1. Die ARD-Sendung
"Panorama" beschäftigt sich mit der Frage, warum es junge Männer stärker als junge Frauen nach rechts zieht:
Der Soziologe Ansgar Hudde von der Universität Köln hat das Wahlverhalten nach Geschlecht in der Bundesrepublik seit den 50er-Jahren untersucht. Er sagt: Die wachsende politische Kluft zwischen jungen Männern und Frauen gibt es tatsächlich, allerdings erst seit ein paar Jahren. "Seit 2017 sehen wir, dass Frauen im Schnitt linkere Parteien wählen als Männer. Und 2021 hat sich das noch mal verschärft, vor allem bei den Jungen. In der jüngsten Gruppe sehen wir, dass Frauen häufiger, deutlich häufiger die Grünen wählen, aber auch häufiger die SPD und die Linke. Bei der Union ist es halbwegs ausgeglichen. Männer wählen deutlich häufiger die AfD und die FDP", sagt Hudde. Und dieser Trend scheint sich, so Hudde, weiter zu verstärken.
An einer Berufsschule in Buxtehude sprechen wir mit jungen Männern über den "Political Gender Gap". Woran liegt es ihrer Ansicht nach, dass junge Männer und junge Frauen in ihren politischen Einstellungen weiter auseinanderdriften? Die jungen Männer berichten von unterschiedlichen Lebensrealitäten: Umwelt- und Klimaschutz hätten eher Priorität für Frauen, die heute häufiger in großen Städten studieren würden. Ihnen selbst, also den Männern, ginge es eher um Themen wie bezahlbare Spritpreise. Auch beim Dating hat einer von ihnen diese Polarisierung schon erlebt: "Da habe ich eine Dame kennengelernt, die nur auf meinem Social Media Account gesehen hat, dass ich der AfD folge, und das war ein Ausschlusskriterium für sie." Der Berufsschüler David Becker meint: Parteien würden generell zu wenig für die Belange junger Männer tun, die Sorgen und Ängste jüngerer Männer spielten kaum noch eine Rolle im politischen Diskurs.
Das ist doch mal interessant: Wenn die etablierten Parteien so besorgt über Erfolge der AfD sind – warum leiten sie dann nicht die Gegenmaßnahme ein, dass die Sorgen von Männern in der Politik wieder eine Rolle spielen?
In dem "Panorama"-Beitrag heißt es weiter:
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich etwas verschoben zwischen jungen Männern und Frauen, auch auf dem Bildungsmarkt. Mädchen machen seit den 80er-Jahren öfter als Jungs das Abitur - mit wachsendem Abstand. Seit 2021 studieren erstmals mehr weibliche als männliche Studierende an deutschen Hochschulen, Tendenz steigend. Für den Soziologen Ansgar Hudde gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Erfolg von Frauen auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt und dem politischen Gender Gap. Ein Trend, den er in einer Datenauswertung feststellen konnte, sei zum Beispiel, dass Männer mit einer niedrigen formalen Bildung immer häufiger Single bleiben. "Das heißt, da ist eine Gruppe von jungen Männern, die dadurch natürlich empfänglicher sind für eine Politik, die die generelle Unzufriedenheit versucht abzugreifen und die vielleicht auch ein Zurück, eine Nostalgie zurück in die Vergangenheit propagiert."
Eine Nostalgie dahin, nicht mehr zurückgelassen und allein zu bleiben und diskriminiert zu werden? Hallo wach, liebe Redakteure der Leitmedien: Die genannten Probleme spricht die Männerbewegung seit Jahrzehnten an.
Aber bevor "Panorama" versehentlich einen maskulistischen Beitrag raushaut, muss sein Ende eine klare Botschaft enthalten:
Der Politikberater Johannes Hillje beobachtet, wie rechtspopulistische Parteien mit solchen Botschaften versuchen, junge Männer gezielt anzusprechen. (…) Er glaubt: Wenn junge Männer jetzt häufiger rechtspopulistisch wählen, dann geht es auch darum, Kontrolle zurückzugewinnen, Macht und Privilegien zurückzuerhalten. "Wir müssen uns als Gesellschaft wieder darauf verständigen, dass die Gleichstellung von Frauen, die Förderung von Frauen allen zugutekommen, auch den Männern. Und wenn dieser Konsens da ist, dann wird diese Emanzipationsfrage wieder ein Stück weit weniger relevant werden, auch bei Wahlentscheidungen."
Welche "Privilegien" wir Männer verloren haben, erfahren wir auch aus diesem Beitrag leider nicht; es bleibt die übliche Sprechblase. Etwas anderes, was wir aus dem Beitrag nicht erfahren, ist, zu welchem politischen Lager Hillje zählt: Er war Wahlkampfmanager der Grünen: einer Partei, die in der Geschlechterpolitik allein die Anliegen von Frauen auf ihre Fahnen geschrieben hat.
2. Für das Online-Magazin
"Krautreporter" hat Astrid Probst einen Auszug aus Shila Behjats Buch "Söhne großziehen als Feministin" online gestellt, der sich an mir und meinen Positionen als Männerrechtler abarbeitet. (Der Artikel steht für Nicht-Abonnenten des "Krautreporters" hinter einer Bezahlschranke, aber eine liebe Freundin, die das Magazin abonniert hat, hat mich darauf aufmerksam gemacht und ihn mit mir geteilt.)
Wir überlassen den Begriff "Männlichkeit" und alles, was er bedeuten könnte, die Möglichkeit also, sich bei der Frage nach ihr an irgendetwas zu orientieren, Männern wie Jordan Peterson, dem "Custodian of the Patriarchy", wie ihn die New York Times nannte, und dem Männer rund um den Globus an den Lippen hängen, wenn er darüber wütet, welche Erniedrigungen ihr Geschlecht durch den Feminismus ertragen müsse. (…) Oder Männer wie Arne Hoffmann, dem deutschen Pendant zu Peterson (or so he thinks).
He does not. Vom Versuch einer Karriere als Gedankenleserin rate ich ab.
Die FAZ schrieb 2017 über ihn, er kämpfe "seit zwanzig Jahren gegen die Unterdrückung der Männer in Deutschland. Zuhören will ihm kaum jemand." Was nicht ganz stimmt, denn der FAZ-Journalist hatte ihm aufmerksam zugehört, über zwei Stunden, wie wir erfahren, und ihm einen ziemlich langen Artikel gewidmet. Am Beispiel Hoffmanns lässt sich inspizieren, wie die sicherlich nicht auf den Bereich der Männerrechte reduzierte Taktik funktioniert, mit vielen kleinen Episoden, Nachrichtenschnipseln und Einzelmeinungen eine Verschwörung gegen Männer zu konstruieren und so eine vermeintliche Bestätigung für jedes empfundene Leid zu finden, ein "großes Bild" als Erklärung für den Frust Einzelner. Die von mir bereits zitierte Studie der Universität Potsdam über die Dominanz der Mädchen in Klassenzimmern etwa verwendet Hoffmann auch in seinem Lexikon der feministischen Irrtümer, und auf seinem Blog "Genderama" fragt er sich, warum Gewalt stets auf die gegen Frauen reduziert werden würde. Wir beide, ein aggressiver Männerrechtler und eine überzeugte, wenn auch gerade über die Ausrichtung zweifelnde Feministin, nutzen dieselbe Information – und kommen zu völlig unterschiedlichen Schlussfolgerungen.
Der Vorwurf, ich wäre "aggressiv" wird natürlich an keiner Stelle belegt – und verschwiegen bleibt, dass bei mir an die Stelle von "kleinen Episoden, Nachrichtenschnipseln und Einzelmeinungen" zuhauf wissenschaftliche Studien treten: Um das zu wissen, hätte frau aber in das auch online stehende
Lexikon der feministischen Irrtümer hineinlesen müssen, statt nur zu spekulieren, was da wohl drin stehen könnte und das als Tatsache zu verkaufen. (Zu der rufmörderisch verzerrenden Darstellung in der FAZ habe ich mich schon oft genug geäußert, zuletzt in meinem
Interview mit der Berliner Zeitung.)
Wobei – in der Einschätzung, dass Männlichkeit derzeit angegriffen ist, es jedoch verdient hat, Aufmerksamkeit, Zuwendung und auch Liebe zu erfahren, wären er und ich uns vermutlich sogar einig. Ich jedoch möchte, dass wir wieder zusammenfinden. Hoffmann dagegen schreibt, die Frau müsse sich von "patriarchaler Abhängigkeit" lösen, "indem sie auch den Staat nicht länger als Ersatzvater verwendet, um von ihm allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einem vermeintlich ‚schwächeren Geschlecht‘ Förderung und Unterstützung in absurdem Ausmaß zu erhalten."
Das ist korrekt. Das Ziel von Emanzipation ist, dass man auf eigenen Beinen steht und als Ernährer nicht den Ehemann gegen Vater Staat austauscht. Schon gar nicht, wenn man das "Patriarchat" bekämpfen möchte.
Natürlich darf auch in diesem Buch nicht unterlassen werden, eine Verbindung zwischen Männer-Aktivisten und Massenmördern zu konstruieren. Das gehört einfach zum Genre wie der Mord zum Krimi:
Drei Wochen nachdem mein Sohn Bo auf seine dramatische Weise zur Welt gekommen war, ich war vermutlich gerade wieder an meine Milchmaschine angeschlossen, lud der zweiundzwanzigjährige Elliot Rodger im kalifornischen Isla Vista ein Video mit dem Titel "Retribution", "Vergeltung", auf Youtube hoch. Darin wütete er gegen all die Frauen, die ihn abgewiesen hätten. Und dann fuhr er los und brachte sechs Menschen um, verletzte vierzehn. Er schoss wahllos, stach mit einem Messer auf sie ein oder überfuhr seine Opfer. Diese Verbrechen dürfen nicht verharmlost werden. Und gleichzeitig müssen wir über verunsicherte Männlichkeit sprechen. Wir müssen dieses Gespräch führen und die Benennung von Männerrechten nicht Menschen wie Peterson oder Hoffmann überlassen.
Ist ja auch eine völlig absurde Idee, jemandem die Benennung von Männerrechten zu überlassen, der mit Feministinnen zusammenarbeitet und ihnen in seinen Büchern eine Stimme gibt, wobei er zugleich erklärt, welche feministischen Glaubenssätze von den Erkenntnissen der aktuellen Forschung widerlegt worden sind.
Aber gut, dann benennt "Männerrechte" endlich mal – allerdings bitte seriöser als hier. Dass man zum Beispiel jemanden, mit dem man sich seitenlang beschäftigt, selbst zu seiner Position befragt und diese korrekt wiedergibt, scheint im Journalismus völlig aus der Mode gekommen zu sein. Wobei Shila Behjat in ihrem Buch immerhin eines zugibt:
Seien wir ehrlich. Wir wollen uns einfach nicht mit Männlichkeit beschäftigen, schon gar nicht, wenn sie uns etwas anderes zeigen will als das, was wir von ihr halten.
3. Wie die
Neue Zürcher Zetung berichtet, stellt Polen wehrpflichtigen Ukrainern keine Dokumente mehr aus.
In Polen beeilte sich die Mitte-links-Regierung, Kiew ihre Solidarität zu versichern. "Wir haben der Ukraine schon lange signalisiert, dass wir behilflich dabei sind, dass jene, die Kriegsdienst leisten müssen, in die Ukraine ausreisen", sagte etwa Polens Verteidigungsminister. Bei einigen Ukrainern laufe bald die Aufenthaltsgenehmigung ab, damit löse sich das Problem von selbst, hiess es im Aussenministerium. (…) "Polen wird Drückebergern bestimmt keinen Schutz bieten", versicherte der Vizeaussenminister Adam Szejna.
(…) Die Diskussion über allfällige Deportationen von Kriegsdienstverweigerern hat in Polen erst gerade begonnen. Im Grunde sind sich alle Parteien ausser der rechtsextremen Konföderation einig, dass die Ukraine Polens Solidarität auch bei der Mobilisierung verdient. Vor allem Wirtschaftskreise machen aber darauf aufmerksam, dass die schätzungsweise bis zu 700.000 ukrainischen Männer im Alter von 25 bis 60 Jahren grosse Lücken hinterlassen würden. An einer Konferenz in der westpolnischen Stadt Poznan warnte der liberale frühere Regierungschef Jan Krzysztof Bielecki am Mittwoch vor einem Exodus ukrainischer Gastarbeiter aus Polen nach Deutschland.
Dass Männer nicht sterben und töten möchten, kommt in dieser Debatte bezeichnenderweise nicht vor. Ziehen Männer an die Front, gelten sie als "kriegsgeile Machos"; tun sie das nicht, gelten sie als "Drückeberger". Hauptsache, sie tun das, was man gerade von ihnen verlangt.
4. Normalerweise fällt Genderama außer am Wochenende und Feiertagen nur aus, wenn die Nachrichtenlage keine Medienschau hergibt. Morgen jedoch gibt es keinen neuen Blogbeitrag, weil unser Stromanbieter wegen einer betriebsbedingten Überprüfung von 8:00 bis 15:00 den Strom abstellt. Ich kann in dieser Zeit also nicht mal recherchieren. Am Donnerstag geht es dann weiter mit Genderama.