In den 90er Jahren wohnte und studierte ich in Frankfurt/Main und schrieb meine Wissenschaftliche Hausarbeit zum Thema "Die missverstandene Emanzipation – Beiträge zur Diskriminierung des männlichen Geschlechts." Ausschlaggebend war der damals auffällig männerfeindliche Tenor, der an der Johann Wolfgang Goethe-Universität sowie eigentlich in der gesamten Stadt herrschte und dem man sich kaum noch entziehen konnte. Aufzug- und Toilettentüren waren mit "Schwanz-ab"-Parolen beschmiert. Vielerorts wurde vor der "männlichen Aggression" gewarnt. Die feministische Liste das Fachbereichs 3 forderte gar im Jahr 1995: "Frauen, wehrt euch gegen die alltäglichen Belästigungen durch Männer1 Verwandle deine Angst in Wut! Brülle das Arschloch zusammen!" Im Vorlesungsverzeichnis wurden Seminare angeboten, an denen keine Männer teilnehmen durften.
Mit diesen Sätzen beginnt das Buch
Die missverstandene Emanzipation. Wie Wissenschaft, Politik und Medien Männer diskriminieren der baden-württembergischen Lehrerin Anja Langlois. Während diese Dauerdiffamierung letztlich zum Herausbilden einer Männerrechtsbewegung in Deutschland führte, legte Langlois dieses Thema zunächst einmal zu den Akten – womöglich bedingt durch das Verlassen der Universität und der Stadt Frankfurt –, um es jedoch im Jahr 2013 wiederzuentdecken, als sie sich erneut mit der Geschlechterdiskussion beschäftigte. Dabei stellte sie "einigermaßen erstaunt" fest:
* Meine damaligen Thesen sowie die daraus resultierenden Aussagen und Erkenntnisse waren immer noch brandaktuell.
* An der Situation der Männer hatte sich so gut wie überhaupt nichts verbessert.
* Männer werteten sich nun in ihren Veröffentlichungen sogar schon selbst ab!
Bei der Frau hingegen hatte sich seither Einiges getan: Die Frauenquote war eingeführt, in vielen wichtigen Ämtern und hohen Positionen saßen nun auch Frauen, eine Frau ist Bundeskanzlerin, die Anzahl von Professorinnen an Hochschulen hatte zugenommen (...). Trotz allem gab es immer noch die aggressive feministische Front, welche die von mir damals schon kritisch bewertete Idealisierung und Bevorzugung der Frau weiter vorantrieb. Viele Feministinnen praktizierten weiterhin mit Selbstverständlichkeit, was sie andererseits beim Mann anklagten: Machtstreben und Diskriminierung.
Vor diesem Hintergrund entstand Langlois Buch, das mit zahlreichen Zitaten aus den unterschiedlichsten Medienformaten der neunziger Jahre auf ihre damalige Hausarbeit zurückgreift und diesen die Misere der Gegenwart gegenüberstellt. Die Fülle der gesammelten Männerabwertungen führt zu einem Textkorpus, der Christoph Kucklicks
These vom Mann als abgewertetem Geschlecht für den genannten Zeitraum unwiderlegbar untermauert. Was das neue Jahrtausend angeht, greift Langlois stark auf mein eigenes Buch
Männerbeben zurück und erwähnt jeweils über längere Absätze auch das Wissenschaftsblog
sciencefiles mit seinem Engagement gegen Männerdiskriminierung an Hochschulen sowie die männerpolitische Initiative
MANNdat beispielsweise mit ihrer Studie darüber, dass die Bildungsministerien die Interessen der Jungen anhaltend vernachlässigen. Allerdings vermisst Langlois ein wesentlich größeres gesellschaftliches Engagement gegen diverse Ungerechtigkeiten und fragt:
Wie können selbstbewusste, emanzipierte Frauen ruhigen Gewissens hinter dieser Art von Forderungen ihrer Geschlechtsgenossinnen stehen oder sie auch nur still zur Kenntnis nehmen? Wo ist die Männerbewegung, die gegen solche frauenbevorzugenden Gesetzesregelungen laut aufbegehrt, oder warum findet sie kein Gehör?
Es könnte daran liegen, dass Menschen beiderlei Geschlechts in politisch verantwortungsvollen Positionen die mediale Dauerabwertung von Männern nur allzu bereitwillig geschluckt haben. So zitiert Langlois Staatssekretärin Cornelia Iser vom Bundesfrauenministerium mit dem Statement: "Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine Frau, die hilft. Hinter jeder erfolgreichen Frau ein Mann, der sie aufhält." Oder, um eine Talkshow aus dem Jahr 1993 zu nehmen:
Es wird über die Vergewaltigung von Frauen im Bosnienkrieg und den zahlreichen Hilfsaktionen in aller Welt für diese Vergewaltigungsopfer gesprochen. Ein CDU-Abgeordneter hatte sich erlaubt, das Thema aufzugreifen und anzumerken, dass von den Schrecken des Krieges auch die Männer betroffen seien, was man nicht vergessen dürfe. Die SPD-Abgeordnete Hanna Laurin [gemeint ist wohl Hanna-Renate Laurien; auch mein Name wird in dem Buch kontinuierlich falsch geschrieben – A.H.] bezeichnet diesen Hinweis als Ignorieren der Frauenfrage und indirektes Schützen der Täter, da jeder Mann ein potentieller Täter ist.
(...) Direkt nachdem Frau Laurin dem erwähnten männlichen Gast das Ignorieren der Frauenfrage vorgeworfen hat, spricht sie über die Benachteiligung von Frauen in Ländern wie Afghanistan usw. und stellt dann fest "... wobei man sagen muss, dass es hier bei uns auch nicht viel anders aussieht."
Weder der Moderator noch einer der geladenen Gäste hielt es für angebracht, darauf hinzuweisen, dass es große Unterschiede zwischen der Situation von Frauen in Afghanistan und Frauen in Deutschland gibt.
Eine der Stärken des Buches liegt zweifellos im Zerpflücken von vermeintlichen "Erkenntnissen" der Genderforschung. Die arbeitete schon in den 90er Jahren so, dass die Ergebnisse von vorneherein feststanden und die ermittelten Fakten so hingebogen wurden, dass sie zu den gewünschten Resultaten passten:
Ermittelten Brunner und Lezine in einer Untersuchung in Frankreich, dass Mütter eine Tochter wesentlich seltener und kürzer an der Brust stillen als einen Sohn, so werteten Belotti und andere dies als Beleg für die Benachteiligung von Mädchen. Berichteten Goldberg und Lewis in den USA, dass Mädchen bereitwilliger und länger gestillt würden als Jungen, so ließe sich das angeblich wieder als Tendenz deuten, die Töchter eher zur Anhänglichkeit und Unmündigkeit zu erziehen.
Was so gar nicht ins vordefinierte Raster passen will, lässt man am besten unter den Tisch fallen:
Man findet zwar heraus, dass Jungen und Mädchen unterschiedlich erzogen werden, und behauptet, dies sei eine Benachteiligung der Mädchen, jedoch kommt nicht zur Sprache, dass dies vorwiegend durch das Erziehungsverhalten der Frauen geschieht, nämlich der Mütter bzw. im Kindergarten der Erzieherinnen und in der Grundschule vor allem der Lehrerinnen ("Erziehungsmatriarchat").
Und wenn Feministinnen wie
Christa Mulack forschen, wird es Anja Langlois Sichtungen zufolge besonders interessant:
Sie nimmt an, der Junge habe bereits ein patriarchalisches Weltbild, welches ihm seine eigene Höherwertigkeit und Stärke vermittle. Die aus dem Identitätsbruch mit der Mutter resultierenden Probleme kompensiere er mit Frauenfeindlichkeit und Überheblichkeit. Seinen Gebärneid kompensiere er mit Prioritäts- und Allmachtsphantasien, welche wiederum ein typisch männliches Problem hervorbrächten, nämlich die gestörte Wahrnehmungsfähigkeit, insbesondere im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen.
Mulack nennt es eine "typische Männerkrankheit", die eigene Meinung mit der objektiven Wirklichkeit zu verwechseln. Gefühlsbetontheit und Einfühlungsvermögen seien hingegen positive Eigenschaften der Frau, die angeblich dem Mann generell fehlten ("Emotionaler Analphabetismus").
(...) Frau Mulack kommt zu dem Schluss, die Entwertung des Mannes sei heute ein historisches Faktum und habe nichts mit feministischer Männerfeindlichkeit zu tun, "sondern mit bewusster Wahrnehmung dessen, was ist", nämlich der biologisch determinierten Höherwertigkeit der Frau.
(...) Thürmer-Rohr spricht von der Entwertung des Mannes als einem notwendigen "Bewusstseins- und Erkenntnisakt auf Seiten der Frauen". Eine Umkehrung der Probleme, also männliche Unterdrückung und weibliche "Selbst-Herrlichkeit" sei nicht zu befürchten, da Frauen anders mit Macht umgingen, sie nicht um ihrer selbst willen anstrebten und insgesamt lebensfreundlichere Ziele verfolgten.
(jeweils belegt durch Endnoten als Quellnnachweise)
Diese Ideologie ... Verzeihung, diese "Gender-Wissenschaft" wanderte schon in den frühen neunziger Jahren an zahllosen Universitäten zuhauf in Veranstaltungen der verschiedensten Fachbereiche, wozu schließlich eigene Frauenvorlesungsverzeichnisse herausgegeben wurden (so auch an "meiner" Uni in Mainz) und Männer keineswegs zu sämtlichen Veranstaltungen Zutritt erhielten. Gleichzeitig spiegelten sich, wie Langlois zeigt, diese scheinbar wissenschaftlich abgesicherten Abwertungen in zahlreichen TV-Sendungen und Presseartikeln. Was aus dieser Unkultur wurde, ist in unserer Gegenwart anhand der
verschiedensten Erscheinungsformen zu besichtigen.
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