1. Der
Kölner Stadt-Anzeiger berichtet:
Die CDU macht sich gegen Gender-Sprache in Behörden, Schulen, Universitäten sowie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk stark. Man wolle etwa "auch nicht, dass jemand an der Universität dafür bestraft wird, dass er die Sprache verwendet, die ohne Gendersternchen funktioniert", sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja am Freitag kurz vor Beginn eines Kleinen Parteitags der Christdemokraten in Berlin.
In einem von der Antragskommission der Partei veränderten Antrag des CDU-Verbandes Braunschweig, der von den gut 160 Delegierten diskutiert und verabschiedet werden sollte, heißt es: "Die CDU Deutschlands spricht sich gegen jede Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen aus, die keine Gender-Sprache verwenden möchten." Man sei dafür, "dass in allen Behörden, Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen sowie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine grammatikalisch falsche Gender-Sprache" verwendet werde. Zudem lehne man "negative Folgen einer korrekten, den Vorgaben des Rates für deutsche Rechtschreibung entsprechenden Schreibweise bei Prüfungsleistungen oder Förderanträgen ab".
2. Der Unmut über die beiden Schweizer Geschlechterforscherinnen Katja Rost und Margit Osterloh, die herausfanden, dass auch Studentinnen lieber einen erfolgreichen Mann heiraten, statt selbst Karriere machen möchten,
hält unvermindert an.
Mit dem, was dann folgte, hatten die beiden Professorinnen nicht gerechnet. Es kam zu Protesten und zu Anfeindungen, auch persönlichen. Katja Rost sprach an einem Podium am Donnerstagabend in Zürich von einem Albtraum. (…) Es folgten unter anderem Eingaben an den Presserat über den angeblich sexistischen Tamedia-Artikel und ein offener Brief, der die Methodik der Studie infrage stellte.
Eine aktivistische Gruppe, das "feministische Hochschulkollektiv", war der Ansicht, dass sich die Universität für die Studie – und für die Diskussionen darüber – zu schämen habe.
Die Universität dachte aber nicht daran, sich dem Druck zu beugen, sondern stellte sich am Podium am Donnerstag der öffentlichen Debatte und der Kritik.
(…) Die Diskussion nahm bisweilen bizarre Züge an. Der Psychologe und Männeraktivist Markus Theunert etwa warf den beiden Frauen einen mangelhaften Umgang mit Kritik vor. Er verglich ihr Verhalten mit dem von "alten weissen Männern", sie hätten faktenreich und arm an Empathie auf ihrem Standpunkt beharrt. Osterloh antwortete ihm kühl, dass Wissenschaft keine Wohlfühlveranstaltung sei.
(…) Aufhorchen liess ein Statement der ETH-Professorin Elsbeth Stern. Die Psychologin, die zu Bildungsthemen forscht, kritisierte die Studie als handwerklich ungenügend. "Wenn das eine Bachelorarbeit gewesen wäre, dann hätten die nochmals rangemusst", sagte sie.
(…) Die beiden Uni-Professorinnen wiesen die Kritik zurück. Ihre Arbeit sei auch durch Peer-Reviews gegangen und sei sehr sauber.
3. Zwei Männer
beschimpften ein schwules Paar im Regionalexpress RE4 zwischen Düsseldorf-Hauptbahnhof und Bilk. Als der eine Partner zur Toilette ging, verprügelten sie den zweiten und entwendeten seine Uhr. Die Täter haben syrischen und afghanischen Migrationshintergrund. Die alarmierten Polizeikräfte trafen die beiden Tatverdächtigen noch im Zug an und nahmen sie fest.
4.
Telepolis legt dar, inwiefern die Wikipedia nach wie vor problematisch ist. Ein Grund dafür ist ein inzwischen etabliertes Machtgefälle, das mit der ursprünglichen Vision der Wikipedia von gleichberechtigten Nutzern nichts mehr zu tun hat:
Der Biologe Markus Fiedler setzt sich auf dem Blog "Geschichten aus Wikihausen" kritisch mit der Online-Enzyklopädie und ihrem Objektivitätsanspruch auseinander.
In der YouTube-Dokumentation "Die dunkle Seite der Wikipedia" von 2015 zitieren Fiedler und Mitproduzent Frank-Michael Speer einen Foren-Beitrag, der das oben beschriebene Patronage-Struktur mit dem Vorgehen der sizilianischen Mafia vergleicht:
"Nur wer sich der gütigen Hand der absoluten Macht des Administrators unterwirft – wer also Lehns- und Gefolgsmann des Administrators wird –, kommt in den Schutz der erweiterten administrativen Rechte. […] Wer nicht Gefolgsmann eines Administrators ist, wer Kritik äußert und abweichende Ideen vertritt, ist rechtlos und zum Abschuss freigegeben […] er wird bekriegt, beleidigt und gedemütigt, und seine Beiträge stehen zur Vernichtung frei."
Ein anderer Grund ist die Aufgabe des Prinzips vom neutralen Beobachtungspunkt:
Einer wissenschaftlichen Quelle räumt die (deutsche) Wikipedia im Konfliktfall den Vorzug ein. Wo eine solche nicht vorhanden ist, erfüllen laut Satzung "inhaltlich zuverlässige" Quellen wie öffentlich-rechtliche Medien und Zeitungen diese Anforderungen. Explizit genannt wird tagesschau.de.
Keine Angaben macht die Wikipedia allerdings dazu, welchen anderen Medien jenes Privileg zuteilwird. Allein die Liste von Nachschlagewerken verrät, welche Medien offenbar a priori als zitierfähig eingestuft werden. Solche jenseits des sogenannten Mainstreams sucht man in betreffenden Listen allerdings vergeblich. Im Hinblick auf das Neutralitätsgebot ist das problematisch.
Denn nicht nur, dass auch "seriöse" Medien Inhalte kontrafaktisch, elliptisch oder einseitig darstellen können. Eine im obigen Sinne eng gefasste Wikipedia-Definition würde im Umkehrschluss bedeuten, dass Inhalte, die der Mainstream nicht aufgreift, per se nicht seriös sein können.
Was abweicht, wäre dann automatisch falsch. Und die Wikipedia kein progressives Gemeinschaftsprojekt, sondern eher ein Zugeständnis an zeitgenössische Formen des Positivismus.
Zudem würde man damit den "seriösen" Medien nicht nur eine unverhältnismäßige Deutungshoheit einräumen, die dem Neutralitätsgebot widerspricht, sondern auch Mechanismen ignorieren, die die Illusion eines medialen Konsenses erzeugen – etwa die Befragung der immergleichen Experten, das Abschreiben voneinander oder die Übernahme von Agenturmeldungen. Und doch verlaufen die Diskussionen hinter den Kulissen von Wikipedia so, als ob dieses Problem nicht existiere.
Für die Männerrechtsbewegung ist die Wikipedia aus den genannten Gründen besonders problematisch.
5. In der Berliner
"taz" befindet Carolina Schwarz zur Kontroverse um die Band Rammstein, zwar gelte die Unschuldsvermutung, jedoch:
Konsequenzen muss es trotz allem geben. Das soll weder die Ermittlungen kleinreden noch die Unschuldsvermutung außer Kraft setzen. Doch selbst bei fehlender Verurteilung müssen wir als Gesellschaft ja einen Umgang mit mutmaßlichen Täter_innen und Opfern finden.
In der Kommentarspalte unter dem Artikel, die zügig geschlossen wurde, zeige sich die Leser wenig überzeugt:
solche [artikel] lassen mich auch ratlos zurück. würde die autorin ihre gutheißung zu ende denken, könnnen wir die gerichte abschaffen und wir stimmen auf twitter über urteile ab, da man ja eh schon genau weiß was vorgegangen ist und das urteil nur eine formalie darstellt.
Beim Lesen wird ein wenig Angst und Bange. Da klingt vieles wie Hetze und undemokratischen Spielregeln. Ich halte persönlich Lindemann für ein erbärmliches kleines Würstchen, aber zu fordern, dass generell mit mutmaßlichen Tätern "gesellschaftlich" ins Gericht gegangen werden soll finde ich widerlich. (…) mutmaßlich heisst aus besonderem Grund "mutmaßlich". Keiner wird gezwungen, Lindemann hinterher zu laufen. Aber die Gesellschaft "muss ihn richten" ist totalitäres denken.
Und wenn ich jetzt sage, dass du mit mir xy gemacht hast, solltest du dann auch direkt ausgerenzt werden, ohne Verhandlung, ohne Urteil? Vielleicht sollten wir manche Menschen einfach direkt auf dem Marktplatz durch den Mob lynchen lassen?
So kommen wir zurück zur Lynchjustiz. Sollte Herr Lindemann freigesprochen werden gilt er als unschuldig, dann gibt es keine Konsequenzen. Ich finde es sehr fragwürdig was sich Frau Schwarz für eine Deutungshoheit erlaubt.
Währenddessen fordert der
Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung ein Verboten von Rammstein-Konzerten.
Der Schriftsteller
Uwe Tellkamp hingegen stärkt Rammstein den Rücken:
Der Schriftsteller und Bestseller-Autor Uwe Tellkamp hat den Rammstein-Frontmann Till Lindemann verteidigt und dessen Rauswurf beim Verlag "Kiwi" kritisiert. "Ich mag Till Lindemanns Lyrik. Ich verstehe nicht, wie sein Verlag ohne wirklichen Beweis sich von ihm distanziert, ihn rausschmeißt. Das finde ich perfide und heuchlerisch", sagte Tellkamp in dem Youtube-Format "Schuler! Fragen, was ist". Man müsse differenzieren zwischen Straftatbestand und Einvernehmlichkeit. Bislang habe er keine Beweise dafür gehört, dass es strafbare Handlungen gegeben habe.
Auch der Musikproduzent
Thomas Stein kritisiert die Berichterstattung der Medien über Till Lindemann. "Ich bin mir nicht sicher, ob die momentane Berichterstattung auf einem soliden Fundament gemacht wurde", erklärt Stein und ergänzt: "Wir trauen es uns in Deutschland nicht mehr zu sagen, dass etwas anders sein kann, als das, was die Medien gerne erzählen." Niemand hätte bisher die Vorwürfe gegen Till Lindemann richtig nachgeprüft, so Stein. "Ich finde, man muss mit einer Vorverurteilung aufpassen."
Heute Abend ist Thomas stein Gast in der Talkshow
"hart aber fair", die von der ARD folgendermaßen angekündigt wird:
Skandale wie der um die Band Rammstein zeigen: Wo Männer Macht haben, zählen Frauen oft wenig. Warum erleben Frauen häufig Erniedrigung bis hin zum Missbrauch? Wann gibt es endlich Augenhöhe statt Machtgefälle? Und was haben Frauen dazu schon erreicht, Männer gelernt?
Wir sind also von einem unbewiesenen Einzelfall bereits bei einer neuen Breitseite gegen Männer insgesamt gelandet. Und auch für Männer insgesamt ist die Unschuldsvermutung in der medialen Darstellung außer Kraft gesetzt.
Auch in einem
weiteren taz-Artikel heißt es, dass "die Männerwelt" (!) auf einmal Angst bekomme, "dass Machtstrukturen, die systematische sexuelle Übergriffe, nicht-konsensualen Sex und Drogenmissbrauch ermöglichen, nach Jahrzehnten ins Wanken geraten könnten." Dabei werde "völlig sinnentleert und reflexartig von 'Unschuldsvermutung' geraunt." Wer das tue, habe womöglich "Angst, in dieser Auseinandersetzung zu Erkenntnissen zu kommen, die ihn persönlich betreffen."
Man hätte auch gleich weniger verklausuliert schreiben können: Wer bei Vorwürfen sexueller Gewalt auf der Unschuldsvermutung beharrt, hat bestimmt selbst etwas auf dem Kerbholz.
In einem der Leserkommentare unter diesem Artikel heißt es:
Was eine Hexenjagd, unglaublich.
Unschuldsvermutung? Egal.
Bis dato ist exakt null belegt.
Man denke an die Fälle Gil Ofarim oder Jörg Kachelmann - da war auch "jedem" vorher klar was Sache ist... - es passte ja auch so schön ins Weltbild - und hinterher?
Hier wird einer gesteinigt der vielen schon lange ein Dorn im Auge ist - ein Macho, ein Berlusconi der Bühne - der Antichrist von #metoo bis queer - endlich kann man ihn kreuzigen. Weil er ein Weltbild auf die Bühne transportiert, das dem "Zeitgeist" komplett ins Gesicht spuckt.
Auch andere LeserInnen zeigern sich erschrocken, mit welcher Leichtigkeit der "taz"-Artikel die Unschuldsvermutung beiseite wischt.
Der Autor dieses Artikels,
Maurice Conrad, ist Initiator der Fridays-for-Future-Bewegung in Mainz und Mitglied des Mainzer Stadtrats.
Und schließlich äußert sich der Strafverteidiger Dr. Yves Georg in der
Legal Tribune zur Erosion der Unschuldsvermutung im Fall Lindemann (der Artikel ist in Gänze lesenswert):
Auch nach der Konkretisierung bisher bloß im Diffusen bleibender Vorwürfe gegen Lindemann durch die Spiegel-Recherchen gilt weiterhin: "Nichts Genaueres weiß man nicht." Das hält aber etwa Geschäftspartner von Lindemann nicht von Konsequenzen ab. Dabei kann vor allem die Kündigung von Verträgen, wie es im Fall Lindemann etwa Kiepenheuer & Witsch, GGPoker und Rossmann getan haben, nicht damit begründet werden, dass man das hoch Streitbare des Rammstein-Frontmanns erst jetzt wirklich erkannt habe. Denn bekanntlich finden sich in einer Vielzahl von Texten aus Lindemanns Feder Motive von Vergewaltigung, Missbrauch und Inzest. Die – noch völlig unaufgeklärten – Vorwürfe müssen also ausschlaggebend gewesen sein. Daran wird deutlich, dass die Unschuldsvermutung sowohl bei vielen Medien als auch Geschäftspartnern von Lindemann keine hinreichende Beachtung findet.
6. Die Post. Heute schreibe ich mehreren Dutzend Chefredakteuren und anderen Journalisten folgende Mail:
Sehr geehrte(r) …
bitte helfen Sie mir bei der Beantwortung einer Frage, die mit den aktuellen Medien zu tun hat. Ich habe zwar selbst Medienwissenschaft studiert, aber das war in den Neunziger Jahren, und die Dinge haben sich offenkundig stark geändert.
Vor einigen Monaten habe ich Ihnen und über 100 anderen Medien mein Buch "Sexuelle Gewalt gegen Männer" zugesandt. Das Buch stellt die Ergebnisse zahlreicher aktueller Studien zusammen, denen zufolge Männer in fast so starkem Ausmaß wie Frauen Opfer sexueller Gewalt, einschließlich Vergewaltigungen, werden. Diese Erkenntnis hat offenkundig Nachrichtenwert. Die Studien stammen von anerkannten Forschern, sind belastbar, wurden repliziert und waren in US-amerikanischen Medien auch Thema. Von den deutschen Leitmedien hat allein der STERN mit einem Artikel reagiert, ansonsten nur Nischenmedien wie das linke Overton-Magazin.
Vergangene Woche hingegen wurde über eine vermeintliche "Studie" von Plan International, der zufolge jeder dritte Mann es okay fände, seine Partnerin zu schlagen, flächendeckend in den Leitmedien berichtet. "Das Ding war überall", schilderte das zutreffend das NDR-Medienmagazin "Zapp". Erst nach der Veröffentlichung dieser Beiträge erkannten die Redaktionen, dass diese angebliche Studie mit wissenschaftlicher Stichhaltigkeit wenig zu tun hat, was Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine ausführlich aufschlüsselten.
Warum erhält eine unseriöse Präsentation von wissenschaftlicher Forschung eine breite Plattform in unseren Medien und eine seriöse Präsentation so gut wie keine?
Mir ist klar, dass die Darstellung von Plan International sexistische Klischees zu bestätigen scheint, während die von mir zusammengetragenen Studien sexistische Klischees widerlegen. Aber ist es nicht die Aufgabe von Journalisten, trotzdem jeweils die Stichhaltigkeit zu überprüfen?
Freundliche Grüße
Arne Hoffmann
Ich rechne mit keiner Antwort, finde aber nicht, dass man deswegen gar nicht erst fragen sollte.