Montag, Juni 14, 2021

CSU warnt CDU vor Genderdebatte – News vom 14. Juni 2021

1. Die CDU Hamburg will ihr Nein zur Gendersprache in staatlichen Institutionen auf einem Landesparteitag formell absegnen lassen.

"Die Hamburger CDU spricht sich dafür aus, dass in allen Behörden, Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen keine grammatisch falsche Gender-Sprache verwendet wird", heißt es in einem Antrag des Landesvorstands für die Online-Veranstaltung am Dienstag (18.30 Uhr). Auch dürfe es keine Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen geben, die keine gendergerechte Sprache verwenden möchten.

Sprache als eines der wichtigsten Ausdrucksmittel präge die Kultur, heißt es in dem Antrag. "Eine Überfrachtung der Menschen mit der Einführung neuer Sprachregeln im Kontext gesellschaftspolitisch geforderter Neujustierungen verunsichert Menschen und führt damit auch immer zu kulturellen Konflikten." Sprache sollte jedoch zusammenführen und nicht ausschließen, ist die CDU überzeugt.




2. Diese Entwicklung bei den Christdemokraten führt zu folgender Reaktion von der CSU:

CSU-Generalsekretär Markus Blume warnt die Schwesterpartei CDU vor einer Genderdebatte. "Ein Wahlkampf kann und darf sich in einer Genderdebatte nicht erschöpfen. Klar ist, dass wir für Frauen in unserer Gesellschaft noch mehr tun müssen", sagte Blume der "Welt am Sonntag".

Zwar treffe der Ärger über die "Auswüchse der Genderideologie" ein Grundgefühl in der Bevölkerung, aber "über Identität zu theoretisieren, führt nur zur Spaltung, von der zwei Parteien profitieren: die kosmopolitisch-elitären Grünen, die jeden Tag von Weltgerechtigkeit träumen; und die nationalistische AfD, die sich von allem und jedem am liebsten mit einer Mauer abschotten würde". Beides sei grundfalsch. "Identitätsthemen muss man lösen, nicht monatelang darüber debattieren."


Der Journalist Robin Alexander berichet in Kapitel 3 seines gerade erschienenen Buchs Machtverfall, dass die CSU vor ein paar Jahren erschrocken darüber war, wie sehr die Partei vor allem weibliche Wähler verloren hatte. Die Gegenreaktion bestand in einer betont frauenfreundlichen Politik und Söders Selbstinszenierung während der Corona-Krise als streng, aber fürsorgend zu großer Vorsicht mahnende Vaterfigur. Die Strategie war erfolgreich, und die CSU legte bei Wählerinnen stark zu. Ich vermute, dass Statements wie "dass wir für Frauen noch mehr tun müssen" diese Strategie ebenfalls bedienen sollen.



3. Währenddessen verbreitet der ehemalige Gender-Studies-Professor Lann Hornscheidt über die "Tagesthemen" die Forderung, man solle sprachlich zukünftig mit "ens" gendern: Die Endung "ens", der Mittelteil von "Mensch", könnte für alle stehen, wenn man anstatt "Ein Käufer und sein Einkaufskorb", lieber "ens Käufens und ens Einkaufskorb" sagt. Die sei eine "neue Form" des Sprechens, die "die Gesellschaft zusammenführt".

Im Moment mag sich das noch bizarr anhören. Aber sobald Anne Will einmal damit anfängt, werden das viele Kollegens übernehmen, und wen das stört, wird zu hören bekommen, Sprache ändere sich nun mal, man spreche schließlich auch kein Althochdeutsch mehr.



4. Nur 36 Prozent der Grünen stimmten für den Antrag, in ihr Wahlprogramm die Forderung aufzunehmen, dass man Allein- und Getrennterziehenden den Rücken stärken solle, berichtet der Journalist Oliver Hinz auf Twitter. Der Pädagoge Johannes Schölch-Mundorf fügt unter dem Tweet hinzu: "Mein Antrag auf paritätische Erziehung durch beide Eltern nach Trennung/Scheidung erreichte das notwendige Quorum, wurde aber da 'zu konkret' von Vorstand nicht angenommen."



5. In einem Beitrag für das Magazin CICERO erörtert Professor Bernd Stegemann, welche rhetorische Strategie Carolin Emncke fährt, wenn sie auf dem Parteitag der Grünen Feministinnen, Klimaforscher und Virologen mit verfolgten Juden vergleicht. Ein Auszug:

Die Schlechten haben nicht nur eine andere Meinung als die Guten, sondern sie sind auch gefährlich. Der logische Kurzschluss, der dieser Drohkulisse zugrunde liegt, besteht in einem atemberaubenden Zirkel: Wer die Guten kritisiert, muss schlecht sein. Und wer schlecht ist, der ist eine Bedrohung für die Guten. Darum haben die Kritiker der Guten nicht einfach eine andere Meinung, sondern sie sind aufgrund ihrer abweichenden Meinung gefährliche Menschen. Und davor müssen die Guten Angst haben.

Mit dieser Argumentation erringen Carolin Emcke, die Guten und die Grünen seit einigen Jahren immer mehr politische Macht. Das Erfolgsgeheimnis besteht darin, dass sie selbst als gefährdete Opfer erscheinen und zugleich die Diskursmacht besitzen. Damit folgen sie der alten politischen Wahrheit, dass derjenige, der herrschen will, dieses am besten im Gewand des Dieners tut.

Die gegenwärtig erfolgreichste Variante des Dieners ist die Opferrolle, die mit der realen gesellschaftlichen Machtverteilung nichts zu tun haben muss. Denn wer würde ernsthaft glauben, dass eine bekannte Autorin oder eine Parteivorsitzende der Grünen das schwere Schicksal eines Opfers in dieser Gesellschaft erdulden müssen? Der Trick besteht also darin, dass man es auch ohne ausreichenden Grund schafft, in die Opferrolle zu schlüpfen.

Wie dieser Trick funktioniert, hat Carolin Emcke auf dem Parteitag der Grünen in seltener Offenheit klargemacht. Ihre prophetischen Worte über den kommenden Wahlkampf lauteten: "Es wird sicher wieder von Elite gesprochen werden. Und vermutlich werden es dann nicht die Juden und Kosmopoliten, nicht die Feminist:innen und die Virolog:innen sein, vor denen gewarnt wird, sondern die Klimaforscher:innen."

Der offensichtliche Skandal dieser Aufzählung liegt darin, dass hier eine direkte Verbindung vom Antisemitismus zu jeder Art von Elitenkritik gezogen wird. So wird der Unterschied eingeebnet, der zwischen dem mörderischen Antisemitismus und einer Kritik an Feministen, Virologen und Klimaforschern beiderlei Geschlechts liegt. (…) Was will sie damit erreichen?

Die Antwort ist interessant, da sie ins Herz der Grünen Partei und ihrer linksidentitären Ideologie trifft. Deren Prämisse lautet, dass man selbst zu den Guten und damit zu den Opfern gehört. In ihrer radikalsten Ausprägung identifizieren sich die heutigen Opfer so sehr mit den Opfern des Antisemitismus, dass sie sich selbst in der gleichen gesellschaftlichen Position wähnen. Jana aus Kassel identifizierte sich mit einer Widerstandskämpferin, das ist verboten. Die Guten von heute identifizieren sich mit den Opfern der Nazis, das sollte allen eine Mahnung sein.

(…) Indem [Carolin Emcke] Moraleliten und Funktionseliten miteinander vermischt, wird der Begriff so unscharf, dass man damit nun alle meinen kann, die "irgendwie über den Menschen" stehen und dafür angegriffen werden. Dadurch gelingt ihr das Kunststück, dass alle, die zu der von ihr definierten Elite gehören, verteidigt werden müssen gegen eine ebenso große Bedrohung, wie es der Antisemitismus für die Juden ist. Damit hat sie sich selbst und ihrem politischen Milieu den ultimativen Opferstatus zugesprochen. Und je mehr dieser Opferstatus geglaubt wird, desto mehr entsteht eine politische Öffentlichkeit, in der Kritik am Feminismus oder an der Klimaforschung ebenso mörderisch wirkt wie Antisemitismus. Ist eine solche gefühlte Gleichsetzung einmal durchgesetzt, sind die Grünen unkritisierbar.




kostenloser Counter