Kevin Spacey, Till Lindemann und Co.: Was nützt diesen Männern ein Sieg vor Gericht?
1. Die Tagesschau berichtet:
Schauspieler Kevin Spacey ist im Londoner Strafprozess um angebliche sexuelle Übergriffe freigesprochen worden. Die Geschworenen befanden den zweifachen Oscar-Preisträger in allen Anklagepunkten für nicht schuldig.
(…) Spacey hatte die Vorwürfe stets abgestritten. Er räumte im Prozess etwa Berührungen eines Mannes in der Leistengegend sowie einen sexuellen Akt mit einem weiteren ein. Spacey betonte aber, es habe sich um "romantische" Berührungen beziehungsweise einvernehmlichen Sex gehandelt.Er bestritt auch, seinen Ruhm für sexuelle Übergriffe gegen mehrere Männer ausgenutzt zu haben. Einige Vorwürfe nannte er "frei erfunden".
(…) Die Karriere des bis dahin erfolgreichen Schauspielers wurde durch die im Zuge der #MeToo-Debatte aufgebrachten Vorwürfe abrupt unterbrochen. Netflix beendete die Zusammenarbeit zu "House of Cards" und verklagte Spacey auf Schadenersatz, nachdem Beschwerden von Mitarbeitern am Set über ihn aufgekommen waren. Das Theater Old Vic distanzierte sich ebenfalls. Szenen mit Spacey in dem Thriller "All The Money in the World" (Alles Geld der Welt) wurden nachträglich entfernt. Er selbst sagte vor Gericht, er sei damals übereilt als Straftäter abgestempelt worden. "Es kam zu einer Vorverurteilung und bevor die erste Frage gestellt oder beantwortet war, verlor ich meinen Job, verlor ich meinen Ruf. Ich habe innerhalb weniger Tage alles verloren."
(…) In einem kurzen Statement nach dem Freispruch sagte Spacey, er müsse die Geschehnisse nun erst einmal verarbeiten. Er sei der Jury aber enorm dankbar, dass sie sich die Zeit genommen habe, alle Beweise genau zu prüfen, bevor sie zu einer Entscheidung gekommen sei. "Und ich bin demütig über den Ausgang heute."
Noch vor Prozessbeginn in London hatte Spacey die Hoffnung geäußert, im Falle eines Freispruchs wieder an seine Erfolge anknüpfen zu können. In einem "Zeit"-Interview Mitte Juni hatte Spacey erklärt, Regisseure hätten ihm gesagt, dass sie mit ihm zusammenarbeiten wollten, es aber derzeit nicht könnten. "Wir leben in einer Zeit, in der viele Menschen fürchten, dass sie gecancelt werden, wenn sie mich unterstützen," sagte er weiter.
In einem weiteren Beitrag der Tagesschau heißt es:
Prominente Stimmen, die ihm zum Freispruch gratulieren, sucht man jedoch vergeblich. Hollywood hüllt sich eher noch in Schweigen. Möglicherweise ist es noch zu früh, um zu sagen, ob Spaceys Karriere wieder Fahrt aufnehmen kann und ob man ihn wieder auf den roten Teppichen empfangen will - die gibt es wegen der anhaltenden Schauspieler-Streiks ohnehin gerade nicht.
Den Paria-Status bekommt Mann so leicht nicht los, so unbegründet man ihn auch aufgezwungen bekommen haben mag.
Die MeToo-Bewegung hat viel Unheil angerichtet, das kaum jemand offen anzusprechen wagt. Zu denen, die sich das trauen, gehört Brendan O'Neill, Chefredakteur des liberalen Magazins Sp!ked:
Der Freispruch von Kevin Spacey ist brisant. Nicht nur in Bezug auf den Fall Spacey selbst, bei dem der Hollywood-Star in neun Fällen von sexueller Nötigung für nicht schuldig befunden wurde. Nein, in Bezug auf die gesamte Ideologie von #MeToo. Es sieht aus wie ein vernünftiges, rationales Urteil, erstens über die Dinge, die Spacey getan haben soll, und zweitens über die Schuldzuweisungskultur, die das öffentliche Leben in den letzten fünf Jahren beherrscht hat; über die Schuldvermutung, die wir alle als Reaktion auf jede Anschuldigung gegen berühmte Männer wegen sexueller Freizügigkeit zu spüren bekamen. Sind die ungerechten Auswüchse von #MeToo nun endlich in das Licht demokratischer Überlegungen gerückt worden?
Die Geschworenen am Southwark Crown Court in London sprachen Spacey in allen Anklagepunkten frei. Ihm wurden neun Vergehen gegen vier Männer vorgeworfen, die vom Griff in den Schritt bis zur "Veranlassung einer Person zu sexuellen Handlungen ohne Zustimmung" reichten. Die Anschuldigungen bezogen sich auf Vorfälle, die sich zwischen 2001 und 2013 ereignet haben sollen, als Spacey hauptsächlich in London als künstlerischer Leiter am Old Vic Theater tätig war. Nach Angaben der BBC legte er nach seinem Freispruch die Hand auf die Brust und sagte den Geschworenen "Danke". Es war das zweite Mal, dass Spacey in einem Verfahren wegen sexueller Belästigung für nicht schuldig befunden wurde: 2022 wurde er in New York von jeglichem Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Schauspieler Anthony Rapp freigesprochen, der behauptet hatte, Spacey habe ihm 1986 unerwünschte sexuelle Avancen gemacht, als Rapp 14 und Spacey 26 Jahre alt war.
Die Entscheidung der Londoner Geschworenen ist nicht nur ein Schlag gegen Spaceys Ankläger, sondern auch gegen das anklagende Klima der #MeToo-Ära. "Glaubt dem Opfer" war der Ruf unserer Zeit. Aber diese 12 Männer und Frauen, die aus dem Alltag gegriffen sind, haben den Anklägern nicht geglaubt. Oder besser gesagt, sie waren nicht von den Behauptungen der Ankläger überzeugt. Nach einer monatelangen Beweisaufnahme und einer 12 Stunden und 26 Minuten dauernden Beratung der Geschworenen brachten diese Volksvertreter ihre Skepsis gegenüber den Dingen zum Ausdruck, die Spacey vorgeworfen wurden. Sie taten nicht das, was die aufgeweckten Eliten heutzutage von uns allen erwarten - nämlich jedem Vorwurf sexueller Übergriffe sofort zu glauben -, sondern das, was eine demokratische, aufgeklärte, faire Kultur verlangt: dass wir nachdenken, diskutieren, Dinge abwägen und immer nach der Wahrheit suchen. Dass wir ein rationales Urteil fällen und nicht vorschnell urteilen.
Die Entscheidung der Geschworenen ist in gewisser Weise ein Akt des Widerstands gegen unser unversöhnliches Klima der sofortigen Überzeugung und der wütenden Denunziation. Es lohnt sich, an die Behandlung zu erinnern, die Spacey und andere berühmte Männer erfahren haben, denen sexuelle Übergriffe vorgeworfen wurden.Alle wurden von der Social-Media-Meute schnell für schuldig befunden. "NATÜRLICH glauben wir dir", twitterten Influencer als Reaktion auf Rapps Anschuldigungen gegen Spacey. Spacey wurde aus Hollywood verdrängt. Millionen von Dollar wurden ausgegeben, um ihn in Ridley Scotts Film "All the Money in the World" (2017) durch Christopher Plummer zu ersetzen, als ob die Zuschauer in einem Dunst von emotionalem Schmerz vergehen würden, wenn sie diesen bösen, beschuldigten Schauspieler zu Gesicht bekämen. Spaceys Anwältin im Fall Rapp hatte sicherlich Recht, als sie "eine der Kardinalregeln der sogenannten #MeToo-Bewegung" kritisierte - "dass man dem Opfer glauben muss".
Gegen die fieberhafte Vorverurteilung des elitären #MeToo-Projekts, gegen die vorschnelle, grenzwertig stalinistische Denunziation berühmter Menschen allein aufgrund von Anschuldigungen sagte diese Jury in London: "Nein. Wir ziehen es vor, Vernunft walten zu lassen". Ihr Widerstand gegen den kulturellen und medialen Druck, jeder Anschuldigung Glauben schenken zu müssen, mutet fast herkulisch an. Selten wurde deutlicher, dass Geschworenengerichte oft eine Oase der Vernunft und Objektivität in einem turbulenten Meer von Zensur durch den Mob sind. Dieses Urteil erinnert daran, dass die Vernunft selbst in diesen fiebrigen, rachsüchtigen Zeiten noch vorhanden ist, und dass sie viel eher bei den "Proleten" zu finden ist als bei den Einflusseliten. So wie das Urteil zugunsten von Johnny Depp gegen Amber Heard im vergangenen Jahr sowohl wie ein spezifisches Urteil als auch wie ein Akt moralischer Kritik an #MeToo wirkte, so sagt dieser Freispruch von Spacey im Wesentlichen: "Wir lassen uns von eurem unversöhnlichen Klima nicht beeinflussen. Wir werden stattdessen unsere Vernunft walten lassen.
Ob dies das Ende von #MeToo ist, bleibt natürlich abzuwarten. Mir scheint, dass die Erteilung von heiligen, unanfechtbaren Anschuldigungen für das kulturelle Establishment ein zu nützliches Instrument ist, als dass es jetzt aufgegeben werden könnte. #MeToo hat es den kulturellen Eliten ermöglicht, Einzelpersonen zurechtzuweisen, neue Kontroll- und Aufsichtskulturen zu schaffen und die Karrieren ganz neuer Schichten von korrekt denkenden Aktivisten und Akteuren zu fördern. Und doch stellt die stetige, maßvolle Entscheidungsfindung dieser Männer und Frauen in Southwark zweifellos die Raserei dessen in Frage, was sich in unseren #MeToo-Zeiten oft wie sexueller McCarthyismus angefühlt hat. Der nächste Schritt wird sicherlich die Rehabilitierung von Spaceys Karriere sein: Hollywood wird geradezu mittelalterlich wirken, wenn es einen Mann, der keines Verbrechens für schuldig befunden wurde, weiterhin verbannt. Danach sollte es eine umfassendere Abrechnung mit der Denunziationskultur unserer Zeit und ihren schrecklichen Folgen für die Vernunft, die Gerechtigkeit und die alltäglichen Beziehungen geben.
Die Männerrechtsbewegung und Genderama haben sich den Hosianna-Rufen auf MeToo nie angeschlossen, sondern immer auf die Schattenseiten dieser Bewegung hingewiesen. Eine der Folgen besteht darin, dass wir selbst vom Establishment gecancelt werden beziehungsweise gar nicht erst eine Stimme erhalten. So wie die Leitmedien momentan aufgestellt sind, leben wir in düsteren Zeiten. Inzwischen kann man darauf nur noch mit einem herzhaften "Fickt euch!" reagieren. Wenn ihr die gespaltene Gesellschaft unbedingt herbeischreiben wollt, dann können wir euch dabei sowieso nicht aufhalten. Ihr seid dann eben der Mob mit den Fackeln und Mistgabeln, und wir halten an den Errungenschaften der zivlisierten Gesellschaft wie der Unschuldsvermutung fest.
Beim "Stern" versucht auch heute noch Dagmar Seeland das Feuer am Köcheln zu halten: "Warum im Fall Kevin Spacey Freispruch nicht Unschuld heißt." Es ist abstoßend.
2. Die Rechtsanwälte des Rammstein-Sängers Till Lindemann berichten per Presseerklärung über ihren aktuellen juristischen Sieg:
Die YouTuberin Kayla Shyx (bürgerlicher Name Kaya Loska) hatte über ihren YouTube-Kanal am 05.06.2023 ein Video mit dem Titel "Was wirklich bei Rammstein Afterpartys passiert" hochgeladen, welches bis heute 5,8 Millionen Mal abgerufen wurde. In diesem Video hatte sie unter Berufung auf Shelby Lynn und andere angebliche Zeuginnen u.a. behauptet, Mädchen seien bei Rammstein-Konzerten von Till Lindemann unter Einfluss von Drogen, K.O.-Tropfen und Alkohol sexuell missbraucht worden.
Nachdem Kayla Shyx gegenüber unserem Mandanten schon eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu zwei Aussagen abgegeben hatte, wurden ihr nun weitere, wesentliche Passagen aus dem Video per einstweiliger Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 24.07.2023 (Az. 324 O 264/23) untersagt. Verboten wurden die nachfolgend wiedergegebenen Kernvorwürfe, die das Landgericht in seinem Beschluss unterstrichen hat:
"Vor circa einer Woche war ein Mädchen namens Shelby bei seinem Konzert und wurde dort unter Drogen gesetzt, ist mit blauen Flecken und Druckspuren an ihrem ganzen Körper aufgewacht und war mutig genug, sich dazu öffentlich zu äußern. Was eine Welle an Opfern losgelöst hat, die das Gleiche beim Rammstein-Konzert erlebt haben."
"Dann wird bei der After-Party Till Lindemann reingebracht. Die Mädchen werden besoffen gemacht, sie trinken zusammen mit ihm. Anscheinend werden bei einigen Mädchen auch K.O.-Tropfen reingemacht, weil es gibt jetzt schon so viele, die berichtet haben, dass sie keine Erinnerungen haben, dass sie die Tage danach gezittert haben, gekotzt haben, dass sie nicht bei sich waren. Einige davon haben geschrieben, sie sind in seinem Hotelzimmer aufgewacht, mit Wunden, mit aufgerissenen Klamotten, sie sich nicht erinnern können, was passiert ist, aber sie wissen, sie spüren, sie hatten Sex. Das heißt, es werden Fan-Girls da reingebracht, sie werden besoffen gemacht und dann sucht er sich aus, mit wem er Sex haben will."
"Das ist so hart. Sie wurde halt vor dem Konzert so wie Shelby und viele andere gedrugt und schreibt, dass sie am Ende Sex mit ihm hatte und zwar komplett unter Drogen gestellt Das sind so viele Fälle. Das ist so schlimm. Oh Digger."
"Und ich war so, Digger, das macht es noch tausendmal schlimmer, dass dort alle wissen, es ist genauso eine Scheiße wie bei so R. Kelly und diesen ganzen pädophilen Vergewaltigern, die irgendwelche 15-jährigen ficken wollen."
"Und dass jetzt so viele Mädchen auch gesagt haben, dass sie unter K.O.-Tropfen waren und sich an nichts erinnern können, ist halt so herzzerreißend. Oder dass sie spüren, dass sie blutend aufwachen und wissen, dass ihnen was passiert ist, woran sie sich aber nicht erinnern können. Das ist so schlimm."
"Es passiert jetzt gerade. Auf der ganzen Welt nutzen Männer ihre Machtposition aus Mädchen sexuell zu missbrauchen, weil sie so ein ganzes riesen fucking System um sich herum haben, beschützt zu werden. Und es ist einfach nichts Neues. Wir wissen, dass sowas passiert. Und Till Lindemann ist einer davon."
Das Landgericht Hamburg begründet seine Entscheidung damit, dass es sich bei den Kernvorwürfen um prozessual unwahre Tatsachenbehauptungen bzw. Bewertungen handele, für die es keine Anknüpfungstatsachen gebe, weil es an einer entsprechenden Glaubhaftmachung fehle.
Damit mangelt es weiterhin an jeglichem Beweis für die Richtigkeit der nicht nur von Kayla Shyx erhobenen Vorwürfe.
Parallel zu dem Verfügungsverfahren gegen Kayla Shyx läuft seit dem 29.06.2023 ein weiteres Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Hamburg gegen Shelby Lynn. Im dortigen Verfahren verzögert sich die Entscheidungsfindung aufgrund des im Ausland liegenden Wohnorts der Antragsgegnerin. Wir rechnen aber in den nächsten Tagen mit einer stattgebenden einstweiligen Verfügung gegen Shelby Lynn, die mit ihren Anschuldigungen in den sozialen Netzwerken die Welle schwerer und bis heute unbewiesener Vorwürfe gegenüber unserem Mandanten ausgelöst hatte.
Die Legal Tribune kommentiert die Auseinandersetzung der Lindemann-Anwälte mit der Zeitschrift SPIEGEL:
Das LG Hamburg bleibt in seiner Entscheidung der Abgrenzung treu, die es auch im von Lindemann gegen den Spiegel erwirkten Beschluss gezogen hatte. Nach diesem Beschluss sind Verdächtigungen verboten, die Lindemann unterstellen, K.O.-Tropfen, Drogen einzusetzen oder junge Frauen betrunken zu machen, um anschließend mit ihnen Sex zu haben. Erlaubt sind hingegen Schilderungen von Frauen von Sexerlebnissen mit Lindemann, in denen diese Erinnerungslücken angaben. Die Verbreitung des Verdachts, dass Lindemann mit ihnen sexuelle Kontakte hatte, obwohl sie nicht mehr "Herrinnen ihrer Sinne" waren, sei zulässig, so das LG im Spiegel-Beschluss. Auch im Shyx-Beschluss werden Behauptungen zum Einsatz von Drogen durch Lindemann untersagt. Die Schilderungen von Sexerlebnissen mit Frauen waren hingegen nicht streitgegenständlich.
Unterdessen greifen sich Lindemanns Rechtsanwälte und der Spiegel gegenseitig öffentlich an. Während Rechtsanwalt Bergmann dem Spiegel im Interview mit Cicero unter dem Zitattitel "Schlimmer als 'Bild'" einen "reißerischen Stil" vorwirft, rechtfertigt dieser seine Berichterstattung in einem eigenen Artikel und keilt in Richtung Schertz Bergmann zurück.
Dabei moniert das Nachrichtenmagazin zunächst, dass es "sehr einseitige" Berichterstattung über den Beschluss des LG gegeben habe. Der Bericht des Spiegel liest sich indes auch nicht gerade neutral. Er schreibt, das Gericht sei "neben zwei kleineren Punkten" "nur bei einem der vielen relevanten Sachverhalte" zu einer anderen Bewertung gekommen. Doch dabei handelt es sich um einen zentralen Vorwurf gegen Till Lindemann, nämlich den Verdacht der Vergabe von K.O.-Tropfen. Auch hat der Spiegel die überwiegenden Prozesskosten zu tragen.
Weiter lässt sich der Spiegel zu Gerichtsschelte gegen das LG Hamburg hinreißen und bezeichnet die Pressemitteilung der Lindemann Anwälte als "übermotiviert" und "handwerklich schlampig". In der Pressemitteilung der Anwälte war davon die Rede, dass dem Spiegel Tatsachenbehauptungen untersagt worden seien, obwohl es tatsächlich Verdachtsäußerungen waren. Der Spiegel kündigt an, hiergegen juristisch vorzugehen.
Der Erfolg dürfte ungewiss sein, da das Verbot einer Verdachtsäußerung weitgreifender ist als das Verbot einer Tatsachenbehauptung. Denn es bedeutet, dass nicht einmal über den Verdacht eines vermeintlichen Ereignisses berichtet werden darf. Sofern der Spiegel nun beklagt, es sei unterschlagen worden, dass ihm "nur" ein Verdacht verboten wurde, könnte dem entgegnet werden, dass "sogar" ein Verdacht verboten wurde.
Auch eine Berlinerin, die mit einer Petition drei Konzerte Rammsteins verhindern wollte, bekommt mit dieser Kanzlei nun juristische Probleme. Die Frankfurter Rundschau gibt den Angreiferinnen eine Plattform und schlagzeilt Aktivistinnen auf Radar von Lindemanns Anwälten: "Soll uns stoppen und mundtot machen"
Österreichs "Standard" beschreibt derweil den Rammstein-Auftritt in Wien als "deutsch und hart und toxisch männlich":
Tun wir einmal so, als ob nichts wäre. Wir haben vor dem ersten von zwei Konzerten der Band Rammstein im Wiener Ernst-Happel-Stadion draußen von der Gegendemonstration "Keine Bühne für mutmaßliche Täter" nichts mitbekommen. Frontmann Till Lindemann ist ja seit Mai 2023 wegen seines kolportierten Lebenswandels abseits, hinter und unter der Bühne sowie eidesstattlicher Erklärungen von mutig an die Öffentlichkeit gegangenen Opfern bezüglich mutmaßlicher Sexualdelikte und der Abgabe von K.-o.-Tropfen etwas ins Gerede gekommen. Sprich, der Kasperl wurde zum Krokodil.
Bei einem Rundblick im Stadion wird eines klar. Die tausendfach in schwarzen Rammstein-T-Shirts steckenden, durchaus fröhlichen und enthusiastischen, oder aber auch einfach nur Schwarz oder schlichtes Schwarz tragenden Besucher und Besucherinnen haben meist ebenfalls trotzig wie unsereins an Arik Brauers alten Schlager Sein Köpferl im Sand gedacht: Wir haben nichts gesehen, nichts gespürt, nichts gehört und nichts gerochen. Wir haben uns nichts dabei gedacht, wir reden nicht darüber – und dagegen etwas tun, das tun wir schon gar nicht! Es ist ja nichts gewesen! Es gilt das Wort des Jahres: Unschuldsvermutung!
(…) Ein weiser Mann hat einmal geschrieben: "Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein." Vielleicht sind Till Lindemann bei seiner Tabus nach Exerzierplan brechenden Tour durch die dunklen Seiten der Seele irgendwann über die Jahre die Grenzen zwischen künstlerischer Position und privater Person durcheinandergeraten. Kann passieren, shit happens. Adieu, Rammstein.
3. Der auf Sexualstrafrecht spezialisierte Rechtsanwalt Alexander Stevens erklärt, warum Ines Aiolis Anklage gegen Luke Mockridge abgelehnt wurde:
Stevens behauptet im RTL-Interview, dass die Staatsanwaltschaft völlig zurecht das Strafverfahren gegen Mockridge eingestellt habe und bringt dabei folgende Punkte an:
"Anioli hatte in ihrem Podcast zunächst noch von einer ‘toxischen Beziehung’ (nicht etwa: Ich wurde vergewaltigt) gesprochen und den vermeintlichen Übergriff noch ganz anders geschildert als in ihrer Strafanzeige."
"Im Rahmen der Strafanzeige kam dann auch der eigentliche Grund der Trennung heraus, der mitnichten die angebliche Vergewaltigung, sondern ein Flirt mit einer Sängerin war, worauf Anioli mit ihrem von Luke überlassenen Zweitschlüssel in seine Wohnung eindrang und diese so schwer verwüstete, dass sie vorübergehend unbewohnbar war."
"Auch eine WhatsApp-Nachricht die da lautet: ‘Du machst es mir so leicht meine nächsten Schritte zu planen’, wurde öffentlich nie erwähnt, gleichwohl Anioli Luke diese Nachricht nur kurze Zeit vor der Strafanzeige geschickt haben soll."
"In dem Strafverfahren selbst verhält sich Anioli höchst kontraproduktiv: So lässt sie sich nicht aussagepsychologisch begutachten und stimmt auch einer audio-visuellen Aufzeichnung ihrer polizeilichen Vernehmung nicht zu (aber öffentlich in einem Podcast drüber reden?!) – übrigens alles Standard-Maßnahmen im Sexualstrafrecht."
"Last but not least behauptet Anioli in einem Spiegel-Artikel nach der Einstellung des Strafverfahrens gegen Luke und dessen Bestätigung durch die Generalstaatsanwaltschaft den Rechtsweg ausgeschöpft und den ‘Glauben in die Justiz verloren’ zu haben, doch auch das ist leider nicht nachvollziehbar: Denn Anioli wäre es freigestanden, ein sog. Klageerzwingungsverfahren durchzuführen und da stellt sich für mich als Strafjurist die Frage, warum jemand, der doch fest davon überzeugt ist ‘im Recht zu sein’ dann nicht auch die entsprechenden Rechtsmittel ausschöpft?"
Ines Anioli wollte sich auf RTL-Anfrage zu diesen Punkten nicht äußern.
Gegen Luke Mockridge hatte es zwischenzeitlich Stimmungsmache unter anderem durch die Schauspieler und Comedians Maren Kroymann und Hazel Brugger gegeben.
4. In Großbritannien kam gestern ein Mann frei, der 17 Jahre unschuldig wegen Vergewaltigung im Knast gesessen hatte. Er bezeichnet seine Haft als "Entführung durch den Staat". Polizei und Gerichte hätten seine Gesuche wiederholt ignoriert - bis das Berufungsgericht ihn am Mittwoch aufgrund von DNS-Beweisen entlastete.
In einer emotionalen Erklärung beschuldigte er die Polizei von Greater Manchester, "Lügner" zu sein, und sagte, die letzten anderthalb Jahrzehnte seien ein Albtraum gewesen, in dem er sich oft gefragt habe, ob er getötet werden oder sich im Gefängnis das Leben nehmen würde.
"Als eine Minderheit von einem bist du gezwungen, ihre falsche Fantasie zu leben", sagte er vor Reportern.
(...) Herr Malkinson sagte, dass er trotz seiner Freisprechung nun "arbeitslos und obdachlos ist und von ihm erwartet wird, wieder in die Welt zu schlüpfen, ohne dass das Loch, das sie in meinem Leben aufgerissen haben, anerkannt wird".
Er sagte: "Ich habe 17 Jahre damit verbracht, auf der Hut vor jeder Bedrohung zu sein; 17 Jahre lang habe ich die Minuten bis zum Einschluss gezählt, um hinter meiner Tür in Sicherheit vor anderen Gefangenen zu sein, in Sicherheit vor meinen eigenen Gedanken, in der Vorstellung, dass ich dort sterben würde. Vielleicht wurde ich in der Küche von einem Mitgefangenen ermordet, oder ich starb nachts in meiner Zelle an Unterzuckerung, oder ich wurde von dem System in den Wahnsinn getrieben und starb durch meine eigene Hand."
Er sagte, die Polizei, der Gefängnisdienst und das Bewährungssystem hätten immer wieder darauf bestanden, dass er ein Lügner sei. "Sie behaupteten, ich würde leugnen, und ließen mich 10 Jahre länger im Gefängnis sitzen, weil ich kein falsches Geständnis ablegen wollte", so Malkinson.
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