Donnerstag, Juni 17, 2021

Meinungsfreiheit: Hälfte der Bevölkerung fühlt sich gegängelt – News vom 17. Juni 2021

1. In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine berichtet der Kommunikationswissenschaftler und Meinungsforscher Dr. Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie Allensbach über die ergebnisse einer aktuellen Umfrage seines Instituts:

Heute klagen auffallend viele Bürger über eine starke soziale Kontrolle, haben den Eindruck, dass versucht werde, ihnen bis ins Detail vorzuschreiben, wie sie sich zu verhalten hätten, und viele haben das Gefühl, sich nicht dagegen wehren zu können. (…) Der Druck geht nicht von der Mehrheit, sondern von einer Minderheit aus.


Einige wesentliche Erkenntnisse der Umfrage:

* Seit dem Jahr 1953 fragt Allensbach die Bürger: "Haben Sie das Gefühl, dass man heute in Deutschland seine politische Meinung frei sagen kann, oder ist es besser, vorsichtig zu sein?" Während noch niemals eine Mehrheit den Eindruck bekundete, die Meinungsfreiheit sei hierzulande eingeschränkt, ist diese Zahl seit Jahren rückläufig. Während bis ins vergangene Jahrzehnt die Bürger fanden, ihre Meinung frei äußern zu können, hat sich das inzwischen "dramatisch verändert": Aktuell sind nur noch 45 Prozent der Auffassung, sie könnten freiheraus sagen, was sie denken.

* Mit Abstand am wenigsten Druck, ihre Meinung zurückhalten zu müssen, empfanden Anhänger der Grünen. (Hier liegt die Vermutung nahe, dass von diesem Lager ja auch der Druck ausgeht.)

* "Dramatisch zugenommen" habe auch die Zahl der Themenfelder, bei denen man sich durch unbotmäßige Äußerungen leicht den Mund verbrennen könne.

* Beim Thema Emanzipation und Gleichberechtigung der Frauen ist ein Anstieg von drei auf 19 Prozent zu verzeichnen.

* Gut veranschaulichen lässt sich das am Beispiel des Gender-Deutsch. Nur 19 Prozent der Befragten hielten es für wichtig, neben der männlichen auch immer die weibliche Form zu benutzen. 71 Prozent hielten das für übertrieben, Frauen zu 65 Prozent. Ebenfalls 65 Prozent sind es bei den Unter-30-Jährigen. Am größten war die Begeisterung für die Gendersprache noch bei den Grünen: Aber auch hier waren lediglich 25 Prozent dafür und 65 Prozent dagegen.

Der Artikel schließt mit folgender Passage:

Eine interessante Frage ist, wie die Diskrepanz zwischen den Sprach- und Verhaltensnormen der Bürger und der Wahrnehmung dessen zustande kommt, was gesellschaftlich geduldet wird und was nicht. Wer (…) es sich erspart, im privaten Gespräch "Gendersternchen" mitzusprechen, wird kaum jemals auf den Unmut seiner Mitmenschen stoßen. Woher kommt also der Eindruck, man dürfe dies nicht tun? Dies ist nur erklärbar, wenn man die Rolle der Massenmedien in diesem Prozess mitberücksichtigt. Ohne sie könnte ein solcher öffentlicher Druck gegen die Einstellungen der Mehrheit nicht aufgebaut werden. Es spricht einiges dafür, dass sich die intellektuellen Diskussionen um solche Themen – einschließlich der Diskussionen in maßgeblichen Massenmedien – teilweise von der Lebenswirklichkeit der Bürger entkoppelt haben.

Dies aber bedeutet für die Gesellschaft Konfliktpotential. Für die beteiligten Medien ist es problematisch, weil Zuspruch und Glaubwürdigkeit in Gefahr sind. Und auch die Bereitschaft der Bevölkerung, sich sprachlich gängeln zu lassen, ist nicht grenzenlos. Es mag ein gewisses Maß an Selbsttäuschung dahinterstecken, dennoch ist es bemerkenswert, dass 55 Prozent der Befragten der Aussage zustimmten: "Ich weigere mich mit Absicht, meine Ausdrucksweise anzupassen und mich politisch korrekt auszudrücken, weil es mich nervt, wenn andere versuchen, mir ihre Sprachregelungen aufzudrängen." Nur 19 Prozent stimmten der Aussage ausdrücklich nicht zu. Und auch hier zieht sich diese Haltung durch das gesamte gesellschaftspolitische Spektrum. Lediglich die Grünen-Anhänger zeigten sich in dieser Frage gespalten. Wer aber versucht, Regeln zu setzen, denen zu folgen sich die Mehrheit weigert, ist am Ende machtlos.


Diese Machtlosigkeit dürfte erklären, dass überzeugte Vertreter der Gendersprache immer wieder erklären, man müsse das einfach durchziehen, die Nörgler würden das irgendwann einfach akzeptieren. Entsprechende Wortmeldungen habe ich hier ja immer wieder mal verlinkt.

Der Journalist Marc Felix Serrao, der für die Neue Zürcher Zeitung arbeitet, kommentiert:

Jeder zweite Deutsche sorgt sich um die Meinungsfreiheit. So viele waren es noch nie – seit Beginn der statistischen Erhebungen 1953. Der zunehmende Eifer, auch von vielen Journalisten, Andersdenkende mit rufschädigenden Etiketten auszugrenzen, dürfte ein Hauptgrund sein.


Das stimmt zweifellos. Hier sollte sich gerade die Frankfurter Allgemeine an die eigene Nase greifen.



2. Ein Vater mit Depressionen berichtet, wie es ihm damit geht.



3. Die Tagespost sieht in dem Wort "Femizid" einen feministischen Kampfbegriff und erörtert, warum er problematisch ist.



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