Grünen-Parteitag: Carolin Emcke vergleicht Feministinnen mit verfolgten Juden – News vom 12. Juni 2021
1. Beim Auftakt des Parteitags der Grünen hat eine Gast-Rednerin die Kritik an mehreren Gruppen, darunter Feministinnen, mit der Verfolgung von Juden verglichen. Darüber berichten verschiedene Medien, so etwa die Bildzeitung:
Per Video zugeschaltet, sagte die Autorin und Publizistin Carolin Emcke (53, u.a. Süddeutsche Zeitung): "Es wird sicher wieder von Elite gesprochen werden. Und vermutlich werden es dann nicht die Juden und Kosmopoliten, nicht die Feministinnen und die Virologinnen sein, vor denen gewarnt wird, sondern die Klimaforscherinnen." (…) Die Partei-Chefs Annalena Baerbock (40) und Robert Habeck (51) hörten der Rede von der Bühne aus zu.
Emcke wurde mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, dem Bundesverdienstkreuz sowie dem Verdienstorden von Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.
Für "Die Welt" kommentiert Johannes Bole:
Man stelle sich vor, ein konservativer oder rechter Publizist hätte das Leid der Juden in einer solchen Aufzählung bagatellisiert, eine konservative oder rechte Parteispitze hätte ergriffen gelauscht, der oder die Fraktionsvorsitzende applaudiert. Vor ein paar Wochen wurden Hans-Georg Maaßens Äußerungen über "Globalisten" zu Recht sehr kritisch diskutiert. Vor wenigen Monaten hagelte es, ebenfalls zu Recht, Häme für "Jana aus Kassel", die junge Frau, die sich auf einer Querdenker-Demonstration unerträglicherweise in der Tradition von Sophie Scholl sehen wollte.
Unabhängig von der Frage, ob man sich rhetorisch verhebt, wenn man Anhänger des eigenen Lagers mit verfolgten Juden vergleicht, wäre ein anderer Vergleich womöglich angebrachter: nämlich der, wie politische Organisationen – von Parteien bis zu den Vereinten Nationen – und die Leitmedien mit Feministen und wie sie mit Männerrechtlern umgehen. Welche Gruppe wird hier unterstützt und gehätschelt, welche wird ausgegrenzt und dämonisiert?
Inzwischen gibt es von Vertretern verschiedener Parteien erste Reaktionen auf den Eklat.
2. Frauen sind Männern genetisch überlegen, befindet der kanadische Wissenschafter und Autor Sharon Moalem. Die Neue Zürcher Zeitung stellt ihm daraufhin Fragen wie "Der Feminismus hat viel bewegt in den letzten Jahren. Glauben Sie, es könnte Frauen noch weiter ermächtigen, wenn mehr über ihre biologische Überlegenheit bekannt wäre?"
3. Das Europäische Parlament fordert Quoten für Frauen und Minderheitsgruppen im MINT-Sektor. Vor allem Gründerinnen und weibliche Rollenvorbilder sollen besonders unterstützt werden.
4. Die Augsburger Allgemeine hat den Kabarettisten Sigi Zimmerschied unter anderem zu seinen Erfahrungen mit selbstgerecht moralischen Eiferern interviewt:
Zimmerschied: Man entkommt doch diesen Strömungen sowieso nicht. Wir leben momentan in einem Rigorismus, der mit den 70ern vergleichbar ist. Nur jetzt hat man das Problem, dass diese katechetische Unbeweglichkeit von Menschen kommt, mit denen man sich verbunden gefühlt hat.
Augsburger Allgemeine: Was heißt das genau?
Zimmerschied: Früher hat man nichts gegen den Heiligen Geist und die Jungfrau Maria sagen dürfen, und heute darf man nichts gegen Klima-Überschwang und Gender-Wahn sagen. Da gibt es diese neuen Tabus, die mit derselben ironiefeindlichen Unterkühltheit präsentiert werden. Man kommt dem Menschen nirgends aus. Ob du in Passau bist oder in München oder in Berlin oder auf der Zugspitze – da vielleicht noch am ehesten.
Augsburger Allgemeine: Überrascht Sie, dass dieses neue Zelotentum eher auf der linken Seite des politischen Spektrums zu finden ist?
Zimmerschied: Nein. Ich habe das viel eher erwartet. Man ist als Autor doch auch Seismograf. Diese Tendenzwende war überfällig, weil jede Generation aus denselben Bestandteilen besteht. Da gibt es nun mal die Eiferer und die sind normalerweise ein bisschen im Hintergrund. Aber im Zusammenhang mit einer Katastrophe wie der Pandemie steigen die Ängstlichkeiten, und jeder versucht schnell, auf der gerechten Seite zu sein, für den Fall, dass es das Fegefeuer doch gibt. Da sind Verhärtungen und Verkrustungen erwartbar.
Augsburger Allgemeine: Sie klingen so gelassen, als würde Sie das nicht weiter beunruhigen.
Zimmerschied: Das wird auch vorbeigehen. Ich habe in dieser Hinsicht bereits eine Impfung. Ich bin immun. Ich habe den Strauß und die Päpste und die katholischen Kleriker, die Weltkriegsveteranen und die 80 Prozent CSU in Passau überlebt. Da werde ich diese paar Jahre Genderwahnsinn und neue Moralität überstehen. Die Fähigkeit, Ironie verstehen zu können, hat sich kurioserweise schon längere Zeit abgebaut. Das habe ich als Kabarettist frühzeitig begriffen. Das hängt sehr viel zusammen mit der Trivialisierung von Ironie durch die Medien. Die Unterhaltungsabteilungen in den Fernsehstationen haben der Ironie einen oberflächlichen Teppich bereitet. Auf diese Weise haben Sie deren tieferschürfende Form im Kabarett kaputt gemacht.
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