Montag, Mai 13, 2024

England: Notrufe von männlichen Opfern sexueller Gewalt um 80 Prozent gestiegen

1. Der britische Independent berichtet:

Eine Wohltätigkeitsorganisation, die sich gegen sexuellen Missbrauch von Männern einsetzt, verzeichnet seit der Ausstrahlung der TV-Serie "Baby Reindeer" einen erstaunlichen Anstieg der Erstanrufer um 80 Prozent.

Die in Manchester ansässige Wohltätigkeitsorganisation "We Are Survivors" bietet Unterstützung für Männer, einschließlich trans- und nicht-binärer Personen, die sexuellen Missbrauch, Vergewaltigung und sexuelle Ausbeutung überlebt haben.

Die Organisation teilte mit, dass sie seit der Veröffentlichung der Netflix-Hitserie - die einen Komiker dabei begleitet, wie er über vier Jahre lang von einer Frau unerbittlich belästigt und gestalkt wird und damit klar kommen muss, sexuell missbraucht worden zu sein - mit neuen Kontakten "überschwemmt" worden ist.

In den ersten zwei Wochen nach der Ausstrahlung der Sendung gab es einen 80-prozentigen Anstieg der Anrufer, die zum ersten Mal anriefen und um Unterstützung baten.

Bemerkenswerterweise nannten 53 Prozent der Anrufer "Baby Reindeer" als Grund für ihre Bitte um Unterstützung. Die Organisation verzeichnete auch einen 40-prozentigen Anstieg der Anrufe von jungen Menschen zwischen 26 und 35 Jahren.

Der Vorstandsvorsitzende und Gründer der Wohltätigkeitsorganisation Duncan Craig sagte, dass man zwar mit Drehbuchautoren zusammengearbeitet habe, um Geschichten von sexuellem Missbrauch von Männern in Serien wie "Eastenders", "Hollyoaks" und "Coronation Street" auf den Bildschirm zu bringen, er aber noch nie eine solche Reaktion wie auf "Baby Reindeer" erlebt habe.

"Früher haben einige Leute vielleicht Zeitungsinterviews gelesen und einen Monat später zum Telefon gegriffen", sagte er. "Aber bei Baby Reindeer war die Reaktion absolut sofort. In den 15 Jahren, in denen ich in diesem Bereich tätig bin, habe ich so etwas noch nie erlebt." (…) Er fügte hinzu: "Wir hatten Leute, die die Sendung gesehen haben und von dem Medienrummel in den sozialen Medien mitgerissen wurden, so dass sie dachten: 'Wenn alle darüber reden, kann ich das auch'."


Ich will gar nicht daran denken, was die Männerbewegung auch hierzulande gegen sexuelle Gewalt erreichen könnte, wenn sie von den Leitmedien nicht ausgegrenzt und angefeindet würde.



2. Die japanische Tageszeitung Mainichi berichtet ausführlich über männliche Opfer sexueller Gewalt:

Die Enthüllungen über sexuelle Übergriffe durch den verstorbenen Johnny Kitagawa, den Gründer des Titanen der Talentagentur Johnny & Associates Inc. (jetzt Smile-Up Inc.), haben die öffentliche Aufmerksamkeit auf Sexualverbrechen gegen Männer und Jungen gelenkt. Dies war nicht auf die Unterhaltungsindustrie beschränkt; in Japan gab es einen breiten Aufschrei über die Realität dieser sexuellen Viktimisierung und ihre Nachwirkungen.

Eines dieser Opfer ist Takeshi (ein Pseudonym), ein 40-Jähriger aus der Kanto-Region um Tokio, der nach einem Missbrauch an einer psychischen Erkrankung litt.

Als Takeshi in der zweiten und dritten Klasse der Grundschule war, spielte er oft mit einem Mädchen aus der Gegend, das ein Teenager war. Ihre Familie kannte seine, und eines Tages kam sie zu ihm nach Hause, als seine Eltern nicht zu Hause waren. Während sie spielten, rief sie aus einem anderen Zimmer: "Komm her". Als Takeshi das Zimmer betrat, war das Mädchen nackt.

Takeshi war verwirrt. Die Teenagerin sagte zu ihm: "Du bist der Böse" und "Sag es niemandem".

Später wurde der Junge in das Haus des Mädchens eingeladen. Er hatte ein "schlechtes" Gefühl, konnte aber nicht einschätzen, was vor sich ging. Als er ein Zimmer betrat, war die Teenagerin wieder nackt. Sie nahm Takeshis Arm und zwang ihn, ihre Brüste zu berühren.

"Interessiert dich so etwas?", fragte sie und sagte dann wieder in einem spöttischen Ton: "Du bist der Böse."

An einem anderen Tag zog sich das Mädchen in ihrem Zimmer nackt aus und zwang Takeshi, sie zwischen ihren Beinen zu berühren. Er wusste nichts über Sex und verstand nicht, was da mit ihm gemacht wurde. Aber es war ihm zu peinlich und er hatte Angst, sich zu bewegen.

Es dauerte nicht lange, bis sich das Mädchen und Takeshi entfremdeten und "die Ereignisse" aus seinem Gedächtnis verschwanden. Aber er begann, unter Schlaflosigkeit zu leiden.

In der Junior High School begann er zu denken: "Ich verdiene es nicht zu leben. Ich will sterben." Auch nach dem Eintritt in die Highschool und dann in die Universität blieb der Wunsch zu sterben bestehen. Seine besorgten Eltern brachten Takeshi in eine psychosomatische Klinik, aber dort konnte man die Ursache nicht finden.

Im ersten Jahr seines Studiums erzählte ihm eine Studienfreundin, dass sie als Kind sexuell missbraucht worden war. Diese Geschichte weckte Erinnerungen an das "Mädchen aus der Nachbarschaft".

"Ich auch", sagte er.

Durch die Lektüre von Büchern über sexuelle Übergriffe glaubte er, die Ursache für seinen psychischen Zustand gefunden zu haben.

"Ich wollte, dass jemand den Schmerz versteht, den ich damals durchmachte", sagte Takeshi. Er wählte einen vertrauenswürdigen älteren Freund als Gesprächspartner, aber die Reaktion, die er bekam, war nicht das, was er sich erhofft hatte. Sein Freund lachte und sagte: "Ich beneide dich". Der Mann meinte es nicht böse.

Takeshi vertraute sich daraufhin zum ersten Mal seinen Eltern an und erzählte ihnen von seinen Erfahrungen. Sein Vater sagte ihm, er solle es vergessen. Seine Mutter sagte nichts.

"Ich schätze, sie wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten", überlegte Takeshi.

De psychische Erkrankung hielt auch nach Takeshis Eintritt ins Berufsleben an. Er hatte einen Job bei einer Wohlfahrtsorganisation und sprach mit seinem Chef über sein "traumatisches Erlebnis". Sein Chef stellte ihm einen Workshop vor, der von einer gemeinnützigen Gruppe durchgeführt wurde.

Die Teilnehmer teilten ihre schmerzlichen Gefühle miteinander und hörten Takeshi ernsthaft zu, als er ihnen von seiner sexuellen Viktimisierung erzählte. Anschließend schloss er sich einer Selbsthilfegruppe für männliche Opfer sexueller Übergriffe an, um seine Gefühle zu verarbeiten.

Erst nach einer Überarbeitung des japanischen Strafgesetzbuchs im Jahr 2017 konnten Männer rechtlich als Vergewaltigungsopfer anerkannt werden. Durch die Änderung wurde Vergewaltigung zum Straftatbestand des "erzwungenen Geschlechtsverkehrs" (jetzt "nicht einvernehmlicher Geschlechtsverkehr") und die Strafe wurde verschärft.

Als die #MeToo-Bewegung aufkam und 2019 in ganz Japan "Blumendemonstrationen" stattfanden, um die Abschaffung sexueller Gewalt zu fordern, war Takeshi dabei.

Nach der Lektüre eines Buches von Shiori Ito, einer Journalistin, die enthüllte, dass sie vergewaltigt worden war, und die ihren Peiniger vor Gericht brachte, kam Takeshi zu der Überzeugung, dass auch er "denen helfen wollte, die leiden." Heute arbeitet er für eine Selbsthilfegruppe für Opfer sexueller Übergriffe.

"Das Unterstützungssystem für männliche Opfer von sexuellem Missbrauch ist im Vergleich zum System für Frauen nicht gut organisiert", sagte Takeshi. "Ich wünsche mir öffentliche Unterstützung, z. B. in Form von Beratung, und ein Umfeld, das es Männern leichter macht, sich als Opfer zu melden. Ich wünsche mir auch mehr Verständnis und die Verhinderung von sekundärer Viktimisierung, bei der Opfer wie ich abschätzig behandelt oder dazu gedrängt werden, zu vergessen, was uns passiert ist."

Auch andere männliche Opfer sexuellen Missbrauchs melden sich zu Wort. (...) Satoshi (ein Pseudonym), jetzt in seinen 40ern, wurde als Schüler der Junior High School schikaniert. Eines Tages wurde er in einem leeren Klassenzimmer von männlichen und weiblichen Schülern umringt. Sie schlugen ihn, traten ihn und zwangen ihn zur Selbstbefriedigung. Sie lachten über ihn und nannten ihn "ekelhaft". Es war demütigend. Satoshi sagte jedoch, er habe dies nie als "sexuelle Viktimisierung" empfunden. Er dachte, dass nur Frauen sexuell angegangen wurden.

Reiji (ein Pseudonym), eine nicht-binäre Person in den 50ern, die körperlich als Mann geboren wurde, wurde von einem männlichen Bekannten zu sexuellen Handlungen gezwungen, als sie in der High School waren. Seitdem wird Reiji von Zweifeln geplagt, "dumm und schmutzig" zu sein. Als er beschloss, es zu wagen und einem männlichen Freund alles zu erzählen, war dieser amüsiert und sagte: "Wow!" Als Reiji es dann einer weiblichen Freundin erzählte, erwiderte diese: "Du bist keine Frau, also ist es nicht so schlimm." Reiji schloss daraus, dass er selbst kein Opfer von sexuellem Missbrauch war.

Satoshi und Reiji litten als Erwachsene an psychischen Erkrankungen und schlossen sich beide Selbsthilfegruppen an. Sie tauschten ihre schmerzlichen Erfahrungen aus, und beide bieten nun anderen Opfern sexueller Übergriffe Unterstützung an.

Hirokazu Miyazaki, ein Doktorand an der Graduate School of Human Science der Ritsumeikan-Universität, der sich mit männlichen Opfern sexueller Gewalt befasst, weist darauf hin, dass "männliche Opfer sexueller Gewalt schwer zu erkennen sind".

Missverständnisse und Vorurteile in Bezug auf sexuelle Übergriffe, die auf geschlechtsspezifischem Bewusstsein beruhen, werden als "Vergewaltigungsmythen" bezeichnet. Bei weiblichen Opfern laute ein Vergewaltigungsmythos, der zur Verteidigung der Täter dient: "Männer können nichts dafür, weil sie ihrem sexuellen Verlangen nicht widerstehen können."

Aufgrund der männerdominierten Gesellschaftsstruktur bestehe andererseits die Tendenz zu denken, dass "Männer nicht sexuell viktimisiert werden können" und dass "Frauen niemals sexuelle Übergriffe begehen würden". Daher falle es Männern oft schwer, sich zu melden.

Miyazaki wies darauf hin, dass "die Opfer selbst an die Vorstellung gebunden sind, dass Männer stark sein sollten, und es gibt viele Männer, die über ihre Viktimisierung nur als eine 'Geschichte' über eine interessante Erfahrung sprechen können".

Und selbst wenn sie sich anderen über ihre Viktimisierung anvertrauen, werden sie oft nicht ernst genommen, wie es bei Takeshi der Fall war. "Vor allem, wenn es sich bei dem Täter um eine Frau handelt, gibt es die vorgefasste Meinung, dass es 'harmlos und sogar ein bisschen Glück' ist, wenn eine Frau einen Mann zu sexuellen Handlungen zwingt", so Miyazaki. "Studien haben jedoch gezeigt, dass dies tatsächlich schwerwiegende Folgen für die psychische Gesundheit von Männern hat."




3. Kommen wir damit zu einem weiteren Thema, das von deutschen Leitmedien tabuisiert wird.

Auf einem Militärstützpunkt in der israelischen Negev-Wüste, der jetzt auch als Gefangenenlager dient, hat ein Israeli, der in der Einrichtung arbeitet, zwei Fotos von einer Szene gemacht, die ihn nach eigenen Angaben immer noch verfolgt. Man sieht eine Reihe von Männern in grauen Trainingsanzügen, die auf hauchdünnen Matratzen sitzen und mit Stacheldraht umzäunt sind. Alle scheinen die Augen verbunden zu haben, ihre Köpfe hängen schwer unter dem grellen Scheinwerferlicht.


Damit beginnt ein ausführlicher Bericht des US-amerikanischen Nachrichtensenders CNN über Israels Folterlager. Er nennt Greultaten, über die Genderama schon vor Wochen berichtet hatte: Die Häftlinge wurden geprügelt, bis ihre Knochen brachen, wenn sie schliefen, wurden Hunde auf sie losgelassen, einigen wurden Gliedmaßen amputiert und so weiter:

Für diejenigen, die wiederholt gegen das Sprech- und Bewegungsverbot verstießen, wurden die Strafen härter. Israelische Wachleute brachten einen Gefangenen manchmal in einen Bereich außerhalb des Geheges und schlugen ihn aggressiv zusammen, wie zwei Informanten und [der ehemalige Gefangene Dr. Mohammed al-Ran] berichteten. Ein Informant, der als Wachmann arbeitete, sagte, er habe gesehen, wie ein Mann mit offenbar gebrochenen Zähnen und Knochen zurückkehrte.


Jetzt allerdings sind es Whistleblower aus der israelischen Armee, die über die Kriegsverbrechen sprechen, Damit wird es schwieriger, mit Begriffen wie "Pallywood" zu hantieren, wie es vor allem auf X (Twitter) seit Monaten geschieht. Auch können Menschen, die über diese Greuel sprechen, schwerer als "antisemitisch" oder "Hamas" verleumdet werden – oder als "Israel-Hasser" beziehungsweise "Juden-Hasser": Begriffe, die die Bildzeitung inzwischen manisch gegen Kritiker solcher Menschenrechtsverletzungen verwendet. Der CNN-Beitrag verleiht den Vorwürfen der Folter mehr Glaubwürdigkeit als frühere Berichte und erreicht eine deutlich größere Leserschaft. Von den deutschen Leitmedien berichtet (zumindest meiner Online-Sichtung nach) allein n-tv über die Berichte der Whistleblower, aber international werden sie zweifellos stark wahrgenommen.

Entsprechend heißt es von CNN:

Berichte über Misshandlungen in Sde Teiman sind bereits in israelischen und arabischen Medien aufgetaucht, nachdem israelische und palästinensische Menschenrechtsgruppen einen Aufschrei über die dortigen Bedingungen ausgelöst hatten. Doch diese seltene Aussage von Israelis, die in der Einrichtung arbeiten, wirft ein weiteres Licht auf Israels Verhalten während des Krieges im Gazastreifen, mit neuen Vorwürfen von Misshandlungen. Auch die wiederholten Beteuerungen der israelischen Regierung, sie handele im Einklang mit anerkannten internationalen Praktiken und Gesetzen, werden dadurch in Frage gestellt.


Die Berichte der palästinenischen Männer und der Whistleblower stimmen CNN zufolge miteinander überein. CNN hat seinen Bericht durch Satellitenaufnahmen ergänzt. Auch das Motiv für die Misshandlung der Gefangenen wird in dem Beitrag genannt:

"(Die Schläge) dienten nicht dazu, Informationen zu sammeln. Sie geschahen aus Rache", sagte ein anderer Whistleblower. "Es war eine Bestrafung für das, was sie (die Palästinenser) am 7. Oktober getan haben, und eine Bestrafung für ihr Verhalten im Lager."


Diese Meldungen liefern neuen Zündstoff für eine Debatte, in der die Ansichten ohnehin weit auseinander gehen. Am einen Ende des Spektrums sind Menschen, die für alle Untaten, die von Israel begangen werden, der Hamas die Schuld geben und keinerlei Kriegsverbrechen Israels sehen wollen, um stattdessen diejenigen zu dämonisieren, die diese Greuel anprangern. Am entgengesetzten Ende des Spektrums beharren Menschen darauf, das Massaker, das die Hamas-Terroristen am 7. Oktober begangen habe, sei genausowenig zu verurteilen wie der Aufstand im Warschauer Ghetto oder Sklaven, die rebellieren und ihre Sklavenhalter erschießen würden. (Mit den tatsächlichen Untaten am 7. Oktober haben beide Vergleiche wenig zu tun.) Extremisten beider Lager versuchen, die Greuel, die von der "eigenen Seite" begangen werden, zu rechtfertigen, und keiner von ihnen scheint bereit, Empathie für die Opfer im anderen Lager zuzulassen.

Trotz dieses sich gegenseitig hochschaukelnden Irrsinns gibt es noch gelungene Beiträge in dieser Debatte. Die beiden besten, die ich kürzlich gelesen habe, stammen von der Neuen Zürcher Zeitung und von dem jüdischen Hochschulprofessor Michael Barenboim.



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