1.
"Die Welt" berichtet, wie es jetzt bei den saarländischen Grünen weitergeht, nachdem es dort auch zu Annalena Baerbocks Verärgerung und entgegen dem "Frauenstatut" der Partei ein Mann an die Spitze gebracht hat:
Im Streit über die umstrittene Landesliste der Saar-Grünen zur Bundestagswahl wollen mehrere Kreis- und Ortsverbände die Aufstellung für ungültig erklären lassen. Zur Anfechtung der Liste haben sie sich an das Landesschiedsgericht gewandet, wie das neu gegründete Grüne Bündnis Saar am Montag mitteilte.
(…) Das Grüne Bündnis Saar sieht vor allem in der Wahl von Ulrich ein "rücksichtsloses Hinwegsetzen über das Frauenstatut", das nicht hinnehmbar sei. Ungerade Listenplätze seien Frauen vorbehalten. Auf dem Parteitag war die Kandidatin für den ersten Platz der Liste, Tina Schöpfer, in drei Wahlgängen durchgefallen. Daraufhin beschloss der Parteitag, dass auch ein Mann für den Posten kandidieren könne: Ex-Landeschef Ulrich wurde gewählt.
Er setzte sich dabei in einer Kampfabstimmung gegen die Landesvorsitzende der Grünen Jugend, Jeanne Dillschneider, durch. Dillschneider – so das Bündnis – hätte aber laut Frauenstatut einen Anspruch darauf gehabt, ohne die Gegenkandidatur eines männlichen Mitbewerbers gewählt zu werden.
Währenddessen muss sich Annalena Baerbock mit
Plagiatsvorwürfen wegen ihrer Autobiographie herumschlagen. Gerade bei einer Autobiographie hätte ich das eigentlich am wenigsten erwartet. Ob Frauenquote und Frauenstatut wirklich die besten Ideen sind, wenn es darum geht zu entscheiden, wer ins Bundeskanzleramt einzieht?
2. Das Forum Soziale Inklusion beschäftigte sich schon vor zwei Wochen mit den Untiefen von Baerbocks Partei:
"Die grüne Familienpolitik: Frauenfeindlich, väterfeindlich, kinderfeindlich".
3. Apropos: Lucas Schoppe widmet sich in einem aktuellen Beitrag dem Forum Soziale Inklusion und wie die Machthaber in Berlin mit dem Verein umgehen:
"Eine kleine NGO und ein großes Ministerium". Ein kurzer Auszug aus dem insgesamt lesenswerten Beitrag:
Das Familienministerium und seine journalistischen Claquere (…) agieren so, als wäre die Demokratie lediglich eine Übergangstechnologie, die ihren Zweck erfüllt hätte, wenn DIE GUTEN den Diskurs gewonnen haben. Weil sie das FSI ablehnen, halten sie es für legitim, sich über Entscheidungen des Bundestags hinwegzusetzen – und sie versichern sich öffentlich gegenseitig, damit einem guten Zweck zu dienen.
Das aber ist eben gerade nicht demokratisch. In einer Demokratie kommt es nicht darauf an, das Gute allezeit gegen das Böse in Stellung zu bringen – sondern darauf, zu akzeptieren, dass das, was uns als gut erscheint, aus einer anderen Perspektive als belanglos oder gar als schädlich dastehen kann. Und umgekehrt.
Das Gute der Demokratie ist kein Monopol einzelner Akteure oder Gruppen. Das Gute der Demokratie ist die Möglichkeit, die ganz unterschiedlichen Perspektiven zu koordinieren – sie im vernünftigen Diskurs und nicht über Gewalt und Machtausübung kollidieren zu lassen – und so in einem Rahmen gemeinsamer Überzeugungen und Regeln wachsen zu können.
Ich hoffe, dass eine Spende für das Forum Soziale Inklusion in dieser Hinsicht auch eine Spende für demokratische Prozesse ist. Es geht damit nicht allein darum, eine kleine NGO zu unterstützen – sondern auch darum, der Willkür eines Bundesministeriums etwas entgegenzusetzen. Deutlich zu machen, dass Demokratie wesentlich eine Verständigung unterschiedlicher Positionen ist, und dass diese Verständigung nicht durch die Erstarrung institutionalisierter Machtausübung verhindert werden darf.
Die Spendenkampagne hat zwei gestaffelte Ziele. Zunächst ist es wichtig, die Spendensumme von 3000 Euro zu erreichen, weil diese Summe notwendig ist, um überhaupt die nun anfallenden Anwaltskosten zu bezahlen. Ein weiteres Ziel ist die Summe von 10.000 Euro, weil mit dieser Summe auch ein Gerichtsverfahren möglich wird. Schon am ersten Wochenende hat die Kampagne das erste Ziel erreicht, mittlerweile sind mehr als die Hälfte der Summe von 10.000 Euro zusammengekommen. Das ist wirklich ein Erfolg.
Ich habe gestern mit Gerd Riedmeier, dem Vorsitzenden des Forums Soziale Inklusion, telefoniert. Er wird sich in den nächsten Tagen – auch über Genderama – zu den bereits eingegangenen Spenden äußern.
4. Genderama hat immer wieder darauf hingewiesen, dass es die von Feministinnen bis hinauf zur Familienministerin behauptete Zunahme häuslicher Gewalt im Lockdown in Wahrheit nicht gebe, worauf ich in einem feministischen Artikel als unseriös gebrandmarkt wurde. In einem aktuell veröffentlichten Beitrag beschäftigt sich das
Ärtzteblatt mit diesem Thema. In einer zentralen Passage wird klargestellt:
Weder für die partnerschaftliche Gewalt aus Opferperspektive (…) oder die Täterperspektive (…) noch für die physische (…) und psychische Gewalt (…) gegenüber Kindern konnten signifikante Veränderungen der relevanten 12-Monats-Prävalenzraten (2016 versus 2021) festgestellt werden.
Mich als Wissenschaftsjournalisten, dem an einem Dialog mit Feministinnen gelegen ist, bringt so etwas regelmäßig in eine Bredouille: Einerseits wird von Feministinnen erwartet, dass man dort gerade vertretenen Glaubenssätzen zustimmt, damit überhaupt ein Dialog möglich ist – andererseits beißt es sich mit meinem Verständnis als Wissenschaftsjournalist, wenn von mir verlangt wird, Behauptungen zu bejahen, die vom Stand der Forschung nun mal keineswegs gedeckt sind.
5. In der Juli/August-Ausgabe des Psychotherapeuten-Magazins "Therapy Today" erscheint derzeit ein ausführlicher Beitrag Catherine Jacksons, einer Wissenschaftsjournalistin, die speziell in diesem Bereich veröffentlicht:
"The big issue: Sometimes it’s hard to be a man". Der Beitrag beschäftigt sich unter anderem mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Männer:
Die Hauptthemen, die sich bei den Anrufen von Männern bei der Beratungsstelle während des Höhepunkts der Pandemie herauskristallisierten, waren Einsamkeit und soziale Isolation, zum Teil aufgrund der Schließung so vieler traditionell männlicher Gelegenheiten für soziale Kontakte, wie z. B. Sportveranstaltungen und -treffpunkte; das Gefühl, dass sie in der Lage sein sollten, angesichts der Pandemie "ein tapferes Gesicht aufzusetzen"; Angst und Ungewissheit über den Verlust des Arbeitsplatzes und des Einkommens und dessen Auswirkungen sowie das Scheitern von Beziehungen aufgrund des Drucks der Schließung.
In den folgenden Absätzen beschäftigt sich der Beitrag damit, wie ein therapeutisches Angebot für Männer aussehen kann, wobei er unterschiedliche Positionen sowohl von feministisch geprägten Fachleuten als auch von solchen, die diese weltsicht ablehnen, gegeneinander abwägt. Leider ist der Artikel selbst für eine Übersetzung und Veröffentlichung als Langbeitrag auf Genderama entschieden zu umfangreich. Da ich aber weiß, dass hier Menschen mitlesen, die sich speziell um die geistige Gesundheit von Männern kümmern, möchte ich wenigstens auf diesen Artikel hinweisen.
6. Im "Highschool"-Ressort der
L.A. Times erklärt die Schülerin Jordan Gebrian, warum sie den Begriff "toxische Männlichkeit" ablehnt. Dieser Beitrag ist knapp genug, dass ich seine Übersetzung hier im Volltext veröffentlichen kann:
Die Phrase "toxische Männlichkeit", ein Begriff, der erstmals in den 1980er Jahren geprägt wurde, hat sich zu einem stark popularisierten Schlagwort entwickelt, wobei Zeitschriften wie "Teen Vogue" Artikel zu diesem Thema veröffentlichen.
Nach der Definition von dictionary.com ist toxische Männlichkeit ein kulturelles Konzept von Männlichkeit, das Stoizismus, Stärke, Virilität und Dominanz verherrlicht und sozial unangepasst oder schädlich für die psychische Gesundheit ist.
Laut Medical News Today ist toxische Männlichkeit schädlich, weil sie Aggression, Hyper-Wettbewerbsfähigkeit, geringe Empathie und Anspruchsdenken verursacht, was zu Mobbing, akademischen Herausforderungen, Drogenmissbrauch, psychologischem Trauma und mehr führen kann.
Zu sagen, dass Probleme wie Mobbing, Drogenmissbrauch oder sogar Selbstmord beseitigt oder gemildert werden könnten, wenn man "toxische Männlichkeit" beendet, ist eine zu starke Vereinfachung und oberflächliche Lösung. Die Wurzel solcher Probleme wird nicht nur durch "toxische Männlichkeit" verursacht, sondern durch tiefer liegende, umweltbedingte, umständebedingte, spirituelle usw. Probleme, die sich je nach der indiividuelen Erfahrung unterscheiden.
Darüber hinaus wird der toxischen Männlichkeit auch nachgesagt, dass sie bei Männern Depressionen, Stress und Probleme mit dem Körperbild verursacht. Diese Probleme sind jedoch bei weitem nicht nur bei Männern zu finden. Auch Frauen haben mit diesen Problemen zu kämpfen und weisen eine höhere dokumentierte Rate an Depressionen auf als Männer - ist toxische Maskulinität also auch die Ursache für ihre Probleme?
Eine oft vorgebrachte Lösung, um toxische Männlichkeit zu beenden, ist der Aufruf an Männer, emotionaler zu sein. Dies mag zwar wie eine vernünftige Antwort erscheinen, aber in Wirklichkeit ist es nur ein Aufruf, dass Männer mehr wie Frauen werden sollen, obwohl Männer keine Frauen sind. Studien haben gezeigt, dass die emotionalen Unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht nur kulturell oder sozial konstruiert, sondern vielmehr angeboren und biologisch sind.
Wenn wir Männer weiterhin dazu drängen, mehr wie Frauen zu werden (oder umgekehrt), wird dies meiner Meinung nach letztlich zum Schaden der Gesellschaft sein. Männer und Frauen sind dazu bestimmt, sich gegenseitig zu ergänzen. Männer und Frauen sind gleichwertig, aber sie sind nicht gleich in dem Sinne, dass sie sich nicht voneinander unterscheiden.
Wenn überhaupt, sollte "toxische Männlichkeit" die geringste unserer Sorgen in der heutigen Gesellschaft sein. Laut einer Studie aus dem "Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism" aus dem Jahr 2007 ist der Testosteronspiegel von Männern seit den 1980er Jahren "erheblich" gesunken, was nichts mit dem Alter zu tun hat.
Anstatt Probleme auf "toxische Männlichkeit" zu schieben, sollten wir Männer und Frauen gleichermaßen ermutigen, sich Hilfe zu suchen, wenn sie diese benötigen, sei es von einem Arzt oder einer psychologischen Fachkraft. Gleichzeitig sollten wir Männer dazu ermutigen, ihre Männlichkeit (und Frauen ihre Weiblichkeit) anzunehmen, anstatt sie zu verteufeln.
Letzten Endes ist das Problem niemals toxische Männlichkeit (oder toxische Weiblichkeit), sondern vielmehr Individuen mit toxischen Gedanken und Handlungen.