Freitag, Mai 31, 2024

Pistorius: Junge Männer können künftig auch gegen ihren Willen eingezogen werden

1.
Verteidigungsminister Boris Pistorius widerspricht Medienberichten zu seinen Wehrpflichtplänen: Junge Männer können künftig auch gegen ihren Willen eingezogen werden.


Das berichtet "Die Zeit". In dem Artikel heißt es weiter:

Am Montagvormittag hatte Pistorius seine Vorstellungen, die sich, grob betrachtet, in einen einem Freiwilligen- und einem Pflicht-Teil untergliedern lassen, 45 Minuten lang einer Sitzung des SPD-Parteivorstandes vorgetragen. Einige Details des Konzepts waren danach im Spiegel zu lesen: Laut Teilnehmern der Sitzung handelte es sich aber ausschließlich um jene Punkte, die in der Runde Anklang fanden, anders gesagt: alles, was man mit dem Label "freiwillig" versehen konnte. Nahm Pistorius hingegen das Wort "Pflicht" in den Mund, war, wie ein Teilnehmer des Treffens berichtet, sei "wenig Zustimmung und viel Widerstand" zu spüren und zu hören gewesen. Über diese Details wurde später in der Presse nicht berichtet – offenbar, weil sie bewusst nicht nach außen weitergegeben wurden.

Ziel dieser selektiven Durchstecherei: Die SPD beim Thema Wehrdienst so sehr auf Freiwilligkeit trimmen, dass der Genosse Boris mit seinen Ideen zu einem verpflichtenden Moment kaum noch Gehör findet. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland ist in der SPD hochumstritten, nicht wenigen passt der ganze Kurs von Pistorius nicht.

Im Gespräch mit ZEIT ONLINE skizzierte Pistorius seine Pläne folgendermaßen: In einem "ersten Schritt" sollen alle jungen Männer und junge Frauen eines Jahrgangs einen Musterungsfragebogen zugeschickt bekommen. In dem sollen sie unter anderem Auskunft über ihre Fitness, Gesundheit und ihr prinzipielles Interesse an einem Dienst in der Bundeswehr geben. Entgegen der bisherigen Berichterstattung sei die Rücksendung eines ausgefüllten Fragebogens für die Männer verpflichtend und nicht freiwillig, sagte Pistorius.

Junge Frauen betrifft diese Pflicht allerdings nicht, da laut Grundgesetz prinzipiell nur Männer Wehrdienst leisten müssen. Pistorius tritt zwar für eine Änderung des Grundgesetzes in dieser Frage ein, geht aber davon aus, dass sie zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr zustande kommt. Wenn junge Männer den Fragebogen nicht beantworten, soll es Sanktionen geben. Wie diese aussehen, ist noch nicht klar.




2. Österreichs "Standard" stellt seinen Lesern die Frage: "Sehen Sie sich als Mann gesellschaftlich diskriminiert?" In den Kommentaren unter der Fragestellung antworten etliche Männer mit "Ja" und nennen konkrete Beispiele.



3. Die Schweizer Zeitung "20 Minuten" führt ihre Umfrage auf der Straße durch und möchte wissen: "Braucht es Männer noch?"



4. Der britische Journalist Piers Morgan hat den New Yorker Professor Scott Galloway zu Gast in seiner Sendung und spricht mit ihm ab Minute 23 über die Krise der Männer. Galloway befindet: "In Amerika ist die Gruppe, die am schnellsten am tiefsten gefallen ist, junge Männer. Viermal so wahrscheinlich, dass sie sich umbringen, dreimal so wahrscheinlich, dass sie drogenabhängig werden, zwölfmal so wahrschinlich, im Gefängnis zu landen. (…) Jede politische Interessengruppe würde viel mehr Empathie erhalten als junge Männer."



Mittwoch, Mai 29, 2024

Melinda Gates fördert die Anliegen von Jungen und Männern

1. Für das American Institute for Boys and Men berichtet der Männerrechtler Richard Reeves:

Melinda French Gates kündigte heute (28. Mai) eine Reihe von Investitionen in die Gleichstellung der Geschlechter an, deren Schwerpunkt auf der Stärkung der Rolle der Frau liegt. Angesichts ihrer langjährigen globalen Führungsrolle in diesem Bereich ist dieser Schwerpunkt keine Überraschung.

(…) Die große Überraschung für viele wird ihre Entscheidung sein, Mittel für die Herausforderungen von Jungen und Männern bereitzustellen. Ich bin gebeten worden, einen dieser Fonds zu leiten, was eine große Ehre ist. Ein weiterer wird von Gary Barker von Equimundo geleitet, einer Organisation, die sich für die Gleichstellung von Jungen und Männern einsetzt.

Dies ist ein wichtiger Moment in der Bewegung für die Gleichstellung der Geschlechter. Es ist ein starkes und zeitgemäßes Signal, dass die Gleichstellungsbewegung um Jungen und Männer erweitert werden kann - und sollte.

Die Gleichstellung der Geschlechter ist kein Nullsummenspiel. Wir können mehr für Jungen und Männer tun, ohne weniger für Frauen und Mädchen zu tun. Wir können uns leidenschaftlich für die Rechte von Frauen einsetzen und den Kämpfen von Jungen und Männern gegenüber mitfühlend sein.


Reeves nennt in den folgenden Absätzen die bekannten Bereiche, in denen Jungen und Männer im Nachteil sind, und führt dazu aus:

Was sollten Befürworter der Gleichstellung von Frauen und Männern von diesen Fakten halten? Bis vor kurzem bestand die Standardantwort darin, sie zu ignorieren, mit der Begründung, dass die Gleichstellung der Geschlechter ausschließlich eine Frage der Frauen ist. Dies ist ein falscher Ansatz. Wenn geschlechtsspezifische Unterschiede eine Rolle spielen, dann in beide Richtungen. Der Ausschluss von Jungen und Männern macht es reaktionären Stimmen auch leichter zu behaupten, die Gleichstellung der Geschlechter stehe im Widerspruch zu den Interessen von Jungen und Männern.

Die weitaus bessere Antwort wäre, die Gleichstellung der Geschlechter auf die Belange von Jungen und Männern auszudehnen. Es geht nicht darum, dass junge Frauen keine Probleme haben. Es geht darum, dass Jungen und junge Männer auch welche haben. Zwei Dinge können gleichzeitig wahr sein.


Reeves erinnert in diesem Zusammenhang an die Fortschritte, die Männer-Aktivisten in anderen Ländern schon erkämpft haben:

Die dänische Regierung hat einen Bericht über die Verbesserung der schulischen Leistungen von Jungen veröffentlicht, in dem sie dazu aufruft, die Gleichstellungsgesetze des Landes zu aktualisieren, um Jungen und Männer einzubeziehen. Das britische Parlament hat eine formelle Untersuchung zum selben Thema durchgeführt. Wes Streeting, der in einer wahrscheinlichen neuen Labour-Regierung im Vereinigten Königreich Gesundheitsminister werden soll, entwickelt eine Strategie für die Gesundheit von Männern, die die entsprechende Initiative für Frauen ergänzt.

Besonders beeindruckend ist, dass die von der norwegischen Regierung eingesetzte Kommission für die Gleichstellung von Männern nach zweijähriger Arbeit kürzlich ihren Abschlussbericht "Equality's Next Step" veröffentlicht hat. Er enthält eine Reihe vernünftiger politischer Empfehlungen, darunter mehr bezahlten Urlaub für Väter, ein geschlechtsneutrales Gleichstellungsgesetz und die Einrichtung eines Ausschusses für Männergesundheit. Der Bericht bricht mit dem Nullsummen-Denken und betont zu Recht, dass "eine größere Aufmerksamkeit für die Herausforderungen von Jungen und Männern die Gleichstellungspolitik stärken und nicht schwächen wird".

Jungen und Männern zu helfen, ist an sich richtig. Aber es ist auch das Richtige, was für Frauen und Mädchen zu tun ist. Auf lange Sicht wird eine Welt mit schwächelnden Männern nicht zu einer Welt mit blühenden Frauen werden. Die Ausweitung der Gleichstellungsbewegung auf Männer wird den Fortschritt der Frauen nicht behindern. Wenn man es nicht tut, könnte es aber passieren.


(Das Übersetzungs-Tool, das ich zu Hilfe ziehe, übersetzt "Equality" durchgehend mit Gleichstellung. Stattdessen kann man auch von schlichter Gleichberechtigung sprechen.)



2. Homosexuelle Männer sollten nicht zur Priesterausbildung zugelassen werden, findet der Papst und spricht von "zuviel Schwuchtelei" in den Seminaren. Inzwischen hat sich der Vatikan für diese reaktionäre Formulierung entschuldigt. Papst Franziskus habe nicht die Absicht gehabt, sich homophob zu äußern.



3. Beim Youtube-Kanals "Brust raus" geht es um ein Thema, das auch auf Genderama selten zur Sprache kommt, aber an Bedeutung gewinnt: wie Männer durch Schönheits-Ideale unter Druck gesetzt werden, bis dies in Schönheits-Operationen mündet.



Dienstag, Mai 28, 2024

"Landwirt:in sucht Partner:in" statt "Bauer sucht Frau"?

1. Ist der Titel der Sendung "Bauer sucht Frau" sexistisch?

Neben männlichen Landwirten suchen zunehmend auch Landwirtinnen sowie homo- und bisexuelle Teilnehmer nach der großen Liebe. Eine Redakteurin des Magazins TV Movie fordert daher, den Titel der Sendung anzupassen, um eben dieser Vielfalt gerecht zu werden. Sie schlägt vor, dass der neue Titel alle Geschlechter und sexuellen Orientierungen einbeziehen sollte. Vorschläge ihrerseits sind etwa "Landwirt:in sucht Partner:in" oder "Land-Liebe gesucht".

Solche Namen sollten der Redakteurin zufolge eher akzeptiert werden als beispielsweise die durchaus etwas sperrige Betitelung als "Landwirtschaft betreibende Person sucht bindungswilligen Menschen". Der Sender RTL hat sich bislang zu der Debatte weitestgehend zurückgehalten und lediglich geäußert, die Marke "Bauer sucht Frau" beibehalten zu wollen, jedoch damit trotzdem für Diversität und Toleranz zu stehen.




2. Die ehemalige Frauenministerin Kristina Schröder (CDU) legt mit einem Artikel für die "Welt" nach in der Wehrpflichtdebatte: "An der Front haben Frauen wirklich nichts verloren."

Allerdings soll eine Wehrpflicht für den Moment ohnehin vom Tisch sein.



3. Die Schweizer "Weltwoche" fragt in einer aktuellen Schlagzeile: "Fakt ist, den sogenannten Gender-Pay-Gap gibt es nicht. Trotzdem ist das Thema omnipräsent. Warum?" Das Rätsel wird zwar nicht gelöst; trotzdem ist der Artikel lesenswert.



4. Christian Schmidt hat interessante Forschungserkenntnisse über Incels aufgetan. Der medialen Darstellung dieser Gruppe widersprechen sie stark.



Montag, Mai 27, 2024

"Ich hasse Männer und suche einen Partner – was soll ich tun?"

1. Aus dem Kummerkasten einer Modezeitschrift des Konzerns "SHE Media":

Ich schiebe die Liebe immer weg und sabotiere Beziehungen, bevor sie beginnen. Ich weiß nicht, warum ich das tue - oder wie ich damit aufhören kann. Ich empfinde auch Wut auf Männer. Ich hasse sie. Ich schäme mich, das zuzugeben, weil ich immer davon spreche, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Vielleicht versuche ich nur, mich selbst davon zu überzeugen, weil ich tief im Inneren denke, dass Frauen besser sind, und ich weiß, dass es falsch ist, so zu denken. Ich bin es leid, verwirrt zu sein, und zwar schon so lange, dass ich nicht mehr weiß, ob meine Gefühle echt oder erfunden sind.

Ich möchte Liebe empfinden und mich nicht dafür schämen müssen. Ich möchte eines Tages einen Mann heiraten, den ich liebe, aber ich fühle mich unwohl mit mir und meinen Gefühlen. Könnten Sie mir einen Rat geben, wie ich meine Gefühle akzeptieren kann? Wie lade ich die Liebe in mein Leben ein? Gibt es eine Chance für mich, einen Partner zu finden und eine erfüllende Beziehung zu führen?


Ich weiß nicht – hast du es schon mal mit einem Bären versucht? Bei vielen Frauen liegen die mittlerweile im Vergleich zu Männern voll im Trend.

(Die Youtuberin Alicia Joe erklärte jetzt übrigens, dass Männer nicht nur am häufigsten Opfer von Gewalttaten werden, sondern auch zu 88 Prozent diejenigen sind, die von Bären – mitunter lebendig – gefressen werden. Ihre These, woran das liegt: Männer üben eher Tätigkeiten in der Wildnis aus und werfen sich eher beschützend vor Frau und Kinder.)

Die Kummerkastentante antwortet der verzweifelten Leserin nun folgendes: "Ich denke, es ist gerechtfertigt, sich als Frau so zu fühlen, wenn man die patriarchalischen Einflüsse bedenkt, die sich negativ auf unser Leben auswirken." Dann geht es weiter mit einer wissenschaftlich ähnlich fundierten Auffassung wie der Patriarchatstheorie – mit Astrologie: "Da du aber erst 17 Jahre alt bist, hast du die Verheißung Ihres Geburtshoroskops noch nicht voll aktiviert, denn das geschieht normalerweise erst nach deiner Saturn-Rückkehr, die im Alter von 29 Jahren stattfindet. Du wurdest mit einem aufsteigenden Zeichen im Krebs geboren, was dich extrem sensibel und für wahre Verbindungen empfänglich macht. (…) Dein fünftes Haus der Liebe und des Vergnügens wird vom Skorpion regiert, einem Tierkreiszeichen, das für tiefe Intensität und emotionale Investitionen steht."

So geht es seitenlang weiter. Ich fange in den letzten Wochen wirklich an, meinen Respekt gegenüber Frauen zu verlieren: Erst der Patriarchats-Quark, dann muss ich feststellen, dass sieben von achrt Frauen beim Joggen im Wald lieber einem Bären als einem männichen Spaziergänger begegnen möchten – habt ihr alle Lack gesoffen? – und jetzt lese ich, wie eine zu Geschlechterhass ideologisierte Teenagerin mit dem "Skorpion im fünften Haus" beraten wird. Wie bizarr kann es noch werden?



2. Die US-amerikanische Studentenzeitung "The Times-Delphic" schlagzeilt: Zur Verteidigung der Männer – Geht der Männerhass zu weit?" Die Autorin versucht den Ruf ihres Geschlechts mit folgendem Beitrag zu retten:

Das Studium ist ein langer und mühsamer Prozess des Lernens und der Entwicklung nicht nur zu einem besseren Arbeitnehmer, sondern auch zu einem besseren Menschen. Auf meiner Reise durch diesen Prozess bin ich mir bewusster geworden, was ich sage und wie es auf andere Menschen wirkt.

Ein Satz, an dem ich hängen geblieben bin und über den ich oft nachdenke, ist einer, über den die meisten Menschen wenig nachdenken, wenn sie ihn sagen.

"Ich hasse Männer."

Dieser Satz, der in der Regel in einem verächtlichen Ton gesagt wird, nachdem ein Mann vor dem Sprecher etwas Unhöfliches oder Dummes getan hat, ist zu einer festen Größe in unserem Generation-Z-Wortschatz geworden. Diese Phrase und ihre Variationen sind alle in der Frustration der Menschen über das Patriarchat und seine vielen Erscheinungsformen im Alltag verwurzelt.

Wenn ich ausrufe: "Ich hasse Männer" oder "Männer sind scheiße", versuche ich meistens, meine Wut auf eine einzige Person zu erklären, obwohl ich eigentlich versuchen sollte, meine Wut auf das System oder die Situation, die ich erlebt habe, zu rechtfertigen. Dieser Ausruf ist nicht nur nutzlos, sondern auch schädlich für diejenigen, an die er gerichtet ist. Nach Angaben der American Foundation for Suicide Prevention ist die Wahrscheinlichkeit, dass Männer Selbstmord begehen, mehr als dreimal so hoch wie bei Frauen. Von diesen Männern hat weniger als die Hälfte in dem Jahr vor ihrem Tod irgendeine Art von psychologischer Betreuung erhalten. Dies ist eine stille Pandemie, von der Männer seit Jahrzehnten betroffen sind.

Das soll nicht heißen, dass Aussagen wie "Ich hasse Männer" zu mehr Selbstmorden führen, aber da ich in diesem Jahr mehr gelernt habe, habe ich versucht, eine freundlichere und mitfühlendere Sprache zu verwenden.

Worte haben Gewicht. Es kommt darauf an, was wir sagen und wie wir es sagen. Wenn wir Dinge mit Wut und Bosheit sagen - oder sogar Dinge, die wir für einen Scherz halten -, kann das ungeahnte Auswirkungen auf jemanden haben. Die Wirkung, die unsere Worte auf einzelne Menschen haben, hat mehr Einfluss auf sie als auf das Patriarchat.

Wenn Sie einzelne Männer niedermachen, haben Sie keinen Einfluss auf das System, das sie in eine Machtposition gebracht hat. Jemanden zu verletzen, verschafft einem weder eine bessere Position in der Gesellschaft, noch hat es einen positiven Einfluss auf die Welt. Anstatt andere, insbesondere Männer, zu verletzen, ist es besser, sich von dieser schädlichen Sprache zu lösen.

Zu sagen: "Ich hasse alle Männer" ist genauso hilfreich wie "Ich hasse Menschen mit braunen Haaren". Das ist nicht nur schädlich, sondern es ist auch offensichtlich, dass es lächerlich ist, jemanden aufgrund seines Geschlechts zu hassen. Hass aufgrund des Geschlechts ist Bigotterie. Wenn Sie den Satz "Ich hasse Männer" sagen, behaupten Sie, dass Sie jemanden aufgrund einer Tatsache seiner Identität hassen, genau so, wie es Bigotten und Frauenhasser seit Jahrhunderten tun.




3. Auch das Brookings Institute, eine Denkfabrik in Washington, hat die Probleme entdeckt, auf die die Männerrechtsbewegung seit Jahrzehnten hinweist. Inzwischen nämlich ist die Krise der Männer so offensichtlich, dass manche die Demokratie bedroht sehen – und das Wohlergehen von Frauen.

Junge Männer haben in den letzten vier Jahren zunehmend das Gefühl, diskriminiert zu werden. Fast die Hälfte aller Männer im Alter von 18 bis 29 Jahren gab an, dass sie das so empfinden, der höchste Wert aller befragten männlichen Altersgruppen.

(...) In den letzten Jahren wurde immer wieder festgestellt, dass junge Männer apathisch sind, was die Wahlbeteiligung angeht, wobei die Wahlbeteiligung junger Frauen in den letzten Wahlzyklen stets höher war als die junger Männer. Politisch gesehen ist dies eine gute Nachricht für die Demokratische Partei. Schließlich gibt es mehr Frauen als Männer im Land, sie machen einen größeren Teil der Wählerschaft aus, sie sind motivierter zu wählen und wählen links. Aus gesellschaftlicher Sicht könnte es eine potenzielle Gefahr bedeuten, wenn junge Männer sich weniger mit der Demokratie verbunden fühlen und kein Bedürfnis verspüren, sich am demokratischen Prozess zu beteiligen, während sie zunehmend unzufrieden mit ihrem sozialen Status sind. Der Anreiz zur Veränderung und zum Handeln mag vorhanden sein, aber nicht durch demokratische Mittel. Dies ist umso beunruhigender, als dies zu einem Zeitpunkt geschieht, an dem die Demokratie in diesem Wahljahr erneut in Gefahr sein könnte.

Aber was genau erleben Männer, das dieses Szenario zur Realität werden lassen könnte? Junge Männer sind die einsamste Bevölkerungsgruppe: 63 % der Männer im Alter von 18 bis 29 Jahren geben an, Single zu sein, gegenüber 34 % der Frauen derselben Altersgruppe. Die Selbstmordrate bei Männern war im Jahr 2021 viermal höher als bei Frauen. Fast 96 % der Massenerschießungen im Land werden von Männern begangen, was zeigt, dass Männer sehr wahrscheinlich auf ihre soziale Isolation mit extremer Gewalt reagieren. Im Bildungswesen erhalten Frauen heute 58 % der Bachelor-Abschlüsse und 61 % der Master-Abschlüsse, was ein weiterer Bereich ist, in dem Männer zunehmend ins Hintertreffen geraten.

Die soziale Isolation der Männer hat auch für Frauen erhebliche Auswirkungen. Auf der Grundlage historischer Daten des Census Bureau und Prognosen von Morgan Stanley werden bis 2030 45 % der Frauen im Haupterwerbsalter (25 bis 44 Jahre) alleinstehend sein - der größte Anteil in der Geschichte - gegenüber 41 % im Jahr 2018. Die sozialen Bindungen früherer Generationen scheinen unter jungen Menschen zu erodieren, was schwerwiegende Folgen für die Partnerschaft, künftige Geburtenraten und den sozialen Zusammenhalt hat.

(...) Die Herausforderung besteht nun darin, dafür zu sorgen, dass die Gegenreaktion nicht zu einem echten Schaden wird, insbesondere für Frauen. Wenn das Ziel darin besteht, eine gerechtere Zukunft aufzubauen, in der alle das Gefühl haben, eine Rolle zu spielen und respektiert zu werden, scheinen die Umfragen der Generation Z zu zeigen, dass wir uns in die entgegengesetzte Richtung bewegen.




4. In einem Interview mit der New York Times beharrt Hillary Clinton darauf, Donald Trump habe 2017 die Wahl zum US-Präsidenten gegen sie gewonnen, weil er ein Mann ist:

Clinton sagte, dass sie ihre Niederlage bei dieser Wahl als untrennbar mit ihrem Geschlecht verbunden sah. Wie schon in der Vergangenheit machte sie für ihre Niederlage den ehemaligen FBI-Direktor James Comey verantwortlich, der in letzter Minute die Ermittlungen zu ihrem privaten E-Mail-Server wieder aufgenommen hatte. Comey hatte Fragen zu ihrem Urteilsvermögen aufgeworfen und sie als "extrem nachlässig" bezeichnet, aber keine Strafanzeige empfohlen. Andere politische Strategen haben ihre Botschaft, ihre Strategie und verschiedene Fehltritte ihrer Kampagne für ihre Niederlage im Jahr 2016 verantwortlich gemacht.

"Aber als er mir das angetan hat, waren die Leute, die Wähler, die mich verlassen haben, Frauen", sagte sie. "Sie verließen mich, weil sie einfach kein Risiko eingehen wollten, weil ich als Frau perfekt sein muss. Sie waren bereit, ein Risiko für Trump einzugehen - der eine lange Liste von - nennen wir sie Fehler - hatte, um seine Unvollkommenheit zu verdeutlichen - weil er ein Mann war und sie sich einen Mann als Präsident und Oberbefehlshaber vorstellen konnten."




5. Die Zeitschrift STERN hat das Nürnberger Männerhaus besucht und mit männlichen Opfern häuslicher Gewalt gesprochen. Der Artikel mit der Überschrift "Ich habe es lange Zeit nicht als Gewalt erkannt" steht allerdings hinter einer Bezahlschranke.



6. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet über einen Mann, der vor dem Fronteinsatz in der Ukraine geflüchtet ist: "Ich habe Angst vor dem Tod."



7. Das ARD-Magazin "Monitor" hat zu Israels mutmaßlichem Folterlager Sde Teiman recherchiert.



8. Christian Schmidts Blog "Alles Evolution" kommentiert das Hit Piece des Krautreporters bzw. Shila Behjats über mich.



Freitag, Mai 24, 2024

Journalistin fordert: Versammlungsfreiheit für Männer abschaffen!

1. In den australischen Nachrichten fordert eine Journalistin, dass man Männern verbieten solle, Gruppen zu bilden:

Vielleicht sollten die Behörden angesichts der eindeutigen und konsistenten Beweise dafür, dass aggressives und asoziales Verhalten zunimmt, wenn Männer in Gruppen zusammenkommen, nach Möglichkeiten suchen, dies einzudämmen?

Natürlich wird das nichts an der erschreckenden Zahl von Männern ändern, die in diesem Land jede Woche mehr als eine Frau ermorden, oder an der alarmierenden Zahl sexueller Übergriffe.

Aber vielleicht wird es einen Teil der normalisierten Frauenfeindlichkeit verhindern, die in einigen dieser Gruppen so weit verbreitet ist.

Vielleicht würde der Teil dieser Gruppen, der zu extremeren Gewalttaten neigt, gar nicht erst radikalisiert, wenn er nicht mit der Entmenschlichung von Frauen und anderen Minderheiten konfrontiert würde, die in einigen Gruppen von Männern und Teenagern zu herrschen scheint.

(…) Wenn Sie als Mann die Vorstellung, dass Ihre bürgerlichen Freiheiten auf so tiefgreifende Weise beschnitten werden, schmerzt, dann fragen Sie sich: Welche bürgerlichen Freiheiten sollten wir Frauen Ihrer Meinung nach haben, wenn wir in die Welt hinausgehen?

Denn ganz gleich, ob wir an einem harmlosen Samstagnachmittag einkaufen, nach Einbruch der Dunkelheit zu unserem Auto gehen, ein Wochenendfußballspiel spielen oder einfach nur unserer Arbeit nachgehen, die Wahrheit ist unausweichlich: Wir sind einem unannehmbar erhöhten Risiko von Gewalt durch Männer ausgesetzt.

Wir ducken uns, wir überqueren die Straße, wir halten unsere Schlüssel in den Fäusten, wir lächeln zurück (weil wir uns fälschlicherweise sicherer fühlen, wenn wir "nett" sind), wir nehmen keinen Blickkontakt auf, wir gehen nicht allein, wir tun so, als würden wir telefonieren, wir tun so, als hätten wir einen Freund, wir tun so, als würden wir lachen, wir tun so, als hätten wir keine Angst.

Aber wir haben Angst, und das beeinträchtigt jeden Tag unsere bürgerlichen Freiheiten. Wenn wir Glück haben, ist das alles, aber wie wir wissen, kommen viele von uns nicht so glimpflich davon.

Und bis Männer in Gruppen anfangen, ihre Stimme gegen diesen Missbrauch zu erheben, anstatt zu schweigen oder, schlimmer noch, #notallmen zu rufen, fällt es mir schwer, einen Grund zu finden, warum dieser Mangel an persönlicher Freiheit unsere Last sein sollte, die wir tragen müssen, und nicht ihre.




2. Ebenfalls in Australien bleibt einmal mehr eine Lehrerin wegen ihres Geschlechts von einer Haftstrafe verschont, nachdem sie einen ihrer Schüler sexuell missbraucht hatte. Ihr Freispruch erfolgte, weil der Missbrauch zu einer Zeit geschah, als Gesetze dagegen nur für männliche Täter galten, weshalb damalige Täterinnen auch heute rechtlich nicht für den Missbrauch von Jungen verantwortlich gemacht werden können.



3. Sämtliche Hoden, die für eine Studie untersucht wurden, zeigten sich ausnahmslos mit Mikroplastik belastet. Forscher vermuten, dass diese winzigen Partikel den Rückgang der Spermienzahl bei Männern verursachen, die weltweit seit einigen Jahrzehnten verzeichnet wird.



4. Deutschland ist im Vergleich mit anderen westeuropäischen Ländern Schlusslicht, was die Lebenserwartung angeht. Das gilt insbesondere für Männer im Osten. Während Frauen dort in ihrer Lebenserwartung sogar komplett aufgeholt haben, sterben ostdeutsche Männer im Schnitt ein Jahr früher als westdeutsche. Das liege Forschern zufolge unter anderem daran, dass trotz anderer Rollenbilder als in westlichen Ländern der Druck auf Männer als Ernährer höher gewesen sei.



5. Vier junge Männer erzählen von ihrer Angst, in der Ukraine an die Front geschickt zu werden: "Solange du nicht bis zum Tod kämpfst, bist du ein Verräter".



6. Trotz des Widerstands Serbiens hat die UN-Vollversammlung gestern für die Einführung eines Gedenktags zum Massaker von Srebrenica im Jahr 1995 gestimmt. Das berichtet unter anderem die Berliner Zeitung.

84 Mitglieder votierten am Donnerstag für den von Deutschland und Ruanda eingebrachten Resolutionsentwurf, 19 dagegen, 68 enthielten sich. Die Resolution sieht vor, den 11. Juli vom kommenden Jahr an als "Internationalen Tag des Gedenkens an den Völkermord von Srebrenica" zu begehen.

In der bosnischen Stadt Srebrenica hatten serbische Einheiten im Sommer 1995 rund 8000 muslimische Männer und Jungen ermordet. Das Massaker gilt als eines der schlimmsten Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg und wurde von internationalen Gerichten als Völkermord eingestuft.

(…) Dennoch gab es aus Serbien wütende Reaktionen auf die Resolution. Der serbische UN-Vertreter Sasa Mart warnte, diese würde die Spaltung vertiefen und zusätzliche Instabilität auf dem Balkan verursachen.

Präsident Aleksandar Vučić ergriff vor der Abstimmung das Mikrofon: "Es ist schwer, nach Deutschland zu sprechen, das für das mächtigste Land Europas steht und sich unmissverständlich dazu berechtigt fühlt, allen, die anderer Meinung sind, moralische Lehren zu erteilen." Er warf Deutschland vor, die Arbeit an der Resolution "geheim gehalten" zu haben. Der Beschluss reiße Wunden auf und werde für Chaos auf dem Balkan sorgen. "Warum haben diese Leute nicht angefangen, über den Völkermord zu sprechen, den ihr Land beging?", fragte Vučić mit Verweis auf den Holocaust. Die serbisch-orthodoxen Kirchen läuteten aus Protest am Donnerstagmittag im ganzen Land die Glocken.

Nach der Abstimmung hüllte sich Vučić in die serbische Nationalflagge und veröffentlichte im Onlinedienst Instagram ein Foto von sich mit den Worten "Ich bin stolz auf mein Serbien". Der bosnische Serbenführer Milorad Dodik bestritt vor dem Votum erneut, dass es sich bei dem Massaker in Srebrenica um einen Völkermord gehandelt habe.

(…) Der russische Botschafter Wassili Nebensja betonte Deutschlands Vergangenheit als Aggressor zweier Weltkriege, den Holocaust sowie den Genozid an den Herero und Nama im heutigen Namibia Anfang des 20. Jahrhunderts durch das Deutsche Reich: "Wir sind davon überzeugt, dass Deutschland keine moralische Autorität hat, den Begriff Völkermord überhaupt zu erwähnen, um etwas anderes als seine eigenen grausamen Verbrechen zu beschreiben", so Nebensja. Wenn es das Ziel der Verfasser gewesen sei, die Generalversammlung zu spalten, "dann ist ihnen das glänzend gelungen", so Nebensja. Moskau hatte bereits 2015 sein Veto gegen eine Resolution des UN-Sicherheitsrats eingelegt, in der das "Verbrechen des Völkermords in Srebrenica" verurteilt wurde.




7. Die britische BBC meldet neue Vorwürfe über Israels Umgang mit palästinensischen Häftlingen (wobei es sich, geht man nach den bisherigen Berichten, fast ausschließlich um Männer handeln dürfte):

Medizinisches Personal in Israel hat der BBC berichtet, dass palästinensische Gefangene aus dem Gazastreifen routinemäßig an Krankenhausbetten gefesselt, mit verbundenen Augen, manchmal nackt, gehalten und gezwungen werden, Windeln zu tragen - eine Praxis, die ein Arzt als "Folter" bezeichnete.


Gut, das haben wir schon gehört, aber es geht weiter:

Ein Informant schilderte, wie in einem Militärkrankenhaus Eingriffe "routinemäßig" ohne Schmerzmittel durchgeführt wurden, was den Gefangenen "unzumutbare Schmerzen" bereitete.

Ein anderer Informant berichtete, dass Schmerzmittel während eines invasiven medizinischen Eingriffs an einem Häftling aus dem Gazastreifen in einem öffentlichen Krankenhaus "selektiv" und "in sehr begrenztem Umfang" eingesetzt wurden.

Er sagte auch, dass schwerkranken Patienten, die in behelfsmäßigen Militäreinrichtungen festgehalten werden, eine angemessene Behandlung verweigert wird, weil die öffentlichen Krankenhäuser sich weigern, sie zu verlegen und zu behandeln.

Ein Gefangener, der von der israelischen Armee aus dem Gazastreifen zum Verhör mitgenommen und später wieder freigelassen wurde, berichtete der BBC, dass sein Bein amputiert werden musste, weil ihm die Behandlung einer infizierten Wunde verweigert wurde.

Ein hochrangiger Arzt, der in dem Militärkrankenhaus arbeitet, das im Mittelpunkt der Vorwürfe steht, bestritt, dass Amputationen eine direkte Folge der dortigen Bedingungen waren, bezeichnete aber die Fesseln und anderen Einschränkungen, die das Wachpersonal anwendet, als "Entmenschlichung".

(…) Ihre Schilderungen werden durch einen im Februar von "Physicians for Human Rights in Israel" veröffentlichten Bericht gestützt, in dem es heißt, dass Israels zivile und militärische Gefängnisse zu einem "Apparat der Vergeltung und Rache" geworden sind und die Menschenrechte der Inhaftierten verletzt werden - insbesondere ihr Recht auf Gesundheit.


Der leitende Anästhesist der Einrichtung, Dr. Yoel Donchin, sagte, selbst Patienten, die nicht gehen können - z. B. solche mit Beinamputationen - würden mit Handschellen ans Bett gefesselt. Er bezeichnete diese Praxis als "dumm".

Zwei Zeugen, die in den ersten Wochen des Gaza-Krieges in der Einrichtung waren, berichteten uns, dass die Patienten dort nackt unter den Decken gehalten wurden.

Ein Arzt, der mit den dortigen Verhältnissen vertraut ist, sagte, dass längeres Anketten an die Betten "großes Leid, schreckliches Leid" verursachen würde; er bezeichnete es als "Folter" und sagte, dass die Patienten nach einigen Stunden beginnen würden, Schmerzen zu empfinden. Andere sprachen von der Gefahr langfristiger Nervenschäden.

(…) Ein Informant, der im Oktober, kurz nach den Hamas-Angriffen auf Israel, im Feldkrankenhaus Sde Teiman arbeitete, beschrieb Fälle, in denen Patienten nicht genügend Schmerzmittel, einschließlich Betäubungsmitteln, verabreicht wurden.

Er sagte, ein Arzt habe sich einmal geweigert, einem älteren Patienten Schmerzmittel zu verabreichen, als eine kürzlich infizierte Amputationswunde geöffnet werden sollte.

"Der Patient begann vor Schmerzen zu zittern, also hielt ich an und sagte: 'Wir können nicht weitermachen, Sie müssen ihm ein Schmerzmittel geben'", sagte er.

Der Arzt sagte ihm, dass es zu spät sei, um es zu verabreichen.

Der Zeuge sagte, solche Eingriffe würden "routinemäßig ohne Analgetika" durchgeführt, was zu "inakzeptablen Schmerzen" führe.

Bei einer anderen Gelegenheit wurde er von einem mutmaßlichen Hamas-Kämpfer gebeten, beim Operationsteam zu intervenieren, um bei wiederholten Eingriffen die Morphin- und Narkosewerte zu erhöhen.

Die Nachricht wurde weitergeleitet, aber der Verdächtige kam bei der nächsten Operation wieder zu Bewusstsein und hatte starke Schmerzen. Der Zeuge sagte, dass sowohl er als auch andere Kollegen das Gefühl hatten, dass es sich um einen absichtlichen Racheakt gehandelt hatte.

(…) Ein zweiter Informant sagte, die Situation in Sde Teiman sei nur ein Teil des Problems, das sich auf öffentliche Krankenhäuser ausdehne. Die BBC nennt ihn "Yoni", um seine Identität zu schützen. (…) "Es gab Fälle, in denen ich hörte, wie das Personal darüber diskutierte, ob Gefangene aus Gaza Schmerzmittel bekommen sollten. Oder wie man bestimmte Eingriffe durchführen kann, die die Behandlung zu einer Bestrafung machen können."

(…) Sufian Abu Salah, ein 43-jähriger Taxifahrer aus Khan Youis, war einer von Dutzenden von Männern, die bei Razzien der israelischen Armee festgenommen und zum Verhör in einen Militärstützpunkt gebracht wurden.

Er sagte, die Soldaten hätten ihn während der Fahrt schwer geschlagen und auch bei der Ankunft im Stützpunkt, wo ihm die Behandlung einer kleinen Wunde an seinem Fuß verweigert wurde, die sich daraufhin entzündete.

"Mein Bein entzündete sich, wurde blau und so weich wie ein Schwamm", sagte er der BBC.

Nach einer Woche, so sagte er, brachten ihn die Wärter ins Krankenhaus und schlugen ihn auf dem Weg dorthin auf sein verletztes Bein. Zwei Operationen, um seine Wunde zu reinigen, seien erfolglos geblieben, sagte er der BBC.

"Danach brachten sie mich in ein öffentliches Krankenhaus, wo der Arzt mir zwei Möglichkeiten gab: mein Bein oder mein Leben."

Er entschied sich für sein Leben. Nachdem sein Bein amputiert worden war, wurde er in die Militärbasis zurückgeschickt und später wieder nach Gaza entlassen.

"Diese Zeit war eine mentale und physische Folter", sagte er. "Ich kann es nicht beschreiben. Ich wurde mit zwei Beinen inhaftiert und jetzt habe ich nur noch eines. Ab und zu muss ich weinen."

(…) "Meine Befürchtung ist, dass das, was wir im Sde Teiman tun, keine Rückkehr zu den alten Verhältnissen zulässt", sagte ein Arzt gegenüber der BBC. "Denn Dinge, die uns vorher unvernünftig erschienen, werden vernünftig erscheinen, wenn diese Krise vorbei ist."

Yoel Donchin, der Anästhesist, sagte, dass das medizinische Personal des Feldlazaretts manchmal zusammenkam, um über die Situation dort zu weinen.


Anfang der Woche hat die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joaw Gallant sowie gegen drei Hamas-Führer wegen angeblicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beantragt. Die Menschenrechts-Anwältin Professor Noura Erakat zeigt sich über den Inhalt dieser Anträge befremdet:

Es ist geradezu absurd, dass der Gerichtshof die Hamas der sexuellen Gewalt und der Misshandlung von Geiseln beschuldigt, während er über die gut dokumentierte sexuelle Gewalt und andere Formen der Folter, die Palästinensern in israelischer Gefangenschaft zugefügt werden, schweigt.




Donnerstag, Mai 23, 2024

Eingebildeter Missbrauch: Warum eine Freiburgerin ihren Vater tötete

1.
Sie habe ihre Eltern gehasst. Ihr Vater habe sie missbraucht, die Mutter dabei zugesehen und geschwiegen. Beide seien dafür verantwortlich, dass sie eine Borderline-Störung entwickelt habe. Daher sollten sie sterben. Und so ging Ina T., 24, am frühen Morgen des 18. Juli 2023 zusammen mit ihrem Freund Alexander G. in die Freiburger Wohnung ihrer Eltern. Sie schlug mit einem Beil auf ihren Vater ein, der gerade aus dem Bett kam, während Alexander G. dem Mann ein Messer in die Brust rammte und die Hauptschlagader durchtrennte. Dabei schrie sie: "Ich hasse dich!" Ein Mord aus Rache sei dies gewesen, sagte Ina T. in ihrer nicht-öffentlichen Aussage vor Gericht – für Schrecken, die ihr zugefügt und nicht wiedergutzumachen seien.

Am Freitag verurteilte die Strafkammer unter dem Vorsitz der Richterin Lisa Schmenger beide Angeklagten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Dem angeblichen Motiv glaubte sie nicht: Ina T. habe sich vielmehr die vorgebrachten Missbrauchsepisoden so intensiv ausgedacht, dass diese zu einer "Schein-Erinnerung" wurden, die sich von wirklichen Erinnerungen nicht mehr trennen ließen.


Hier geht es weiter.



2. Nachdem rammstein wieder auf Tournee ist, wärmen viele Artikel die Vorwürfe aus dem letzten Jahr wieder auf oder haben etwas anderes an der Bphnenshow herumzumäkeln. Ein Beitrag allerdings enthüllt Interessantes über die Vorwürfe von damals, die bis zu einer SPIEGEL-Titelgeschichte gegen Rammstein führten:

Die Anwaltskanzlei Schertz Bergmann hat am 15. Mai eine neue "Presseerklärung" in Umlauf gebracht. Dort teilen sie mit, dass ihr Mandant auch durch Ermittlungsunterlagen aus Litauen weiter entlastet worden sei. In der Hauptstadt Vilnius hatte am 22. Mai 2023 das Konzert stattgefunden, welches Shelby Lynn besuchte und auf dem sie eigenen Aussagen zufolge negative Erfahrungen mit Lindemann machte. Von K.o.-Tropfen war unter anderem die Rede und davon, dass sie sich offensichtliche Blessuren an ihrem Körper nicht erklären konnte.

Außerdem sagte sie: "Ich bin das Mädchen, das bei Rammstein gespiked wurde." Der Ausdruck "Spiking" bedeutet, dass Menschen, oftmals Frauen, eine bewusstseinsverändernde Substanz ohne deren Wissen ins Getränk gemischt wird.

Lynn stellte Strafanzeige bei den Polizeibehörden, die später die Ermittlungen gegen den Rammstein-Sänger aufnahmen. Wie die Behörden in Berlin stellten die Ermittler diese jedoch ein. Es seien "keine objektiven Tatsachenbeweise" gefunden worden, "die belegen würden, dass die Frau körperlicher oder seelischer Nötigung oder anderen Gewalttaten sexueller Natur ausgesetzt war oder dass sie zum Gebrauch von Betäubungsmitteln gezwungen oder bestohlen wurde".

Jetzt heißt es in der neuen Presseerklärung von Schertz und Bergmann: "Für den litauischen Strafverteidiger unseres Mandanten war es nun möglich, die Unterlagen aus dem Ermittlungsverfahren der Polizei in Vilnius einzusehen. Aus den Unterlagen ergeben sich neue Erkenntnisse." Demnach habe Lynn unter mehr Alkohol- und Drogeneinfluss gestanden als ursprünglich angenommen. Detailliert führen die Anwälte auf, was Lynn getrunken habe: "Einen Cocktail aus Wodka und einem Energydrink, einen Schaumwein, 'Prosecco', sowie Tequila."

Außerdem schreibt die Anwaltskanzlei: "Aus den Unterlagen ergibt sich [...], dass Shelby Lynn vor oder während des Rammstein-Konzerts am 22. Mai 2023 Cannabis zu sich genommen hat. [...] Soweit in den Ermittlungsunterlagen festgehalten ist, dass Shelby Lynn vor bzw. während des Rammstein-Konzerts in Vilnius am 22. Mai 2023 erhebliche Mengen Alkohol und zudem Cannabis zu sich genommen hat, spricht dies gegen die von ihr erhobene Anschuldigung, sie sei gespiked worden."

Daraus leiten Schertz und Bergmann im Sinne ihres Mandanten Till Lindemann ab: "Es deutet alles darauf hin, dass die von ihr geschilderten Erinnerungslücken und die von ihr behaupteten Verletzungen auf den Eigenkonsum unterschiedlichster alkoholischer Getränke und von Cannabis zurückzuführen sind."


Wenn man bedenkt, dass Shelby Lynns Äußerungen den Startschuss für die öffentliche Steinigung von Rammstein gaben, würde man diesen neuen Informationen eine deutlich größere Öffentlichkeit wünschen – zum Beispiel ebenfalls als SPIEGEL-Titelgeschichte. Dass dies nie passieren wird, ist natürlich klar. Allzu sehr wäre das Motto "Glaubt den Frauen!" sonst erschüttert.



3. Die Bildzeitung berichtet, welche Politiker aus SPD und CDU eine Wehrpflicht für beide Geschlechter fordern. Eine solche geschlechtergerechte Wehrpflicht gibt es bei der NATO bislang in Schweden, Norwegen und Dänemark.



4. "Die Zeiten der Zahlväter sind vorbei" titelt die Neue Zürcher Zeitung und spricht von einer "großen Wende bei den Unterhaltszahlungen". Im Teaser des Artikels heißt es weiter: "Die Gerichte verlangen, dass Frauen nach der Scheidung mehr arbeiten. Dies führt dazu, dass der Mann vielfach weniger Geld an die Ex-Partnerin abliefern muss."



5. Zwei Tage nach Inkrafttreten des neuen ukrainischen Mobilisierungsgesetzes schon 95.000 Männer zur Fahndung ausgeschrieben. Das berichtete die "junge welt" am Dienstag.

Der Bericht beruft sich auf unvollständige Zahlen der ukrainischen Polizei. Demnach wird allein im Gebiet Dnipropetrowsk nach 38.282 Männern gefahndet, von denen inzwischen etwa 5.500 gefasst und den Wehrersatzbehörden zugeführt worden seien. Die genannten Zahlen – die, wie gesagt, unvollständig sind – bedeuten, dass sich vermutlich mindestens die Hälfte der 250.000 Männer, die die ukrainischen Streitkräfte angefordert haben, der Einberufung zu entziehen sucht.

In Kiew beschwerten sich Einberufene darüber, dass ihnen beim Betreten der Kasernen ihre Telefone abgenommen würden, so dass sie keinerlei Kontakt zu ihren Angehörigen aufnehmen könnten. Ein IT-Unternehmer beklagte sich auf Facebook darüber, dass ihm ein 50jähriger habilitierter Mitarbeiter von der Straße weg eingezogen worden sei, ohne dass er auch nur Gelegenheit gehabt hätte, persönliche Habseligkeiten von zu Hause abzuholen oder berufliche Dokumente an das Unternehmen zurückzugeben. Russische Medien zitierten Aussagen ukrainischer Kriegsgefangener, wonach sie nur eine Woche ausgebildet worden seien, bevor man sie an die Front geschickt habe.


Bei Interesse am Thema ist der Artikel in Gänze lesenswert.



Dienstag, Mai 21, 2024

Warum junge Männer rechts wählen

1. Die ARD-Sendung "Panorama" beschäftigt sich mit der Frage, warum es junge Männer stärker als junge Frauen nach rechts zieht:

Der Soziologe Ansgar Hudde von der Universität Köln hat das Wahlverhalten nach Geschlecht in der Bundesrepublik seit den 50er-Jahren untersucht. Er sagt: Die wachsende politische Kluft zwischen jungen Männern und Frauen gibt es tatsächlich, allerdings erst seit ein paar Jahren. "Seit 2017 sehen wir, dass Frauen im Schnitt linkere Parteien wählen als Männer. Und 2021 hat sich das noch mal verschärft, vor allem bei den Jungen. In der jüngsten Gruppe sehen wir, dass Frauen häufiger, deutlich häufiger die Grünen wählen, aber auch häufiger die SPD und die Linke. Bei der Union ist es halbwegs ausgeglichen. Männer wählen deutlich häufiger die AfD und die FDP", sagt Hudde. Und dieser Trend scheint sich, so Hudde, weiter zu verstärken.

An einer Berufsschule in Buxtehude sprechen wir mit jungen Männern über den "Political Gender Gap". Woran liegt es ihrer Ansicht nach, dass junge Männer und junge Frauen in ihren politischen Einstellungen weiter auseinanderdriften? Die jungen Männer berichten von unterschiedlichen Lebensrealitäten: Umwelt- und Klimaschutz hätten eher Priorität für Frauen, die heute häufiger in großen Städten studieren würden. Ihnen selbst, also den Männern, ginge es eher um Themen wie bezahlbare Spritpreise. Auch beim Dating hat einer von ihnen diese Polarisierung schon erlebt: "Da habe ich eine Dame kennengelernt, die nur auf meinem Social Media Account gesehen hat, dass ich der AfD folge, und das war ein Ausschlusskriterium für sie." Der Berufsschüler David Becker meint: Parteien würden generell zu wenig für die Belange junger Männer tun, die Sorgen und Ängste jüngerer Männer spielten kaum noch eine Rolle im politischen Diskurs.


Das ist doch mal interessant: Wenn die etablierten Parteien so besorgt über Erfolge der AfD sind – warum leiten sie dann nicht die Gegenmaßnahme ein, dass die Sorgen von Männern in der Politik wieder eine Rolle spielen?

In dem "Panorama"-Beitrag heißt es weiter:

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich etwas verschoben zwischen jungen Männern und Frauen, auch auf dem Bildungsmarkt. Mädchen machen seit den 80er-Jahren öfter als Jungs das Abitur - mit wachsendem Abstand. Seit 2021 studieren erstmals mehr weibliche als männliche Studierende an deutschen Hochschulen, Tendenz steigend. Für den Soziologen Ansgar Hudde gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Erfolg von Frauen auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt und dem politischen Gender Gap. Ein Trend, den er in einer Datenauswertung feststellen konnte, sei zum Beispiel, dass Männer mit einer niedrigen formalen Bildung immer häufiger Single bleiben. "Das heißt, da ist eine Gruppe von jungen Männern, die dadurch natürlich empfänglicher sind für eine Politik, die die generelle Unzufriedenheit versucht abzugreifen und die vielleicht auch ein Zurück, eine Nostalgie zurück in die Vergangenheit propagiert."


Eine Nostalgie dahin, nicht mehr zurückgelassen und allein zu bleiben und diskriminiert zu werden? Hallo wach, liebe Redakteure der Leitmedien: Die genannten Probleme spricht die Männerbewegung seit Jahrzehnten an.

Aber bevor "Panorama" versehentlich einen maskulistischen Beitrag raushaut, muss sein Ende eine klare Botschaft enthalten:

Der Politikberater Johannes Hillje beobachtet, wie rechtspopulistische Parteien mit solchen Botschaften versuchen, junge Männer gezielt anzusprechen. (…) Er glaubt: Wenn junge Männer jetzt häufiger rechtspopulistisch wählen, dann geht es auch darum, Kontrolle zurückzugewinnen, Macht und Privilegien zurückzuerhalten. "Wir müssen uns als Gesellschaft wieder darauf verständigen, dass die Gleichstellung von Frauen, die Förderung von Frauen allen zugutekommen, auch den Männern. Und wenn dieser Konsens da ist, dann wird diese Emanzipationsfrage wieder ein Stück weit weniger relevant werden, auch bei Wahlentscheidungen."


Welche "Privilegien" wir Männer verloren haben, erfahren wir auch aus diesem Beitrag leider nicht; es bleibt die übliche Sprechblase. Etwas anderes, was wir aus dem Beitrag nicht erfahren, ist, zu welchem politischen Lager Hillje zählt: Er war Wahlkampfmanager der Grünen: einer Partei, die in der Geschlechterpolitik allein die Anliegen von Frauen auf ihre Fahnen geschrieben hat.



2. Für das Online-Magazin "Krautreporter" hat Astrid Probst einen Auszug aus Shila Behjats Buch "Söhne großziehen als Feministin" online gestellt, der sich an mir und meinen Positionen als Männerrechtler abarbeitet. (Der Artikel steht für Nicht-Abonnenten des "Krautreporters" hinter einer Bezahlschranke, aber eine liebe Freundin, die das Magazin abonniert hat, hat mich darauf aufmerksam gemacht und ihn mit mir geteilt.)

Wir überlassen den Begriff "Männlichkeit" und alles, was er bedeuten könnte, die Möglichkeit also, sich bei der Frage nach ihr an irgendetwas zu orientieren, Männern wie Jordan Peterson, dem "Custodian of the Patriarchy", wie ihn die New York Times nannte, und dem Männer rund um den Globus an den Lippen hängen, wenn er darüber wütet, welche Erniedrigungen ihr Geschlecht durch den Feminismus ertragen müsse. (…) Oder Männer wie Arne Hoffmann, dem deutschen Pendant zu Peterson (or so he thinks).


He does not. Vom Versuch einer Karriere als Gedankenleserin rate ich ab.

Die FAZ schrieb 2017 über ihn, er kämpfe "seit zwanzig Jahren gegen die Unterdrückung der Männer in Deutschland. Zuhören will ihm kaum jemand." Was nicht ganz stimmt, denn der FAZ-Journalist hatte ihm aufmerksam zugehört, über zwei Stunden, wie wir erfahren, und ihm einen ziemlich langen Artikel gewidmet. Am Beispiel Hoffmanns lässt sich inspizieren, wie die sicherlich nicht auf den Bereich der Männerrechte reduzierte Taktik funktioniert, mit vielen kleinen Episoden, Nachrichtenschnipseln und Einzelmeinungen eine Verschwörung gegen Männer zu konstruieren und so eine vermeintliche Bestätigung für jedes empfundene Leid zu finden, ein "großes Bild" als Erklärung für den Frust Einzelner. Die von mir bereits zitierte Studie der Universität Potsdam über die Dominanz der Mädchen in Klassenzimmern etwa verwendet Hoffmann auch in seinem Lexikon der feministischen Irrtümer, und auf seinem Blog "Genderama" fragt er sich, warum Gewalt stets auf die gegen Frauen reduziert werden würde. Wir beide, ein aggressiver Männerrechtler und eine überzeugte, wenn auch gerade über die Ausrichtung zweifelnde Feministin, nutzen dieselbe Information – und kommen zu völlig unterschiedlichen Schlussfolgerungen.


Der Vorwurf, ich wäre "aggressiv" wird natürlich an keiner Stelle belegt – und verschwiegen bleibt, dass bei mir an die Stelle von "kleinen Episoden, Nachrichtenschnipseln und Einzelmeinungen" zuhauf wissenschaftliche Studien treten: Um das zu wissen, hätte frau aber in das auch online stehende Lexikon der feministischen Irrtümer hineinlesen müssen, statt nur zu spekulieren, was da wohl drin stehen könnte und das als Tatsache zu verkaufen. (Zu der rufmörderisch verzerrenden Darstellung in der FAZ habe ich mich schon oft genug geäußert, zuletzt in meinem Interview mit der Berliner Zeitung.)

Wobei – in der Einschätzung, dass Männlichkeit derzeit angegriffen ist, es jedoch verdient hat, Aufmerksamkeit, Zuwendung und auch Liebe zu erfahren, wären er und ich uns vermutlich sogar einig. Ich jedoch möchte, dass wir wieder zusammenfinden. Hoffmann dagegen schreibt, die Frau müsse sich von "patriarchaler Abhängigkeit" lösen, "indem sie auch den Staat nicht länger als Ersatzvater verwendet, um von ihm allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einem vermeintlich ‚schwächeren Geschlecht‘ Förderung und Unterstützung in absurdem Ausmaß zu erhalten."


Das ist korrekt. Das Ziel von Emanzipation ist, dass man auf eigenen Beinen steht und als Ernährer nicht den Ehemann gegen Vater Staat austauscht. Schon gar nicht, wenn man das "Patriarchat" bekämpfen möchte.

Natürlich darf auch in diesem Buch nicht unterlassen werden, eine Verbindung zwischen Männer-Aktivisten und Massenmördern zu konstruieren. Das gehört einfach zum Genre wie der Mord zum Krimi:

Drei Wochen nachdem mein Sohn Bo auf seine dramatische Weise zur Welt gekommen war, ich war vermutlich gerade wieder an meine Milchmaschine angeschlossen, lud der zweiundzwanzigjährige Elliot Rodger im kalifornischen Isla Vista ein Video mit dem Titel "Retribution", "Vergeltung", auf Youtube hoch. Darin wütete er gegen all die Frauen, die ihn abgewiesen hätten. Und dann fuhr er los und brachte sechs Menschen um, verletzte vierzehn. Er schoss wahllos, stach mit einem Messer auf sie ein oder überfuhr seine Opfer. Diese Verbrechen dürfen nicht verharmlost werden. Und gleichzeitig müssen wir über verunsicherte Männlichkeit sprechen. Wir müssen dieses Gespräch führen und die Benennung von Männerrechten nicht Menschen wie Peterson oder Hoffmann überlassen.


Ist ja auch eine völlig absurde Idee, jemandem die Benennung von Männerrechten zu überlassen, der mit Feministinnen zusammenarbeitet und ihnen in seinen Büchern eine Stimme gibt, wobei er zugleich erklärt, welche feministischen Glaubenssätze von den Erkenntnissen der aktuellen Forschung widerlegt worden sind.

Aber gut, dann benennt "Männerrechte" endlich mal – allerdings bitte seriöser als hier. Dass man zum Beispiel jemanden, mit dem man sich seitenlang beschäftigt, selbst zu seiner Position befragt und diese korrekt wiedergibt, scheint im Journalismus völlig aus der Mode gekommen zu sein. Wobei Shila Behjat in ihrem Buch immerhin eines zugibt:

Seien wir ehrlich. Wir wollen uns einfach nicht mit Männlichkeit beschäftigen, schon gar nicht, wenn sie uns etwas anderes zeigen will als das, was wir von ihr halten.




3. Wie die Neue Zürcher Zetung berichtet, stellt Polen wehrpflichtigen Ukrainern keine Dokumente mehr aus.

In Polen beeilte sich die Mitte-links-Regierung, Kiew ihre Solidarität zu versichern. "Wir haben der Ukraine schon lange signalisiert, dass wir behilflich dabei sind, dass jene, die Kriegsdienst leisten müssen, in die Ukraine ausreisen", sagte etwa Polens Verteidigungsminister. Bei einigen Ukrainern laufe bald die Aufenthaltsgenehmigung ab, damit löse sich das Problem von selbst, hiess es im Aussenministerium. (…) "Polen wird Drückebergern bestimmt keinen Schutz bieten", versicherte der Vizeaussenminister Adam Szejna.

(…) Die Diskussion über allfällige Deportationen von Kriegsdienstverweigerern hat in Polen erst gerade begonnen. Im Grunde sind sich alle Parteien ausser der rechtsextremen Konföderation einig, dass die Ukraine Polens Solidarität auch bei der Mobilisierung verdient. Vor allem Wirtschaftskreise machen aber darauf aufmerksam, dass die schätzungsweise bis zu 700.000 ukrainischen Männer im Alter von 25 bis 60 Jahren grosse Lücken hinterlassen würden. An einer Konferenz in der westpolnischen Stadt Poznan warnte der liberale frühere Regierungschef Jan Krzysztof Bielecki am Mittwoch vor einem Exodus ukrainischer Gastarbeiter aus Polen nach Deutschland.


Dass Männer nicht sterben und töten möchten, kommt in dieser Debatte bezeichnenderweise nicht vor. Ziehen Männer an die Front, gelten sie als "kriegsgeile Machos"; tun sie das nicht, gelten sie als "Drückeberger". Hauptsache, sie tun das, was man gerade von ihnen verlangt.



4. Normalerweise fällt Genderama außer am Wochenende und Feiertagen nur aus, wenn die Nachrichtenlage keine Medienschau hergibt. Morgen jedoch gibt es keinen neuen Blogbeitrag, weil unser Stromanbieter wegen einer betriebsbedingten Überprüfung von 8:00 bis 15:00 den Strom abstellt. Ich kann in dieser Zeit also nicht mal recherchieren. Am Donnerstag geht es dann weiter mit Genderama.



Donnerstag, Mai 16, 2024

Kriegsdienstverweigerer müssen in Europa um ihr Leben zittern

1.
Lange galten sie als Feiglinge und Verräter: Männer, die nicht Soldaten werden oder bleiben wollen. Im Zweiten Weltkrieg wurden Wehrmachtsdeserteure oft sofort standrechtlich erschossen, wenn man sie aufgegriffen hatte. Manche wurden auf Himmelfahrtskommandos geschickt, also an Frontabschnitte, an denen ein Überleben besonders unwahrscheinlich war. Es war auch das Verdienst von überlebenden Opfern der NS-Militärjustiz wie Ludwig Baumann, dass Menschen, die nicht für die Nazis kämpfen wollten, rehabilitiert wurden. Und dass Kriegsdienstverweigerer nicht mehr ausgegrenzt wurden.

Auch die westdeutsche Friedensbewegung der 1980er Jahre trug dazu bei. In ihrer Hochzeit entstand auch der Internationale Tag der Kriegsdienstverweigerung, kurz "KDV-Tag": Seit 1983 werden mit ihm alljährlich am 15. Mai international Menschen geehrt und unterstützt, die sich staatlichem Zwang zur Teilnahme an Kriegen und dem Militärdienst allgemein widersetzen. Heute gehört in Ländern wie Russland, der Ukraine und Belarus, aber auch in Israel, viel Mut dazu, den Dienst an der Waffe zu verweigern und sich dem Töten und der Todesgefahr zu entziehen. Denn dafür drohen oft hohe Haftstrafen.


Hier geht es weiter.



2. In einem weiteren Artikel berichtet das Neue Deutschland über zwei russische Kriegsdienstverweigerer (Vater und Sohn), deren Kirchenasyl von der deutschen Polizei gewaltsam beendet wurde.



3. Die Evangelische Friedensarbeit forderte gestern nachdrücklich Schutz und Hilfe für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure vor allem aus der Ukraine, Russland und Belarus. "Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht, das auch in Kriegszeiten gilt", bekundete der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Friedrich Kramer.

"In Litauen hatte ich die Gelegenheit, mit Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern aus Belarus zu sprechen", sagt Friedrich Kramer. Die persönlichen Schicksale seien dramatisch. "Teilweise droht den Asylsuchenden die Abschiebung nach Belarus, wo lange Haftstrafen oder eine Anklage wegen Hochverrats auf sie warten", so der EKD-Friedensbeauftragte. Dass in der Europäischen Union Menschen um ihr Leben zittern müssten, nur weil sie ihr Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung in Anspruch nehmen würden, sei für die Friedensnobelpreisträgerin EU unwürdig, sagt der Landesbischof.

"Belarussische Deserteure werden in Litauen vom Verteidigungsministerium als Gefahr für die nationale Sicherheit eingestuft", kritisiert auch Gregor Rehm, der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche der Pfalz, der Friedrich Kramer bei seinem Besuch in Litauen begleitet hatte. Die Asylbehörden würden dieser Einschätzung folgen und entsprechende Bescheide erstellen, so Rehm. "Bisher war die gängige Praxis ohne gesetzliche Grundlage. Das scheint sich aber im Moment zu ändern. Es gibt Bestrebungen, diese Praxis in Gesetzesform zu gießen. Für die belarussischen Deserteure in Litauen bedeutet dies eine Katastrophe", so der pfälzische Friedensbeauftragte. Dies seien Beispiele, wie gefährdet das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung sei, so die Vertreter der Evangelischen Friedensarbeit im Raum der EKD.




4. Die Frankfurter Allgemeine berichtet über Aktivisten in Georgien, die russischen Deserteuren bei der Flucht helfen.



5. Die jungle world beschäftigt sich mit der Lage der Yeziden im Irak und blickt dabei auch auf den Völkermord durch den sogenannten Islamischen Staat zurück: "Wer nicht rechtzeitig floh, wurde meistens erschossen, insbesondere alle Männer."



6. Ferda Ataman, Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, prangert Verbote, in Schulen und Behörden die geschlechtertrennende Gender-Sprache zu verwenden, als Verstoß gegen Grundrechte an. Begründeten Widerspruch dazu findet man im Magazin "Cicero" und in der Frankfurter Allgemeinen.



Mittwoch, Mai 15, 2024

Lässt Kinderkriegen das Gehirn schrumpfen?

1. Unter der Überschrift "Lässt Kinderkriegen das Gehirn schrumpfen?" beschäftigt sich Theresa Bäuerlein mit Veränderungen des Gehirnvolumens bei frischgebackenen Eltern: Das trifft nicht allein Mütter: "Betroffene Väter berichten auch von erhöhtem Stress und Schlafproblemen. Das könnte auf die emotionalen und körperlichen Belastungen durch intensive Elternschaft hinweisen – eine Herausforderung, die nun auch zunehmend Männer betrifft."



2. Unter jungen Frauen liegt es im Trend, nette Männer mit gutmütigen, etwas treudoofen Hunden zu vergleichen. Dagegen spricht sich Jana Felgenhauer im STERN aus:

Wollen wir den Macho zurück? Den Angeber, den Kläffer, den Beißer? Niemals! (…) Wir brauchen sie, die freundlichen Männer, die stillen Feministen. Die, die Kaffee ans Bett bringen, sich liebevoll ums Kind kümmern, ohne Aufforderung den Putzlappen schwingen, am Abend mit Hingabe Füße massieren.




3. In der Neuen Zürcher Zeitung beschäftigt sich Birgit Schmid mit dem grotesken Männerhass, der in der Mann-oder-Bär-Debatte deutlich wird:

Das ist das Männerbild einer Generation, die mit #MeToo aufgewachsen ist. Man mag über solche Befragungen lachen, bei denen sich die Antworten gegenseitig befeuern. Denn den meisten Frauen dürfte klar sein, dass sie die Begegnung mit einem Bären wahrscheinlich nicht überleben würden. Aber darum geht es nicht.

Das Thema Sexismus und sexuelle Gewalt ist in den Medien so gegenwärtig, dass der Eindruck entsteht, es werde immer schlimmer mit den Männern. Der absurde Mann-gegen-Bär-Vergleich offenbart ein Denken, bei dem der Mann natürlicherweise der Feind ist. Er stellt für eine Frau eine potenziell tödliche Gefahr dar allein deshalb, weil er ein Mann ist.

Wie also könnte man den Wald und überhaupt die Welt für Frauen sicherer machen? Indem die Hälfte der Menschheit daraus verschwindet.

Die Vision des heutigen Feminismus ist das Ende des Mannes. Damit verspricht man sich auch ein Ende von Sexismus und sexueller Gewalt. Aktivistinnen sehen in Männlichkeit ein Krebsgeschwür, das entfernt werden müsse. Werdende Mütter sind entsetzt über das männliche Geschlecht ihres ungeborenen Kindes, ein Bub wird als «waste of space» im Uterus angesehen. Der Hashtag #MenAreTrash verweist die Männer an ihren Ort: in den Abfall.

Diese radikalfeministischen Positionen knüpfen an Vernichtungsphantasien früherer Feministinnen an. Die Amerikanerin Andrea Dworkin bezeichnete Sex zwischen Mann und Frau in den 1970er Jahren als Vergewaltigung der Frau. "Terror strahlt aus dem Mann", schrieb sie, "Terror erleuchtet sein Wesen, Terror ist sein Lebenszweck." Sie stellte sich vor, wie man Männer ausschalten könnte – mit Highheels als Waffe.

Die Schriftstellerin Valerie Solanas träumte von einer Welt, in der ausschliesslich Frauen leben. Sie veröffentlichte 1971 ihr "Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer". Die allerdings psychisch angeschlagene Männerhasserin setzte ihr Anliegen in die Tat um, als sie auf Andy Warhol schoss.


Im weiteren Verlauf ihres Artkels schildert Birigt Schmid ausführlich feministische Literatur, die in der Utopie einer Welt ohne Männer schwelgt. Dabei gelangt sie zu dem Fazit:

Vielleicht muss das aber auch einfach wieder einmal gesagt werden angesichts der gegenwärtigen Stimmung, wo Bären als weniger gefährlich angesehen werden als Männer. Eine Frau hat ihre "Mann oder Bär"-Antwort so begründet: "Du weisst bei einem Bären, was dich erwartet." Das stimmt wohl – und sie müsste um ihr Leben fürchten. Würden alle Frauen so denken wie sie, würde das eintreten, was sich ebenfalls niemand ernsthaft wünschen kann: eine Welt ohne Frauen.




4. In Österreichs "Falter" beschäftigt sich Florian Klenk mit der Verdachtskultur gegen Männer in Firmen:

Eine Angst geht um bei Männern: zu Unrecht der sexuellen Belästigung, eines "unangemessenen Verhaltens" beschuldigt oder auch einfach nur im Netz Opfer eines "Outcalls" zu werden. Einem Kollegen ist genau das im Herbst widerfahren. Über einen anonymen Twitteraccount warnte ein "anonymes Kollektiv" vor ihm, er sei ein Vergewaltiger. Mehr noch, das Kollektiv forderte alle dazu auf, die Rechtfertigungen des Täters nicht zu retweeten, denn das würde die "Opfer delegitimieren". Anzeigen wurden nie erstattet, doch der Mann wurde beruflich und sozial geächtet. Tausende retweeteten die anonyme Behauptung. Der Mann kämpft noch heute um die Wiederherstellung seines Rufs.

(…) Der Wert strenger Verfahrensregeln wird in Zeiten des digitalen Vigilantismus, also der Social-Media-Selbstjustiz, zu oft verkannt. Aber er ist wichtiger denn je, denn die stille Post in der redaktionellen vernetzten Gesellschaft führt in den Abgrund, wie der Fall Schilling zeigt: Aus einer unangemessenen Bemerkung wird schnell eine Belästigung, aus einer Belästigung ein Übergriff, aus dem Übergriff ein Missbrauch. Der Betroffene steht auf einmal einer anonymen Masse gegenüber, die sich im Recht wähnt, nämlich aufseiten des Opfers. Jede Verteidigung multipliziert das Gerücht, jedes Schweigen bestätigt es. Rechtsschutz gibt es dagegen nicht.

Juristen lernen daher einen ganz wichtigen Grundsatz: Strenge Verfahrensregeln dienen der Wahrheitsfindung und damit auch dem Opfer. Audiatur et altera pars. Kein Schuldspruch ohne faires Verfahren. Keine Strafe ohne Gesetz. Umittelbarkeit der Beweisführung, also direkte Konfrontation mit dem belastenden Material. Diese Regeln geraten in einer politisch korrekten Twitter-Schnelljustiz immer öfter in Vergessenheit. Dabei sind sie Antwort auf Unrechtserfahrungen. Auch den Interessen der Opfer wird mehr geholfen, wenn Sanktionen nicht auf Gerüchten aufbauen, sondern auf Fakten.




5. Die Ukraine will ihre Männer zurück – und erhält Rückendeckung aus der Schweiz.

Die konsularischen Dienste wurden für alle potenziell wehrpflichtigen ukrainischen Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren von einem Tag auf den andern eingestellt. Sie können seither ihre Pässe nicht mehr erneuern und weder Zivilstandsangelegenheiten noch andere Formalitäten erledigen. (…) Wer dringend an Papiere gelangen muss, dem bleibt derzeit allerdings nichts anderes übrig, als in die Ukraine zu reisen. Und dort gilt: Kommt man für die Rekrutierung in die Armee infrage, darf man das Land nicht wieder verlassen. In der Diaspora geistern bereits Geschichten über Zwangsrekrutierungen herum.

(…) Doch Druck spüren die ukrainischen Flüchtlinge nicht nur aus der Heimat, sondern jetzt auch im Gastland. Für bürgerliche Schweizer Politiker ist nun der Moment gekommen, den betroffenen Männern den Schutzstatus abzuerkennen.

So findet der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen, ein Mitglied der Staatspolitischen Kommission: "Wer in der Ukraine potenziell wehrpflichtig ist, hat keinen gerechtfertigten Anspruch auf den Schutzstatus S, denn dieser richtet sich vor allem an schutzbedürftige Frauen, Kinder und Alte." Die Schweiz solle der Ukraine bei einer allfälligen Rückholung der wehrpflichtigen Männer behilflich sein.

(…) Auch die SVP will ein entsprechendes Abkommen prüfen. SVP-Asylchef Pascal Schmid plant im Nationalrat eine Anfrage zum Thema. "Dass die Schweiz seit zwei Jahren auch fahnenflüchtige Männer aufnimmt und mit Steuergeldern unterstützt, führt den Schutzstatus ad absurdum", sagt Schmid. "Wir zeigen uns da sehr unsolidarisch mit der Ukraine, die an der Front völlig am Anschlag ist." Schmid regt an, sich den umgekehrten Fall vorzustellen: "Wäre die Schweiz in ihrer Existenz bedroht, hätten wir auch keine Freude daran, wenn andere Länder Hunderttausende unserer Soldaten beherbergen würden und noch glaubten, damit etwas Gutes zu tun."

"Wehrpflichtigen Männern den Schutzstatus abzuerkennen, tönt erst einmal brutal", sagt SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann. "Doch wenn sie in die Ukraine zurückkehren, wäre dem Land sehr geholfen. Und das müsste ja eigentlich auch im Sinne jener Kreise sein, die ständig nach Waffenlieferungen schreien."

(…) Andrei Luschniki, Präsident des Ukrainischen Vereins in der Schweiz, bezeichnet die Äusserungen der Politiker als "moralische und politische Bankrotterklärung".

"Es ist ein zynischer Versuch, das Ukraine-Problem zu lösen. Und das von Politikern eines Landes, das nicht einmal Drittländern erlaubt hat, schweizerische Waffen weiterzugeben, um der Ukraine zu helfen", sagt Luschniki. Er fragt sich, welche Botschaft man den Menschen vermittle, wenn man sie zuerst als Kriegsflüchtlinge aufnehme und zwei Jahre später einfach in den Krieg zurückschicke.




6. Inzwischen berichtet auch Spiegel-Online über das israelische Lager, in dem offenbar palästinensische Männer gefoltert werden, womit sich am Wochende bereits CNN beschäftigt hatte. Der Artikel schildert auch die deutsche Reaktion darauf:

Das Auswärtige Amt bezeichnete die Berichte als "zutiefst verstörend". Weiter hieß es, "Vorwürfe über psychische und physische Misshandlungen, die nicht zu rechtfertigen sind, müssen lückenlos aufgeklärt werden". (…) Das Auswärtige Amt teilte mit, seine Vorwürfe auch an Israel direkt gerichtet zu haben. Man setze sich dafür ein, dass das Völkerrecht geachtet und die Rechte von Gefangenen eingehalten werden. Ferner solle dem Internationalen Roten Kreuz Zugang zum Gefangenenlager gewährt werden.


Nach meinen bisherigen Erfahrungen in den sozialen Medien, wenn es um Israel geht. kann ich mir einige Reaktionen darauf schon ausmalen: "Unglaublich! Jetzt wollen Deutsche den Juden sogar schon sagen, wie sie ihre Lager zu führen haben!"

Das von Israelis und Palästinensern herausgegebene Magazin +972 wirft der israelischen Regierung vor, dafür gesorgt zu haben, dass grausame Praktiken an Orten wie Sde Teiman ungestraft fortgesetzt werden können, was einen Verstoß gegen internationales Recht und medizinische Ethik darstelle:

Am 4. April veröffentlichte Haaretz die Kopie eines Briefes eines Arztes, der im Feldlazarett von Sde Teiman arbeitet. (…) "Aus den Beschreibungen in dem Brief", so das Public Committee Against Torture in Israel (PCATI) in seiner Antwort, "geht zweifelsfrei hervor, dass es sich um Taten handelt, bei denen es den Tätern nicht um Ermittlungen und Rechenschaftspflicht geht, sondern um Grausamkeit und Rachsucht um ihrer selbst willen." Physicians for Human Rights - Israel (PHRI) erklärte ebenfalls, dass solche Praktiken "der Folter gleichkommen".

(…) Sde Teiman ist Teil eines Netzes von Militäreinrichtungen in ganz Israel, die eindeutig gegen internationales Recht und grundlegende ethische Normen verstoßen. Doch die Tatsache, dass solche Praktiken inmitten des andauernden Krieges in Israel stattfinden, ist leider nicht überraschend. Tatsächlich war es schon lange abzusehen.

Die israelische Regierung hat Monate damit verbracht, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Einrichtungen wie Sde Teiman mit beispielloser Straffreiheit arbeiten können. So hat die Knesset vor kurzem eine Änderung des "Gesetzes über die Inhaftierung illegaler Kämpfer" zusammen mit anderen neuen Notstandsverordnungen verabschiedet, die weitreichende Befugnisse zur Inhaftierung von Gefangenen ohne jegliche Aufsicht oder ein ordnungsgemäßes Verfahren einräumt.

Gemäß der neuen Änderung, die am 18. Dezember in Kraft getreten ist und vier Monate lang gilt, kann eine Person 45 Tage lang ohne Haftbefehl festgehalten werden, 75 Tage lang ohne gerichtliche Überprüfung ihres Falles, und 180 Tage lang wird ihr ein Treffen mit einem Anwalt verweigert. Die kumulative Wirkung dieser Vorschriften besteht darin, dass eine Person gefoltert werden und sogar sterben kann, ohne dass jemand von ihrer Inhaftierung oder den Bedingungen und dem Ort ihrer Inhaftierung weiß.

Nicht weniger gefährlich ist die Tatsache, dass die israelische Regierung auch nach der Bekanntgabe des Todes von 27 Gefangenen in Militäreinrichtungen seit Beginn des Krieges (und die Zahl könnte noch höher sein) nicht von dieser Politik abgewichen ist. Am 2. April wurde das Gesetz über die Inhaftierung illegaler Kämpfer (Änderungsantrag Nr. 4 und vorläufige Anordnung) in zweiter und dritter Lesung in der Knesset verabschiedet. Mit diesem Gesetzentwurf wird die Geltungsdauer der Vorschriften, die es Sicherheitsgefangenen gestatten, bis zu 90 aufeinanderfolgende Tage lang keinen Anwalt zu treffen, bis zum 31. Juli verlängert. Dies gilt zusätzlich zu vielen anderen technischen Verfahren und Beschränkungen, die die Möglichkeit eines Häftlings, sich mit einem Anwalt zu treffen, für Monate vereiteln können.

Die israelischen Behörden haben von diesen neuen Befugnissen der Freiheitsberaubung reichlich Gebrauch gemacht. Dem IPS-Quartalsbericht zufolge hielt das IPS bis März 2024 829 Gefangene (828 Männer und eine Frau) auf der Grundlage des Gesetzes über die Inhaftierung illegaler Kämpfer fest; seither ist die Zahl der Gefangenen im Gazastreifen Berichten zufolge um 150 Prozent gestiegen. Ebenfalls im März erreichte die Zahl der palästinensischen Gefangenen, die als "Sicherheitsgefangene" definiert werden, nach Angaben des IPS 9.077, darunter 3.582 Verwaltungshäftlinge, die ohne Anklage oder Gerichtsverfahren festgehalten werden.

Entscheidend ist, dass das israelische Gesetzbuch Folter nicht ausdrücklich verbietet. Obwohl er die UN-Konvention gegen Folter unterzeichnet und ratifiziert hat, hat der Staat bisher davon abgesehen, ein Gesetz zu verabschieden, das Folter als Verbrechen definiert und eine Strafe für ihre Begehung festlegt. Das Fehlen eines solchen Gesetzes trägt wesentlich dazu bei, dass die Folter fortgesetzt werden kann und die Täter sich der Verantwortung entziehen können. Es schafft auch eine rechtliche Grauzone - eine Lücke zwischen israelischem und internationalem Recht -, in der Kriegsverbrechen und staatlich sanktionierte Folter ohne jegliche Kontrolle begangen werden können.

(…) Die Welt muss wissen, was in Israels Gefängnissen und Hafteinrichtungen geschieht, die ein wesentlicher Bestandteil des Krieges gegen Gaza sind. Es ist unsere rechtliche, moralische und menschliche Pflicht, diese entsetzlichen Bedingungen der Folter und des Missbrauchs aufzudecken und ihr sofortiges Ende herbeizuführen. Andernfalls ist das Einzige, was Sde Teiman von Guantanamo oder Abu Ghraib trennt, die räumliche Entfernung.




Dienstag, Mai 14, 2024

"Die Gaza-Krise, über die wir nicht sprechen"

Die linksliberale New Yorker Wochenzeitschrift "The Nation" hat gestern einen in weiten Teilen maskulistischen Artikel der Medizinerin Ira Memaj über Israels Vorgehen in Gaza veröffentlicht. ("The Nation" ist die älteste Wochenzeitschrift der USA, zu ihren Autoren gehörten Albert Einstein, George Orwell, Martin Luther King, Franklin D. Roosevelt, Jean-Paul Sartre, T. S. Eliot und Henry Miller.) Ich habe den Beitrag für Genderama übersetzt. Weiterführende Links auf Belegquellen findet man im Original.



In den letzten Monaten habe ich mir eine neue Morgenroutine angewöhnt. Ich erhitze den Teekessel, lege den Minzteebeutel und eine aufgeschnittene Zitrone auf den Tresen und setze mich dann an den kleinen Tisch in meiner Küche. Dort klappe ich mein Telefon auf und schaue mir die Schrecken an, die sich in Gaza abspielen.

Eines Morgens tauchten in meinem Feed ohne Vorwarnung Bilder von inhaftierten palästinensischen Männern und Jungen auf - einige von ihnen waren erst 12 Jahre alt -, die bis auf die Unterwäsche ausgezogen, mit verbundenen Augen und in Handschellen vom israelischen Militär abgeführt wurden.

Beim Durchblättern der Berichterstattung und der Empörung in den sozialen Medien fiel mir auf, dass ein Großteil des Diskurses diese Bilder nicht als das ansah, was sie waren: ein eindeutiger Beweis für sexuelle Gewalt.

Obwohl sie in mehr als zwei Dutzend internationalen Konflikten dokumentiert wurde, wird über konfliktbedingte sexuelle Gewalt (CRSV) gegen Männer und Jungen nach wie vor relativ wenig gesprochen. Diese Fälle sind schwer zu identifizieren und werden selten als Kriegsverbrechen anerkannt - was wiederum schädliche geschlechtsspezifische Normen reproduziert, die Frauen als die einzigen plausiblen Opfer von CRSV ansehen.

In den letzten sieben Monaten konzentrierten sich die Berichte über Gaza hauptsächlich auf Frauen und Kinder. Hierfür gibt es klare Gründe: Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts machen Frauen und Kinder fast 70 Prozent der gesamten Todesopfer in Gaza seit dem 7. Oktober aus. Durch die Bombardierungen wurden nicht nur fast eine Million Frauen und Mädchen aus dem Gazastreifen vertrieben, sondern auch die Gesundheitsversorgung von Müttern, Säuglingen und Kindern wurde durch die Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen und die Einschränkung der Wasser- und Stromversorgung sowie des Zugangs zu Nahrungsmitteln und Medikamenten stark beeinträchtigt.

Um das Ausmaß der Bedrohungen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit im Gazastreifen zu verstehen, müssen wir jedoch auch beleuchten, wie diese Schäden palästinensischen Männern und Jungen zugefügt werden und sie betreffen.

Seit dem 7. Oktober wurden mehr als 4.000 palästinensische Männer, Frauen und Kinder in Gaza inhaftiert. Im März berichteten die Vereinten Nationen, dass 1.002 palästinensische Gefangene (872 Männer und 26 Jungen), die freigelassen wurden, angegeben hatten, brutal geschlagen worden zu sein, gezwungen worden zu sein, über längere Zeit in Stresspositionen zu verharren (ein Mann wurde gezwungen, sich auf eine elektrische Sonde zu setzen, was zu Verbrennungen an seinem Anus führte), und/oder sexuell missbraucht worden zu sein (Schläge auf die Genitalien und Begrapschen).

Letzte Woche berichtete CNN in einem Bericht, der von israelischen Informanten veröffentlicht wurde, über grausame Foltermethoden an palästinensischen Gefangenen auf dem Militärstützpunkt Sde Teiman in der Negev-Wüste. Einer der freigelassenen Häftlinge aus dem Lager war Dr. Mohammed al-Ran, der Leiter der chirurgischen Abteilung des indonesischen Krankenhauses in Gaza, der sich daran erinnerte, dass ihm die Augen verbunden wurden, er sich unfreiwillig entkleidete, auf andere fast nackte Männer gestapelt wurde und manchmal gezwungen wurde, Zeuge von Folterungen an anderen Häftlingen zu werden. Dr. al-Ran erzählte von den Worten eines Mitgefangenen, der ihn bat, seine Frau zu finden und ihr mitzuteilen, dass es für sie besser sei, Märtyrer zu sein, als gefangen genommen und [im Lager] festgehalten zu werden.

Als ich die Bilder aus dem Gazastreifen sah, musste ich an das Jahr 2017 zurückdenken, als ich mit syrischen und afghanischen Flüchtlingen in Detroit arbeitete. Ich hörte oft Geschichten von Überlebenden sexueller Gewalt - sowohl Männer als auch Frauen - während ihrer Flucht vor bewaffneten Konflikten. Diese Erfahrungen haben meine Karriere im öffentlichen Gesundheitswesen geprägt, die sich auf sexuelle und reproduktive Gesundheitsrechte, einschließlich geschlechtsspezifischer Gewalt, in gefährdeten Bevölkerungsgruppen konzentriert. Vielleicht lag es an meinem beruflichen Hintergrund, dass ich die Bilder sofort als Beispiel dafür erkannte, wie CRSV gegen Männer aussehen kann. Vielleicht lösten die Bilder aber auch eine Kindheitserinnerung aus - eine Erinnerung, die sich nach einem anderen Völkermord gebildet hatte.

Es war 1999, und ich konnte nicht widerstehen, meine Mutter und eine Gruppe von Frauen zu belauschen, die sie zu einem arabischen Kaffee eingeladen hatte. Die Gäste baten oft darum, dass man ihnen aus dem Kaffeesatz liest, eine Praxis, die als Tabseer bekannt ist und als eine Form von Wahrsagerei dient. Nach ein paar Minuten nahm meine Mutter Faridas Tasse in die Hand. Sie war eine Nachbarin, die sich in unserer Stadt niedergelassen hatte, nachdem sie während der ethnischen Säuberung im ehemaligen Jugoslawien vertrieben worden war.

Nach ein paar nachdenklichen Minuten ergriff meine Mutter Faridas Hand und sagte: "Da ist ein Junge mit dem Buchstaben 'H'..." In Faridas Augen lag eine Traurigkeit, die ich nur so beschreiben kann, dass sie um jemanden trauert, der noch am Leben ist. Sie stieß einen Schrei aus, der sich anhörte, als wäre er in ihr begraben gewesen und darum kämpfte, herauszukommen. Später erfuhr ich, dass "H" Hakim war, der 1992 im Alter von 19 Jahren von serbischen Soldaten aus einem Dorf im Kosovo entführt, bis auf die Unterwäsche ausgezogen, brutal geschlagen und sexuell bedroht wurde.

Diese Art von Gewalt gegen Männer wurde lange Zeit als Thema vernachlässigt, obwohl es historische Belege dafür gibt, dass sie häufig vorkommt.

Vergewaltigung von Männern und Jungen wurde in mehr als 25 verschiedenen bewaffneten Konflikten dokumentiert, was darauf hindeutet, dass die Zahl der Vergewaltigungen viel höher ist als vermutet. In einem Konzentrationslager in Sarajewo wurden Berichten zufolge 80 Prozent der männlichen Häftlinge vergewaltigt. Während des Völkermords in Ruanda wurden Tutsi-Männer und Jungen häufig kastriert und zum Sex mit HIV-positiven Frauen gezwungen. Ein Bericht der Vereinten Nationen von 2018 über den Völkermord in Myanmar zeigt, dass Männer und Jungen vergewaltigt, genital verstümmelt und sexuell gefoltert wurden. Berichte aus Syrien zeigen, dass junge Männer, Jungen und Transgender-Frauen Opfer sexueller Gewalt sind, einschließlich sexueller Sklaverei, bei der inhaftierte Menschen gefangen gehalten und zur "Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse" der Aufseher eingesetzt werden.

Mehrere Studien haben im Laufe der Jahre die negativen gesundheitlichen Folgen für männliche Überlebende von CRSV aufgezeigt, darunter die Unfähigkeit, mit ihrer Partnerin sexuell aktiv zu sein, Genital- und Analfissuren, Harn- und Stuhlinkontinenz, Gedächtnisverlust, posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen und Selbstmordgedanken.

Doch so klar die Beweise sind, so klar sind auch die Gründe, warum Beweise übersehen werden. Interviews mit Richtern und Anwälten des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) ergaben, dass viele von ihnen patriarchalische und frauenfeindliche Ansichten über Überlebende hatten und bei der Untersuchung der Fälle von CRSV von ihren eigenen kulturellen Normen beeinflusst wurden.

Das Patriarchat macht Männer zu den Stützen nicht nur ihrer Familien, sondern auch ihrer Gemeinschaften. Wenn also ein Mann Opfer sexueller Gewalt wird, gilt er oft als entmannt und wird dem Geschlecht zugeordnet, das gesellschaftlich und kulturell als "minderwertig" gilt. So haben beispielsweise viele der Richter am ICTY, die mehrheitlich Männer waren, Fälle, in denen die Opfer sexueller Gewalt Männer waren, abgewiesen und zum Ausdruck gebracht, dass sie weibliche Opfer als zerbrechlich ansehen, was die Richter dazu veranlasst, keine Fragen zu stellen. Diese Abneigung gegen Zeugenaussagen hindert viele Überlebende daran, sich zu äußern.

Viele ethnische Gemeinschaften halten auch an der Vorstellung fest, dass weibliche Überlebende von CRSV mehr Mitgefühl verdienen, weil ihre körperliche und kulturelle Bindung an ihre Jungfräulichkeit unverhältnismäßig stark gewichtet wird. Darüber hinaus dient die Heteronormativität dazu, Männer zum Schweigen zu bringen, indem sie die Vergewaltigung von Männern mit Homosexualität in Verbindung bringt und beides benutzt, um Überlebende zu beschämen und zu stigmatisieren, insbesondere in einem Umfeld, in dem der Vorwurf der Homosexualität schwerwiegende Folgen hat, nämlich soziale und familiäre Ächtung. (In seinen Memoiren berichtet Nate Leipciger, ein Holocaust-Überlebender aus Polen, wie er während seiner Haft wiederholt von den nationalsozialistischen Aufsehern sexuell missbraucht wurde und wie schwer es ihm fiel, sein Schweigen zu brechen.)

Es mangelt auch an sozialen und rechtlichen Diensten speziell für männliche Überlebende. Medizinische Fachkräfte, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und andere Dienstleister, die sich um die von bewaffneten Konflikten betroffene Bevölkerung kümmern, sind oft nicht geschult oder in der Lage, die körperlichen und seelischen Schäden sexueller Gewalt bei Männern zu erkennen oder anzuerkennen.

Obwohl sexuelle Gewalt als Taktik des Völkermords zum ersten Mal in den 1990er Jahren von den Internationalen Strafgerichtshöfen für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda untersucht wurde - eine große Anstrengung, die von feministischen Koalitionen angeführt wurde -, bleibt die juristische Bewertung von CRSV überwiegend frauenzentriert, eine Sichtweise, die von den unüberwindlichen Beweisen geprägt ist, die zeigen, dass Frauen und Mädchen unverhältnismäßig stark durch CRSV geschädigt werden.

Erst mit der Resolution 2106 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2013 wurde CRSV gegen Männer und Jungen ausdrücklich im internationalen Recht anerkannt. Doch auch nach der Verabschiedung der Resolution wird CRSV gegen Männer und Jungen von der internationalen Justiz weiterhin als Folter eingestuft, anstatt den sexuellen Charakter des Verbrechens anzuerkennen. Dies hat sowohl die Verurteilung der Täter als auch das juristische Verständnis von sexueller Gewalt allein in der Form von Vergewaltigung beeinflusst.

Die Reduzierung von CRSV auf Vergewaltigung ignoriert nicht nur die vielen Möglichkeiten, wie Menschen sexuell viktimisiert und geschädigt werden können, sondern hindert die Überlebenden auch daran, ihre Erfahrungen als solche zu erkennen, was wiederum ihre Entscheidung beeinflusst, ihre Erfahrungen zu melden. Ní Aoláin, eine irische Menschenrechtsanwältin, hat darauf hingewiesen, dass die rechtliche Bewertung anerkennen muss, dass CRSV auch aus damit zusammenhängenden Schäden besteht. Dazu gehören Fälle, in denen Männer unfreiwillig entkleidet werden, während des Verhörs sexuell bedroht werden, zu "Jungenspielen" (sexueller Sklaverei) gezwungen werden, zur Masturbation gezwungen werden, mit ansehen müssen, wie ihre Familienmitglieder sexuell missbraucht werden, und gezwungen werden, einen sexuellen Übergriff an jemandem - oft einem Familienmitglied - zu begehen.

Ich denke an Hakim und daran, dass seine Familie als Flüchtlinge keine andere Hilfe als Lebensmittel und eine vorübergehende Unterkunft erhalten hat. Ich denke an seine Mutter und frage mich, wie viele palästinensische Mütter denselben Schmerz und dieselbe Trauer um ihre lebenden Söhne empfinden. Ich denke auch an meine Erfahrungen in der Freiwilligenarbeit mit Überlebenden von CRSV in Michigan und ihre Wahrnehmung der psychiatrischen Dienste. Sie äußerten Bedenken darüber, wann sie Hilfe suchen sollten, machten sich Sorgen darüber, was ihre Nachbarn sagen könnten, oder versuchten sogar, ihre Erfahrungen zu verdrängen, indem sie z. B. sagten, sie hätten Glück gehabt, nicht vergewaltigt worden zu sein.

Israels Taktik der sexuellen Gewalt gegen Männer und Jungen in Palästina ist nicht neu. Aus einem Bericht von Save the Children vom Juli 2023 geht hervor, dass 69 Prozent der palästinensischen Kinder vom israelischen Militär unfreiwillig entkleidet und durchsucht wurden; einige berichteten von Missbrauch sexueller Natur.

Im Jahr 2021 wurde ein 15-jähriger palästinensischer Junge von israelischen Soldaten im besetzten Ost-Jerusalem festgenommen. Nach Unterlagen von Defense for Children wurde der Junge mit verbundenen Augen verhört und körperlicher Gewalt ausgesetzt, mit einem Gegenstand vergewaltigt und wiederholt auf seine Genitalien geschlagen. In einer Studie aus dem Jahr 2015, die Aussagen von palästinensischen Männern und Jungen enthält, die von israelischen Behörden verhört wurden, wurden verschiedene Formen sexueller Gewalt festgestellt, darunter verbale sexuelle Drohungen und Demütigungen, erzwungene Entkleidung, körperliche Übergriffe und Vergewaltigungen. In der Studie wurde auch festgestellt, dass nur wenige Überlebende ihre Aussagen vor Gericht einreichten; trotz der Beweise wurden die israelischen Täter nie verurteilt.

Palästinensische Männer und Jungen, die diese Art von Missbrauch erleiden, müssen sich auch mit dem Rassismus auseinandersetzen, der die Menschen so oft blind für ihre Erfahrungen macht. Die Darstellung arabischer und muslimischer Männer als Wilde, Terroristen und Missbrauchstäter verdrängt sie systematisch aus der Darstellung der Opfer, was wiederum die Unschuld der Überlebenden in Frage stellt. Das wurde deutlich, als die Medien begannen zu hinterfragen, ob es sich bei den unfreiwillig entkleideten und misshandelten palästinensischen Männern und Jungen um Zivilisten oder Terroristen handelte. Es scheint, dass das israelische Militär den Eindruck verfestigt hat, es handele sich um ausgewachsene palästinensische Männer, nachdem die Empörung in den sozialen Medien zu weiteren Fragen über ihre Masseninhaftierung und Identität geführt hatte. Später im Dezember wurde festgestellt, dass sich unter den Inhaftierten auch Kinder befanden. Die Serie von Ereignissen setzte sich fort, und weitere Nachrichtenquellen berichteten, dass die israelische Behandlung palästinensischer Gefangener der Folter gleichkomme.

Die Hierarchisierung der Formen sexueller Gewalt und ihrer Ziele ist in akademischen Fachzeitschriften, Forschungsarbeiten und Berichten humanitärer Organisationen weit verbreitet, was wiederum Einfluss auf Finanzierungsaufrufe und politische Maßnahmen hat, die auf die Bekämpfung und Eindämmung sexueller Gewalt abzielen. Darüber hinaus diktiert das Skript des "perfekten Opfers" von CRSV, das den Täter als aggressiven männlichen Soldaten und das Opfer als unschuldige weibliche Zivilperson darstellt, oft die Art und Weise, wie humanitäre Organisationen, Menschenrechtsorganisationen und Fachleute des öffentlichen Gesundheitswesens Daten über CRSV in bewaffneten Konflikten erheben und mit Maßnahmen und Interventionen auf diese Fälle reagieren. Leider haben diese Ansätze zu einer systematischen Auslöschung der männlichen Überlebenden von CRSV geführt.

Wir müssen die binären Annahmen über Geschlecht und CRSV hinter uns lassen und die soziopolitischen und kulturellen Kräfte anerkennen, die CRSV gegen Männer aufrechterhalten. Damit sollen die Erfahrungen von Frauen nicht geschmälert werden, sondern es soll betont werden, wie wichtig es ist, die oft übersehenen männlichen Überlebenden anzuerkennen und zu unterstützen. Internationale Gremien wie der Internationale Gerichtshof und der Internationale Strafgerichtshof sowie Organisationen wie die Vereinten Nationen und politische Entscheidungsträger müssen Erkenntnisse aus bewaffneten Konflikten in den Rahmen für den Umgang mit geschlechtsspezifischer sexueller Gewalt integrieren. Dies ist nicht nur für die Erweiterung unseres Verständnisses von CRSV entscheidend, sondern auch für die Ausarbeitung gerechter und ethischer Antworten. Trotz vieler Fortschritte im Laufe der Jahre lässt das internationale Recht Überlebende von CRSV, insbesondere Männer und Jungen, weiterhin im Stich.

Zu diesem Zeitpunkt meiner Morgenroutine läuft das Wasser aggressiv aus dem Teekessel. Während sich die Bilder aus dem Gazastreifen und dem Westjordanland weiter verbreiten, schaudert es mich bei dem Gedanken an die Zerstörung, die ein Völkermord hinterlassen hat.

Ich denke viel über die Ausdauer und den Druck nach, dem palästinensische Männer und Jungen ausgesetzt sind. Ihr Mut, trotz der Gefahr, die ihr Leben bedroht, über ihre Erlebnisse zu berichten, geht mir nicht aus dem Kopf. Wenn ich jetzt, Monate später, dieselben Bilder sehe, wird mir klarer denn je, dass es dringend notwendig ist, konkrete Schritte zu unternehmen, um dieser sexuellen Gewalt ein Ende zu setzen, auch wenn der Weg dorthin unklar bleibt.




Da Genderama immer wieder neue Leser hat, verweise ich hier gerne noch einmal auf mein Buch "Sexuelle Gewalt gegen Männer. Was wir darüber wissen und warum wir dazu schweigen.". Dort wird dieses Problem auch im Zusammenhang von militärischen Konflikten ausführlich behandelt.



Montag, Mai 13, 2024

England: Notrufe von männlichen Opfern sexueller Gewalt um 80 Prozent gestiegen

1. Der britische Independent berichtet:

Eine Wohltätigkeitsorganisation, die sich gegen sexuellen Missbrauch von Männern einsetzt, verzeichnet seit der Ausstrahlung der TV-Serie "Baby Reindeer" einen erstaunlichen Anstieg der Erstanrufer um 80 Prozent.

Die in Manchester ansässige Wohltätigkeitsorganisation "We Are Survivors" bietet Unterstützung für Männer, einschließlich trans- und nicht-binärer Personen, die sexuellen Missbrauch, Vergewaltigung und sexuelle Ausbeutung überlebt haben.

Die Organisation teilte mit, dass sie seit der Veröffentlichung der Netflix-Hitserie - die einen Komiker dabei begleitet, wie er über vier Jahre lang von einer Frau unerbittlich belästigt und gestalkt wird und damit klar kommen muss, sexuell missbraucht worden zu sein - mit neuen Kontakten "überschwemmt" worden ist.

In den ersten zwei Wochen nach der Ausstrahlung der Sendung gab es einen 80-prozentigen Anstieg der Anrufer, die zum ersten Mal anriefen und um Unterstützung baten.

Bemerkenswerterweise nannten 53 Prozent der Anrufer "Baby Reindeer" als Grund für ihre Bitte um Unterstützung. Die Organisation verzeichnete auch einen 40-prozentigen Anstieg der Anrufe von jungen Menschen zwischen 26 und 35 Jahren.

Der Vorstandsvorsitzende und Gründer der Wohltätigkeitsorganisation Duncan Craig sagte, dass man zwar mit Drehbuchautoren zusammengearbeitet habe, um Geschichten von sexuellem Missbrauch von Männern in Serien wie "Eastenders", "Hollyoaks" und "Coronation Street" auf den Bildschirm zu bringen, er aber noch nie eine solche Reaktion wie auf "Baby Reindeer" erlebt habe.

"Früher haben einige Leute vielleicht Zeitungsinterviews gelesen und einen Monat später zum Telefon gegriffen", sagte er. "Aber bei Baby Reindeer war die Reaktion absolut sofort. In den 15 Jahren, in denen ich in diesem Bereich tätig bin, habe ich so etwas noch nie erlebt." (…) Er fügte hinzu: "Wir hatten Leute, die die Sendung gesehen haben und von dem Medienrummel in den sozialen Medien mitgerissen wurden, so dass sie dachten: 'Wenn alle darüber reden, kann ich das auch'."


Ich will gar nicht daran denken, was die Männerbewegung auch hierzulande gegen sexuelle Gewalt erreichen könnte, wenn sie von den Leitmedien nicht ausgegrenzt und angefeindet würde.



2. Die japanische Tageszeitung Mainichi berichtet ausführlich über männliche Opfer sexueller Gewalt:

Die Enthüllungen über sexuelle Übergriffe durch den verstorbenen Johnny Kitagawa, den Gründer des Titanen der Talentagentur Johnny & Associates Inc. (jetzt Smile-Up Inc.), haben die öffentliche Aufmerksamkeit auf Sexualverbrechen gegen Männer und Jungen gelenkt. Dies war nicht auf die Unterhaltungsindustrie beschränkt; in Japan gab es einen breiten Aufschrei über die Realität dieser sexuellen Viktimisierung und ihre Nachwirkungen.

Eines dieser Opfer ist Takeshi (ein Pseudonym), ein 40-Jähriger aus der Kanto-Region um Tokio, der nach einem Missbrauch an einer psychischen Erkrankung litt.

Als Takeshi in der zweiten und dritten Klasse der Grundschule war, spielte er oft mit einem Mädchen aus der Gegend, das ein Teenager war. Ihre Familie kannte seine, und eines Tages kam sie zu ihm nach Hause, als seine Eltern nicht zu Hause waren. Während sie spielten, rief sie aus einem anderen Zimmer: "Komm her". Als Takeshi das Zimmer betrat, war das Mädchen nackt.

Takeshi war verwirrt. Die Teenagerin sagte zu ihm: "Du bist der Böse" und "Sag es niemandem".

Später wurde der Junge in das Haus des Mädchens eingeladen. Er hatte ein "schlechtes" Gefühl, konnte aber nicht einschätzen, was vor sich ging. Als er ein Zimmer betrat, war die Teenagerin wieder nackt. Sie nahm Takeshis Arm und zwang ihn, ihre Brüste zu berühren.

"Interessiert dich so etwas?", fragte sie und sagte dann wieder in einem spöttischen Ton: "Du bist der Böse."

An einem anderen Tag zog sich das Mädchen in ihrem Zimmer nackt aus und zwang Takeshi, sie zwischen ihren Beinen zu berühren. Er wusste nichts über Sex und verstand nicht, was da mit ihm gemacht wurde. Aber es war ihm zu peinlich und er hatte Angst, sich zu bewegen.

Es dauerte nicht lange, bis sich das Mädchen und Takeshi entfremdeten und "die Ereignisse" aus seinem Gedächtnis verschwanden. Aber er begann, unter Schlaflosigkeit zu leiden.

In der Junior High School begann er zu denken: "Ich verdiene es nicht zu leben. Ich will sterben." Auch nach dem Eintritt in die Highschool und dann in die Universität blieb der Wunsch zu sterben bestehen. Seine besorgten Eltern brachten Takeshi in eine psychosomatische Klinik, aber dort konnte man die Ursache nicht finden.

Im ersten Jahr seines Studiums erzählte ihm eine Studienfreundin, dass sie als Kind sexuell missbraucht worden war. Diese Geschichte weckte Erinnerungen an das "Mädchen aus der Nachbarschaft".

"Ich auch", sagte er.

Durch die Lektüre von Büchern über sexuelle Übergriffe glaubte er, die Ursache für seinen psychischen Zustand gefunden zu haben.

"Ich wollte, dass jemand den Schmerz versteht, den ich damals durchmachte", sagte Takeshi. Er wählte einen vertrauenswürdigen älteren Freund als Gesprächspartner, aber die Reaktion, die er bekam, war nicht das, was er sich erhofft hatte. Sein Freund lachte und sagte: "Ich beneide dich". Der Mann meinte es nicht böse.

Takeshi vertraute sich daraufhin zum ersten Mal seinen Eltern an und erzählte ihnen von seinen Erfahrungen. Sein Vater sagte ihm, er solle es vergessen. Seine Mutter sagte nichts.

"Ich schätze, sie wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten", überlegte Takeshi.

De psychische Erkrankung hielt auch nach Takeshis Eintritt ins Berufsleben an. Er hatte einen Job bei einer Wohlfahrtsorganisation und sprach mit seinem Chef über sein "traumatisches Erlebnis". Sein Chef stellte ihm einen Workshop vor, der von einer gemeinnützigen Gruppe durchgeführt wurde.

Die Teilnehmer teilten ihre schmerzlichen Gefühle miteinander und hörten Takeshi ernsthaft zu, als er ihnen von seiner sexuellen Viktimisierung erzählte. Anschließend schloss er sich einer Selbsthilfegruppe für männliche Opfer sexueller Übergriffe an, um seine Gefühle zu verarbeiten.

Erst nach einer Überarbeitung des japanischen Strafgesetzbuchs im Jahr 2017 konnten Männer rechtlich als Vergewaltigungsopfer anerkannt werden. Durch die Änderung wurde Vergewaltigung zum Straftatbestand des "erzwungenen Geschlechtsverkehrs" (jetzt "nicht einvernehmlicher Geschlechtsverkehr") und die Strafe wurde verschärft.

Als die #MeToo-Bewegung aufkam und 2019 in ganz Japan "Blumendemonstrationen" stattfanden, um die Abschaffung sexueller Gewalt zu fordern, war Takeshi dabei.

Nach der Lektüre eines Buches von Shiori Ito, einer Journalistin, die enthüllte, dass sie vergewaltigt worden war, und die ihren Peiniger vor Gericht brachte, kam Takeshi zu der Überzeugung, dass auch er "denen helfen wollte, die leiden." Heute arbeitet er für eine Selbsthilfegruppe für Opfer sexueller Übergriffe.

"Das Unterstützungssystem für männliche Opfer von sexuellem Missbrauch ist im Vergleich zum System für Frauen nicht gut organisiert", sagte Takeshi. "Ich wünsche mir öffentliche Unterstützung, z. B. in Form von Beratung, und ein Umfeld, das es Männern leichter macht, sich als Opfer zu melden. Ich wünsche mir auch mehr Verständnis und die Verhinderung von sekundärer Viktimisierung, bei der Opfer wie ich abschätzig behandelt oder dazu gedrängt werden, zu vergessen, was uns passiert ist."

Auch andere männliche Opfer sexuellen Missbrauchs melden sich zu Wort. (...) Satoshi (ein Pseudonym), jetzt in seinen 40ern, wurde als Schüler der Junior High School schikaniert. Eines Tages wurde er in einem leeren Klassenzimmer von männlichen und weiblichen Schülern umringt. Sie schlugen ihn, traten ihn und zwangen ihn zur Selbstbefriedigung. Sie lachten über ihn und nannten ihn "ekelhaft". Es war demütigend. Satoshi sagte jedoch, er habe dies nie als "sexuelle Viktimisierung" empfunden. Er dachte, dass nur Frauen sexuell angegangen wurden.

Reiji (ein Pseudonym), eine nicht-binäre Person in den 50ern, die körperlich als Mann geboren wurde, wurde von einem männlichen Bekannten zu sexuellen Handlungen gezwungen, als sie in der High School waren. Seitdem wird Reiji von Zweifeln geplagt, "dumm und schmutzig" zu sein. Als er beschloss, es zu wagen und einem männlichen Freund alles zu erzählen, war dieser amüsiert und sagte: "Wow!" Als Reiji es dann einer weiblichen Freundin erzählte, erwiderte diese: "Du bist keine Frau, also ist es nicht so schlimm." Reiji schloss daraus, dass er selbst kein Opfer von sexuellem Missbrauch war.

Satoshi und Reiji litten als Erwachsene an psychischen Erkrankungen und schlossen sich beide Selbsthilfegruppen an. Sie tauschten ihre schmerzlichen Erfahrungen aus, und beide bieten nun anderen Opfern sexueller Übergriffe Unterstützung an.

Hirokazu Miyazaki, ein Doktorand an der Graduate School of Human Science der Ritsumeikan-Universität, der sich mit männlichen Opfern sexueller Gewalt befasst, weist darauf hin, dass "männliche Opfer sexueller Gewalt schwer zu erkennen sind".

Missverständnisse und Vorurteile in Bezug auf sexuelle Übergriffe, die auf geschlechtsspezifischem Bewusstsein beruhen, werden als "Vergewaltigungsmythen" bezeichnet. Bei weiblichen Opfern laute ein Vergewaltigungsmythos, der zur Verteidigung der Täter dient: "Männer können nichts dafür, weil sie ihrem sexuellen Verlangen nicht widerstehen können."

Aufgrund der männerdominierten Gesellschaftsstruktur bestehe andererseits die Tendenz zu denken, dass "Männer nicht sexuell viktimisiert werden können" und dass "Frauen niemals sexuelle Übergriffe begehen würden". Daher falle es Männern oft schwer, sich zu melden.

Miyazaki wies darauf hin, dass "die Opfer selbst an die Vorstellung gebunden sind, dass Männer stark sein sollten, und es gibt viele Männer, die über ihre Viktimisierung nur als eine 'Geschichte' über eine interessante Erfahrung sprechen können".

Und selbst wenn sie sich anderen über ihre Viktimisierung anvertrauen, werden sie oft nicht ernst genommen, wie es bei Takeshi der Fall war. "Vor allem, wenn es sich bei dem Täter um eine Frau handelt, gibt es die vorgefasste Meinung, dass es 'harmlos und sogar ein bisschen Glück' ist, wenn eine Frau einen Mann zu sexuellen Handlungen zwingt", so Miyazaki. "Studien haben jedoch gezeigt, dass dies tatsächlich schwerwiegende Folgen für die psychische Gesundheit von Männern hat."




3. Kommen wir damit zu einem weiteren Thema, das von deutschen Leitmedien tabuisiert wird.

Auf einem Militärstützpunkt in der israelischen Negev-Wüste, der jetzt auch als Gefangenenlager dient, hat ein Israeli, der in der Einrichtung arbeitet, zwei Fotos von einer Szene gemacht, die ihn nach eigenen Angaben immer noch verfolgt. Man sieht eine Reihe von Männern in grauen Trainingsanzügen, die auf hauchdünnen Matratzen sitzen und mit Stacheldraht umzäunt sind. Alle scheinen die Augen verbunden zu haben, ihre Köpfe hängen schwer unter dem grellen Scheinwerferlicht.


Damit beginnt ein ausführlicher Bericht des US-amerikanischen Nachrichtensenders CNN über Israels Folterlager. Er nennt Greultaten, über die Genderama schon vor Wochen berichtet hatte: Die Häftlinge wurden geprügelt, bis ihre Knochen brachen, wenn sie schliefen, wurden Hunde auf sie losgelassen, einigen wurden Gliedmaßen amputiert und so weiter:

Für diejenigen, die wiederholt gegen das Sprech- und Bewegungsverbot verstießen, wurden die Strafen härter. Israelische Wachleute brachten einen Gefangenen manchmal in einen Bereich außerhalb des Geheges und schlugen ihn aggressiv zusammen, wie zwei Informanten und [der ehemalige Gefangene Dr. Mohammed al-Ran] berichteten. Ein Informant, der als Wachmann arbeitete, sagte, er habe gesehen, wie ein Mann mit offenbar gebrochenen Zähnen und Knochen zurückkehrte.


Jetzt allerdings sind es Whistleblower aus der israelischen Armee, die über die Kriegsverbrechen sprechen, Damit wird es schwieriger, mit Begriffen wie "Pallywood" zu hantieren, wie es vor allem auf X (Twitter) seit Monaten geschieht. Auch können Menschen, die über diese Greuel sprechen, schwerer als "antisemitisch" oder "Hamas" verleumdet werden – oder als "Israel-Hasser" beziehungsweise "Juden-Hasser": Begriffe, die die Bildzeitung inzwischen manisch gegen Kritiker solcher Menschenrechtsverletzungen verwendet. Der CNN-Beitrag verleiht den Vorwürfen der Folter mehr Glaubwürdigkeit als frühere Berichte und erreicht eine deutlich größere Leserschaft. Von den deutschen Leitmedien berichtet (zumindest meiner Online-Sichtung nach) allein n-tv über die Berichte der Whistleblower, aber international werden sie zweifellos stark wahrgenommen.

Entsprechend heißt es von CNN:

Berichte über Misshandlungen in Sde Teiman sind bereits in israelischen und arabischen Medien aufgetaucht, nachdem israelische und palästinensische Menschenrechtsgruppen einen Aufschrei über die dortigen Bedingungen ausgelöst hatten. Doch diese seltene Aussage von Israelis, die in der Einrichtung arbeiten, wirft ein weiteres Licht auf Israels Verhalten während des Krieges im Gazastreifen, mit neuen Vorwürfen von Misshandlungen. Auch die wiederholten Beteuerungen der israelischen Regierung, sie handele im Einklang mit anerkannten internationalen Praktiken und Gesetzen, werden dadurch in Frage gestellt.


Die Berichte der palästinenischen Männer und der Whistleblower stimmen CNN zufolge miteinander überein. CNN hat seinen Bericht durch Satellitenaufnahmen ergänzt. Auch das Motiv für die Misshandlung der Gefangenen wird in dem Beitrag genannt:

"(Die Schläge) dienten nicht dazu, Informationen zu sammeln. Sie geschahen aus Rache", sagte ein anderer Whistleblower. "Es war eine Bestrafung für das, was sie (die Palästinenser) am 7. Oktober getan haben, und eine Bestrafung für ihr Verhalten im Lager."


Diese Meldungen liefern neuen Zündstoff für eine Debatte, in der die Ansichten ohnehin weit auseinander gehen. Am einen Ende des Spektrums sind Menschen, die für alle Untaten, die von Israel begangen werden, der Hamas die Schuld geben und keinerlei Kriegsverbrechen Israels sehen wollen, um stattdessen diejenigen zu dämonisieren, die diese Greuel anprangern. Am entgengesetzten Ende des Spektrums beharren Menschen darauf, das Massaker, das die Hamas-Terroristen am 7. Oktober begangen habe, sei genausowenig zu verurteilen wie der Aufstand im Warschauer Ghetto oder Sklaven, die rebellieren und ihre Sklavenhalter erschießen würden. (Mit den tatsächlichen Untaten am 7. Oktober haben beide Vergleiche wenig zu tun.) Extremisten beider Lager versuchen, die Greuel, die von der "eigenen Seite" begangen werden, zu rechtfertigen, und keiner von ihnen scheint bereit, Empathie für die Opfer im anderen Lager zuzulassen.

Trotz dieses sich gegenseitig hochschaukelnden Irrsinns gibt es noch gelungene Beiträge in dieser Debatte. Die beiden besten, die ich kürzlich gelesen habe, stammen von der Neuen Zürcher Zeitung und von dem jüdischen Hochschulprofessor Michael Barenboim.



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