Neue Zürcher Zeitung: "Männerhass als Frauenrecht?" – News vom 25. September 2020
1. In der Neuen Zürcher Zeitung beschäftigt sich Claudia Mäder mit Pauline Harmanges aktuellem Buch, in dem sie dazhu auffordert, Männer zu hassen. (Genderama berichtete mehrfach.) Nachdem ein franzöischer Beamter das Buch verbieten lassen wollte, wuchs das Interesse daran:
Die Erstauflage von 450 Exemplaren reichte nirgends hin, und mit Nachdrucken und Ausliefern war der Miniverlag nach 2500 Ausgaben überfordert. Inzwischen ist das Buch vergriffen beziehungsweise an den renommierten Verlag Seuil übergegangen. Dieser wird es im Oktober frisch herausbringen und soll auch bereits eine Taschenbuchausgabe planen.
Während sich die Verleger die Hände reiben, fasst sich die Leserin an den Kopf: Der Titel des Traktats ist tatsächlich ernst gemeint und soll ein feministisches Statement sein. Pauline Harmange, die 25-jährige Autorin, ist zwar mit einem Mann verheiratet, verficht aber auf 80 Seiten ihr Recht, Männer zu hassen – und zwar nicht bestimmte Männer, sondern alle Männer. Die Misandrie, die sie verteidigt, definiert sie als "negatives Gefühl" gegenüber sämtlichen Vertretern des männlichen Geschlechts, wobei die Ablehnung von simplem Misstrauen bis zu entschiedener Feindseligkeit reichen könne.
Wer das nun sexistisch findet, ist laut Harmange vollkommen fehlgeleitet. Man könne, so erklärt die Autorin, Misogynie und Misandrie unmöglich mit gleichen Ellen messen, da die männerhassenden Frauen erstens aus einer Position der Unterdrückung agierten und ihren Hass zweitens auf ganz andere Weise lebten als die Männer. Bei diesen äussere sich die Verachtung der Frauen regelmässig in Tötungsdelikten, und mildere Formen männlicher Gewalt, ist Harmange überzeugt, erfahre jede einzelne Frau. Wenn nun aber Frauen, auf dieses Übel reagierend, die Gesamtheit der Männer geringschätzten, tue das niemandem weh und im Gegenteil den Frauen wohl. Verschwistert, zusammengeschlossen in rein weiblichen Kreisen, könne jede ihre Stärke entdecken, die die Männer dauernd unterdrückten.
Diese Argumentation ist selbstverständlich nicht strafbar, und wer nur mit Frauen leben will, soll das tun. Wer aber meint, mit platten Pauschalisierungen den Feminismus voranzubringen, muss den Kontakt zur Realität verloren haben. Anstatt die Diskussion über berechtigte Anliegen zu stimulieren, kann das Buch bloss jene sterilen Debatten über das Wesen der Geschlechter befördern, die wir schon in der Vormoderne führten. Bestimmt werden wir auch im deutschsprachigen Raum wieder ausgiebig über die leidigen alten Themen reden, die Übersetzungsrechte für das Buch sind bereits an Rowohlt verkauft.
Ob sich der Feminismus jemals davon befreien kann, mit dem Hass auf Männer verbunden zu werden?
Eigentlich bräuchte es dazu nur einiger männerfreundlicher Statements und Initiativen führender Feministinnen sowie eine deutliche Kritik und Distanzierung von allen, die den Hass auf Männer fördern.
Also vermutlich nicht.
2. "Die Zeit" beschäftigt sich mit Verkehrspolitik, und natürlich endet das in den Bahnen, in denen man bei der "Zeit" inzwischen denkt:
"Männer, die Lkw fahren, töten Frauen auf Rädern."
Fazit des Artikels: Man müsse Verkehrspolitik beenden, die zu lange von weißen alten Männern gemacht wurde. Vernünftige Verkehrspolitik gebe es unter Bürgermeisterinnen.
3. Der Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung in Bonn, Roland Tichy, gibt sein Amt nach einem Sexismus-Vorwurf auf. Tichy hatte über die SPD-Politikerin Sawsan Chebli behauptet, ihr einziger Pluspunkt sei ihr G-Punkt. Zu deutsch: Sie befände sich nur in ihrer Position, weil sie eine Frau sei. Der Sexismus-Vorwurf ergibt Sinn: Schließlich behauptet auch niemand, bestimmte Personen seien nur deshalb in einer Machtposition, weil sie Männer sind.
(Ja, der letzte Satz war sarkastisch.)
4. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) versucht zu rechtfertigen, warum sie eine vernünftige Reform des Familienrechts nicht hinbekommt. Der Väterrechtler Markus Witt kommentiert.
5. In der FAZ ärgert sich Michael Hierholzer über "Gender-Furor in der Frankfurter Stadtverwaltung".
6. Die britische BBC berichtet über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf häusliche Gewalt. Die Schlagzeile: "Männliche Opfer häuslicher Gewalt schlafen in Autos und Zelten". Im Artikel erfährt man folgendes:
Wohltätigkeitsorganisationen, die sich mit Männern befassen, die häusliche Gewalt erleiden, haben erlebt, dass die Hilferufe während der Abriegelung um bis zu 60% gestiegen sind.
Die "Respect Men"-Beratungsstelle Line teilte mit, (...) sie habe zwischen April und Juli 13.812 Anrufe und E-Mails während des Lockdown erhalten, verglichen mit 8.648 im gleichen Zeitraum im Jahr 2019.
Ippo Panteloudakis von "Respect" sagte, die Pandemie habe das Problem verschlimmert: "Es war absolut klar, dass die Lockdown-Periode die Erfahrungen mit häuslicher Gewalt für alle verschärft hat. Sie sprachen von einer Zunahme der Gewalt, von einer Zunahme des psychologischen Missbrauchs und davon, dass man infolge der häuslichen Misshandlung obdachlos wurde und nirgendwo mehr hingehen konnte. Wir hatten Berichte von Männern, die in ihren Autos übernachteten oder im Garten ihrer Freunde oder Eltern in Zelten schliefen."
In der Beratungsstelle hieß es, dass der größte Zuwachs an Kontakten mit Missbrauchsopfern über E-Mails erfolgte. Der Dienst verzeichnete einen Anstieg des Aufkommens um 96% von 372 E-Mails im Juni 2019 auf 728 im Juni 2020.
(...) Der in Bradford ansässigen Wohltätigkeitsorganisation "Men Stand Up" werden männliche Opfer häuslicher Gewalt aus dem ganzen Land zugewiesen.
Sie wurde vor sechs Jahren gegründet und hat mehr als 4.000 Fälle bearbeitet.
"Men Standing Up" verfügt über Notunterkünfte für Männer für bis zu 14 Tage.
Vor dem Corona-Lockdown leitete sie eine Selbsthilfegruppe und half den Opfern, zu Gerichtsverhandlungen über einstweilige Verfügungen oder zu Arztterminen zu gehen.
Dienstleiterin Nikasha Khan sagte: "Sie sind nicht mehr in der Lage, zum Telefon zu greifen und zu sagen: 'Ich fühle mich wirklich niedergeschlagen, könnten wir einen Kaffee trinken gehen?' Das musste leider wegen der Kontaktbeschränkungen aufhören, deshalb haben wir versucht, ihnen so viel telefonische Unterstützung wie möglich zu bieten und ihnen die emotionale Unterstützung zu geben, die sie brauchen, aber sie hatten damit zu kämpfen."
Ein Mann in West Yorkshire, der an die Beratungsstelle "Men Stand Up" verwiesen wurde, sagte, er habe um Hilfe gebeten, da er sich umbringen wollte, nachdem er jahrelang unter psychologischem Missbrauch einschließlich Gaslighting, Verhaltenskontrolle und finanziellem Missbrauch gelitten hatte.
Der Mann, der seine Identität nicht preisgeben wollte, sagte: "Ich brauchte Hilfe, ich musste von diesem Ort weg, denn ich wurde überall beobachtet, wo ich hinging - bei jedem einzelnen Schritt. Es brachte mich von innen heraus um, und ich musste raus, um die Welt zu sehen. Ich weinte die ganze Zeit, ich isolierte mich in meinem Zimmer und war tagelang dort. Wenn es Men Standing Up nicht gegeben hätte, hätte ich nicht gewusst, was ich tun sollte - ich hätte tot sein können. Männer fressen so was einfach in sich hinein, sie sind einfach still und halten es den Kindern zuliebe aus, aber es wird nicht leichter, sondern nur noch schlimmer."
Ean Monk von der Wohltätigkeitsorganisation berichtet: "Unser Dienst wurde als Reaktion auf die wachsende Zahl von Männern eingerichtet, die unsere Obdachlosendienste in Anspruch nahmen und sagten, der Hauptgrund für Obdachlosigkeit sei häusliche Gewalt."
7. Die US-amerikanische National Coalition for Men würdigt die kürzlich verstorbene Richterin am Supreme Court Ruth Bader Ginsburg, eine Ikone vor allem der Linken in den USA:
Ruth Bader Ginsburg war eine Männerrechtlerin. Ich bezweifle, dass sie sich jemals so nannte. Aber wenn man für die Gleichstellung der Geschlechter kämpft, bedeutet das, dass man gegen die Diskriminierung von Männern kämpft, es sei denn, man ist ein Heuchler. Und obwohl ich der Richterin Ginsburg in vielen Punkten nicht zustimme, glaube ich nicht, dass sie eine Heuchlerin war. Wenn Sie meiner Charakterisierung ihrer Arbeit nicht glauben, werfen Sie einen Blick auf die fünf Fälle, die RBG in Auseinandersetzungen vor dem Obersten Gerichtshof gewonnen hat:
Fronterio: Einer weiblichen Luftwaffenoffizierin wurden Leistungen zugunsten ihres Mannes verweigert, weil nur Ehefrauen automatisch solche Leistungen erhalten konnten. Ehemänner waren nur dann leistungsberechtigt, wenn sie für mehr als die Hälfte auf die Unterstützung ihrer Frauen angewiesen waren.
Weinberger v. Wiesenfeld: Die Frau von Stephen Wiesenfeld starb bei der Entbindung. Er beantragte Sozialhilfe für sich und sein neugeborenes Kind. Leistungen für sich selbst wurden ihm verweigert, da Witwer nicht die gleichen Hinterbliebenenleistungen wie Witwen erhielten.
Califano gegen Goldfarb: Leon Goldfarb war ein weiterer Witwer, der Sozialversicherungsleistungen beantragte, die ihm verweigert wurden. Diesmal handelte es sich nicht um ein Kind, doch das Gesetz verlangte von den Witwern immer noch, etwas zu beweisen, was Witwen nicht mussten.
Duren gegen Missouri: Billy Duren legte gegen seine strafrechtliche Verurteilung Berufung ein, weil der Geschworenenpool die Gemeinschaft nicht fair repräsentierte. Insbesondere mussten Frauen in seinem Bezirk nicht in den Geschworenenräten sitzen, es sei denn, sie wollten es. Männer mussten es tun. Der Angeklagte war also männlich, und das Gesetz gab, wie so oft, Frauen die Wahl und Männern die Verantwortung.
Edwards v. Healy: Ein weiterer Fall, der sich gegen dasselbe Gesetz wandte, das Frauen die Wahl ließ, in Geschworenenräten mitzuwirken. In den Argumenten von RBG umreißt sie drei Klassen von Menschen, die durch dieses Gesetz diskriminiert wurden, darunter Männer, die etwas tun mussten, was Frauen nicht tun durften.
Nun spielt es keine Rolle, ob RBG diese Fälle übernommen hat, um gegen sexistische Rollenzwänge zu Lasten von Frauen, wie sie es nannte, vorzugehen. Tatsache ist, dass sie sehr wohl verstanden hat, dass "fast jede Diskriminierung von Männern sich auch gegen Frauen richtet … Ich kenne keine Regelung, die nicht wie ein zweischneidiges Schwert funktioniert, die also nicht beiden Geschlechtern schadet". Ich möchte nur alle daran erinnern, dass es einmal Feministinnen gab, die jene Männer und Frauen nicht verunglimpften, die für gleiche Rechte für Männer und Frauen kämpften.
Sexistische Rollenzwänge sind die Wurzel von Männerproblemen wie dem Mangel an Dienstleistungen für männliche Opfer häuslicher Gewalt, der 20-mal höheren Wahrscheinlichkeit, im Beruf zu sterben, mit der Männer konfrontiert sind, der Voreingenommenheit gegen Männer in unseren Straf- und Familiengerichten und der verbleibenden Diskriminierung von Männern im Gesetz, wie z.B. der rein männlichen Registrierung beim Zwangseinzug zum Militär.
8. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute:
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
falls Sie es nicht sowieso schon mitbekommen haben, hier der Link zu einer schwedischen Studie zur Frage der weiblichen Besetzung von Professorenstellen. Nicht unerwartet dass das Ergebnis lautet, Frauen bekommen die Stellen einfacher und leisten, nach bestimmten Kriterien, weniger als männliche Kollegen.
Vielen Dank für Ihre Arbeit.
Auch außerhalb Schwedens werden Frauen bei der Hochschulkarriere inzwischen bevorzugt, nicht benachteiligt.
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