Mittwoch, September 30, 2020

Sexismus-Vorwurf: Chebli verklagt Tichy – News vom 30. September 2020

1.
In den letzten Tag gab es viel Aufsehen um einen Absatz über die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli im Magazin des Publizisten Roland Tichy ("Tichys Einblick"). Im Monatsrückblick von Stefan Paetow war zu lesen: "Was spricht für Sawsan? … Befreundete Journalistinnen haben bislang nur den G-Punkt als Pluspunkt feststellen können in der Spezialdemokratischen Partei der alten Männer."

Auf Twitter gab Chebli nun bekannt, dass sie juristisch gegen Tichy vorgehen wolle. In dem Schreiben ihres Anwalts, welches sie ebenfalls postete, heißt es: "Es bedarf keiner weiteren Erläuterung – das hat auch die Reaktion auf diesen Artikel gezeigt –, dass hiermit eine moralische, aber auch rechtliche Grenze überschritten wird, die durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen ist."


Das berichtet heute "Die Welt".

Die Berliner Zeitung kommentiert die Kontroverse:

Der deutsche Mann scheint am Ende doch ein ängstliches Männlein zu sein. Fürchtet sich, dass er seine Rolle als mächtiger Patriarch an eine mächtigere Frau verlieren könnte. Dann lieber kleinhalten, erniedrigen. So traut sich hoffentlich auch keine dem Beispiel der anderen zu folgen. Mächtige Frauen sollen dann doch lieber Einzelfälle bleiben.


Wie schön, dass sich die deutschen Leitmedien immer so überzeugend gegen sexistische Klischees stemmen.



2.
Trennungen von Paaren haben oft zur Folge, dass Kinder ihre beiden Eltern nicht mehr regelmäßig sehen. Manchmal wird das zu einem großen Problem - für die Kinder und für Väter. Einige von ihnen in Tübingen wehren sich.


Hier geht es weiter.



3.
"Die dritte Season der Neuauflage von "Ein Fall für zwei", die derzeit in der Mediathek steht, ist wohl das Maskulistischste, was der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk seit "Der Mann auf dem Baum" produziert hat


berichtet ein Männer-Aktivist auf Twitter und nennt einige Beispiele.

Dienstag, September 29, 2020

Männerpolitisches Dossier des Frauenministeriums stößt auf viel Kritik – News vom 29. September 2020

1. Gestern stellte das Bundesfrauenministerium sein erstes Dossier vor, das "die Perspektiven von Frauen und Männern zusammendenken" soll. Als verantwortlicher Verfasser zeichnet der Schweizer Markus Theunert.

Das Bundesforum Männer, das dem Frauenministerium untergeordnet ist, zeigt sich von dem Dossier begeistert: "Wir sehen darin auch ein direktes Resultat unserer eigenen politischen Arbeit als Interessenvertretung für Jungen, Männer und Väter."

Die Online-Reaktionen der Männer-Community fallen sehr viel kritischer aus. Stellenweise sind sie geradezu vernichtend. Selbst aus dem grünen Lager gibt es Kritik. Es ist vielsagend, was die "Geschlechterdemokratie" in unserer Gesellschaft angeht, dass diese Kritiker im Gespräch mit dem Frauenministerium keine Stimme haben.

Als besonders negativ wird von vielen, darunter dem "Väter-Netzwerk e.V.", die in dem Dossier enthaltene Forderung betrachtet, dass Jungen und Männer "einfach mal die Klappe halten" sollen. Das ist nicht nur bizarr für eine Schrift, die vom Bundesforum als männerpolitische Offenbarung gefeiert wird, sondern auch ausgesprochen bedenklich nach einem halben Jahrhundert Geschlechterdebatte, bei der die weibliche Persektive durchgehend dominierte, woraufhin Männer gerade erst dazu finden, eigene Ansprüche und Bedürfnisse zu formulieren.

Sarkastisch ist der Vorschlag eines Users zum "Giffeyschen Roulette":

Ablauf: Die Mitspieler schlagen reihum eine zufällige (Text-)Seite aus "Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer in Deutschland" des @BMFSFJ auf.

Ziel: Gewinner ist der Erste, auf dessen Seite Männer nicht als privilegiert, böse oder irgendwie "falsch" dargestellt werden und sich auch keine zynische Formulierung findet, die umgekehrt garantiert nie in einem Dossier "Gleichstellungspolitik für Mädchen und Frauen" landen würde.

Erklärt sich ein Teilnehmer zum Sieger, dürfen die anderen Spieler mit Zitaten von seiner Seite widersprechen.

(…) Dauer: 1 - 90 Minuten

(Das Traurige ist, daß in dem Ding ja durchaus einiges Männerfreundliche zu finden ist, aber auch wenn man das Spiel gewinnen kann, dürften kurze Spielrunden eher die Ausnahme bleiben.)


Ein Teil der Kritik trifft auch das Bundesforum Männer:

Liebes Bundesforum,

warum macht Ihr das mit? Müsst Ihr das per Vorgabe mitmachen, weil das Bundesforum eigentlich dem Ministerium gehört?

Falls ja, wäre das vielleicht der Punkt, mal ein Statement zu setzen, dass ihr das nicht mitmacht. Einfach aber medienwirksam den Kram hinwerfen und das offiziell begründen. So das wirklich jeder mitbekommt, welch sexistisches Spiel hier läuft.

Indem Ihr Euch das gefallen lasst und sogar noch mitmacht, lasst ihr Männer im Stich. Männer welche die Mehrheit der Arbeitslosen, Obdachlosen, Depressiven, Selbstmörder und mehr stellen. Ihr wisst das vermutlich alles. Habt Ihr mal nachgefragt welche Privilegien diese Männer haben?

Das noch viel Schlimmere aber ist, ihr lasst Jungs im Stich. Kleine männliche Kinder. Jungs werden seit Jahrzehnten diskriminiert. Im Bildungswesen, vom Familienministerium usw. Da sind auch keine Privilegien per Geschlecht. Das alles ist kein Geheimnis. Grade dass Jungs in Schulen benachteiligt werden, zeigt die Pisa Studie seit Jahrzehnten. Jedes mal. Und es passiert nichts.

Ernsthaft, liebes Bundesforum. Ich kann verstehen wenn Ihr unter dem Ministerium nicht so agieren könnt wie ess der Name des Bundesforum verspricht. Spätestens mit diesem Pamphlet aus dem Hause Giffey solltet Ihr aber merken das es so nicht weiter gehen kann. Ihr solltet den Arsch in der Hose haben das endlich zu zeigen. DAS wäre die Gleichberechtigung die das Grundgesetz verlangt.

Männern & Jungs irgendwelche Privilegien andichten und sie auffordern die Klappe zu halten, ist die Giffeysche Gleichstellung, die das Grundgesetz NICHT verlangt. Aus gutem Grund.


Der vielleicht lesenswerteste Link zu dem Dossier: Diese Schrift wird heute bei Christian Schmidt ausführlich analysiert und politisch eingeordnet. Herzlichen Dank an Christian dafür, dass er mir diese Arbeit abgenommen hat! Wie immer kann man unter Christians Beitrag darüber diskutieren.



2. Die FDP fordert den schnelleren Ausbau von Frauenhäusern in Bayern.



3. Am 15. Oktober findet ein Online-Vortrag zur Verknüpfung von Feminismuskritik mit Antisemitismus statt. Der Vortragende glaubt, für diese Verbindung starke Belege zu haben:

So klingt es geheimnisvoll, wenn in einer Broschüre der besorgten Eltern die Rede von "Drahtziehern" und den "verborgenen Absichten" des Feminismus ist. Diese Publikation verspricht aufzudecken, welche "geheimen Ziele die Gender-Ideologie verfolgt". Bei Birgit Kelle, einer bekannten Akteurin des antifeministischen Milieus, heißt es in einem sehr ähnlichen Duktus: "In den Augen der Strippenzieher an der Gender-Front stören Eltern nur noch bei der Umformung ihrer Kinder zum neuen Menschen". Ein Internet-Blog weiß zu berichten, dass die "Rockefellers und Rothschilds" den Feminismus erfunden hätten, um eine "Weltregierung" zu errichten, "die alles bestimmt und kontrolliert". All das macht deutlich, dass sich der organisierte Antifeminismus der Gegenwart vielfach antisemitischer Ressentiments bedient.


Na, wenn das nicht überzeugt … Vor allem Birgit Kelle dürfte sich freuen, dass sie, allein weil sie an irgendeiner Stelle von "Strippenziehern" spricht, mit dem Hass auf Juden in Verbindung gebracht wird.



4. Eine neue Studie weist darauf hin, dass Männer deshalb so stark von Corona betroffen sind, weil der Virus ihr Testosteronniveau senkt. Selbst ansonsten symptomfreie Männer berichten über einen Verlust ihrer Libido.



5. Die Post. Dr. Andreas Schmohl (Vorstandsmitglied des Forums Soziale Inklusion, Mitglied der Liberalen Männer und von MANNdat) hat mir einen Leserbrief zur Kritik der CSU an der Gendersprache geschickt:

Fakt ist: In der deutschen Sprache gibt es keine grammatikalische Form, bei der Männer nicht nur mitgemeint, sondern direkt als solche angesprochen werden. Beim generischen Maskulinum steht der "Funktionsträger" im Vordergrund; weder das Geschlechterempfinden noch die sexuelle Orientierung spielen für die Funktion – um nicht zu sagen: fürs Funktionieren – eine Rolle. Sprache schafft vielleicht tatsächlich Bewusstsein. Die Gepflogenheit, Männer auf ihre Funktion zu reduzieren und – wenn überhaupt – nur mitzumeinen (wie das auch bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie beim Gewaltschutz üblich ist), könnte dann die unterentwickelte Empathie gegenüber Männern erklären.


Montag, September 28, 2020

Gwyneth Paltrow: Geruch ihrer Vagina soll das Patriarchat stürzen – News vom 28. September 2020

1.
Eine handelsübliche Duftkerze kann gut riechen und hübsch aussehen. Gwyneth Paltrows Duftkerze kann sogar das Patriarchat stürzen. Das behauptet die Schauspielerin nun in einem Interview. Ihre Kerze erregte (höhö) zuletzt Aufmerksamkeit, da der Geruch ihrem Intimbereich von Paltrows nachempfunden wurde. Was hat Rapperin Cardi B nun damit zu tun?


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2. Die Schweizer haben gestern abgestimmt:

Klar angenommen wurde mit einer Mehrheit von 60,3 Prozent der Vorstoß, einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub einzuführen. Väter sollen in der Zeit 80 Prozent ihres Lohns erhalten.




3.
Anorexie ist eine Erkrankung, die nur Frauen betrifft? Falsch: Sébastien Riccard war jahrelang magersüchtig.


Der Schweizer Blick berichtet.

Ess-Störungen bei Männern werden bis heute unterschätzt. Bei Beratungsstellen und in Kliniken erhalten die Betroffenen kaum Hilfe.



4. Hasserfüllte Anfeindungen gegen Politikerinnen waren in letzter Zeit ein großes Medienthema. Nach dem Hass, der männlichen Politikern entgegenschlägt, wurde schlicht nicht gefragt. Jetzt hat Markus Söder Einblick in die Post gegeben, die er so erhält.



5. Vorbildlich: In Großbritannien lernt man jetzt schon in der Schule, dass die "Cancle Culture" eine Form des Mobbings darstellt und die Maxime, jemandem "keine Plattform zu geben", die Meinungsfreiheit bedroht:

Als Teil der Bemühungen der Regierung, die Redefreiheit zu schützen, werden Sekundarschüler lernen, dass Menschen mit kontroversen Meinungen respektiert werden sollten.

In den Ausbildungshandbüchern des Bildungsministeriums werden die Lehrer angewiesen, den Schülern mitzuteilen, dass die "Cancle Culture", die an vielen Universitäten Fuß gefasst hat - wo Einzelpersonen zum Boykott einer Person oder Firma aufrufen, deren Ansichten sie nicht teilen, in der Hoffnung, dass diese Menschen ihren Job oder ihre Kunden verlieren - nicht Teil einer "toleranten und freien Gesellschaft" ist.

Dieser Schritt scheint eine direkte Reaktion auf Vorfälle zu sein, bei denen Redner, darunter die ehemalige Innenministerin Amber Rudd, von politischen Gegnern daran gehindert wurden, an Universitäten zu sprechen.

Die Erläuterungen sind Teil einer Folienpräsentation in einem Modul über "respektvolle Beziehungen" als Teil des neuen Lehrplans für Beziehungen und Sexualerziehung, der in diesem Jahr beginnt.

Auf einer Folie heißt es: "Verstärken Sie, dass jeder den anderen den gleichen Respekt entgegenbringen muss, unabhängig davon, wie sehr er sich von ihnen unterscheidet. Erklären Sie den Schaden, der durch die Cancle Culture verursacht wird, und die Bedeutung der Rede- und Versammlungsfreiheit für eine tolerante und freie Gesellschaft. Bringen Sie den Schülern bei, dass Zensur und 'Menschen keine Plattform geben' gefährlich und schädlich ist. Erklären Sie, dass es eine Form von Mobbing und nicht akzeptabel ist, wenn man versucht, Menschen zu 'canceln' (z.B. sie von ihrer Autoritätsposition oder ihrem Arbeitsplatz entfernen zu lassen), nur weil man mit ihnen nicht einverstanden ist."


Samstag, September 26, 2020

CSU-Parteitag: Starke Kritik an "Gender-Gaga" – News vom 26. September 2020

1.
Die CSU steht einer geschlechtergerechten Sprache skeptisch gegenüber. "Es ist zu unterstützen, dass insbesondere die Sprache von Behörden für jedermann verständlich und leicht zugänglich ist. Ideologisch motivierte Sprachgestaltung ist fehl am Platz", heißt es im 399-Seiten dicken Antragsbuch für den digitalen Parteitag unter dem Punkt "C 15 - Die Verballhornung der Sprache mit überflüssigen Gender-Formulierungen verhindern". Gleich zwei Anträge befassen sich mit den neuen Schreibweisen von Wörtern, die durch Genderzeichen, Binnen-I oder Gender-Doppelpunkt Männer, Frauen und Diverse gleichermaßen und gleichberechtigt gerecht werden sollen.

Die Forderung des Antragstellers, der ehemalige Münchner Stadtrat und CSU-Senior Reinhold Babor, ist unmissverständlich: "Die krampfhafte Wortwahl der Gender-Sprache hat in Behörden und in Bildungseinrichtungen zu unterbleiben." Er beruft sich dabei auf die Haltung der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), die Gendersternchen und Co als nicht konform mit den Regeln der deutschen Grammatik und der Rechtschreibung ablehnt.

Schon in ihrem aktuellen Grundsatzprogramm "Die Ordnung" distanziert sich die CSU von einer geschlechtersensiblen Sprache: "Eine Gesellschafts-und Bildungspolitik, die Gender-Ideologie und Frühsexualisierung folgt, lehnen wir ab", heißt es hier. Parteivize Dorothee Bär äußerte sich in der Vergangenheit ebenfalls bereits kritisch, Binnen-I und Gender-Sternchen nannte sie "total gaga".


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2. Das Blog Wortvogel zerpflückt in einem glänzend geschriebenen Beitrag ein kaum erträglich arrogantes Plädoyer für die Gendersprache. Da es um den Stil der Debatte geht, lesenswert auch für diejenigen, die das Thema "Gendersprache" eigentlich schon leid sind.



3. Die zweite Folge der internationalen Netflix-Serie "Criminal Deutschland" behandelt auf besonders gelungene Weise das Thema "häusliche Gewalt". (Ich will nichts spoilern, aber wer's unbedingt wissen will, findet hier eine Inhaltsangabe.) Ohne die Männerrechtsbewegung gäbe es solche TV-Krimis heute noch nicht. Obwohl wir in den Leitmedien kaum vorkommen, verändern wir Diskurse.



4. Wenn ich in diesem Blog den Begriff "toxische Weiblichkeit" verwende, dann in der Regel als ironische Erwiderung zum sexistischen Konzept der "toxischen Männlichkeit". Es gibt aber auch Autoren, die diesen Begriff ernster meinen – so etwa Freya Ager im Frauenmagazin Evie. Ein Auszug:

Wenn wir akzeptieren, dass männliche Verhaltensweisen sich verzerren und übertrieben werden können, wenn Stärke in ungezügelte Aggression und Stoizismus in Kaltherzigkeit umschlägt, können sich dann nicht auch typisch weibliche Züge in etwas ebenso Tückisches verwandeln?

Psychologische Studien zeigen, dass auch Formen von Weiblichkeit bis zum Äußersten getrieben werden können. Negative weibliche Züge sind typischerweise emotionale Manipulation, passive Aggressivität und die Bewaffnung mit Klatsch und Tratsch. So kann z.B. die typisch weibliche Eigenschaft der "Verträglichkeit" zu Unterwürfigkeit werden, die Neigung einer Frau, hegen und zu pflegen, kann sich in etwas Besitzergreifendes verwandeln, und die weibliche Sexualität kann sich in den Missbrauch sexueller Macht verzerren, um Männer anzulocken und dann ihr Opfer zu spielen. Denken Sie hier etwa an die Frau vor, die ihren Mann mit Schweigen straft, wenn sie nicht in ihr Lieblingsrestaurant gehen kann, oder die herrische Mutter, die sagt: "Wenn du mich verlässt, liebst du mich nicht", wenn ihre Kinder zu Hause ausziehen möchten.

Toxische Weiblichkeit kann auch anderen Frauen schaden. Studien haben gezeigt, dass Männer zwar typischerweise an Klatsch und Tratsch über andere Männer interessiert sind, Frauen jedoch von Geschichten über andere Frauen besessen sein können. Beispielsweise erinnerten sich Frauen bei einem überraschenden Erinnerungstest eher an Details über andere Frauen aus klatschähnlichen Geschichten als Männer, vor allem was das körperliche Erscheinungsbild angeht.

Klatsch und Tratsch zwischen Frauen ist in der Regel aggressiver und konkurrenzbetonter und versucht, andere Mädchen aus sozialen Gruppen auszuschließen und ihren Ruf zu zerstören. Jeder, der eine reine Mädchenschule besucht hat (wie ich), kann das bezeugen.

Trotz der Fortschritte, die Frauen gemacht haben, greift der progressive Feminismus der dritten Welle weiterhin Männer wegen ihrer historischen Dominanz in der Gesellschaft an. Die Populärkultur stellt Frauen ständig als Opfer dar und ignoriert die andere Seite der Debatte. Es ist auch viel einfacher, die toxische Seite der Weiblichkeit zu ignorieren, weil sie einfach nicht so offensichtlich ist. Beide Geschlechter können aggressiv sein, aber Männer neigen dazu, direkter und körperlicher zu sein als beispielsweise Frauen, indem sie Schläge austeilen, anstatt Gerüchte zu verbreiten. Das bedeutet aber nicht, dass Frauen von schlechtem Verhalten ausgenommen sind.

Dieses Ungleichgewicht hat nicht nur zu einer massenhaften Stigmatisierung von Männern geführt (z.B. "alle Männer sind Müll"), sondern auch zu einem Verlust der Dankbarkeit für jede Tugend in der traditionellen Männlichkeit. Wo ziehen wir die Grenze zwischen gesundem männlichen Verhalten und toxischem männlichen Verhalten? Sind Stärke und Stoizismus niemals eine gute Sache?

Letztlich scheint es mir, dass Begriffe wie "toxische Männlichkeit" einfach nicht sinnvoll sind. Wenn wir bedenken, inwieweit Weiblichkeit ebenfalls missbraucht werden kann, ist dies alles vielleicht doch kein Geschlechterproblem.

Toxizität ist kein geschlechtsspezifisches Merkmal, sondern ein individuelles. Die Gesellschaft ist kein Schlachtfeld zwischen Männern und Frauen; in jedem von uns gibt es Gutes und Schlechtes. Spalterische Rhetorik, die impliziert, dass Weiblichkeit komplett tugendhaft ist, während Männlichkeit von Natur aus schädlich ist, wird die Dinge nur noch schlimmer machen. Stattdessen müssen wir über unser eigenes Handeln als Individuen nachdenken, im Bewusstsein, dass wir alle die Fähigkeit haben, anderen gegenüber toxisch zu sein. Wir können alle danach streben, bessere Menschen zu sein, während wir gleichzeitig die Schönheit und Stärke sowohl der traditionellen Männlichkeit als auch der Weiblichkeit zu schätzen wissen.


Die Website von "Evie" enthält weitere bemerkenswerte Beiträge, so etwa "Why The Majority Of Women Don't Want To Call Themselves Feminist", "Feminists Are Still Dishonest About The Gender Pay Gap" und "Should You Date a Male Feminist?"



5. Die Post. Mein Leser David Wonschewski schreibt mir:

Von der "Basis" kann ich im Übrigen vermelden, dass es vorwärts geht. Hatte gestern mit 150 Leuten eine Betriebsratsversammlung. So richtig modern via Chime, alle im Home Office. Der Betriebsrat-Vorsitzende, super Typ, stilgerecht links und mit ergrautem Pferdeschwanz - kam unter TOP 4 zum Aspekt sexueller Belästigung und welche Hilfen es intern gibt. Alles echt vorbilldich. Nur fiel halt auf, dass der Mann immer nur von weiblichen Opfern sprach: "Also, liebe Kolleginnen, wenn ihr ... " Ich saß davor, rechts am Bildrand war der "Für-alle"-Chat, und überlegte, ob es nun meine Aufgabe ist, aus der tumben Masse eine Lanze zu brechen und dem Herrn mal zu sagen, dass die Opferverweiblichung auch ihre Tücken hat. Ich kam aber nicht dazu. Vier junge Kolleginnen übernahmen das und posteten: "Auch Männer können Opfer sein!", "Bitte alle Geschlechter einbeziehen!".

Ich war echt baff. Alle Mitte 20.

Es geht was in Lummerland.


Männer sind sogar etwas häufiger von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen als Frauen.

Zu David Wonschewskis Rezension von Monika Marons Roman "Artur Lanz" schreibt mir Dr. Andreas Schmohl, Vorstandsmitglied des Forums Soziale Inklusion; Mitglied der Liberalen Männer und von MANNdat:

Meiner Einschätzung nach muss die Männerbewegung aufpassen, dass sie nicht denselben Fehler macht wie große Teile der aktuellen Frauenbewegung, nämlich Eigenschaften und Lebenswege anderer zu bewerten oder gar abzuwerten. Auf welche Weise sich ein Mensch als authentisch erlebt – beispielsweise als fürsorglich, kämpferisch, harmoniesuchend oder heldenhaft – muss jeder Mensch für sich selbst herausfinden. Diese Lebensaufgabe zu vernachlässigen – wie dies bei der Figur im Roman wohl geschehen ist – liegt im Verantwortungsbereich jedes einzelnen und hat wenig bis nichts mit dem Zeitgeist oder dem Feminismus zu tun.

So kritikwürdig der aktuelle Mainstream-Feminismus ist, so hat der historische Feminismus zumindest ein meines Erachtens sehr positives Ziel erreicht: Frauen dürfen kämpferisch ODER friedliebend sein, sie dürfen altruistisch ODER egoistisch handeln, sie dürfen risikoscheu ODER heldenhaft sein und so weiter, ohne dass ihr Frausein deswegen in Frage gestellt wird (Ausnahmen bestätigen die Regel). Dieses Ziel strebe ich auch für Männer an. Ich will mir weder von Feministen noch von Maskulisten oder anderen vorschreiben lassen, wie ich als Mann sein soll oder wie ich mich als Mann zu verhalten habe.

Generalisierte Erwartungen an Männer (und Frauen) – welcher Art auch immer – sollten nicht verklärt, sondern kritisch hinterfragt werden, denn auch dies ist eine Form der Gleichmacherei.


Freitag, September 25, 2020

Neue Zürcher Zeitung: "Männerhass als Frauenrecht?" – News vom 25. September 2020

1. In der Neuen Zürcher Zeitung beschäftigt sich Claudia Mäder mit Pauline Harmanges aktuellem Buch, in dem sie dazhu auffordert, Männer zu hassen. (Genderama berichtete mehrfach.) Nachdem ein franzöischer Beamter das Buch verbieten lassen wollte, wuchs das Interesse daran:

Die Erstauflage von 450 Exemplaren reichte nirgends hin, und mit Nachdrucken und Ausliefern war der Miniverlag nach 2500 Ausgaben überfordert. Inzwischen ist das Buch vergriffen beziehungsweise an den renommierten Verlag Seuil übergegangen. Dieser wird es im Oktober frisch herausbringen und soll auch bereits eine Taschenbuchausgabe planen.

Während sich die Verleger die Hände reiben, fasst sich die Leserin an den Kopf: Der Titel des Traktats ist tatsächlich ernst gemeint und soll ein feministisches Statement sein. Pauline Harmange, die 25-jährige Autorin, ist zwar mit einem Mann verheiratet, verficht aber auf 80 Seiten ihr Recht, Männer zu hassen – und zwar nicht bestimmte Männer, sondern alle Männer. Die Misandrie, die sie verteidigt, definiert sie als "negatives Gefühl" gegenüber sämtlichen Vertretern des männlichen Geschlechts, wobei die Ablehnung von simplem Misstrauen bis zu entschiedener Feindseligkeit reichen könne.

Wer das nun sexistisch findet, ist laut Harmange vollkommen fehlgeleitet. Man könne, so erklärt die Autorin, Misogynie und Misandrie unmöglich mit gleichen Ellen messen, da die männerhassenden Frauen erstens aus einer Position der Unterdrückung agierten und ihren Hass zweitens auf ganz andere Weise lebten als die Männer. Bei diesen äussere sich die Verachtung der Frauen regelmässig in Tötungsdelikten, und mildere Formen männlicher Gewalt, ist Harmange überzeugt, erfahre jede einzelne Frau. Wenn nun aber Frauen, auf dieses Übel reagierend, die Gesamtheit der Männer geringschätzten, tue das niemandem weh und im Gegenteil den Frauen wohl. Verschwistert, zusammengeschlossen in rein weiblichen Kreisen, könne jede ihre Stärke entdecken, die die Männer dauernd unterdrückten.

Diese Argumentation ist selbstverständlich nicht strafbar, und wer nur mit Frauen leben will, soll das tun. Wer aber meint, mit platten Pauschalisierungen den Feminismus voranzubringen, muss den Kontakt zur Realität verloren haben. Anstatt die Diskussion über berechtigte Anliegen zu stimulieren, kann das Buch bloss jene sterilen Debatten über das Wesen der Geschlechter befördern, die wir schon in der Vormoderne führten. Bestimmt werden wir auch im deutschsprachigen Raum wieder ausgiebig über die leidigen alten Themen reden, die Übersetzungsrechte für das Buch sind bereits an Rowohlt verkauft.


Ob sich der Feminismus jemals davon befreien kann, mit dem Hass auf Männer verbunden zu werden?

Eigentlich bräuchte es dazu nur einiger männerfreundlicher Statements und Initiativen führender Feministinnen sowie eine deutliche Kritik und Distanzierung von allen, die den Hass auf Männer fördern.

Also vermutlich nicht.



2. "Die Zeit" beschäftigt sich mit Verkehrspolitik, und natürlich endet das in den Bahnen, in denen man bei der "Zeit" inzwischen denkt:

"Männer, die Lkw fahren, töten Frauen auf Rädern."


Fazit des Artikels: Man müsse Verkehrspolitik beenden, die zu lange von weißen alten Männern gemacht wurde. Vernünftige Verkehrspolitik gebe es unter Bürgermeisterinnen.



3. Der Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung in Bonn, Roland Tichy, gibt sein Amt nach einem Sexismus-Vorwurf auf. Tichy hatte über die SPD-Politikerin Sawsan Chebli behauptet, ihr einziger Pluspunkt sei ihr G-Punkt. Zu deutsch: Sie befände sich nur in ihrer Position, weil sie eine Frau sei. Der Sexismus-Vorwurf ergibt Sinn: Schließlich behauptet auch niemand, bestimmte Personen seien nur deshalb in einer Machtposition, weil sie Männer sind.

(Ja, der letzte Satz war sarkastisch.)



4. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) versucht zu rechtfertigen, warum sie eine vernünftige Reform des Familienrechts nicht hinbekommt. Der Väterrechtler Markus Witt kommentiert.



5. In der FAZ ärgert sich Michael Hierholzer über "Gender-Furor in der Frankfurter Stadtverwaltung".



6. Die britische BBC berichtet über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf häusliche Gewalt. Die Schlagzeile: "Männliche Opfer häuslicher Gewalt schlafen in Autos und Zelten". Im Artikel erfährt man folgendes:

Wohltätigkeitsorganisationen, die sich mit Männern befassen, die häusliche Gewalt erleiden, haben erlebt, dass die Hilferufe während der Abriegelung um bis zu 60% gestiegen sind.

Die "Respect Men"-Beratungsstelle Line teilte mit, (...) sie habe zwischen April und Juli 13.812 Anrufe und E-Mails während des Lockdown erhalten, verglichen mit 8.648 im gleichen Zeitraum im Jahr 2019.

Ippo Panteloudakis von "Respect" sagte, die Pandemie habe das Problem verschlimmert: "Es war absolut klar, dass die Lockdown-Periode die Erfahrungen mit häuslicher Gewalt für alle verschärft hat. Sie sprachen von einer Zunahme der Gewalt, von einer Zunahme des psychologischen Missbrauchs und davon, dass man infolge der häuslichen Misshandlung obdachlos wurde und nirgendwo mehr hingehen konnte. Wir hatten Berichte von Männern, die in ihren Autos übernachteten oder im Garten ihrer Freunde oder Eltern in Zelten schliefen."

In der Beratungsstelle hieß es, dass der größte Zuwachs an Kontakten mit Missbrauchsopfern über E-Mails erfolgte. Der Dienst verzeichnete einen Anstieg des Aufkommens um 96% von 372 E-Mails im Juni 2019 auf 728 im Juni 2020.

(...) Der in Bradford ansässigen Wohltätigkeitsorganisation "Men Stand Up" werden männliche Opfer häuslicher Gewalt aus dem ganzen Land zugewiesen.

Sie wurde vor sechs Jahren gegründet und hat mehr als 4.000 Fälle bearbeitet.

"Men Standing Up" verfügt über Notunterkünfte für Männer für bis zu 14 Tage.

Vor dem Corona-Lockdown leitete sie eine Selbsthilfegruppe und half den Opfern, zu Gerichtsverhandlungen über einstweilige Verfügungen oder zu Arztterminen zu gehen.

Dienstleiterin Nikasha Khan sagte: "Sie sind nicht mehr in der Lage, zum Telefon zu greifen und zu sagen: 'Ich fühle mich wirklich niedergeschlagen, könnten wir einen Kaffee trinken gehen?' Das musste leider wegen der Kontaktbeschränkungen aufhören, deshalb haben wir versucht, ihnen so viel telefonische Unterstützung wie möglich zu bieten und ihnen die emotionale Unterstützung zu geben, die sie brauchen, aber sie hatten damit zu kämpfen."

Ein Mann in West Yorkshire, der an die Beratungsstelle "Men Stand Up" verwiesen wurde, sagte, er habe um Hilfe gebeten, da er sich umbringen wollte, nachdem er jahrelang unter psychologischem Missbrauch einschließlich Gaslighting, Verhaltenskontrolle und finanziellem Missbrauch gelitten hatte.

Der Mann, der seine Identität nicht preisgeben wollte, sagte: "Ich brauchte Hilfe, ich musste von diesem Ort weg, denn ich wurde überall beobachtet, wo ich hinging - bei jedem einzelnen Schritt. Es brachte mich von innen heraus um, und ich musste raus, um die Welt zu sehen. Ich weinte die ganze Zeit, ich isolierte mich in meinem Zimmer und war tagelang dort. Wenn es Men Standing Up nicht gegeben hätte, hätte ich nicht gewusst, was ich tun sollte - ich hätte tot sein können. Männer fressen so was einfach in sich hinein, sie sind einfach still und halten es den Kindern zuliebe aus, aber es wird nicht leichter, sondern nur noch schlimmer."

Ean Monk von der Wohltätigkeitsorganisation berichtet: "Unser Dienst wurde als Reaktion auf die wachsende Zahl von Männern eingerichtet, die unsere Obdachlosendienste in Anspruch nahmen und sagten, der Hauptgrund für Obdachlosigkeit sei häusliche Gewalt."




7. Die US-amerikanische National Coalition for Men würdigt die kürzlich verstorbene Richterin am Supreme Court Ruth Bader Ginsburg, eine Ikone vor allem der Linken in den USA:

Ruth Bader Ginsburg war eine Männerrechtlerin. Ich bezweifle, dass sie sich jemals so nannte. Aber wenn man für die Gleichstellung der Geschlechter kämpft, bedeutet das, dass man gegen die Diskriminierung von Männern kämpft, es sei denn, man ist ein Heuchler. Und obwohl ich der Richterin Ginsburg in vielen Punkten nicht zustimme, glaube ich nicht, dass sie eine Heuchlerin war. Wenn Sie meiner Charakterisierung ihrer Arbeit nicht glauben, werfen Sie einen Blick auf die fünf Fälle, die RBG in Auseinandersetzungen vor dem Obersten Gerichtshof gewonnen hat:

Fronterio: Einer weiblichen Luftwaffenoffizierin wurden Leistungen zugunsten ihres Mannes verweigert, weil nur Ehefrauen automatisch solche Leistungen erhalten konnten. Ehemänner waren nur dann leistungsberechtigt, wenn sie für mehr als die Hälfte auf die Unterstützung ihrer Frauen angewiesen waren.

Weinberger v. Wiesenfeld: Die Frau von Stephen Wiesenfeld starb bei der Entbindung. Er beantragte Sozialhilfe für sich und sein neugeborenes Kind. Leistungen für sich selbst wurden ihm verweigert, da Witwer nicht die gleichen Hinterbliebenenleistungen wie Witwen erhielten.

Califano gegen Goldfarb: Leon Goldfarb war ein weiterer Witwer, der Sozialversicherungsleistungen beantragte, die ihm verweigert wurden. Diesmal handelte es sich nicht um ein Kind, doch das Gesetz verlangte von den Witwern immer noch, etwas zu beweisen, was Witwen nicht mussten.

Duren gegen Missouri: Billy Duren legte gegen seine strafrechtliche Verurteilung Berufung ein, weil der Geschworenenpool die Gemeinschaft nicht fair repräsentierte. Insbesondere mussten Frauen in seinem Bezirk nicht in den Geschworenenräten sitzen, es sei denn, sie wollten es. Männer mussten es tun. Der Angeklagte war also männlich, und das Gesetz gab, wie so oft, Frauen die Wahl und Männern die Verantwortung.

Edwards v. Healy: Ein weiterer Fall, der sich gegen dasselbe Gesetz wandte, das Frauen die Wahl ließ, in Geschworenenräten mitzuwirken. In den Argumenten von RBG umreißt sie drei Klassen von Menschen, die durch dieses Gesetz diskriminiert wurden, darunter Männer, die etwas tun mussten, was Frauen nicht tun durften.

Nun spielt es keine Rolle, ob RBG diese Fälle übernommen hat, um gegen sexistische Rollenzwänge zu Lasten von Frauen, wie sie es nannte, vorzugehen. Tatsache ist, dass sie sehr wohl verstanden hat, dass "fast jede Diskriminierung von Männern sich auch gegen Frauen richtet … Ich kenne keine Regelung, die nicht wie ein zweischneidiges Schwert funktioniert, die also nicht beiden Geschlechtern schadet". Ich möchte nur alle daran erinnern, dass es einmal Feministinnen gab, die jene Männer und Frauen nicht verunglimpften, die für gleiche Rechte für Männer und Frauen kämpften.

Sexistische Rollenzwänge sind die Wurzel von Männerproblemen wie dem Mangel an Dienstleistungen für männliche Opfer häuslicher Gewalt, der 20-mal höheren Wahrscheinlichkeit, im Beruf zu sterben, mit der Männer konfrontiert sind, der Voreingenommenheit gegen Männer in unseren Straf- und Familiengerichten und der verbleibenden Diskriminierung von Männern im Gesetz, wie z.B. der rein männlichen Registrierung beim Zwangseinzug zum Militär.




8. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute:

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

falls Sie es nicht sowieso schon mitbekommen haben, hier der Link zu einer schwedischen Studie zur Frage der weiblichen Besetzung von Professorenstellen. Nicht unerwartet dass das Ergebnis lautet, Frauen bekommen die Stellen einfacher und leisten, nach bestimmten Kriterien, weniger als männliche Kollegen.

Vielen Dank für Ihre Arbeit.


Auch außerhalb Schwedens werden Frauen bei der Hochschulkarriere inzwischen bevorzugt, nicht benachteiligt.

Donnerstag, September 24, 2020

Väteraufbruch: "Anstehende Familienrechtsreformen verfassungswidriger Totalausfall" – News vom 24. September 2020

1. Der Väteraufbruch für Kinder hat gestern eine Stellungnahme zu den geplanten Entwürfen im Familienrecht veröffentlicht:

Lange wurden die überfälligen Reformen im Familienrecht angekündigt. Geliefert werden jetzt nur wenige, dazu noch verfassungswidrige Teilbereiche. Wichtige Reformen im Unterhaltsrecht oder zur Doppelresidenz (Wechselmodell) werden erneut nicht angegangen. Der Koalition droht im Familienrecht eine peinliche Null-Nummer, da sie nicht einmal ihre Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag einhält.


Hier geht es weiter.



2. Die Schweizer FDP fordert einen Bürgerdienst für Frauen und Männer gleichermaßen.



3. Der postmoderne Feminismus verleugne die echten Probleme von Frauen findet die Publizistin Birgit Kelle.



4. Birgit Kelle war diese Woche auch Gast in der "Phönix-Runde" zum Thema "Zoten, Sprüche, Herrenwitze - Die Seximusdebatte". (Nein, wir schreiben nicht mehr das Jahr 2013, und Sie haben auch kein Déjà-vu.) Ich bin selbst noch nicht dazu gekommen, mir den Talk anzusehen, aber verschiedene Leser, die mich darauf hingewiesen haben, schienen vor allem den "kritischen Männerforscher" ärgerlich zu finden. Einer von euch schrieb mir zum Beispiel: "Der Männerforscher war die totale Katastrophe. Frau Kelle war super." Ein anderer findet: "Wenn Christoph May es nicht ernst meinen würde, würde es auch als Satire durchgehen."



5. Der Kulturjournalist David Wonschewski bespricht Monika Marons Roman "Artur Lanz". Ein Auszug:

[Artur Lanz] fährt durchaus gut mit seinem ausgewogenen Wesen, legt eine akademische Karriere als Physiker hin, Frau, Kinder, alles toll. Doch dann eine kleine Situation, die zu einer veritablen Midlife Crisis führt: Er geht mit seinem Hund spazieren, der sich plötzlich in eine lebensbedrohliche Lage tölpelt, aus der Artur ihn waghalsig errettet. Und Artur erkennt: Zum ersten Mal in seinem Leben fühlt er sich wie ein Held. Es folgt der tiefe Fall in die Depression, er erkennt, dass er sich sein ganzes Leben lang einem feministischen Verhaltensdiktat gebeugt hat, dass mit seinem wahren Ich nichts zu tun hat. Er möchte fliehen daraus, lieber derart spät als gar nicht mehr. Doch wird ihm schnell klar, dass ihm sämtliches Rüstzeug dazu fehlt, er gar keinen Begriff davon hat, was heldisch sein könnte. Und er in einer Gesellschaft lebt, die diesen Begriff auch längst auf die immer länger werdende Liste maskuliner Unbegriffe gesetzt hat. Der Held gilt anno 2020 längst als Schurke. Derweil sich diejenigen als Helden generieren, die inmitten der eigenen Bubble mit Anständigkeitsfloskeln um sich werfen, nichts wagen, letztlich sogar sich anbiedernde Kleingeister sind. Heldentum wird bestenfalls noch als Verniedlichung oder Verballhornung gestattet: "Helden des Alltags" werden gefeiert – fast schon ein Oxymoron – Pizzalieferdienste packen sich das Wort in den Firmennamen.

(…) Monika Maron gelingt mit "Artur Lanz" eine unsagbar gelungene Bestandsaufnahme bundesdeutscher Befindlichkeiten des Jahres 2020, bei der es ihr gelingt, diverse an sich schwer unter einen Hut zu bringende Aspekte zu einem Ganzen zu vermengen. Nicht nur stellt sie sich die Frage, wie ehrlich es ist als typisch männlich konnotierte Eigenschaften neuerdings an den Pranger zu stellen, warum wir in diesen postheroischen Zeiten nur noch schauspielernde Heldendarsteller, für die Leinwand erschaffene Kunstprodukte ertragen, diese aber gleichwohl fordern. Jedoch abweisend reagieren, wenn jemand bereit ist aufzubegehren, gegen Wände zu laufen, sich gegen der Mehrheit zu stellen, koste es, was es wolle. Dafür braucht es nun einmal Testosteron, Wut, Kraft. Monika Maron schaut sich auch den akademischen Betrieb an, an dem sich seit einiger Zeit zuvorderst zeigt, wie unliebsame Stimmen ausgemerzt werden, wie ein kleiner Halbsatz neuerdings eine ganze Karriere ruinieren kann. Nicht zu vergessen all die Denunzianten, die tatsächlich glauben, es zeuge von Rückgrat beispielsweise die Institutsleitung darauf aufmerksam zu machen, dass der Angestellte Gerald einen Facebook-Post zum "Grünen Reich" in die Welt gesetzt hat und unter dem Schutzmantel der Anonymität die Entfernung eines untragbaren Mitarbeiters zu fordern. Das ist nicht an den Haaren herbeigezogen, nicht nur die Kulturlandschaft – der Name Lisa Eckhart ging jüngst durch die Gazetten – erfreut sich zunehmend am Mundtotmachen, auch unsere akademischen Institute, die noch mehr als die Kultur auf viele abweichende Meinungen angewiesen sind – haben sich längst einer Cancel Culture bemächtigt. Nachvollziehbar, dass es der in der DDR aufgewachsenen Monika Maron die Schuhe auszieht. Und wichtig, dass sie ihrer intellektuellen Chronistenpflicht nachkommt, uns diesen als Anstand verpackten Irrsinn vor Augen zu führen.




6. Stellen männliche Borderliner eine vernachlässigte Patientengruppe dar?



7. Der britische Telegraph berichtet:

Frauenfeindlichkeit soll nach Plänen der Gesetzeskommission zu einem Hassverbrechen werden - und auch Sexismus gegen Männer könnte verboten werden.

In einem Bericht von heute (Mittwoch) sagte die Gesetzeskommission, dass Sex oder Geschlecht zu den gegenwärtigen fünf Hassverbrechen gegen Behinderung, Rasse, Religion, sexuelle Orientierung und transgender Identität hinzugefügt werden sollten.

Sie erklärte, die Gesetzesänderung diene in erster Linie dem Schutz der Frauen, aber sie werde weiter darüber beraten, ob auch Misandrie - Hass auf Männer - und Altersdiskriminierung auf die Liste der Hassverbrechen gesetzt werden sollten.

Verhaltensweisen wie einer Frau hinterher zu pfeifen würden nicht automatisch geächtet. Stattdessen würde das Gesetz nur für bestehende Straftaten wie Körperverletzung oder Belästigung gelten, bei denen es Beweise dafür geben müsste, dass ein Täter durch Frauenhass motiviert war.

In diesen Fällen würde Frauenfeindlichkeit als "erschwerender" Faktor behandelt, der höhere Strafen oder längere Gefängnisstrafen für die Täter rechtfertigt.




8. Das Weiße Haus hat den Erlass von Präsident Trump online gestellt, der seiner Selbstdarstellung zufolge rassistische und sexistische Klischees bekämpfen möchte. Viele Linke in der USA teilten diese Wahrnehmung nicht und äußerten scharfe Empörung. Deutsche Leitmedien berichteten unter Schlagzeilen wie "Trump lässt Schulungen gegen Rassismus stoppen" und "Trump will interkulturelle Trainings stoppen". Dass der Erlass auch Geschlechterpolitik zum Thema hat ging in der Berichterstattung ein wenig unter. Ich präsentiere hier die zentralen Passagen des Erlasses im Original (wobei ich "race" der englischsprachigen Begriffsverwendung folgend als "Rasse" übersetzt habe, der Glaube an die Existenz von Menschenrassen im engeren Sinne ist aber natürlich heikel). In dem hochumstrittenen Erlass heißt es also:

Heutzutage drängen viele Menschen auf eine andere Vision von Amerika, die sich auf Hierarchien stützt, die auf kollektiven sozialen und politischen Identitäten beruhen, statt auf der jedem Menschen innewohnenden und gleichen Würde als Individuum. Diese Ideologie wurzelt in dem verderblichen und falschen Glauben, dass Amerika ein hoffnungslos rassistisches und sexistisches Land ist; dass einige Menschen allein aufgrund ihrer Rasse oder ihres Geschlechts Unterdrücker sind; und dass rassische und sexuelle Identitäten wichtiger sind als unser gemeinsamer Status als Menschen und Amerikaner.

(...) Leider wandert diese bösartige Ideologie jetzt von den Rändern der amerikanischen Gesellschaft ab und droht, die Kerninstitutionen unseres Landes zu infizieren. Ausbilder und Materialien, die lehren, dass Männer und Angehörige bestimmter Rassen sowie unsere altehrwürdigsten Institutionen von Natur aus sexistisch und rassistisch sind, tauchen in Schulungen zur Vielfalt am Arbeitsplatz im ganzen Land auf, sogar in Teilen der Bundesregierung und bei Auftragnehmern des Bundes.

(...) Solche Aktivitäten fördern auch die Teilung und Ineffizienz, wenn sie von Auftragnehmern des Bundes durchgeführt werden. Die Bundesregierung hat Auftragnehmern auf Bundesebene seit langem verboten, sich an rassistischer oder geschlechtsspezifischer Diskriminierung zu beteiligen, und von den Auftragnehmern verlangt, positive Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass eine solche Diskriminierung nicht stattfindet. Die Teilnahme von Mitarbeitern von Auftragnehmern an Schulungen, die rassen- oder geschlechtsspezifische Stereotypen oder Sündenböcke fördern, untergräbt in ähnlicher Weise die Effizienz bei der Auftragsvergabe durch Auftragnehmer des Bundes. Solche Anforderungen fördern die Uneinigkeit am Arbeitsplatz und lenken vom Streben nach Exzellenz und gemeinschaftlichen Leistungen in der öffentlichen Verwaltung ab.

Daher ist es die Politik der Vereinigten Staaten, in der Bundesbelegschaft oder in den Uniformierten Diensten keine Rassen- oder Geschlechtsstereotypen oder Sündenböcke zu fördern und nicht zuzulassen, dass Zuschussgelder für diese Zwecke verwendet werden. Darüber hinaus ist es Auftragnehmern auf Bundesebene nicht gestattet, ihren Mitarbeitern solche Ansichten einzuflößen.

(...) "Während der Erfüllung dieses Vertrags erklärt sich der Auftragnehmer wie folgt einverstanden:

1. Der Auftragnehmer darf keine Schulungen am Arbeitsplatz durchführen, die seinen Mitarbeitern irgendeine Form von Rassen- oder Geschlechtsstereotypen oder irgendeine Form von Rassen- oder Geschlechtssündenbock einschärfen, einschließlich der Konzepte, dass (a) eine Rasse oder ein Geschlecht einer anderen Rasse oder einem anderen Geschlecht von Natur aus überlegen ist; (b) eine Person aufgrund ihrer Rasse oder ihres Geschlechts von Natur aus rassistisch, sexistisch oder unterdrückend ist, sei es bewusst oder unbewusst; (c) eine Person allein oder teilweise aufgrund ihrer Rasse oder ihres Geschlechts diskriminiert oder nachteilig behandelt werden sollte; (d) Angehörige einer Rasse oder eines Geschlechts nicht versuchen können und sollten, andere ohne Rücksicht auf Rasse oder Geschlecht zu behandeln; (e) der moralische Charakter einer Person notwendigerweise durch ihre Rasse oder ihr Geschlecht bestimmt wird; (f) eine Person aufgrund ihrer Rasse oder ihres Geschlechts Verantwortung für Handlungen trägt, die in der Vergangenheit von anderen Angehörigen derselben Rasse oder desselben Geschlechts begangen wurden; (g) ein Individuum aufgrund seiner Rasse oder seines Geschlechts Unbehagen, Schuldgefühle, Ängste oder eine andere Form psychischen Leidens empfinden sollte; oder (h) Meritokratie oder Eigenschaften wie eine harte Arbeitsethik rassistisch oder sexistisch seien oder von einer bestimmten Rasse geschaffen wurde, um eine andere Rasse zu unterdrücken. Der Begriff "Rassen- oder Geschlechtsstereotypisierung" bedeutet, einer Rasse oder einem Geschlecht oder einem Individuum aufgrund seiner Rasse oder seines Geschlechts Charaktereigenschaften, Werte, moralische und ethische Codes, Privilegien, Status oder Überzeugungen zuzuschreiben, und der Begriff "Rasse- oder Geschlechts-Sündenbock" bedeutet, einer Rasse oder einem Geschlecht oder Mitgliedern einer Rasse oder eines Geschlechts aufgrund ihrer Rasse oder ihres Geschlechts Fehler, Schuld oder Voreingenommenheit zuzuweisen.


Auf dieser Grundlage kann sich jeder ein eigenes Urteil darüber bilden, ob dieser Erlass sinnvoll oder verheerend ist.

Mittwoch, September 23, 2020

"Lexikon der feministischen Irrtümer" online veröffentlicht

Von meinem Lexikon der feministischen Irrtümer, das bei Amazon bislang 19 Fünf-Sterne-Rezensionen erhalten hat, gibt es jetzt auch eine kostenlose Online-Version.

Hier findet man eine anklickbare Übersicht sämtlicher Einträge.

Warum ich zusätzlich zur Druckausgabe eine kostenlose Online-Version veröffentlicht habe, erkläre ich vor allem Neulingen in der Debatte hier. Die Kurzfassung: In der letzten Zeit haben immer mehr Leitmedien gezeigt, dass sie statt an einer Sachdebatte nur an persönlichen Denunzierungen interessiert sind. Dann muss diese Sachdebatte eben außerhalb dieser Leitmedien im freien Internet forciert werden.

Diese Online-Ausgabe ist auch deshalb sinnvoll für mich, weil ich in der Vergangenheit selbst nur allzu gerne auf eine solche Hilfe zurückgegriffen hätte. Immer wieder begegnen mir in den sozialen Medien, ob auf Facebook oder Twitter, Statements, bei denen sich große Überzeugtheit mit ebenso großer Ahnungslosigkeit beim Thema paart – verschuldet auch durch einseitige Information in unseren Leitmedien. Mir fehlt dann oft die Zeit, jedesmal eigens die nötigen Informationen für eine Antwort zusammenzustellen. Die Online-Ausgabe meines Lexikons, bei der man jeden feministischen Mythos einzeln verlinken kann, nimmt mir diese Arbeit ab. Und was für mich gilt, gilt natürlich auch für jeden anderen von euch.

Wird man mit einem solchen Lexikoneintrag automatisch jeden überzeugen? Natürlich nicht. Manche haben sich derart in eine Ansicht verrannt, dass sie ungern klein beigeben und zugestehen möchten, dass sie Unsinn verbreitet haben. Hubert Schleicher hat dem Umgang mit solchen Fundamentalisten ein eigenes Buch gewidmet. Andere Menschen sind für abweichende Meinungen und eine Sachdebatte durchaus aufgeschlossen, aber sie gewichten die Daten, auf die sie sich berufen, einfach höher. Wenn jemand zum Beispiel die offizielle Kriminalstatistik bei häuslicher Gewalt überzeugender findet als hunderte von Dunkelfeldstudien, dann kommt man hier argumentativ einfach nicht weiter.

Man muss aber gar nicht unbedingt einen bestimmten Gesprächspartner überzeugen, der sich schon auf eine bestimmte Meinung festgelegt hat. In der Regel lesen in den sozialen Medien ja etliche andere Menschen solche Diskussionen mit. Diese Menschen können durch mein Lexikon auf Informationen stoßen, die ihnen zuvor oft völlig unbekannt waren. Und wer einen solchen Beitrag entdeckt hat, entdeckt durch dieses Online-Lexikon plötzlich eine ganze Welt solcher Informationen zu den unterschiedlichsten geschlechterpolitischen Themen. Hier kann man bestehende Auffassungen durchaus erfolgreich aufbrechen.

Einer meiner Leser schrieb mal in einem Kommentar auf Facebook, als er zum ersten Mal von mir hörte, dachte er: "Ogottogott, der Typ hat ja vom Geschlechterthema wirklich überhaupt keine Ahnung!" Neugierig darauf geworden, warum ich solche lustigen Dinge behaupte, begann er, meine Texte zu lesen, und merkte dabei, wie er inzwischen offen zugibt, dass er selbst von der Thematik nur sehr oberflächliche Kenntnisse besaß. Heute ist er einer der emsigsten Unterstützer meiner Arbeit und dieses Blogs.

Es ist schade, dass wir um die Leitmedien herumarbeiten müssen, aber Pro-und-Contra-Debatten zum Beispiel in der "Zeit", wo Feministen und Männerrechtler jeweils ihre Argumente vorbringen dürfen, wird es nun mal nicht geben. Trotz immer neuer schmerzhafter Verluste denken Deutschlands Zeitungen gar nicht daran, sich thematisch breiter aufzustellen. Das ist aber auch nicht mehr notwendig. Die Debatten und die Aufklärungsarbeit finden inzwischen andernorts statt.

Wir müssen uns die Cancle Culture nicht wehrlos bieten lassen. Widerstand ist möglich und sinnvoll.

Dienstag, September 22, 2020

Schwerer Vorwurf: "Deutschlandfunk vertuscht sexuelle Belästigung seit Jahren" – News vom 22. September

1. Der Journalist Kemal Hür hat gestern auf Facebook einen brianten offenen Brief veröffentlicht. Den Wahrheitsgehalt kann ich als Außenstehender natürlich nicht bewerten, dokumentiere hier aber Hürs Darstellung der Dinge, so wie das in den Leitmedien bei weiblichen Anklägern seit Jahren gang und gäbe ist:

In eigener Sache!

Hier nun die Erklärung, warum ich nicht mehr im Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur zu hören bin. Ich wurde von "meiner Vorgesetzten" sexuell belästigt. Und die Intendanz vertuscht das seit zwei Jahren.

#metoo #DLF #dlfkultur #Medien #SexuelleBelästigung

Liebe Facebook-Freunde und Interessierte,

ich habe von 2014 bis Juli 2018 für die drei Programme des Deutschlandradio gearbeitet (Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova). Als freier Mitarbeiter des Landesstudios Berlin war ich zuständig für den Bereich Integration/Migration. Die Leiterin des Landesstudios hat mich physisch und verbal sexuell belästigt und mich aus dem Landesstudio herausgemobbt, nachdem ich ihre privaten, außerdienstlichen Angebote abgelehnt habe. Über ihren Umgang mit mir, die sexuelle Belästigung und das Mobbing, habe ich zunächst ihren direkten Vorgesetzten, den Chefkorrespondenten des Deutschlandradio, informiert und mich beschwert. Auf sein wohlwollendes Angebot hin habe ich das Landesstudio verlassen, weil es für mich unzumutbar war, permanent der Schikane der Leiterin ausgesetzt zu sein. Der besagte Vorgesetzte empfahl mir, unabhängig vom Landesstudio meinen Bereich beizubehalten und alle drei Programme damit weiterhin zu bedienen. Er schrieb einen Empfehlungsbrief an alle Abteilungs- und Redaktionsleiter und bat darum, mich unabhängig vom Landesstudio mit entsprechenden Themen zu beauftragen. Es kam jedoch anders als erwartet. Keine einzige Redaktion hat mich weiterbeschäftigt.

Ich schaltete die Gewerkschaft ein. Diese führte mit der zuständigen Juristin für sexuelle Belästigung, der sogenannten Compliance-Beauftragten des Radios, über ein Jahr lang außergerichtliche Verhandlungen. Die Beauftragte wollte sich dafür einsetzen, dass ich meinen arbeitnehmerähnlichen Status, den ich ohne Aufträge bereits verloren hatte, wiedererlangte und eine tarifvertragliche Ausgleichszahlung erhielt. Doch sie hielt sich nicht an diese Versprechen. Es ging ihr von Anfang an nur darum, meine Vorwürfe aus der Welt zu schaffen. Bereits in ihrem ersten Schreiben, nachdem sie von der sexuellen Belästigung erfahren hatte, drohte sie mir im Namen "meiner Vorgesetzten" mit strafrechtlichen Maßnahmen, wenn ich die Vorwürfe öffentlich machen würde.

Der unabhängige Verein Themis e.V., der nach der weltweiten #Metoo-Debatte für den Bereich Theater/Film/Medien gegründet wurde, stufte meinen Fall als eindeutige sexuelle Belästigung ein und schrieb dem Intendanten des Deutschlandradio einen Beschwerdebrief mit der Aufforderung, mich anzuhören und den Vorfall aufzuklären. Doch weder der Intendant noch seine zuständige Compliance-Beauftragte haben mich jemals angehört. Der Intendant antwortete Themis e.V., er wolle mit mir nicht ins Gespräch kommen. Deswegen blieb mir nichts anderes übrig, als dem Intendanten einen offenen Brief über diesen Skandal zu schreiben.

Auf Empfehlung meines Rechtsanwalts veröffentliche ich hier aber nicht (wie eigentlich angekündigt) den gesamten Brief, sondern fasse für euch nur in sehr kurzen Stichpunkten zusammen, worin die sexuelle Belästigung bestand.


Hier geht es mit einer Konkretisierung der Vorwürfe weiter.

In einem späteren Statement von Kemal Hür heißt es:

Nachdem ich dem Intendanten und der gesamten Belegschaft des #Deutschlandradio einen offenen Brief über die sexuelle Belästigung, die ich im Berliner Landesstudio erfahren habe, geschrieben habe, hat das Radio meinen E-Mail-Account gesperrt!


Auf Facebook und Twitter wird Kemal Hürs Statement diskutiert, wobei er weit überwiegend Unterstützung erhält.



2. In Teilen von Ostdeutschland verdienen Frauen mehr als Männer:

Im sachsen-anhaltinischen Dessau-Roßlau an der Elbe ist der Unterschied besonders groß: hier verdienen Frauen 11,2 Prozent mehr als Männer. Auf dem zweiten Platz folgt Stendal, auch in Sachsen-Anhalt. Hier haben die Frauen 7,6 Prozent mehr Gehalt. Auch in Mansfeld-Südharz, Gera, Halle, Magdeburg und Görlitz verdienen Frauen minimal mehr als ihre männlichen Kollegen.




3. Einer neuen globalen Gesundheitsstudie zufolge sind Jungen häufiger unterernährt als Mädchen.



4. In einem Gastbeitrag für das Magazin "Cicero", der gestern einer der hundert meistgelesenen Artikel wurde, fordert Professor Walter Krämer: "Weg mit dem Gender-Unfug!"

Montag, September 21, 2020

Sexismusvorwurf gegen Christian Lindner – News vom 21. September 2020

1.
"Ich denke gern daran, Linda, dass wir in den vergangenen 15 Monaten ungefähr 300-mal den Tag zusammen begonnen haben." Mit diesem Satz wollte FDP-Chef Christian Lindner die von ihm geschasste Linda Teuteberg eigentlich würdigen. So sagte er es zumindest. Doch schon die ersten, vereinzelten Lacher auf dem Parteitag am Samstag machten deutlich, dass der Satz auch anders aufgefasst werden konnte. Zumal Lindner danach stoppte. Erst nach einer kurzen Pause verdrehte er die Augen und schob nach: "Ich spreche über unser tägliches morgendliches Telefonat zur politischen Lage, nicht, was ihr jetzt denkt."


Hier geht es weiter.



2. Der Abgeordnete Marc Jongen testet, ob man im Deutschen Bundestag eine männerpolitische Rede hatlen kann, ohne dass ein Teil der Zuhörer ausrasten. Schade, dass Jongen zum rechten Rand der AfD gehört.



3. Unter der Überschrift "Einmal Chefarzt-Gattin, immer Chefarzt-Gattin" plädiert der Rechtsanwalt und Publizist Tassilo Walentin für eine Reform von Österreichs Scheidungsrecht.

Samstag, September 19, 2020

Frauen-Netzwerk in der FDP greift an – News vom 19. September 2020

1.
Die FDP-Frauen greifen an. Pünktlich zum Bundesparteitag der Freien Demokraten, der an diesem Sonnabend in Berlin stattfindet, gründet sich ein neues Frauennetzwerk der Freien Demokratinnen, das vor allem den weiblichen FDP-Abgeordneten und den hochrangigen Funktionsträgerinnen mehr Sichtbarkeit verschaffen soll. Der Auftakt findet an diesem Freitag statt. Eingeladen haben Nicole Bauer, frauenpolitische Sprecherin der FDP im Bundestag, und Maren Jasper-Winter, die diese Rolle im Berliner Abgeordnetenhaus übernimmt.


Dabei lehnen die liberalen Damen eine Frauenquote ab:

"Ich denke, eine Quote löst das Problem nicht", sagt Nicole Bauer. Das liege viel tiefer. "Unsere Gesellschaft ist in vielen Bereichen – ob Politik oder Wirtschaft – noch sehr männlich geprägt. Hier muss sich etwas ändern: bei den Rahmenbedingungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und bei der Kultur, wann wie und wo Entscheidungen gefällt werden." Das aber gehe nicht mit der Brechstange, sondern nur gemeinsam. "Ich plädiere für ein gutes Talentmanagement, für eine nachhaltige Chancenverwirklichung."

Gerade jüngere FDP-Politikerinnen stehen einer Frauenbeteiligung per Verordnung kritisch gegenüber. "Das halte ich nicht für ein gutes Instrument", sagt auch die 28 Jahre alte Ria Schröder. "Wir wollen andere Wege finden, damit mehr Frauen Lust haben, sich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen."


Hier findet man den vollständigen Artikel.



2. Wenn eine Autorin, es muss keine Deutsche sein, in ihrem Buch Hass auf Männer bekundet, erhält sie in der "taz" natürlich jederzeit eine Werbeplattform. Ein Auszug aus dem Artikel:

Erst das völlige Ignorieren von Männern, deren Ansprache auch immer etwas Belehrendes (Stichwort: Mansplaining) habe, deren Versuche, charmant zu sein, herablassend wirken, könnte die Gesellschaft endlich verändern, sagt Harmange der taz am Telefon.


Der oberste Leserkommentar unter dem Artikel ist eine treffende Antwort auf diese Menschenfeindlichkeit:

Die Taz bringt mich in letzter Zeit wirklich in eine Zwickmühle. Einerseits gibt es viele gute Artikel, differenziert und, wenn es um Rechtsextremismus geht, meistens auch früher als andere Zeitungen.

Andererseits diese ganzen Artikel für die identitäre Filterblase. Negative Eigenschaften werden über die Hautfarbe zugeschrieben? Geht klar! Übers Geschlecht? Warum nicht? Sexuelle Vorlieben geraten auch schon ins Schussfeld, wenn man sich nicht strikt mit Menschen gleicher Hautfarbe paaren möchte. Rassentrennung in der Taz - aber woke! Nicht mit Menschen eines anderen Geschlechts reden hat noch gefehlt, bisher war so eine Haltung ja meist religiösen Extremisten vorbehalten. Aber hey wenn man das "feministisch" macht, ist es cool!

Dazu noch eine populitische "Diskussionskultur", die nicht mehr auf Argumente setzt, sondern an Hautfarben, Geschlecht etc. schon vorher bestimmen kann, wer wieviel Recht haben darf.

Diese Mischung aus Ignoranz und Opfergetue erinnert mich nur allzu sehr an Pegida und Co. Außerdem habe ich nicht das Gefühl, dass damit eine Diskussion angestoßen werden soll. Differenzierte Positionen sucht man vergebens. Wie auf Twitter wird irgendeine möglichst extreme Behauptung in den Raum geschmissen, um dann alle anzugehen, die nicht reflexartig zustimmen.

Naja, wenn´s dem Ego hilft. Letztens kam noch Wissenschaftsfeindlichkeit hinzu, indem die Behauptung aufgestellt wurde, dass man das Geschlecht nicht anhand der Gene nachweisen kann - was natürlich Blödsinn ist. Aber warum sollte man Jahrzehnte an Forschungsarbeit respektieren, wenn man sich etwas Intellektuelles zusammenschwurbeln kann?

Wie links sind Leute, die ihre Argumente anscheinend bei Pegida, esoterischen Impfgegnern und religiösen Extremisten klauen?




3. Gestern hatte ich hier die Empfehlung einer Episode der Netflix-Serie "Criminals" zitiert. In dieser Folge spielte Kit Harrington einen Mann, der wegen einer angeblichen Vergewaltigung verhört wurde, die er nicht begangen hatte. [Spoiler] Das fanden die Ermittlungsbeamten dann auch heraus, aber das Leben des beschuldigten Mannes war trotzdem runiert.

Wie ich jetzt erfahre, hätte Genderama diese Episode nie bewerben dürfen. Das war nämlich mal wieder total frauenfeindlich.

Die britische Tageszeitung "Sun" berichtet:

Die Netflix-Serie "Criminal" wurde beschuldigt, eine "verkorkste Botschaft" und "Frauenfeindlichkeit" zu verbreiten, da Kit Haringtons Figur fälschlicherweise der Vergewaltigung beschuldigt wird.

Viele Zuschauer machten die Episode nieder, die von Männern geschrieben wurde und bei der Männer Regie führten, und nannten sie "sehr gefährlich".

(...) Jede Episode von Netflix' Criminal konzentriert sich auf ein Verbrechen mit intensiven Verhörszenen, die ausschließlich innerhalb der Grenzen eines polizeilichen Befragungsraums stattfinden.

Die Serie geniesst es, den advocatus diaboli zu spielen, und ermutigt die Zuschauer, zu debattieren und ihre eigenen Schlussfolgerungen und Meinungen zu bilden.

Viele haben jedoch auf Twitter bekundet, dies mit dem Thema Vergewaltigung zu tun, sei moralisch fragwürdig, und die Auswirkungen auf die reale Welt seien verheerend.

Viele Zuschauer der Episode tauschten auf Twitter ihre Gedanken aus, wobei einige den Umgang mit der sehr heiklen Angelegenheit missbilligten.

Einer schrieb: "Criminal UK Season 2 auf Netflix die ersten 3 Episoden zeigen lügnende/moralisch instabile Frauen, die das Leben unschuldiger Männer ruinieren. Man kann eure Frauenfeindlichkeit erkennen."

"Kit Harringtons Episode von Criminal auf Netflix ist heftig, aber sehr SEHR gefährlich", fügte ein anderer hinzu.

Während ein Dritter erklärte: "Die Kit-Harington-Episode von Criminal, in der ein Mann fälschlicherweise der Vergewaltigung durch eine Untergebene beschuldigt wird, die versucht, aus der Situation Profit zu schlagen, von Männern geschrieben und inszeniert, macht keinen guten Eindruck, besonders wenn falsche Anschuldigungen die weitaus geringere Minderheit darstellen."

"Gedanken zu #criminaluk: Habe gerade Staffel 2 Episode 2 gesehen und bin froh, dass die am Ende der Episode aufgeworfenen Fragen angesprochen wurden. ABER sie hätten den gleichen Punkt auch mit einem anderen Straftatbestand machen können, wodurch der Rückgriff auf die schädliche 'Sie-hat-es-sich-ausgedacht'-Vergewaltigungsgeschichte vermieden worden wäre."


Bemerkenswert, wie eifrig immer noch versucht wird, ein Gespräch über Falschbeschuldigungen zu tabuisieren.



Freitag, September 18, 2020

Claudia Roth: "Maskulinisten und Retromänner formieren sich" – News vom 18. September 2020

1.
"Maskulinisten" und "Retromänner" formierten sich neu, sagte Roth, und wollten sich zurückholen, "was ihnen gar nicht gehört: Macht, Einfluss, das Sagen".


Das berichtet aktuell Spiegel-Online. In dem Artikel heißt es weiter:

Besonders der Einzug der AfD in den Bundestag habe den Umgang verändert. Wenn eine der beiden Frauen eine Sitzung leite, würden manche AfD-Redner das Präsidium nicht grüßen. "Dabei ist das seit 70 Jahren Brauch im Plenum", so Roth. Die Abgeordneten fingen dann einfach an zu reden - andere sagten explizit zur Begrüßung "Präsident"'.

(…) Rückblickend beurteilt Roth die Zeit vor der Vertretung der AfD im Parlament als deutlich anders. "Es kommt mir so vor, als wären wir bis dahin in Watte gepackt gewesen", sagte die Grünenpolitikerin der "Zeit". Nun hätten Sexismus und Antifeminismus eine Bühne im Bundestag. Das wirke sich auch enthemmend auf die Gesellschaft aus.


~ Gut, dass es eine Partei wie die Grünen gibt, die für Sitte, Anstand sowie Respekt vor der Obrigkeit und 70 Jahre alten Traditionen sorgt. Unter diesem Motto waren die Grünen 1983 in den Bundestag eingezogen und wegen ihres Wohlverhaltens sofort bei allen etablierten Parteien beliebt. Claudia Roth sorgte als Managerin der Rockband "Ton, Steine, Scherben" ("Macht kaputt, was euch kaputtmacht") besonders engagiert dafür, dass Disziplin, Ordnung und Zucht noch von Bedeutung waren. ~

Ernsthaft: Ich kann mich ja vielen Kritikpunkten an der AfD anschließen. Aber ausgerechnet "Manche von denen grüßen das Präsidium nicht"? Und was bitte hat Maskulismus mit angeblich schlechten Umgangsformen zu tun? Ich wettere doch auch nicht über den Kommunismus, wenn mich mein Nachbar nicht grüßt.



2. Einer meiner Leser macht mich auf einen Artikel im sozialistischen Magazin Jacobin aufmerksam. Dort heißt es:

Wenn auch der Begriff "Geschlechterpolitik" zunächst an feministische Kämpfe denken lässt, so sind in jüngerer Zeit vor allem Gegenbewegungen wie der Anti-Feminismus, der Anti-Genderismus oder auch der Maskulismus als eigenständige Formen der Geschlechterpolitik sichtbar geworden.

(…) Nachdem die Frauenbewegung und der Feminismus die Geschlechterpolitik erfolgreich auf die politische Agenda gesetzt haben, verliert der Feminismus nun zunehmend die dominante Rolle innerhalb der Gesamtheit geschlechtspolitischer Forderungen. Dem Bedeutungsanstieg von Geschlechterpolitik als solche folgte dabei nicht automatisch ein Ausbau emanzipatorischer Errungenschaften, sondern vielmehr die Fragmentierung des Spektrums der Positionen und Bewegungen.


Der Artikel betrachtet vor allem, wie der Feminismus durch seine Verknüpfung mit dem Neoliberalismus eine wachsende Angriffsfläche für Kritik bietet. Mein Leser merkt zu dem Beitrag an:

Zwar wird der linke Maskulismus praktisch ignoriert, aber ich finde es bemerkenswert, dass Maskulismus hier von linker Seite nicht mehr pauschal verteufelt wird. Die Einordnung des Maskulismus ist etwas differenzierter als üblich. Die Interpretation als "Widerstand gegen den progressiven Neoliberalismus" finde ich sogar recht treffend, auch wenn sie natürlich nicht erschöpfend ist.




3. Verschiedene Medien berichten über eine Aufarbeitung der Diskriminierung schwuler Soldaten:

Lange Jahre galt: Homosexuelle können in der Bundeswehr keine Karriere machen. Wer als schwul enttarnt wird, muss die Truppe verlassen. Eine Studie arbeitet diese Praxis, die erst 2000 endete, jetzt auf. Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer bittet Betroffene nun stellvertretend um Entschuldigung.


Hier geht es weiter.

Zu dieser Meldung gibt es einen maskulistischen Kommentar auf Twitter:

Und wann bittet #AKK um Entschuldigung dafür, daß die Bundeswehr über 50 Jahre lang Millionen von jungen Männern durch den Raub von zwischen 6 und 18 Monaten ihres Lebens sexistisch diskriminiert hat?

Oh nein, diese Zwangsarbeit würde sie ja am liebsten wieder einführen …




4. Ebenfalls auf Twiter hat Lutz Bierend einen TV-Tipp:

Während es bei #Neflix' "Criminial" sonst darum geht wie Schuldige im Verhör überführt werden, gibt es diesmal tatsächlich eine Folge über Vergewaltigung, die sich damit beschäftigt was #Falschbeschuldigung mit dem angeklagten Mann macht.


(Gemeint ist offenbar die zweite Folge der zweiten Staffel von "Criminal UK", nicht von "Criminal Deutschland".)

[Nachtrag um 13:15 Uhr: Ich habe die Folge gerade gesehen; sie ist wirklich gelungen.]



5. Unter der Überschrift "Love Hurts" plädiert die Publizistin Kat Rosenfield dafür, mit der Infantilisierung von Frauen und Dämonisierung von Männern aufzuhören:

Wenn Sie jemals einen Liebesroman aus der Regency-Epoche gelesen oder eine Jane-Austen-Adaption gesehen haben, haben Sie wahrscheinlich eine flüchtige Bekanntschaft mit dem Motiv der ruinierten Frau gemacht: dieses tragische Opfer eines schurkischen Mannes, der sie liebte, sie verließ und ihren gesellschaftlichen Wiederverkaufswert dabei ruinierte. In einer Welt, die von einem patriarchalischen Ehe- und Erbschaftssystem regiert wird, das auf weibliche Reinheit angewiesen ist, um sicherzustellen, dass alle männlichen Nachkommen legitim sind, war die ruinierte Frau buchstäblich beschädigte Ware. Selbst der geringste Hauch einer vorehelichen Tändelei könnte ihr zum Verhängnis werden.

Diese altmodischen Vorstellungen über den Wert von Frauen haben uns nie ganz verlassen und tauchten im Laufe der Jahre in allen Bereichen wieder auf, von den Werken Andrea Dworkins bis zu den Abstinenzkriegen der späten 1990er Jahre. Da Mitgift nicht im Spiel war, hing die Idee, dass Sex Frauen entwertete, stattdessen an Amerikas plötzlicher Besessenheit von Selbstwertgefühl. Eine junge Frau, die Sex hatte, insbesondere Gelegenheitssex, respektierte sich eindeutig nicht selbst. Sie versuchte, eine emotionale Leere mit billigen körperlichen Beziehungen zu füllen, und - ja - sie machte sich selbst unverheiratbar. Man sagte uns, dass ein Mann die Kuh nicht kaufen würde, wenn er die Milch umsonst bekäme.

Heute hat sich die Vorstellung, dass sexueller Kontakt für Frauen erniedrigend ist, in der zeitgenössischen progressiven Sprache des Traumas und der Zustimmung verwickelt. Der fragliche Schaden ist emotional, nicht materiell, aber die paternalistische Botschaft ist dieselbe: Unschuldige Frauen müssen geschützt werden.

Zustimmung ist sexy, so sagt man uns, da uns die Broschüren zur Sexualerziehung in erster Linie das Wesentliche der Gespräche während des Geschlechtsverkehrs vermitteln: "Gefällt es dir, wenn ich dich dort berühre? Was genau soll ich mit dir machen?" Es spielt keine Rolle, dass die besagte Literatur geflissentlich die Tatsache ignoriert, dass für die jungen, unerfahrenen Menschen, an die solche Anweisungen gerichtet sind, Dirty Talk durch ein Verwaltungsmandat nur eine ganz neue Ebene des Drucks zu einer bereits unangenehmen Situation hinzufügt: So sehr auch beschworen wird, wie heiß Zustimmung sein kann, ist der progressive Diskurs über Sex ausgesprochen unsexy. Inmitten der Machtbesessenheit, der Unterdrückung und der ständig drohenden Gefahr einer Schädigung verschwindet der Begriff des Begehrens (oder, Gott bewahre, des Spaßes) fast völlig. Selbst im pornografischsten Konsens-ist-sexy-Skript geht es um die Minderung von Risiko, nicht um erotischen Kitzel, um Versicherungsformulare, die schwer atmend überreicht werden.

Dieser Laser-Fokus auf die Zustimmung stellt Sex an sich als eine gefährliche Handlung dar, die mit äußerster Vorsicht und nur dann vorgenommen werden sollte, wenn sie absolut notwendig ist. Und wenn es in Beziehungen hauptsächlich um Macht und die Drohung von Missbrauch geht, müssen diejenigen, die sie zu enthusiastisch verfolgen, mit Misstrauen betrachtet werden. Hier tauchen noch mehr Geschlechterstereotypen der alten Schule auf: Männer werden zunehmend fast standardmäßig als Raubtiere angesehen, während Frauen als hilflos, ja sogar als infantil angesehen werden. (Erleben Sie den Aufstieg des Wortes "Grooming", das früher dem sexuellen Raubbau an Kindern vorbehalten war, als etwas, das Frauen in ihren Zwanzigern angetan wurde). Während eine atemberaubende Bandbreite enttäuschender männlicher Verhaltensweisen unter den Schirm von MeToo gefegt wird, ist die Grenze zwischen dem hartnäckigen Interesse an einer Frau und ihrer Ausbeutung verschwommen.

(…) Diese Vorstellung von Zustimmung als Schutz vor heftigen Gefühlen ist sowohl neu als auch kontraintuitiv: In den meisten Kontexten (z.B. bei medizinischen Studien oder Medieninterviews) wird die Zustimmung gerade deshalb eingeholt, weil das, was folgt, nicht vorhersehbar ist und sehr wohl unangenehm sein kann. In bestimmten progressiven Räumen wird jedoch jede Art von Unbehagen als Hinweis auf das Fehlen der Zustimmung gewertet, was unzählige normale menschliche Interaktionen verdächtig macht. Jemandem einen Korb zu geben ist unangenehm, aber jemanden um ein Date zu bitten auch. Selbst in glücklichen Beziehungen gibt es Momente des Unbehagens, der Enttäuschung, des Konflikts - und selbst freundschaftliche Trennungen sind selten schmerzfrei. Dennoch wird jungen Menschen heute beigebracht, jederzeit absolute emotionale Sicherheit bei Sex, Liebe und Liebeswerben zu erwarten - und dass, wenn sie sich verletzt, enttäuscht oder betrogen fühlen, dies bedeutet, dass sie vergewaltigt worden sind.

Wie sind wir also hierher gekommen? Die Sozialkonservativen sagen, dass die Kultur unverbindlicher sexueller Kontakte schuld sei, und sie haben nicht Unrecht: Traditionelles Werben, Monogamie und Ehe haben ihre Schattenseiten, aber sie geben den Beziehungen ein gewisses Maß an Struktur und Sicherheit. Im Zeitalter von Tinder sind diese Sicherheitsvorkehrungen vergleichsweise schwer zu erreichen - und die ausgeklügelte (und manchmal lächerliche) Bürokratie der Einwilligungsbestimmungen kann am besten als verzweifelter Versuch verstanden werden, diesem wilden Westen von Sex und Intimität, an dessen Spitze Menschen stehen, die Angst haben, verletzlich zu sein oder verletzt zu werden, eine gewisse Ordnung aufzuzwingen. Man hat das Gefühl, dass Beziehungen unfehlbar sicher und bequem gemacht werden könnten, dass Enttäuschung und Peinlichkeit nicht existieren würden, wenn wir nur genug Regeln hätten.

Beziehungen waren schon immer ein riskantes Unterfangen, aber ironischerweise hat diese Hyperwachsamkeit sie geradezu erschreckend erscheinen lassen. Jede neue Romanze wird wie eine Schnitzeljagd auf Alarmsignale behandelt, die vor Missbrauch warnen, und jede Trennung unterliegt der Beurteilung durch den #MeToo-Rahmen. Unglückliche Ex-Partner streuen ihre Klagen in sozialen Medien auf eine Weise, die früher geschiedenen Prominenten vorbehalten war, die um die Sympathie der Presse ringen. Private Angelegenheiten werden für öffentliche Abrechnungen und Wiedergutmachungen ins Rampenlicht gerückt. Männer, die bereits unter dem Druck stehen, den ersten Schritt zu tun, müssen mit dem zusätzlichen Risiko rechnen, dass eine unbeholfene Ouvertüre oder ein falsch verstandenes Signal nicht nur zu Ablehnung, sondern auch zu öffentlicher Demütigung und Ruinierung führt. Trotz all seiner wertvollen Beiträge zur Bekämpfung der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz hat #MeToo auch die Verabredung selbst gleichzeitig spannender und unattraktiver gemacht - für alle. Wenn jede Beziehung ein Machtkampf ist, in dem die weniger privilegierte Partei ständig Gefahr läuft, zum Opfer zu werden, warum sollte man sich dann überhaupt bemühen? Wer könnte daran Freude haben?

Damit soll keine Rückkehr zu den starren Werbenormen der Regency-Epoche gefordert werden - auch nicht zu der engstirnigen Sex-Positivität der frühen Nullerjahre. Stattdessen müssen wir grundlegende Vorstellungen von weiblichem Empowerment und individueller Handlungsfähigkeit wieder einführen und das oberflächliche Verständnis komplexer zwischenmenschlicher Beziehungen als Machtkämpfe zwischen Unterdrückten und Unterdrückern zurückdrängen. Wir sollten sowohl jungen Männern als auch jungen Frauen beibringen, die Verletzlichkeit und Menschlichkeit des jeweils anderen anzuerkennen - auch wenn ein Partner in gewisser Hinsicht mehr Macht haben mag als der andere - und sich auf ihre Liebhabern als Individuen und nicht als Vertreter einer Identitätsgruppe einzulassen. Und wir sollten junge Menschen auch beibringen, Unannehmlichkeiten zu tolerieren und zu verarbeiten, anstatt sich selbst als hilflos der Machtdynamik ausgeliefert zu sehen, die sie für immer am Abgrund des Opferdaseins taumeln lässt.

Als ich zwischen 2009 und 2019 eine Kolumne mit Ratschlägen für Jugendliche schrieb, gab es eine Frage, die ich öfter als jede andere erhielt: "Wie kann ich mich verlieben, ohne verletzt zu werden?" Meine Antwort war immer dieselbe: "Das kannst du nicht! Intimität erfordert Verwundbarkeit; die Freude an der menschlichen Verbindung geht immer mit dem Risiko einher, verletzt zu werden." Aber dieses Risiko ist für alle gleich, egal wie privilegiert oder mit institutioneller Macht gesegnet sie sind. Selbst der wohlhabendste, weißeste, cisheterosexuellste Kerl der Welt kann durch Herzschmerz absolut vernichtet werden - und selbst eine Person, die am Schnittpunkt mehrerer unterdrückter Identitätskategorien sitzt, hat die Macht, jemandem das Herz zu brechen.

So sehr Trauma und Missbrauch Reinheit und Heiratsfähigkeit in der Landschaft der moralischen Panik ersetzt haben, so sehr ist die gleiche alte Angst am Werk: dass die Wünsche der Frauen, wenn sie ungehemmt bleiben, sie in Trümmern zurücklassen werden. Und obwohl der Impuls, junge Menschen vor emotionalen Schmerzen zu schützen, gut gemeint sein mag, sind die Folgen toxisch. Die zwanghafte Fokussierung auf Macht als Antriebsmechanismus in allen Beziehungen schürt einen Kreislauf katastrophalen Denkens: Frauen haben immer mehr Angst davor, misshandelt zu werden, sind immer mehr von ihrer Machtlosigkeit überzeugt, dies zu vermeiden, und immer sicherer, dass sie, wenn es passiert, nicht in der Lage sein werden, damit umzugehen. Und die ganze Zeit über werden Männer, die durch einen Rahmen entmenschlicht werden, der ihre Begierden als von Natur aus räuberisch erscheinen lässt, gelehrt, den Frauen zu misstrauen und sie unter dem Vorwand, sie zu respektieren, zu Kleinkindern zu machen.

Wir müssen das Gespenst der ruinierten Frau dauerhaft aus unserem Verständnis heterosexueller Beziehungen verbannen. Eine gesunde, sex-positive Gesellschaft erkennt an, dass Unvorhersehbarkeit ein Merkmal von Verabredungen ist, kein Fehler, und dass sie nicht stillschweigend abgeschafft werden kann - insbesondere für unerfahrene Menschen, vor allem wenn es um Gelegenheitssex geht. Jungen Menschen muss beigebracht werden, freundlich und gewissenhaft miteinander umzugehen, Grenzen zu respektieren und in zweideutigen Situationen auf der Seite der Vorsicht zu irren - aber man sollte ihnen auch beibringen, dass Liebe und Sex voller schmerzhafter Missverständnisse sind und dass selbst wohlmeinende Menschen einander verletzen können, weil sie unsicher sind, verwirrt oder wirklich unsicher, was sie eigentlich wollen. Anstatt zu versuchen, sie davon abzuhalten, jemals Herzschmerz, Bedauern oder Scham zu empfinden, sollten wir ihnen beibringen, dass man diese Dinge immer überleben kann und sie manchmal sogar nützlich sind. Bringen wir ihnen bei, mit Ablehnung gnädig und mit Fehlern wohlwollend umzugehen, zumal sie wissen, dass sie selbst Fehler machen werden; bringen wir ihnen bei, dass sich verletzt zu fühlen nicht immer dasselbe ist wie Unrecht zu erleiden. Bringen wir ihnen bei, dass Liebe unordentlich ist und dass sie sich einfachen Erzählungen über Macht und Opfer-Sein widersetzt, dass sie es aber auch wert ist, mutig zu sein - denn dieselbe Ungewissheit, die die Liebe beängstigend macht, macht sie auch bereichernd, aufregend und zu einer außergewöhnlichen Quelle der Freude.




Donnerstag, September 17, 2020

Gender-Knacklaut: Rundfunkräte sollen gegen "Männerdiskriminierung" einschreiten – News vom 17. September 2020

1. Wie das Blob "Übermedien" berichtet, engagiert sich Professor Walter Krämer, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Sprache und des Vereins Deutscher Sprache, aktuell besonders aktiv gegen ideologische Einflüsse auf die Sprachverwendung der Öffentlich-Rechtlichen. In den letzten Monaten habe er Protestbriefe gegen Gender-Pausen mitten im Wort an Mitglieder der ARD-Rundfunkräte, des ZDF-Fernsehrates und des Hörfunkrats des Deutschlandfunks geschrieben. Krämers Argumentation: Der gesprochene Genderstern trage dadurch, dass er oft kaum hörbar ist, zur Diskriminierung von Männern bei:

"Dieser Knacklaut (der von sehr geringer akustischer Stärke ist) bleibt allerdings oft unhörbar oder wird gar gänzlich vermieden. Dann wird ausschließlich die gemäß aller deutschen Grammatiken und Wortbildungslehren unstrittig feminine Form hörbar, womit die jeweilige Personenbezeichnung männliche Mitglieder explizit ausschließt."


Diese Kritik erscheint nachvollziehbar Aus "Zuschauer-(Pause)-Innen" wird bei schnellem, die Silben verschleifendem Sprechen schnell "Zuschauerinnen". Die männliche Hälfte des Publikums wird sprachlich unsichtbar gemacht.

Übermedien berichtet auch, wie die Sender auf Professor Krämers Kritik reagieren.



2. Frauenministerin Giffey (SPD) zieht sich aus der Bundespolitik zurück:

Giffey will sich für die SPD um einen Platz im Berliner Abgeordnetenhaus bewerben. Die SPD Neukölln habe sie als Kandidatin für die Wahl im Herbst 2021 nominiert, teilte Giffey auf Facebook mit. "Als ehemalige Kreisvorsitzende der SPD Neukölln, Bezirksbildungsstadträtin und Bezirksbürgermeisterin und heutige Bundesfamilienministerin habe ich mich entschieden, wieder in die Landespolitik zurückzukehren."




3. Vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ist die Stimmung in der SPD angespannt, berichtet die Mitteldeutsche Zeitung (MZ):

Nach den Austritten bekannter Sozialdemokraten und einer Panne zum Wahlkampfauftakt warnen Kommunalpolitiker der SPD die Landesparteichefs in einem Brandbrief: "Um die kommenden Wahlen nicht völlig zu vergeigen, muss an dieser Stelle deutlich umgesteuert werden." Den Brief haben 22 Mitglieder geschrieben, die sich als Ortsvereinsvorsitzende oder in Kommunalparlamenten engagieren. Dazu gehört auch Kay Gericke, Kreisvorsitzender im Jerichower Land und Bürgermeister der Einheitsgemeinde Biederitz. "Wir sind mit der Gesamtsituation unzufrieden", sagte Gericke auf MZ-Nachfrage.


Gericke zufolge setze seine Partei im Wahlkampf falsche Prioritäten:

"Wir können uns im ländlichen Raum den Tüv für Spielplätze nicht mehr leisten - aber in Magdeburg fordern wir Gender-Toiletten", sagte Gericke der MZ. Wobei die SPD nicht wirklich "Gender-Toiletten" fordert; der Kreisvorsitzende möchte das als "Symbol" verstanden wissen für die aus seiner Sicht falsche Schwerpunktsetzung auf Minderheitenrechte.




4. Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer möchte die Idee weiblicher Dienstgrade für Soldaten nicht weiterverfolgen.



5. "Ohrfeige statt Entschuldigung für Feministinnen" titelt die Basler Zeitung. In dem Artikel heißt es:

Die Reaktionen nach der unbewilligten Frauendemonstration vom 14. Juni waren heftig. Die Polizei hatte damals die Demo auf der Johanniterbrücke gestoppt und alle Demonstrantinnen einer Personenkontrolle unterzogen. Auch Nationalrätin Sibel Arslan, die noch zu vermitteln versuchte, wurde am Ende weggeführt.

Anschliessend äusserten die beteiligten Politikerinnen, allen voran die beiden Grossrätinnen Jessica Brandenburger (SP) und Raffaela Hanauer (GB), schwere Vorwürfe an die Adresse der Polizei. Von "sexistischem Gehabe und Äusserungen einiger Polizistinnen", war die Rede.


(Gemeint ist statt "einiger Polizistinnen" wohl "einiger PolizistInnen", aber so ist es eben mit der Gender-Sprache, die Männer unsichtbar macht.)

Auch körperliche Gewalt durch Polizeikräfte beklagten die Feministinnen. Franziska Stier (Basta), Mitorganisatorin des Frauenstreiks, sagte damals gegenüber Telebasel: "Ich habe Statements erhalten, wonach sowohl Frauen als auch gender-queeren Menschen an die Brust gefasst wurde, die beim Urinieren gefilmt und von der Polizei von hinten gepackt wurden." Die Demonstrantinnen forderten eine Entschuldigung von der Polizei.

Weil eine Entschuldigung vom Sicherheitsdirektor nicht erfolgt ist, wollte Hanauer später mit einer schriftlichen Anfrage von der Basler Regierung eine Stellungnahme zu den Vorwürfen erzwingen. Am Mittwoch hat der Regierungsrat nun die Antwort gegeben. Eine, die es in sich hat: "Der Regierungsrat verurteilt das Verbreiten von rufschädigenden Gerüchten gegenüber Mitarbeitenden des Kantons, ohne dass diese konkretisiert würden", schreibt Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann im Namen der Regierung. Damit die Strafverfolgungsbehörden Strafverfahren einleiten können, seien konkrete Anhaltspunkte notwendig. "Bislang indes gibt es keine Hinweise auf sexuelle Belästigungen, die bei diesem Einsatz durch Angehörige des Korps der Kantonspolizei begangen worden wären."

Ackermann hält in ihrer Antwort zudem fest, dass die Polizei, entgegen der Ansicht der Demonstrantinnen, "keine politische Strategie verfolgt". Sie sorge bloss "auftragsgemäss für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und die Einhaltung der Gesetze".

In ihrer Antwort geht die Regierung auch noch einmal auf die Auflösung der Demonstration vom 14. Juni ein. Die Frauen hatten damals behauptet, dass sie eigentlich die unbewilligte Demo sofort auflösen wollten, so wie dies die Polizei verlangt hatte. Doch dann seien sie eingekesselt worden. Dem widerspricht Ackermann: "Die Kantonspolizei erkannte keine Anzeichen, dass sich die Demonstration auf der Johanniterbrücke auflösen würde. Im Gegenteil bestärkten einzelne Personen mit ihrem Verhalten gegenüber der Kantonspolizei die übrigen Demonstrantinnen und Demonstranten darin, sich den Weisungen der Polizei standhaft zu widersetzen, was dazu führte, dass die Personenkontrollen rund zwei Stunden in Anspruch nahmen." Zuvor bereits seien die Frauen der Aufforderung, die Kundgebung aufzulösen, nicht nachgekommen. Stattdessen sei der "Pulk" weitergezogen und hätte den Verkehr blockiert.




6. Der Humanistische Pressedienst berichtet:

Mitten in der neuen dänischen Beschneidungsdebatte haben mehrere medizinische Vereinigungen ihren Austritt aus der Kommission der Dänischen Patientensicherheit zur Festlegung von Richtlinien für nicht-therapeutische Vorhautamputationen erklärt.


Bei diesen Vereinigungen handelt es sich um die Dänische Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, den Dänischen Hebammenverband, den Dänischen Verband medizinischer Pflegeberufe, die Dänische Pädiatrische Gesellschaft, die Dänische Gesellschaft für Urologie sowie die Dänische Gesellschaft für Kinderchirurgie.

Alle Organisationen und Verbände, die sich aus der Arbeitsgruppe zurückgezogen haben, sind grundsätzlich gegen die Beschneidung gesunder Kinder unter 18 Jahren. Ursprünglich war es ihr Ziel, aufgrund des bestehenden Nicht-Verbots der rituellen Jungen-Beschneidung wenigstens dafür sorgen zu können, dass diese sicherer durchgeführt oder wenigstens registriert werden. Doch ein entsprechender Weg schien sich bei den Beratungen nicht abzuzeichnen. Durch den Austritt des Großteils der für das Thema relevanten medizinischen Vereinigungen ist die Arbeitsgruppe nun de facto arbeitsunfähig.

Laut dem Facharbeitskreis Beschneidungsbetroffener im MOGiS e. V. erklärte der Vorsitzende der Dänischen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Joachim Hoffmann-Petersen, diesbezüglich gegenüber dem Gesundheitsausschuss des Dänischen Parlaments: "Wenn das nächste Mal Komplikationen bei einer rituellen Jungenbeschneidung auftreten, sind nicht mehr die Anästhesisten in professioneller, ethischer oder rechtlicher Verantwortung. Es sind die Politiker, die weiterhin die rituelle Beschneidung von Jungen zulassen."


Zum selben Thema hat MOGIS einen eigenen Beitrag veröffentlicht: "Dänische Ministerpräsidentin Mette Fredriksen nimmt Forderung nach gleichem Schutz von Jungen zurück". Darin heißt es:

Die Kommission der Patientensicherheit zur Überarbeitung von Richtlinien für nicht-therapeutische Vorhautamputationen an Jungen wurde von allen ärztlichen Fachgesellschaften verlassen. Sie lehnen aus ethischen Gründen solche Eingriffe bei Kindern ab und empfehlen oder fordern die Einführung des Mindestalters. 86% der Bevölkerung sprechen sich ebenfalls dafür aus.

Ministerpräsidentin Mette Fredriksen (Sozialdemokratie) hat vergangene Woche ihre ursprüngliche und häufig zitierte Kinderschutz-Position offiziell zurückgenommen und sich nun gegen ein Mindestalter ausgesprochen. Ein gewagtes Unterfangen, schließlich stellt sie sich damit auch noch gegen 90% ihrer eigenen Wähler*innen.

In ihrer Neujahransprache 2000 hatte sie zudem auch noch versichert, allgemein "immer an der Seite der Kinder" zu stehen. In ihrer jetzigen Stellungnahme war von Kindern überhaupt nicht mehr die Rede. Sie ging darin ausführlich auf die dänische und europäische Geschichte und den Massenmord an jüdischen Menschen im Zweiten Weltkrieg ein. "Glücklicherweise" habe sie "sich getraut", ihre "Meinung zu ändern".

In Analysen werden ansonsten die Rücksichtnahme auf jüdische Verbände, aktuelle wirtschaftliche Interessen (mögliche Exportverluste in den Nahen Osten) und die Sorge vor möglichen Terroranschlägen als Gründe genannt, sich gegen ein Mindestalter auszusprechen. Die US-Botschaft in Kopenhagen kündigte ebenfalls mögliche wirtschaftliche Konsequenzen an.

Die menschenpolitische Rolle rückwärts von Frau Fredriksen stieß in Israel auf ein geteiltes Echo. Während Ministerpräsident Netanyahu ihr via twitter für ihre "Verteidigung der alten Tradition der Beschneidung" dankte, kommentierte Ronit Tamir von der israelischen Elterninitiative KAHAL: "Es gibt viele Juden in Israel gegen Beschneidung, und wir schätzen sehr, dass das Dänische Parlament versucht, ein Gesetz dagegen zu verabschieden. Wir sehen dies nicht als Antisemitismus, sondern als reine Sorge um die Kinder und die Menschenrechte. Wir hoffen sehr, dass dieses Gesetz verabschiedet wird."

Einige sozialdemokratische Kolleg*innen von Frau Fredriksen äußerten sich kritisch: "Als Mensch, Vater, Bürger von Dänemark und sozialdemokratischer Politiker hoffe ich inständig, dass in meiner Partei in dieser Angelegenheit abgestimmt wird und dass eine Mehrheit im Parlament das Richtige tut, indem sie eine Altersgrenze von 18 Jahren für Jungenbeschneidung einführt!" schrieb Niels E. Bjerrum.

Ercan Alici, Betroffener und Mitglied unserer Partnerorganisation Intact Denmark, kommentierte: "Als Kind auf dem Tisch wünschte ich mir nur, jemand hätte mir geholfen. Europas Geschichte scheint unendlich weit weg von der Realität des Kindes auf dem Tisch zu sein."

Ahmad Mahmoud nannte Frederiksens Versuch, ein Kinderbeschneidungsverbot mit der Verfolgung von Juden während des Zweiten Weltkriegs zu vergleichen "absurd", und ergänzte: "Nein, wir dürfen keine kulturellen oder religiösen Erwägungen akzeptieren, wenn es um die Beschneidung von Kindern geht. Es geht um das Wohl des Kindes und das Recht, sich frei zu finden und so die eigene Identität zu schaffen. Dafür haben wir in Dänemark gekämpft."

Harun Demirtas sieht die Demokratie geschädigt: "Politiker, die Tag und Nacht fragten, ob eine Krankenschwester arbeiten könne, nur weil sie ein Kopftuch trägt, oder ob ein Busfahrer einen Bus fahren könne, wenn er im Ramadan fastet, haben ihre politische Haltung heute zu 100 Prozent gedreht und befürworten die Beschneidung von Jungen, obwohl es ein religiöses Ritual ist."

Einen erschütterten anonymen Bericht eines Betroffenen veröffentlichte die Tageszeitung Berlingske: "Haben die Premierminister, Parteivorsitzende und Bischöfe jemals das Ergebnis einer gescheiterten Beschneidung, einen verstümmelten Penis, gesehen? Ich habe es. Ich sehe es jedes Mal, wenn ich aufs Klo gehe, nackt vor einem Spiegel stehe, dusche oder Sex habe. (…) Ich habe als Erwachsener vier Operationen benötigt, um einer im Grunde unnötige Intervention abzuhelfen. [...] Bis ich im Alter von 24 Jahren operiert wurde, konnte ich zum Beispiel aus drei verschiedenen Löchern in meinem Penis urinieren [...]. Wenn ich einen neuen Sexualpartner oder Freund treffe, muss ich immer erklären, warum mein Penis klare Narben trägt. (…) Politiker und Meinungsbildende, die mit historischem Pathos um sich werfen, müssen wissen, dass Beschneidung [...] ein chirurgischer Eingriff mit schwerwiegenden möglichen Folgen ist, und es hat mein ganzes Leben beeinflusst…"

Es verspricht, ein spannender Herbst zu werden. Die erste Lesung im Parlament wird frühestens im Oktober erwartet.

(…) Dass deutsche Medien die Ereignisse in Dänemark seit über zwei Jahren komplett ignorieren, überrascht. Schließlich verwiesen sie in der deutschen Debatte 2012 sehr häufig aufs Ausland und warnten vor einem möglichen "deutschen Alleingang", sollte eine Erlaubnis nicht-therapeutischer Vorhautamputationen an Jungen hinterfragt werden. Um eine völlige Schutzlosstellung von Jungen in Deutschland zu promoten, waren Blicke ins Ausland offensichtlich durchaus opportun. Verlaufen heute dort hingegen Debatten, die dem Kinderschutz medial und politisch großen Raum einräumen, wird geschwiegen. Sollen Menschen in Deutschland einfach nicht davon erfahren?




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