt: Wenn die feministische Regierung links ist, kommt die Gegenkultur von rechts.


Wir hätten dieses Problem nicht, wenn die etablierten Parteien auch männerfreundlichen Politikansätzen und Initiativen eine Stimme gewährt hätte. Aber so weit denkt man bei der "Zeit" natürlich nicht.

Bemerkenswert bleibt: In Spanien lässt man lieber eine radikal rechte Partei ans Ruder, als eine dezidiert männerfreundliche Politik anzubieten.



3. Bei den Schweizern ist – trotz aller Mehrheiten dagegen – die Gendersprache im schulischen Bereich weiter auf dem Vormarsch:

Das zeigt das kantonale Gymnasium [in Chur]. Die Bündner Kantonsschule, wie die Bildungsstätte heisst, nimmt’s ernst mit den Pronomen und Endungen. Es segelt durch die Matura, wer nicht konsequent die neue Sprachnorm anwendet.

Sprich: Zu verwenden ist immer sowohl die männliche als auch die weibliche Form an jenem Gymnasium, wo die zukünftige Elite der wichtigen Region geformt wird.

"Wir verlangen seit etwa drei Jahren bei der Matura-Arbeit eine diskriminierungsfreie Sprache", bestätigt der Rektor des Gymnasiums im Hauptort des Berg- und Tourismus-Kantons, Philippe Benguerel. "Dazu gehört auch eine angemessene Berücksichtigung der Verwendung von männlichen und weiblichen Bezeichnungen. Wir finden, das gehört sich für sprachlich neutral gehaltene Arbeiten, die wissenschaftlichen Standards genügen sollen."

Auch für die Jahre vor den grossen Abschlussprüfungen legen die Bündner Wert auf eine möglichst inkludierende Sprache; wer das nicht beherzigt, der muss Bestrafung durch schlechtere Noten gewärtigen.

"Eine diskriminierungsfreie Sprache gilt generell in unserem Schulhaus in der mündlichen und schriftlichen Ausdrucksweise", so der Rektor. "Wo Sprache bewertet wird, kann der Sprachstil Teil der Bewertung sein."

Wenn "*" und "-innen" in der Nordost-Ferienecke des Landes obligatorisch werden, ist der Fall klar: Gendergerechte Sprache hat obsiegt. Duden hin oder her.




4. Anders sieht es in Niederösterreich aus: Wer dort noch gendert, muss ab August Strafe zahlen.



5. In der Türkei wanderte ein Portugiese für 20 Tage hinter Gitter – weil er "schwul aussieht".



6. Das Magazin CICERO hat Simon Bergmann, den Rechtsanwalt des Rammstein-Sängers Till Lindemann zur Verdachtsberichterstattung der Medien interviewt. Bergmann war vor dem Landgericht Hamburg erfolgreich gegen den Spiegel vorgegangen. (Das Gericht sprach von einem fehlenden sogenannten "Mindestbestand an Beweistatsachen" und untersagte dem Hamburger Nachrichtenmagazin Teile seiner Lindemann-Berichterstattung.) Das CICERO-Interview ist sehr lang; selbst wenn ich es auf das aus meiner Sicht Notwwendigste eindampfe, bleibt die entstandene Passage immer noch lang.

CICERO: Herr Bergmann, worauf beruhen die Strafanzeigen gegen Till Lindemann, die die Staatsanwaltschaft Berlin veranlasst haben, Ermittlungen aufzunehmen?

Bergmann: Die Behörden in Vilnius haben ihre Ermittlungen bereits eingestellt mangels hinreichenden Tatverdachts. Die Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft wurden ausgelöst nicht durch Strafanzeigen von Opfern, sondern von zwei Personen und einem Verein, die sich auf die Medienberichterstattung beziehungsweise ein YouTube-Video berufen.

CICERO: Die Berliner Staatsanwaltschaft hat also nicht von Amts wegen ein Verfahren eröffnet, obwohl die Informationen ja öffentlich zugänglich waren, sondern erst reagiert auf die Strafanzeigen?

Bergmann: So, wie wir das der Ermittlungsakte entnehmen können, ist das der Fall. Ob die Behörde da auf öffentlichen Druck reagierte, vermag ich nicht zu sagen. Andererseits: Wir haben nichts dagegen. Ein Ermittlungsverfahren hat den Vorteil, dass die Vorwürfe geklärt werden, und zwar von Profis und nicht von Investigativ-Journalisten. Uns ist es lieber, dass die Staatsanwaltschaft das überprüft, als dass es im Raum stehen bleibt. Solche Fälle kenne ich auch, dass Verdachtsberichterstattung stattfindet, aber parallel überhaupt gar kein Ermittlungsverfahren läuft. Das ist ein neues Phänomen.

(…) CICERO: Erkennen Sie in der jüngsten Verdachtsberichterstattung ein Muster? Ist das eine neue Entwicklung mit Ergebnissen, die man so vor fünf oder vor zehn Jahren noch nicht hatte?

Bergmann: Es drängt sich der Eindruck auf, dass das Thema mit der MeToo-Bewegung und Harvey Weinstein einen ganz neuen Spin gewonnen hat in den Medien. Sie haben bemerkt, dass dieses Thema die Leute triggert. Es erzielt hohe Aufmerksamkeit, alleine schon das Schlagwort "MeToo", und es garantiert hohe Verkaufszahlen, insbesondere im Digitalbereich.

Deswegen werden Sie auch kaum MeToo-Berichte finden ohne Bezahlschranke. Sie erscheinen in der Print-Ausgabe – die man kaufen muss – und häufig im kostenpflichtigen Abo-Bereich, sind dann also nicht frei zugänglich. Der Grund dafür ist, dass man damit auch Geld machen will. Das hat zu einer erheblichen Zunahme unzulässiger Verdachtsberichterstattung geführt und zu einer gefährlichen Verschiebung der Vorgaben.

(…) CICERO: Die Autoren und ein Justitiar des Verlags sagten neulich in einer Video-Diskussion mit ausgewählten Lesern – "Spiegel-Backstage" vom 29. Juni – selbst: "Wir wissen nicht, ob das stimmt, was wir da schreiben."

Bergmann: So ist das. Es gibt Vorwürfe, es gibt Indizien oder Zeugen oder auch nicht. Der Betroffene bestreitet es oder äußert sich nicht. Ob derjenige das getan hat, was jemand behauptet, das weiß man nicht. Das muss das Ermittlungsverfahren klären oder ein Gericht oder es klärt sich von selbst auf. Nur: Solange das eben nicht geklärt ist, hat der Beschuldigte als unschuldig zu gelten. Deswegen gibt es diese strengen Vorgaben vom Bundesgerichtshof über das Bundesverfassungsgericht bis hin zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

(…) Ich habe in letzter Zeit sehr häufig erlebt, dass die Presse in einem sehr frühen Stadium über einen Verdacht, über Vorwürfe berichtet. Das heißt: Es gibt noch gar kein Ermittlungsverfahren. Oder wie beim kanadisch-italienischen Moderator, Schauspieler und Komiker Luke Mockridge, ein anderer Fall, den ich betreut habe: Ein Ermittlungsverfahren ist sogar schon eingestellt worden von der Staatsanwaltschaft mangels hinreichenden Tatverdachts. Es gab eine Anzeige seiner Ex-Freundin, er habe versucht, sie zu vergewaltigen, und daraufhin hat die Staatsanwaltschaft über ein Jahr lang ermittelt.

(…) Bei Mockridge kamen die Ermittler zum Ergebnis: Da ist nichts dran. Widersprüchliche Aussagen, Fremdsuggestion, Eifersucht, sie hat die Wohnung zerstört und ihn dann Monate später angezeigt. Trotzdem hat der Spiegel nach Einstellung der Ermittlungen "berichtet". Und das hat ihm das Hanseatische Oberlandesgericht in zwei Instanzen mit Urteil vom 20. Juni 2023 untersagt. Umso mehr müsste nämlich in solchen Fällen die Unschuldsvermutung gelten. Das ist eben das Problem.

Die Presse achtet nicht mehr darauf, dass es hinreichende Indizien gibt. Dabei gilt: Je schwerer der Vorwurf, umso strenger die Anforderungen. Sexuelle Nötigung, sexueller Missbrauch oder gar Vergewaltigung, noch dazu unter Einsatz von K.O.-Tropfen, sind schwerwiegende Vorwürfe, die der Beschuldigte nie wieder los wird, selbst wenn er in einem Strafverfahren freigesprochen werden würde. Dementsprechend stark müssen die Indizien sein, um berichten zu können.

CICERO: Gehen Sie davon aus, dass solche Rechtsstreitigkeiten und sogar Niederlagen wie jetzt vor dem Hamburger Oberlandesgericht, die ja auch erhebliche Kosten verursachen, von vornherein von den Magazinen in ihren Umsatzerwartungen einkalkuliert werden?

Bergmann: Ich glaube schon, dass man die Risiken bei den Verlagen sieht und bewusst eingeht.

(…) CICERO: Ist das Voyeurismus, der da instrumentalisiert und umsatzmäßig ausgeschlachtet wird? Zumal man vom Privatleben der Band Rammstein so gut wie nichts weiß. Die schotten sich ab und erlauben keine Einblicke, schon gar keine Homestories; was erst recht neugierig macht.

Bergmann: Definitiv. Das ist ja auch mein Kritikpunkt. Die vermeintlichen Täter gehen mit ihrem Privatleben nicht hausieren. Bei Luke Mockridge war das Ermittlungsverfahren eingestellt, als die Berichte begannen, bei Rammstein wurden Verdachtsberichte zum Anlass eines Ermittlungsverfahrens genommen, beim Galeristen Johann König gab es überhaupt kein Ermittlungsverfahren, bis heute nicht, was Die Zeit nicht hinderte, gegen ihn loszulegen.

CICERO: Die Zeit konnte schreiben, was sie will, aber die Staatsanwaltschaft hat das völlig kalt gelassen?

Bergmann: Richtig. So ist es. Die haben das alles kalt geschrieben. Im Fall Johann König gab es überhaupt nichts. Was aber die Zeit nicht daran gehindert hat, immer weiter zu machen. Und da haben wir auch im Fall Lindemann ein Problem. Ich kann natürlich verstehen, und es ist grundsätzlich zulässig, dass die Presse auch ohne ein begleitendes Ermittlungsverfahren über Verdachtsmomente berichtet, denn die Presse hat eine "Wachhund-Funktion". Aber so leichtfertig, wie das inzwischen häufig geschieht, ist das hochproblematisch und wird zu Recht in vielen Fällen von den Gerichten untersagt.

CICERO: Sorry, aber die Berichterstattung soll doch die fehlenden Indizien und Beweise erst liefern. Weil ja alle Angst haben, die Frauen sind alle eingeschüchtert von der Macht der Gegenseite, man werde ihnen ohnehin nicht glauben und so weiter.

Verdachtsberichterstattung à la Spiegel oder Süddeutsche oder Zeit oder NDR ist nach dieser Arbeitsthese der gerechte und seit Weinstein überfällige Ausgleich für die strukturelle Ungerechtigkeit, die gerade Frauen in MeToo-Fällen rund um die Uhr widerfährt.

In der Hoffnung, dass man die Opfer dadurch überhaupt erst dazu bringt, sich zu outen und sich vertrauensvoll an die Redaktion zu wenden, damit sie untermauern, was am Anfang an Vermutungen und Behauptungen und Hörensagen ganz schön wackelig gewesen sein mag.


Bergmann: Auch diese Fälle kenne ich. Die Berichterstattung soll im Nachhinein durch ihre Folgerungen gerechtfertigt und abgesegnet werden. Ich habe sogar davon gehört, dass Pressevertreter anonym Strafanzeigen erstattet haben, um dann über ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren berichten zu dürfen. Der Druck, den die Presse macht, ist jedenfalls enorm. Bei Lindemann wurde ja schon nach kürzester Zeit von den Kommentatoren gefordert, jetzt müsse doch aber die Staatsanwaltschaft mal was machen, da könne man doch nicht einfach zusehen.


In der folgenden Interviewpassage geht Bergmann auf das beliebte Argument ein, es hätten doch zwei Dutzend Frauen Vorwürfe gegen Rammstein erhoben, also müsse da doch wohl "etwas dran" sein. Bergmann führt dazu aus, dass man erst im Rahemn gerichtlicher Schritte gegen Redaktionen überhaupt erfahren kann, was genau diese Frauen dem Rammstein-Sänger vorwerfen. Dabei stelle sich häufig heraus, dass es dabei eben nicht um strafrechtlich Relevantes wie die Verwendung von K.O.-Tropfen geht, sondern allein um das "Casten" von attraktiven Fans für freiwilligen Sex – was man moralisch verurteilen mag oder eben nicht.

Bermann: Eigentlich ist das Intimsphäre pur, ein geschützter Bereich, der die Öffentlichkeit überhaupt nichts angeht. Das hat in einer Berichterstattung nichts zu suchen. Man rechtfertigt es hier damit, dass es darum gehe, dieses "Casting-System" und dessen vermeintliche Perversion zu dokumentieren. Und man will nahelegen, dass die Frauen angeblich mit K.O.-Tropfen in einen Zustand der Bewusstlosigkeit versetzt wurden, weil sie sich nicht mehr an alles erinnern.

CICERO: Das Bild der selbstbestimmten Frau, die Sex mit Lindemann aus welchen Gründen auch immer gezielt sucht, findet nicht einmal als theoretische Möglichkeit statt.

Bergmann: Im Prinzip werden alle Frauen zu Opfern gemacht, die mit einem Prominenten ins Bett gehen. (…) Die Artikel werden manipuliert. In vielerlei Hinsicht. Sie werden kaum einen finden, in dem nicht das Schlagwort "MeToo" ausgebreitet wird. Der Spiegel bewirbt seine MeToo-Berichterstattung, die er hinter der Bezahlschranke Spiegel+ bereithält, marktschreierisch wie ein Baumarkt seine Angebote. Und dann der Name "Harvey Weinstein". Er darf niemals in den entsprechenden Artikeln fehlen.

(…) Deswegen rede ich von Manipulation. Die beiden Fälle werden gleichgestellt. Da steht immer ein Foto von Weinstein dabei, meist vor Gericht, sehr heuchlerisch nach dem Motto "Mit Weinstein begann alles und auch dort begann alles mit einer einzelnen Frau …" – es wird also suggeriert, so könnte auch Till Lindemann enden. Wegen schwerer Sexualstraftaten, was nach aktuellem Sachstand nicht ansatzweise in Betracht kommt und übrigens nicht einmal von den Vorwürfen, die der Spiegel erhebt, gedeckt ist: Zu den K.O.-Tropfen habe ich in der Akte nichts gefunden an Beweismitteln. Der Spiegel rudert an dieser Stelle auch schon zurück und sagt, diesen Verdacht habe er gar nicht erhoben, sondern er sei in erster Linie auf dieses "Casting-System" zu sprechen gekommen und eben auf Machtmissbrauch.

CICERO: Was ist der Machtmissbrauch im Fall Lindemann?

Bergmann: Vergleicht man den mit dem Fall Weinstein, stellt man fest: Der Machtmissbrauch existiert nicht. Was soll das für eine Macht sein? Prominenz des Rockstars soll die Macht sein. Die nutze er aus. Nur: Diesen Vorwurf könnten Sie gegen jeden Prominenten erheben, der mit einer Frau, die vielleicht nicht seine eigene ist, Sex hat.

CICERO: Haben Sie Anhaltspunkte gefunden, dass Ihr Mandant Frauen etwas in Aussicht gestellt oder versprochen hat? Stellt er einen Background-Chor zusammen? Eine Tanzgruppe? Vocals? Oder hat er ihnen umgekehrt mit Karriereende gedroht, wenn sie nicht gefügig sind?

Bergmann: Nichts dergleichen. Das behaupten auch die Frauen nicht, die der Spiegel jetzt als Zeuginnen heranzieht. In den Eidesstattlichen Versicherungen, die ich gesehen habe, ist davon nicht die Rede. Im Gegenteil: Die Frauen sagen überwiegend, dass sie wussten, dass es in der After-Show-Party zu Sex kommen wird, und sie sind trotzdem hingegangen. Lediglich zwei dieser Eidesstattlichen Versicherungen stammen von Frauen, die aus eigener Anschauung berichten. Andere berichten lediglich Atmosphärisches. Und dass sie gegangen sind, als es ihnen unbehaglich wurde.

CICERO: Wurden Frauen daran gehindert, zu gehen, als sie gehen wollten?

Bergmann: Hierzu habe ich in den vom Spiegel überreichten Unterlagen nichts gefunden. Aber: Ich selbst war nie dabei. Ich kann also nur wiedergeben, was ich bisher an gesammelten Aussagen gesichtet habe. Ergebnis: Keine der Frauen sagt, sie sei daran gehindert worden, den Raum zu verlassen. Und keine der Frauen redet von Machtmissbrauch. Im Gegenteil: Die meisten, so verstehe ich jedenfalls die Aussagen, waren an Sex interessiert.

(…) Es hat auch keine der Frauen selbst Strafanzeige erstattet oder selbst Schritte eingeleitet, bis heute nicht. Das ist ja auch ein Indiz dafür, dass sie die Vorgänge selbst als freiwillig angesehen haben. Was bleibt, ist die Darstellung von zwei Frauen, sie könnten sich vorstellen, dass ihnen etwas ins Getränk getan wurde. Das sagen sie nicht ausdrücklich – sie sprechen von Erinnerungslücken. An andere Sachen erinnern sie sich wiederum sehr detailliert. Es gibt nach ihren Aussagen Flashbacks, es gibt Aussetzer.

(…) CICERO: Ich sehe darüber hinaus das Problem, dass man erst einmal als Betroffener eine Menge Geld bei Ihnen auf den Tisch legen muss, bevor man überhaupt so eine Nummer des Spiegel oder von wem auch immer angreifen kann.

Bergmann: Das kommt hinzu. Ich habe Mandanten, die ehrlich sagen: Wir müssen leider die Waffen strecken, so leid es uns tut. Es geht finanziell nicht mehr.

(…) CICERO: Welche Summen kommen da zusammen?

Bergmann: Das richtet sich nach dem Streitwert und dem Verfahrensgang – je schwerer die Rufschädigung, desto höher die Kosten. Wenn der Mandant am Ende verliert, was Gottseidank selten passiert, muss er alle Kosten tragen, auch die der Gegenseite. Da kann ein sechsstelliger Betrag zusammenkommen. Natürlich gibt es Leute, die sich das leisten können und müssen, aber es gibt eben auch Mandanten, die sind zwar prominent, aber keine Millionäre.

CICERO: Und die werden in die Knie gezwungen.

Bergmann: Und das wissen die Medien, die Prozessgegner. Die kalkulieren die finanzielle Situation des Betroffenen ein. Die sagen sich: Wir machen die Verdachtsberichterstattung trotz aller Bedenken, aber der Scoop ist so gross, dass es sich auf jeden Fall rechnet und die Anwaltsgebühren buchen wir mit ein. Nach meinem Eindruck ist der Spiegel mittlerweile auf einem Bild-Zeitungs-Niveau angelangt. Im konkreten Fall sogar eindeutig schlimmer als die Bild. Da werden Methoden angewandt, die eigentlich dem Boulevardjournalismus zugeschrieben werden. Das ist eine schlechte Entwicklung. (…) Ich habe inzwischen seltener Fälle gegen die Bild als gegen den Spiegel.

CICERO: Wie geht es jetzt im Fall Lindemann weiter?

Bergmann: Da bin ich jetzt gespannt. Wir haben auch noch andere Medien im Visier. Ich finde die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung und des Norddeutschen Rundfunks auch unzulässig, aber sie ist nicht ganz so vorverurteilend und reißerisch wie die vom Spiegel. Die ist schon sehr extrem.

(…) Hierin zeigt sich auch der Belastungseifer, der bei den Recherchen zum Thema MeToo an den Tag gelegt wird. Anstatt in Ruhe zu recherchieren und auch nach entlastenden Umständen zu suchen, geht es nur darum, den nächsten Weinstein-Fall aufzudecken, egal was für und gegen den Betroffenen spricht.

(…) CICERO: Der erste öffentliche Reflex, als Sie ins Spiel kamen, lautete: Aha, die haben jetzt Schertz Bergmann engagiert und die haben nichts besseres zu tun, als erst einmal eine Salve von Verwarnungen, Einschüchterungen, Drohungen auf Gott und die Welt und vor allem die armen Frauen abzufeuern und Journalisten und Zeugen zum Schweigen zu bringen. Wie gehen Sie damit um?

Bergmann: Das ist natürlich ein Versuch, uns mundtot zu machen. Der Vorwurf geht ohnehin völlig an der Sache vorbei. Wir haben eine Presseerklärung herausgegeben, die besagt: Gegen den falschen Vorwurf, Lindemann habe Frauen mit K.O.-Tropfen betäubt, um sie dann sexuell zu misshandeln, werden wir vorgehen. Weiter haben wir erklärt, dass wir gegen unzulässige Verdachtsberichterstattung vorgehen werden. Es kann also keine Rede davon sein, dass wir gegen jeden vorgehen, der einen Vorwurf erhebt. Aber wir haben gesagt: Wir gehen gegen diesen speziellen Vorwurf vor, weil er falsch ist. Das "Casting-System" haben wir gar nicht erwähnt.

Wenn aber jemand sagt wie Shelby Linn, sie sei gespiked worden, ihr seien K.O.-Tropfen gegeben worden, dann gehen wir dagegen vor. Weil es eine falsche Tatsachenbehauptung ist. Und es muss einem Betroffenen möglich sein, sich hiergegen zu verteidigen, um den Rufschaden einzudämmen. Das Recht zur Verteidigung gehört zu den fundamentalen Prinzipien eines Rechtsstaats.




Währenddessen beschimpft die Berliner "taz" Rammstein-Fans als "emotional verwahrlost":

Wie Kinder eben kommen einem die Rammstein-Fans vor, die einfach nicht glauben wollen, dass Papi Mami schlägt, weil ja noch kein Urteil gesprochen ist, das sie in ihrer geistigen Unreife und emotionalen Abhängigkeit selbst nicht zu fällen in der Lage sind.


Diese Fans seien, so die "taz", skandalöserweise nicht bereit, auf Konzertbesuche zu verzichten und damit "Respekt und Mitgefühl zu zeigen, für die und mit denen, die unzweifelhaft gelitten haben und leiden". Ein solcher Boykott der Konzerte würde doch ausreichen, um "ein bisschen Anstand zu zeigen" gegenüber einer Band, der nichts Besseres einfalle, als "sich hinter Anwälten zu verschanzen" und "höhnisch wie SS-Männer" aufzutreten. Dem gegenüber seien alle "betroffenen Frauen" selbstverständlich "Heldinnen".

Derweil fordern die Frauensprecherinnen der Grünen in Wien ein Auftrittsverbot für Rammstein. Durch die Durchführung der Konzerte werde sexualisierte Gewalt verharmlost und sogar geduldet: "Die juristische Unschuldsvermutung sollte kein Freifahrtschein sein, mutmaßlichen Gefährdern aktiv eine Bühne zu bieten."



Freitag, Juli 21, 2023

"Berlins Schwulen-Beauftragter verharmlost Schwulen-Hass"

1. Die Berliner "B.Z." berichtet:

Alfonso Pantisano (48, SPD) ist in der Berliner Landesregierung für die Rechte von Homosexuellen, trans Personen und anderen Menschen der Queer-Community verantwortlich.

ABER: In einem Interview verharmlost Pantisano die Homosexuellen-Feindlichkeit in der arabischen sowie muslimischen Gemeinschaft. Jetzt schaltet sich sogar Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (50, CDU) ein und warnt davor, Homophobie zu relativieren.


Hier geht es weiter.



2. Für den "Focus" bespricht Josef Seitz die Maybrit-Illner-Talkrunde von gestern Abend, wo auch der Komiker Hape Kerkeling zu Gast war:

Er sei gerade mit seinem Mann von Berlin nach Bonn gezogen, weil ihm die Hauptstadt zu schwulenfeindlich geworden ist. Kerkeling selber will es gar nicht so genau verraten und spricht von einem Rückzug nach Köln. In der Sache aber bleibt er klar: "Die Atmosphäre ist sehr viel homophober geworden", sagt er. Und der Komiker fügt sehr ernsthaft hinzu: "Leben wir in einer ähnlichen Zeit wie in der Weimarer Republik? Sind wir am Vorabend von etwas, das ich nicht erleben möchte?"


Später spricht Kerkeling von einer seiner bekanntesten Rollen:

"Horst Schlemmer könnte man so nicht mehr bringen", glaubt der Komiker und fügt hinzu, "er ist der Prototyp Weißer Alter Mann." Unsere Welt scheint also unlustiger geworden zu sein.

(…) Zum Finale überzieht "Maybrit Illner" ihre Sendung um sechs Minuten: Nach den Sex-Vorwürfen gegen den Sänger der Band Rammstein stellt die Moderatorin die Frage, ob man diese Band verbieten solle. An dem Punkt versteigt sich die queere Influencerin Leonie "Löwenherz" Plaar zu einem sehr speziellen Satz: "Die Unschuldsvermutung ist nur ein juristischer Begriff." Und sie legt noch nach: "Am Ende glaube ich lieber einer Lügnerin als einem Vergewaltiger."

Es ist der Philosoph Julian Nida-Rümelin, der an diesem Punkt die klare Warnung ausspricht: "Das ist die Gefährdung des Rechtsfriedens." Schließlich gehe es ja mit Konsequenzen für unbewiesene Vorwürfe auch um das Zerstören beruflicher Existenzen. "Die Unschuldsvermutung", befindet Nida-Rümelin, "ist nicht ein juristisches Spiel." Für diesen Satz haben sich die sechs Minuten Überziehung gelohnt.

Zuvor war von ihm auch schon zu hören: "Mit Sensibilitäten kann man es nie übertreiben." Kehren wir noch einmal zu Hape Kerkeling zurück. Der stört sich an der Gender-Kultur. "Ich finde es befremdlich, wenn ich an jedes Wort ein Innen hängen muss", klagt Kerkeling, "eine Sprache sollte schön sein – und ich find’s einfach nicht schön."


Auch bei den liberalen "Apollo-News" ist die Sendung Thema: "Influencerin bei Illner: Männer dürfen keine Witze über mich machen, ich aber über sie"



3. Die Frankfurter Allgemeine berichtet über toxische Weiblichkeit im russischen Fernsehen:

Dass in Russland ein großer Prozentsatz der Jüngeren und zumal der Frauen den Ukrainekrieg zu ignorieren versucht, erscheint heute, da sein Ende nicht abzusehen ist, den Propagandaprofis als korrekturbedürftig. Um das schöne Geschlecht, wie man es in Cafés und Nagelstudios antrifft, auf den Weg des tätigen oder wenigstens bekennenden Patriotismus zu führen, erfanden namentlich nicht bekannte Strategen ein Youtube-Gesprächsformat nach dem Vorbild der Talksendung "Freundinnen" (Podrugi), deren Erörterungen von Sex- und Beziehungsthemen millionenfach angeschaut wurden.

Bei der Ende Mai lancierten Sendung "Z-Freundinnen" (Podrugi zet) trafen sich die kremltreue Kriegsreporterin Anastassija Kaschewarowa, die Beraterin des Duma-Vorsitzenden Wolodin war, die Produzentin der Propagandafilmserie "Mobilisierung" Jekaterina Agranowitsch und Uljana Strisch, die sich als freiwillige Aktivistin vorstellt, die humanitäre Hilfe an die Front bringt. Agranowitsch trug ein T-Shirt mit dem Porträt des bei einem Sprengstoffanschlag getöteten Kriegspropagandisten Wladlen Tatarski, den sie zum Mentor des Projekts erklärte. Tatarski habe gesagt, dass für die militärische Spezialoperation, wie der Krieg offiziell heißt, die Unterstützung starker, junger, schöner Frauen wichtig sei, so Agranowitsch. Nichts motiviere Männer so sehr zum Kampf wie sie.

Die drei wohl geschminkten Frauen, die durch Kichern und neckische Grimassen Zwanglosigkeit mimen, klagen, dass es kein Sexsymbol der Spezialoperation gebe, keine russische Marilyn Monroe, die vor den Soldaten auftrete und sie motiviere. Die dreißig Jahre alte, schick zurechtgemachte Strisch, die aus der Ukraine stammt, versichert, Soldaten erklärten gern einer Frau mit lackierten Nägeln ihr Kriegsgerät, dann fühlten sie sich als echte Männer – dabei drückt sie mit manikürtem Zeigefinger einen imaginären Knopf. Kaschewarowa, 35 Jahre alt, erzählt von einer jungen Dagestanerin, die einen Frontsoldaten geheiratet habe, in seiner Einheit als umsichtige Sanitäterin diene, trotz Feldbedingungen stets Make-up auflege und in der ganzen Truppe die Stimmung hebe.

In den annektierten ostukrainischen Gebieten erlebe man echte Frauen und echte Männer, ergänzt die ebenfalls 35 Jahre alte Agranowitsch, das sei praktizierte Anti-LGBT-Propaganda. Flankierend führt das Trio Weiblichkeitsbilder des russischen Christentums ins Feld: die schützende Madonna, die zugleich Mutter- und Heimatsymbol sei. In der Ukraine hingegen sei das heidnische Bild der Hexe en vogue, behauptet Kaschewarowa, dort sagten sich viele vom Christentum und ihrer Spiritualität los. Strisch schüttelt mit gespielter Fassungslosigkeit den gestylten Kopf.

Russlands traditionellen Werten gemäß betonen die Kriegsgrazien ihre dienende Rolle. Kichernd erklärt Kaschewarowa, sie liebe den Präsidenten. Agranowitsch erblickt in Unterstützerinnen der Front gar die Keimzelle einer "echten", nämlich nicht liberalen, sondern "patriotischen" Zivilgesellschaft. Was Russland in der Ukraine anrichtet, die täglichen Bombardements, Kriegsverbrechen in besetzten Orten, blenden die Z-Freundinnen konsequent aus. Dafür versichert Kaschewarowa mit kleinmädchenhafter Empörung, die Ukraine führe einen vollumfänglichen Krieg gegen Russland und beschieße sogar Zivilisten im Hinterland, etwa in Kursk. Immerhin sind die Frauen sich einig, dass die alten "Onkels" im Kreml es nicht geschafft hätten, der Jugend die Ziele des opferreichen Feldzugs verständlich zu machen. Ersatzweise schwärmt Strisch von der herzlichen Atmosphäre beim Militär: Die Männer seien für Unterstützung dankbar, man umarme einander, spüre, dass man gebraucht werde, das Leben sei echter.

(…) Cool lächelnd bekennt Naumowa, sie habe viel über den Tod nachgedacht und sei zum Schluss gekommen, dass es ihr darauf ankomme, für die richtige Sache gelebt zu haben. Krieg versetze in den normalen Zustand des Lebens, philosophiert die Powerfrau und klimpert mit den verlängerten Wimpern. Ja, flötet Kaschewarowa: Man müsse durch Leiden gehen – das habe Christus gesagt, aber auch Putin.

Die gute Nachricht über die "Z-Freundinnen" ist, dass sie beim Publikum krachend durchfielen. Die erste, ganze 71.000 Mal abgerufene Ausgabe wurde von Kommentatoren als zynisch, monströs und entmenschlichend geschmäht. Ein Nutzer schlug sarkastisch vor, die Damen sollten doch Soldatenwitwen oder Angehörige von Kriegskrüppeln zum Kichern in ihr Studio einladen. Unter der zweiten Folge, die nur noch 11.000 Zuschauer erreichte, liest man "Dass ihr in der Hölle schmort!" und "Diese Ungeheuer gehören vor ein Tribunal!"




Donnerstag, Juli 20, 2023

Filmstart heute: Wie gut ist "Barbie"?

1. Der Barbie"-Film, der heute in den Kinos anläuft (mit Margot Robbie und Ryan Gosling in den Hauptrollen), hat von "Welt" bis "Zeit" bereits einige mediale Aufmerksamkeit geerntet und kündigt sich an, (neben "Oppenheimer") einer der Blockbuster dieses Sommers zu werden. Sarah Vine hat dieses kulturelle Ereignis für die Daily Mail besprochen. In ihrem Artikel wird vieles deutlich über die Situation der Geschlechter in unsere Gesellschaft und wie Filme das politische Bewusstsein dieser Gesellschaft prägen:

Ich habe meine Tochter Bea, 20, mitgenommen - zum einen, weil sie mich halb zu Tode genervt hat und zum anderen, um einen unverfälschten Gen Z-Gegenpol zu meiner mürrischen Mutti-Haltung zu Barbie zu bilden. Trotz des Slogans - "Wenn Sie Barbie hassen, ist dies der richtige Film für Sie" - dachte ich nicht, dass ich das Zielpublikum sein würde. Und so kam es dann auch. Sie hat jede Sekunde genossen, ich nicht so sehr.

(…) Mein Haupteinwand ist, dass Barbie nicht wirklich ein Film über Barbie ist. Es ist eine Stunde und 54 Minuten lang ausgedehnte Männerfeindlichkeit, die mit ein paar lustigen Tanzeinlagen und ein oder zwei (zugegebenermaßen ziemlich guten) Witzen verbrämt wird.

Es ist ein zutiefst männerfeindlicher Film, eine Erweiterung des TikTok-Feminismus, der jede Form von Männlichkeit - abgesehen von der harmlosesten - als giftig und räuberisch darstellt und die Frauenbefreiung nicht als eine Bewegung betrachtet, die auf der Gleichberechtigung der Geschlechter basiert, sondern als ein kulturelles Rachemittel, das darauf abzielt, Männer ganz aus der Geschichte zu verbannen.

Jeder männliche Charakter ist entweder ein Idiot, ein Fanatiker oder ein trauriger, ziemlich erbärmlicher Verlierer. Wenn die Rollen vertauscht wären und ein männlicher Regisseur einen Film darüber drehen würde, dass alle Frauen hysterische, neurotische, geldgierige Hexen wären, würde er - zu Recht - als zutiefst beleidigend und sexistisch angeprangert werden.

Kurz gesagt: Barbie und Ken begeben sich auf ein Abenteuer in der realen Welt, um den Grund für Barbies plötzliche und untypische Ängste zu finden. Barbie bekommt einen bösen Schock - sie ist nicht so beliebt, wie sie es sich vorgestellt hat. Ken hingegen amüsiert sich prächtig, indem er in die Macho-Kultur von L.A. eintaucht und entdeckt, dass es so etwas wie das "Patriarchat" gibt.

Dann verwandelt er sich in einen "echten Mann" (auch hier wieder in den eindimensionalsten Klischees gezeichnet), kehrt ins Barbie-Land zurück, organisiert das Äquivalent eines Incel-Aufstandes (im wahrsten Sinne des Wortes, da Ken im Bett nutzlos ist) - und verpasst allen Barbies eine Gehirnwäsche, damit sie seine willigen Sklaven werden. Starke Andrew Tate-Vibes, wenn man es so sagen will.

Königin Barbie, alias Margot Robbie, muss daraufhin eine Gegenrevolution mobilisieren, was ihr mit Hilfe ihrer menschlichen Freunde - dem Mutter-Tochter-Duo Gloria und Sasha - gelingt. Mit ihren Barbie-Künsten stecken sie die Kens zurück in ihre Kisten. Der Film endet damit, dass sie sich in eine gynäkologische Klinik einweisen lässt, vermutlich, um eine "echte" Frau zu werden.

(...) Die fantastische Plastikwelt der Barbies wird als langweilig und oberflächlich und ohne echte Emotionen dargestellt - doch wenn die Dinge anfangen, real zu werden, geht die ganze Action dahin, sie wieder so zu machen, wie sie war.

Man sagt uns, dass es bei den Barbies um Selbstbestimmung geht, doch sie setzen ihre Sexualität auf höchst unerquickliche Weise ein - wenn es darum geht, die Kens auszutricksen, zucken sie mit den Augenlidern wie dumme Puppen. Alle machen sich über die Kens lustig, weil sie nutzlos und impotent sind, aber wenn sie versuchen, etwas anderes zu sein, werden sie niedergemacht.

Das ist alles nur ein wenig schlecht durchdachtes Süppchen. Habe ich Barbie deswegen geliebt? Nein, natürlich nicht. Aber ich hatte ein wenig Mitleid mit denen, die diesen Unsinn mitmachen - und mit den jungen Männern, die in einer Welt aufwachsen, die ihnen sagt, dass sie wertlos sind.




2. Nachdem ich gestern die Situation von Männern in der Ukraine angesprochen habe, möchte ich heute mal wieder einen Blick auf die Situation der Männer in der russischen Armee werfen:

Immer wieder tauchen zurzeit Videos auf, in denen sich russische Soldaten über schlechte Zustände in der Armee beklagen. Zuletzt berichteten unabhängige russische Journalisten auf ihrem Telegram-Kanal "Astra" von einem Video, das sie nach eigenen Angaben von Angehörigen russischer Kämpfer erhalten hatten. In dem Clip schicken rund 50 Soldaten einen verzweifelten Hilferuf an ihre Familien:

"Sie schickten uns ohne Munition und ohne Artilleriedeckung Richtung Bachmut - mit einem betrunkenen Kompaniechef", werden die Männer zitiert. Der Bataillonskommandeur habe mit Hinrichtung gedroht, wenn die Befehle nicht befolgt würden. Nach der Aufnahme des Videos seien die Soldaten verlegt worden, zehn von ihnen vermutlich nach Bachmut, teilten ihre Verwandten "Astra" mit.

Einzelheiten der Angaben über den Einsatz der Truppe oder wann das Video genau aufgenommen wurde, ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Aber die Aussagen decken sich mit denen in ähnlichen Videos: Immer wieder hatten sich russische Soldaten in den vergangenen Monaten über Missstände an der Front beklagt. Und allein in den letzten Tagen tauchten mehrere Videos auf, die nahelegen, dass die Nerven bei vielen russischen Soldaten blank liegen:

* Ein aktuelles Video, das von russischen Medien verbreitet wird, zeigt eine offenbar tödliche Massenschlägerei in einem Militärlager in der Nähe von Moskau. Dem Bericht zufolge sollten die Soldaten in den Ukraine-Krieg geschickt werden. Einer der Soldaten wurde demnach von seinen Kameraden und der Militärpolizei zusammengeschlagen und starb.

* Ein ebenfalls vor wenigen Tagen veröffentlichtes Video zeigt junge russische Soldaten, die zwei Tage in einer Grube ausharren mussten - als Bestrafung, weil sie sich weigerten, schlecht bewaffnet an vorderster Front zu kämpfen - nur "mit einem Gewehr gegen Panzer", wie sie in dem Video sagen. Ein anderer Soldat beklagt sich, er hätte die Front seit neun Monaten nicht verlassen dürfen.

* Anfang Juli ging ein Video in Sozialen Netzwerken viral, in dem ein junger, russischer Wehrpflichtiger behauptete, Soldaten würden bei der Verteidigung Bachmuts zu "sinnlosen und selbstmörderischen" Gegenangriffen gezwungen und bei einer Weigerung bestraft.

Solche Videos kapitulierender oder flüchtender russischer Truppen machten auch den anderen Kameraden immer wieder deutlich, "dass deren Wohlergehen nicht die Priorität ihrer Regierung ist", schreibt Politik-Berater Jason Jay Smart bei Twitter.


Richtig. Es sind Männer, nicht Frauen, die wie seelenlose Puppen benutzt werden, um einem bestimmten Zweck gerecht zu werden.



3. Schleswig-Holsteins Gleichstellungsministerin Aminata Touré (Grüne) drängt auf die Anerkennung von Genitalverstümmelung als Asylgrund – solange die Betroffenen weiblich sind. Wenn die Bundesregierung die Istanbuler Konvention vorbehaltlos umsetzen wolle, bedeute dies Touré zufolge, "dass die Rechte von geflüchteten Frauen und Mädchen nun auch stärker Berücksichtigung finden müssen und geschlechtsspezifische Gewalt als Asylgrund anerkannt werden muss."



4. Justizminister Marco Buschmann (FDP) will der Organisation Hate Aid die Unterstützung durch Steuergelder kappen. Bei Hate Aid empört man sich: Das schwäche die Demokratie zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Wie Genderama Anfang März berichtete, benutzt Hate Aid Begriffe wie "Demokratie" tatsächlich, um unliebsame Meinungen zu diffamieren und auch Menschenrechtler, die sich für Jungen und Männer einsetzen, als "gefährlich für unsere Demokratie" zu verleumden.



5. Auf der Grundlage eines Videos der Journalistin Tamara Wernli hat die NGO Manndat eine Auflistung von 40 Privilegien von Frauen erstellt.



Mittwoch, Juli 19, 2023

Was tun, wenn man nicht bereit ist, für die Ukraine zu töten?

1. Der "Standard" berichtet über die Situation junger Männer in der Ukraine:

Das Studium sollte eine schöne Zeit sein im Leben. Eine Zeit, in der man sich findet, Pläne für die Zukunft schmiedet, Freunde kennenlernt, vielleicht Dummheiten anstellt. Doch die Leichtigkeit endet bereits am Eingang der Nationalen Technischen Universität (KPI), einer der renommiertesten Universitäten des Landes. Auf einer Gedenktafel wird mit schwarz-weißen Fotos der Studierenden, Lehrenden und Alumni gedacht, die seit dem 24. Februar 2022 gefallen sind. Mindestens 33 sind es laut KPI; ein Student gilt als vermisst, irgendwo an der Front, die sich mittlerweile hunderte Kilometer von Kiew entfernt befindet.

"Wir waren alle naiv", sagt Andrej M., er studiert am KPI im Master Ingenieurwesen. "Die meisten hier glaubten nicht daran, dass Russland angreifen würde." Der 23-Jährige sitzt mit Energydrink und Rucksack auf einer Bank auf dem Gelände der Einrichtung. Im Park daneben sitzen Studierende in Gruppen unter den hohen Kastanienbäumen. An den Betonmauern entlang des Fußwegs zum Hauptgebäude erinnern Malereien und Graffiti an die Studienfächer: Mathematik, IT, auch eine militärische Ausbildung kann man hier absolvieren.

An dem Morgen, als der Krieg begann, war Andrej hier am Campus, wo er als einer von 6.000 Studierenden lebt. Damals, im Februar 2022, fand sein Unterricht Corona-bedingt noch immer online statt, und die größte Problemstellung für den Studenten war eine sehr praktische: die LED-Leuchte, die beim Anschrauben immer wieder abfiel. Fast eineinhalb Jahre später ist sein Leben ein anderes. Er sagt, dass er mehr auf seine Gesundheit achte, er habe abgenommen, mache mehr Sport. "Ich halte mich fit. Aber ich bin kein Kämpfer. Ich will mich auf mein Studium konzentrieren", sagt er. Soweit das eben möglich ist.

Der Krieg hatte seine Heimatstadt Mykolajiw im Süden des Landes in den vergangenen Monaten fest im Griff, die massiven russischen Angriffe lassen noch immer nicht nach. Als im April des Vorjahres eine Rakete in der Nähe des Wohnhauses der Familie einschlug, wurde auch das Fenster und der Balkon der Familienwohnung beschädigt. Andrej reparierte es später mit Geld, das er für seine Zukunft gespart hatte. Sein Bruder und Vater sind mittlerweile an der Front, und der Kontakt zu ihnen ist nicht immer möglich. "Ich bin stolz auf sie", sagt er. Doch selbst will er nicht kämpfen. "Ich kann das nicht: jemanden töten." Auch anderen Männern im Land geht es so wie Andrej.


Hier geht es weiter.



2. In der "Zeit" erklärt die Vordenkerin der feministischen Außenpolitik, Cynthia Enloe, inwiefern der Krieg in der Ukraine gegendert ist:

Wenn man überzeugt ist, dass das Persönliche international ist, muss man in Kriegszeiten zum Beispiel darauf achten, wie es um die reproduktiven Rechte von Frauen steht. Nichts ist persönlicher als die Kontrolle einer Frau über ihre eigene reproduktive Gesundheit. Die Tatsache, dass ukrainische Frauen für den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gekämpft und diesen behalten haben, gibt ihnen entscheidende Handlungsfreiheit, mit den unglaublichen Belastungen der Kriegszeit zurechtzukommen. Gleichzeitig sind die Tausenden ukrainischen Frauen, die während des Krieges in Polen Zuflucht gesucht haben, mit den immer strengeren Beschränkungen von Schwangerschaftsabbrüchen dieser Regierung konfrontiert – trotz der mutigen Kampagne polnischer Feministinnen. Wenn man diese Realitäten ignoriert, bleibt man bei einem völlig unrealistischen Verständnis der Politik dieses Krieges.

(…) Ich schaue mir zuerst die Geschlechterdynamik und Geschlechterhierarchien vor Kriegsbeginn an. Zum Beispiel lag der Anteil ukrainischer Frauen mit einem Arbeitseinkommen bei 48 bis 61 Prozent – je nachdem, ob man Frauen in Familienbetrieben mitzählt oder nicht. Warum ist das wichtig? Wenn ein Krieg ausbricht und man nicht über eine eigene Einnahmequelle verfügt, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer, dass man selbst entscheiden kann, wie man mit diesem Krieg umgeht. In Afghanistan hatten zu Beginn der US-Invasion im Jahr 2001 nur zwölf Prozent der Frauen über 18 Jahre eine bezahlte Arbeit. Ich schaue mir auch die Alphabetisierung an. In der Ukraine liegt sie bei über 90 Prozent – sowohl der Männer als auch bei Frauen. Ukrainische Feministinnen haben in den letzten 100 Jahren sehr hart daran gearbeitet, die Bildung von Frauen und Mädchen zu unterstützen. Bei Kriegsausbruch ist die Alphabetisierung von großer Bedeutung für die Geschlechterdynamik. Wenn es, wie in vielen Ländern, eine große Kluft zwischen der Alphabetisierung von Männern und Frauen gibt, bedeutet das, dass sie über extrem ungleiche Ressourcen zur Bewältigung des Krieges verfügen.

(…) Nichts ist unvermeidlich, davon bin ich überzeugt. Die Annahme von Unvermeidlichkeit erzeugt Passivität. Passivität hält das Patriarchat aufrecht. Ich bewundere ukrainische Feministinnen, weil sie ihre Arbeit während des Krieges nicht eingestellt haben. Sie sind entschlossen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um der russischen Aggression Widerstand zu leisten, aber so, dass der Motor des Militarismus nicht Fahrt aufnimmt. Der Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt und der Widerstand gegen die russische Aggression sind kein Widerspruch. Tatsächlich stärkt das Erste das Zweite.


Über geschlechtsspezifische Nachteile im Ukraine-Krieg zu sprechen und sich dabei lang und breit allein über Nachteile von Frauen auszulassen muss man auch erst mal schaffen.



3. Einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge sind 75 Prozent der Deutschen inzwischen vom Gendern "genervt", was eine Steigerung zu früheren Umfragen darstellt, in denen es lediglich hieß, man könne darauf verzichten. Da die Öffentlich-Rechtlichen den Wünschen der Zuschauer nicht nachkommen müssen, um bezahlt zu werden, gendert man dort unverdrossen weiter. Die genervten Zuschauer sind machtlos dagegen.



4. Beste Chancen für die Schlagzeile der Woche hat der "Stern": "Auf ein Rammstein-Konzert zu gehen ist wie AfD wählen." Der Artikel beginnt mit folgenden Sätzen: "Warum, zum Teufel, mag sich jeder anständige Mensch fragen, stehen Rammstein eigentlich immer noch auf der Bühne? Was braucht es denn noch, um einen wild gewordenen Haufen megalomaner Chauvinisten zu stoppen?" Die deutschen Leitmedien haben mit der Unschuldsvermutung inzwischen ein extremes Problem.



5. Darf man als Frau in der Öffentlichkeit noch ein Eis essen? Wollen Männer aus arabischen Ländern das unterbinden? Stefan Niggemeier kommentiert die aberwitzige "Debatte" der letzten Tage.



6. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute:

Da meine Tochter vor einiger Zeit angefangen hat Fußball zu spielen, war ich tatsächlich neulich zum ersten Mal seit einem Viertel-Jahrhundert wieder in einem Fußballstadion. DFP-Pokal-Finale der Frauen. Das war schön und ich freue mich auch über die Erfolge im Frauenfußball (immerhin ausverkauftes Müngersdorfer Stadino).

Morgen beginnt nun die Fußball-WM der Frauen und natürlich geht es auch wieder um Prämien und "Equal Pay" im Vergleich zu den Männern. Dieser Artikel zeigt sehr schön die Verhältnisse im Vergleich zum Männerfussball auf. Und, wie so oft, Frauen sollen für 10x weniger "Leistung" am liebsten das Gleiche bekommen wie Männer und bekommen immerhin schon 1/4 von dem was Männer bekommen, also in Proportion zur Leistung 2,5x soviel wie Männer.




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