Genderama-Jahresrückblick 2006
Scheinbar jeder unternimmt derzeit einen kleine Bestandsaufnahme der vergangenen zwölf Monate. So auch Carey Roberts bei Wendy McElroys “individual feminists” über den Stand des Geschlechterkonfliktes in den USA:
Six years ago Christina Hoff Sommers warned us about the feminist-inspired War Against Boys, and a year later Paul Craig Roberts wrote a column with the startling title, "Criminalizing Masculinity." Finally in 2006, people came to realize the assault wasn't going to let up just because of the preposterous nature of the claims about the patriarchal conspiracy. Indeed, people began to wonder if the opposite was true - that men had willingly carried the most dangerous and onerous roles in society to the primary benefit of women.
Natürlich ist es dann auch in Genderama mal wieder Zeit, sich in Erinnerung zu rufen, was sich im letzten Jahr geschlechterpolitisch so getan hat. Einige wesentliche Trends und Verwerfungen habe ich hier zusammengefasst:
Mehrere amerikanische Autoren postuilerten eine Rückkehr traditioneller Männlichkeit, wenn nicht gar des „Patriarchats“. Am bekanntesten von ihnen wurde hierzulande Philip Longman. Das gab Anlass für mancherlei Talkshow und Feuilletonartikel. Ein weiteres starkes Thema, am prominentesten protegiert von Frank Schirrmacher (FAZ), war eine wiederkehrende Sehnsucht nach den traditionellen Familienstrukturen. Diese „neue Bürgerlichkeit“ wurde von anderen Autoren (Christian Rickens, Katrin Deckenbach) allerdings eher als „neue Spießigkeit“ wahrgenommen.
Alice Schwarzer bekam Konkurrenz: Zwei weitere prominente Frauen erklärten, was ihre Geschlechtsgenossen angeblich wirklich wollen und was auch am besten für die Menschheit sei. Da beide in entgegengesetzte Richtungen zerrten, wurden sie einander schnell spinnefeind: Eva Herman knüpfte teilweise an den Thesen Philip Longmans an und sah die vom Karrierekampf zermürbte Frau am besten in der Mutterrolle aufgehoben, Thea Dorn sprach für eine neue „Frauenelite“. Während Dorn in Interviews punktuell auch liberale Ansätze aufschimmern ließ, präsentierte sie sich insgesamt so ätzend und biestig, wie man es bislang von Alice Schwarzer gewohnt war. Im Gegensatz zur kaum diskutierten Dorn steckte Herman sehr viel öffentlichen Prügel, teils unter der Gürtellinie ein, brach aber, ebenfalls im Gegensatz zu Dorn, auch mit einigen zentralen Tabus der öffentlichen Geschlechterdebatte.
Noch mehr hysterisches Tamtam lösten 2006 allerdings einige Karikaturen im dänischen Jyllands-Posten aus. Dadurch gelangte die Auseinandersetzung mit dem Islam auf die allgemeinpolitische Tagesordnung und sickerte auch in die Geschlechterdebatte ein. So sah sich Alice Schwarzer mit ihren Warnrufen bestätigt und die eben erwähnte Thea Dorn widmete einen großen Teil ihres Buches „Die neue F-Klasse“ der muslimischen Bedrohung. Was letzere angeht, brach im Sommer eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung unter Kopftuchträgerinnen mit vielen Klischees: Die muslimischen Frauen wollten eher weniger Kinder und zeigten sich zudem karriereorientierter als nicht-muslimische Deutsche. Weit überwiegend strebten sie eine gleichberechtigte Partnerschaft an.
Wie so häufig stehen intelligentere Bücher zur Geschlechterdebatte etwas im Schatten der Ergüsse von Leuten mit Promi-Faktor: So geht es auch Astrid von Friesens bemerkenswertem Buch „Schuld sind immer die anderen“. Darin erläutert von Friesen, die früher auch schon mal für die „Emma“ schrieb, welche Kollateralschäden der Feminismus anrichtete, und fordert eine neue Männerbewegung. Dabei ist sie nur Teil einer wachsenden Zahl von feministischen Autorinnen, die ihre Ideologie zunehmend auch kritisch zu sehen beginnen.
Von der „taz“ bis zur „Newsweek“ berichteten sämtliche Medien von der „Jungenkrise“. An der Erkenntnis, dass Jungen im Schulunterricht benachteiligt sind, kommt spätestens nach der neuen Shell-Jugendstudie praktisch nur noch Familienministerin von der Leyen vorbei, die allen ihr vorgelegten Fakten zum Trotz lieber von einem „Aufholen“ der Mädchen sprechen möchte. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels und bislang noch sehr vereinzelte Verlage (Tienemann) fordern insbesondere eine jungenfreundlichere Literatur. Wohl nicht durch Zufall ist gleichzeitig die von MANNdat erstellte Jungenlesenliste sehr begehrt. In Aachen gelingt es Eva Köhl, als Gegenstück zum Girls Day auch einen Boys Day durchzusetzen. Grund genug zum Gegensteuern gibt es, nachdem der Soziologe Klaus Hurrelmann, Leiter der Shell-Jugendstudie, einen kommenden „Krieg der Geschlechter“ voraussagte.
Anders als in Deutschland werden in den USA sexuelle Übergriffe von erwachsenen Frauen, insbesondere Lehrerinnen, zu einem starken Medienthema – bis hin zu einer Folge in der Zeichentrickserie „South Park“. Gleichzeitig werden allerdings auch immer mehr Jungen im Kindergartenalter als „Sexualtäter“ gebrandmarkt.
Die britischen „Fathers 4 Justice“ waren für einige Monate weg vom Fenster, aber dann doch recht schnell mit neuen spektakulären Aktionen wieder da. Es soll sogar ein Film mit Danny DeVito über die englischen Väterrechtler in der Mache sein. Für den deutschen Väteraufbruch ließ sich der Schauspieler Mathieu Carriére in Berlin symbolisch ans Kreuz binden. Als Justizministerin Zypries, Vertreter der evangelischen Kirche und einige Journalisten sich befremdet darüber zeigten, distanzierte sich der Vorstand des Väteraufbruchs Berlin von diesem Happening schnell. Das wiederum machte einige seiner Mitglieder fassungslos.
Zur Fußballweltmeisterschaft phantasierte Alice Schwarzer 40.000 Zwangsprostituierte nach Deutschland. Solche Hysterie führte bei vielen zu einem gegenteiligen Effekt: Die wenigen hundert Fälle, die es in Deutschland pro Jahr tatsächlich sind, erschienen im Vergleich kaum noch der Rede wert.
Nicht jeder ist glücklich über das neue Antidiskriminierungsgesetz.
Unter anderem dank verbesserter Verfahren bei DNS-Tests kommt in den USA praktisch alle Viertelstunde jemand frei, der wegen Vergewaltigung unschuldig im Knast gesessen hatte.
Nachdem ebenfalls recht häufig auch 2006 immer wieder neue internationale Untersuchungen von einer Gleichverteilung der häuslichen Gewalt zwischen den Geschlechtern sprechen, führte eine einseitige Studie der Vereinten Nationen zu weltweiten und durchaus erfolgreichen Protesten.
Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte räuspert sich immer vernehmlicher, was die Rechte von Vätern in Deutschland angeht. Beim Oberlandesgericht Naumburg sind inzwischen gar drei Richter wegen Rechtsbeugung angeklagt. „Der Fall ist in Deutschland bislang beispiellos.“ kommentierte die „Frankfurter Rundschau“. Im Fall einer Verurteilung drohen den Juristen Haftstrafen zwischen einem und fünf Jahren.
Auch deutsche Jugendämter geraten zunehmend in die Kritik. Überfliegt man die Medienberichte 2006, dann gebährden sich diese Behörden entweder in einer Manier, die zwischen Stasi und Gestapo gezeichnet wird, oder sie kümmern sich viel zu wenig um Problemfamilien oder alleinstehende Mütter, bis das Kind schließlich in den Brunnen gefallen - oder anderweitig ums Leben gekommen ist.
Gaaanz allmählich nehmen die deutschen Medien wahr, dass es in unserem Land so etwas wie Männerrechtler gibt. Insbesondere MANNdat rückt zunehmend in den Blickpunkt – das hat die neu gegründete Männerpartei erst noch vor sich.