Sie würden auch gerne mal einen Bestseller schreiben, der Ihnen viele Interviews, zehntausende von Euro und erkleckliche Bekanntheit einbringt, haben aber weder viel Zeit noch Lust auf eine intensive seriöse Recherche? Kein Problem. Prinzipiell gibt es dafür heutzutage zwei zentrale Methoden. Beide erfordern nicht mehr als ein wenig Skrupellosigkeit. Die erste Methode gehört eigentlich nicht in Genderama; sie besteht schlicht daraus, aus den gängigen Islamhasser-Blogs alles abzuschreiben, was je ein Moslem verbrochen hat, das Ganze aneinanderzuklatschen und dann vor dem Untergang des Abendlandes durch die islamischen Horden zu warnen. Dürfte keine vier Wochen dauern und klappt garantiert. Die zweite läuft so, dass man sämtliche Klischees, die es über Männer und Frauen gibt, zusammenrafft und sie so präsentiert, dass sie als halbwegs wissenschaftlich begründet daherkommen. In beiden Fällen werden sich die Journalisten um Sie reißen und kaum einer wird auf den Gedanken kommen, Ihre Behauptungen gegenzurecherchieren - dass diese so „umstritten“ und „politisch inkorrekt“ sind, sie auf gut deutsch also jeder Experte für hanebüchen hält, ist ja gerade der besondere Reiz daran. Und mit den Medien kommen die Leser. Wie gesagt, ein wenig Skrupellosigkeit braucht man schon.
Die Registrierkassen in den Köpfen der Lektoren von Hoffmann und Campe müssen sich insofern in Ekstase geklingelt haben, als sie von der amerikanischen Autorin Louann Brizendine erfuhren, die in ihrem Buch „Das weibliche Gehirn“ einmal mehr erklärte, dass Frauen und Männer schon von Natur aus komplett unterschiedlich tickten. Das klang nach Allan & Barbara Pease und damit nach einem sicheren Bestseller. (Zu recht, wie sich zeigen sollte.) Insbesondere wenn man das Ganze so drehte, dass Frauen dabei als das von Natur aus überlegene Geschlecht herauskamen, würden sich die Medien darauf stürzen.
Und genau das geschah. Unter der Überschrift
”Wir müssen Geduld mit den Männern aufbringen” landeten Brizendines Weisheiten beispielsweise im Wissenschaftsteil der „Welt“, Rubrik „Hirnforschung“. „Frauen haben einen achtspurigen Highway um ihre Gefühle auszudrücken, Männer nur eine Landstraße“ konnte man dort etwa nachlesen sowie „Das weibliche Gehirn besitzt mehr Kommunikationszellen als das männliche, was wiederum Einfluss nimmt auf den Wortschatz: Erwachsene Frauen benutzen durchschnittlich rund 20.000 Wörter pro Tag. Den Männern hingegen reichen 7000.“ (Was die angebliche Anzahl gesprochener Worte pro Tag über den
Wortschatz aussagen soll, erklärt Brizendine nicht; sicherheitshalber fragt die geschmeichelte Journalistin auch gar nicht erst nach.) Frauen seien emotional intelligenter, Männer aggressiver und dächten mehr an Sex. Dass Brizendine sich da als „bekennende Feministin“ outet, verwundert nicht.
Andere Medien beeilten sich, dem in keiner Weise nachzustehen. Unter der Überschrift
”Doppelt soviel Sex im Kopf” druckte die „Berliner Morgenpost“ dasselbe Interview noch mal.
”Frauen sollten besser bezahlt werden als Männer” forderte Brizendine derweil in der Zeitschrift WOMAN. Ich sag´s ja, dass sie´s drauf hat, wie man Leserinnen gewinnt.
Die Sache hat nur einen winzigen Haken: Louann Brizendine erhielt für ihr Buch im Jahr 2006 den
Becky Award, und das ist ein Preis, auf den man gerne verzichten würde: Er geht nämlich an Menschen und Organisationen, die sich in besonderer Weise durch linguistische Falschinformation hervorgetan haben. Die Preisverleiher, eine angesehene Organisation von Sprachwissenschaftlern, haben über Brizendines Buch
folgendes zu sagen:
The reviewers for the British science journal Nature described the book as "riddled with scientific errors." And in newspaper commentaries and posts on the LanguageLog blog, the University of Pennsylvania linguist Mark Liberman has been meticulously debunking Brizendine's claims about men's and women's language.
For example, Brizendine asserts that differences between men's and women's brains make women more talkative than men, and goes on to say that women on average use 20,000 words a day while men use only 7000. That factoid conforms so neatly with gender stereotypes about chatty women and taciturn men that a lot of people were indignant that anybody would spend money to discover anything so obvious. One reporter at a San Francisco TV station began his story on Brizendine by saying "Here's a news flash. Women talk more than men. Duh."
Except that, duh!, it isn't true. It turns out that the figures Brizendine reported had been taken from a book by a self-help guru who had simply pulled them out of the air. And the studies that have been done generally show either that men talk slightly more than women or that the two sexes talk about the same amount.
Or take Brizendine's claim that women on average speak twice as fast as men do. That's another cherished bit of gender lore, but no research shows anything of the sort -- the best evidence indicates that men on average speak a bit faster than women do. Nor is there any scientific basis for her claims that men think about sex every 53 seconds while women think about sex only once a day, or that women are more emotionally attentive because their more sensitive hearing enables them to hear subtle tones and nuances in speech that escape men.
In short, saying that Brizendine's claims about sex differences in language are not exactly scientific gives "not exactly" a bad name. Yet the media generally covered the book uncritically, without running the claims past linguists or neuroscientists, or apparently, past their own science writers, either.
Nett, dass die Herren Sprachwissenschaftler uns so aufklären, aber gegen die Begeisterung, mit der sich manche Journalisten auf jedes Klischee stürzen, verblasst jegliche Wissenschaft komplett. Auch hiesige Medienmacher räumten Brizendine viel Raum ein, ohne die Substanz ihrer Aussagen ein wenig gegenzuchecken. (Um von dem Becky Award zu erfahren, hätte ein Klick in die amerikanische Wikipedia genügt.) So lief es mit Allan und Barbara Pease, so wird es mit jedem anderen Zausel laufen, der uns ein paar Jahre später einen ganz ähnlichen Quatsch über die von Natur aus komplett unterschiedlichen Gehirne der Geschlechter erzählt. Petra Gehring immerhin durchschaute in der FAZ die Fragwürdigkeit von Brizendines Behauptungen und stellte die berechtigte Frage, ob es sich nicht in Wahrheit um ein
"geschickt verpacktes Werbebuch“ handele.
Ich danke einem aufmerksamen Leser von MANNdat, dessen Namen ich mir leider nicht gemerkt habe, für die Idee zu diesem Beitrag.Labels: Deppenjournalismus, feministische Propaganda, Misandrie