Norwegen weist Männerrechtlern weltweit den Weg
1. Der US-amerikanische Männerrechtler Richard Reeves freut sich über männerpolitische Fortschritte in Norwegen:
Was für ein wunderbarer Tag ist das! Ich bin erfüllt von Hoffnung, Dankbarkeit, Bewunderung und Freude. Ich bin erfüllt von Liebe für jedes menschliche Wesen auf diesem Planeten. In einer Zoom-Sitzung vorhin bin ich buchstäblich in ein Lied ausgebrochen. Dann kamen mir ein paar Tränen.
Vielleicht hat mich die Anstrengung, für Jungen und Männer einzutreten, endgültig zu Fall gebracht? Nein, das ist es nicht. Es geht um Folgendes:
Eine norwegische Regierungskommission hat gerade ihren Abschlussbericht veröffentlicht.
Aber nicht irgendeine Kommission. Es ist die Mannsutvalgets, die Kommission für die Gleichstellung von Männern. Letztes Jahr wurde mir die Ehre zuteil, auf einigen privaten Veranstaltungen und einer öffentlichen Veranstaltung vor der Kommission zu sprechen.
Ehrlich gesagt war ich begeistert, dass sie überhaupt eingerichtet wurde, und zwar mit vollem Status und staatlicher Unterstützung, gegründet durch einen königlichen Erlass am 26. August 2022. Die Einrichtung der Kommission ist ein Beweis dafür, dass Länder, die sich wirklich für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzen, die Tatsache erkennen, dass dies auch bedeutet, den Ungleichheiten, die Jungen und Männer betreffen, Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn Norwegen dazu in der Lage ist, muss man sich wirklich fragen, warum sich andere Nationen und Staaten immer noch mit dieser Idee schwer tun. (Norwegen steht bei den Frauenrechten weltweit auf Platz 2).
Ich hatte gehofft, dass die Kommission in der Lage sein würde, ein bescheidenes positives Argument für die Arbeit zugunsten von Jungen und Männern vorzubringen. Aber sie hat so viel mehr getan. Der Abschlussbericht mit dem Titel "Equality's Next Step" ist ein wahrer Türöffner: ein umfassendes, sachliches und politisches Manifest für Jungen und Männer in einer Gesellschaft, die sich der Gleichberechtigung der Geschlechter verpflichtet fühlt. Er setzt Maßstäbe für politische Entscheidungsträger auf der ganzen Welt, die sich mit diesem Thema befassen wollen.
(…) Entscheidend ist, dass die Kommission das Thema in genau der richtigen Weise umreißt.
Erstens erteilt sie dem Nullsummen-Denken eine klare Absage. Die Arbeit für Jungen und Männer verwässert nicht die Ideale der Geschlechtergleichberechtigung, sondern setzt sie um. Die Kommission stellt ihren Standpunkt folgendermaßen dar:
"Viele Jungen und Männer haben nicht das Gefühl, dass es bei der Gleichberechtigung um sie geht oder dass sie für sie existiert. Der Männerausschuss ist der Ansicht, dass der nächste Schritt der Gleichberechtigung darin bestehen sollte, die Herausforderungen von Jungen und Männern stärker als bisher zu berücksichtigen. … Eine stärkere Berücksichtigung der Herausforderungen der Gleichberechtigung von Jungen und Männern wird diese Politik stärken und nicht schwächen."
Zweitens unterstreicht die Kommission die Notwendigkeit, geschlechtsspezifische Ungleichheiten für Jungen und Männer auch unter dem Aspekt von Klasse und "Rasse" zu betrachten. So formulieren es ihre Mitglieder:
"Soziale Ungleichheit ist ein wichtiger Faktor für das Verständnis dieser Unterschiede. Einige Herausforderungen sind mit Klasse und sozialer Ungleichheit verbunden und treffen Jungen und Männer härter oder auf andere Weise als Mädchen und Frauen."
Ein gutes Beispiel dafür ist das Klassengefälle bei der Lebenserwartung. Der Unterschied zwischen wohlhabenden und einkommensschwachen Frauen beträgt 8 Jahre, bei den Männern beträgt der Klassenunterschied 14 Jahre. Ein weiteres Beispiel ist die Feststellung, dass Männer mit pakistanischem Hintergrund bei der Einstellung stärker diskriminiert werden als Frauen mit demselben Hintergrund (wobei beide davon betroffen sind).
Drittens sind die Arbeit der Kommission und die daraus resultierenden Empfehlungen fest auf Fakten gestützt. Es gibt datenreiche Kapitel über Familienleben, Bildung, Arbeit, Freizeit, Gesundheit, Kriminalität und soziale Isolation.
Wie Helene Aarseth, Professorin am Zentrum für interdisziplinäre Geschlechterforschung an der Universität Oslo, hervorhebt, ist der Bericht "in einem ruhigen und nicht aggressiven Tonfall geschrieben". Das ist wahr. Und es ist wichtig: Der Tonfall ist wichtig.
(…) Die Kommission weist auch darauf hin, dass Männer zwar nur ein geringfügig höheres Risiko haben, einen Arbeitsunfall zu erleiden, dass aber die Wahrscheinlichkeit, an den Folgen eines Arbeitsunfalls zu sterben, wesentlich höher ist. In der Tat, wie der Bericht mit einem bezeichnenden Ton der Untertreibung feststellt:
"Es sind fast nur Männer, die bei tödlichen Unfällen am Arbeitsplatz sterben. Im Zeitraum 2015-2019 waren 97 Prozent aller bei Arbeitsunfällen Verstorbenen Männer."
Alles in allem lesen sich diese Dinge wie weite Inhalte meines vor über zehn Jahren erschienenen Buchs "Plädoyer für eine linke Männerpolitik". Es ist bizarr, dass man dafür in deutschen Medien mit Rechtsextremen und Massenmördern wie Breivik in einen Zusammenhang gerückt wurde.
Zu den konkreten Maßnahmen, die die norwegische Kommission fordert, gehören die folgenden:
Gleicher bezahlter Urlaub. In Norwegen gibt es einen sehr großzügigen Elternurlaub, der jedoch in erster Linie Müttern zugute kommt. Die Kommission schlägt vor, dass Mütter und Väter gleiche, unabhängige Urlaubsrechte haben: "Die Aufteilung des Urlaubs in zwei Teile kann als Standardsetzung dienen und ist ein klares Signal der Öffentlichkeit, dass Mütter und Väter als Betreuungspersonen genauso wichtig sind."
Flexibler Schulbeginn. Die Kommission schlägt vor, dass Eltern das Recht haben, den Schulbeginn für ihre Kinder zu verschieben (…): "Der Ausschuss ist der Ansicht, dass diese Maßnahme das Potenzial hat, geschlechtsspezifische Unterschiede in den schulischen Leistungen auszugleichen, da es geschlechtsspezifische Unterschiede in der Entwicklung einer Reihe von Merkmalen gibt, die mit schulischen Leistungen in Verbindung stehen, wie z. B. Selbstregulierung."
Ausschuss für die Gesundheit von Männern. Diese institutionelle Reform hat einen Zeitrahmen: "Ein Ausschuss für Männergesundheit [sollte] in der laufenden Legislaturperiode eingerichtet werden, um die gesundheitlichen Herausforderungen für Männer und die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Gesundheitsbereich genauer zu untersuchen."
Geschlechtsneutrales Gleichstellungsgesetz. Im aktuellen norwegischen Gleichstellungs- und Antidiskriminierungs-Gesetz heißt es, dass es "insbesondere auf die Verbesserung der Stellung von Frauen und Minderheiten abzielt". Die Kommission ist der Ansicht, dass "diese Bestimmung geschlechtsneutral gestaltet werden sollte, indem die Worte ‚Frauen und‘ aus dem Gesetz entfernt werden."
Reeves berichtet weiter:
Die Kommission fordert auch den norwegischen Forschungsrat auf, sich ausdrücklich der Herausforderung zu stellen, die Wissensbasis zu vielen der im Bericht behandelten Themen zu verbessern. Und als ziemlich schrulliger Haufen sind sie auch an mehr Datentransparenz interessiert und fordern "eine Überprüfung und Überarbeitung der statistischen Seiten und Indikatoren für die Gleichberechtigung der Geschlechter, damit sie die diesbezüglichen Herausforderungen von Jungen und Männern stärker als heute widerspiegeln." Das mag langweilig klingen, aber ehrlich gesagt ist es ein wichtiger und oft notwendiger erster Schritt zum Handeln, wenn mehr Menschen die grundlegenden Fakten vor Augen geführt werden.
(…) Ich denke, die Arbeit der Kommission ist weit über Norwegen hinaus von Bedeutung. Weltweit versuchen politische Entscheidungsträger herauszufinden, wie sie die eklatanten, wachsenden Probleme von Jungen und Männern am besten angehen können. Jetzt haben sie einen Bauplan.
2. "Die Probleme der Väter werden noch oft übersehen" betitelt die Zeitschrift "Spektrum der Wissenschaft" ein Interview über nachgeburtliche Depression – leider hinter einer Bezahlschranke. Zu diesem Thema hatte ich 2001 ein Kapitel in meinem Buch "Sind Frauen bessere Menschen?" veröffentlicht. Nicht zu fassen, dass wir immer noch kaum weiter sind.
3. "Die Aufhebung des Weinstein-Urteils ist gut für alle" befindet Jan Küveler in der "Welt" und sieht dadurch das Rechtssystem gestärkt:
Es muss jenen emotionalen Überschuss, den Eifer und die Hysterie, die eine Debatte wie MeToo erst ermöglichen, unbedingt zurückweisen. Sonst landete man in der Konsequenz wieder bei vorzivilisatorischen Praktiken, bei Scherbengericht, Lynchjustiz, Pogrom und Hexenjagd. Genau das ist die Sorge, die sich in der Entscheidung des übrigens mehrheitlich weiblich besetzten Berufungsgerichts manifestiert.
(…) Die weiblichen Richter, die das Urteil mehrheitlich annulliert haben, erweisen ihren Geschlechtsgenossinnen damit also einen großen Dienst. In unangenehmem Triumphalismus bringt Weinsteins New Yorker Anwältin Donna Rotunno den irrationalen Exzess der Anklage, der ihr jetzt zum Verhängnis wurde, auf den Punkt: "Sie haben ihn für Sünden verfolgt, nicht für Verbrechen."
(…) Aus Frankreich ist derweil zu hören, dass der Schauspieler Gérard Depardieu, der sich diese Woche kurzzeitig in Polizeigewahrsam befand, im Oktober vor Gericht muss. Verhandelt werden mutmaßliche sexuelle Übergriffe in zwei Fällen, die sich im September 2021 bei den Dreharbeiten zum Film "Les volets verts" ereignet haben sollen. Auch gegen Depardieu gibt es eine Unzahl von Vorwürfen unterschiedlichster Schwere. Die öffentliche Empörung darüber ist so groß, dass sogar Staatspräsident Macron unlängst den Verzicht auf Vorverurteilungen dringend empfohlen hat. Die westlichen Gesellschaften tun sich weiter schwer mit der Inkongruenz von Moral und Recht. In Depardieus Prozess wird sich zeigen, ob wir seit Weinstein einen Fortschritt gemacht haben.
4. Ein Bankdirektor, der nach Vorwürfen sexueller Übergriffe entlassen wurde, erhält von seiner Arbeitgeberin 70.000 Euro Entschädigung, da ihm das rechtliche Gehör verweigert wurde:
Denn die Bank überrumpelte den Mann; sie hatte ihn zu einem "Gespräch" eingeladen und dabei unerwartet mit allgemeinen Vorwürfen konfrontiert. Sie informierte ihn dabei weder über die Namen der angeblich belästigten Personen noch über Ort, Zeitpunkt und genaue Art und Weise der ihm vorgeworfenen Handlungen.
Die Bank hatte geltend gemacht, damit – wie in den Merkblättern festgehalten – die Anonymität der meldenden Personen zu schützen. Sichere die Bank ihren Mitarbeitenden Vertraulichkeit zu, könne dies aber nicht zulasten der Verteidigungsmöglichkeiten des Angeschuldigten gehen, hält das Obergericht nun fest.
Dem Bankdirektor sei "aufgrund der mangelhaften Spezifizierung der Vorwürfe die Möglichkeit genommen worden, allfällige entlastende Tatsachen vorzubringen". Ihm sei das rechtliche Gehör nicht gewährt worden. Die Kündigung sei damit missbräuchlich erfolgt.
5. Ein bemerkenswerter Leserbrief im Kummerkasten des STERN: "Meine Freundin hat hinter meinem Rücken regelmäßig Sex mit anderen Männern und schickt mich deswegen zur Therapie."
6. Außer Polen hat auch Litauen beschlossen, Männer, die aus der Ukraine geflüchtet sind, zurück in den Krieg zu schicken. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte der britischen Tageszeitung Guardian am Mittwoch, es sei inakzeptabel, dass ukrainische Männer außerhalb des Landes "in Restaurants sitzen", während andere sterben.
7. Der Berliner Tagesspiegel lässt Menschenrechtler zu Wort kommen, die kritisieren, dass wehrpflichtige Ukrainer im Ausland keine Reisepässe mehr ausgestellt bekommen sollen:
Wie das hessische Innenministerium auf Anfrage dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte, gibt es noch keine endgültige Entscheidung darüber, ob ukrainischen Staatsangehörigen die Beschaffung eines Passes auch unter den neuen Bedingungen "weiterhin zuzumuten ist". Dazu solle eine gemeinsame Position von Bund und Ländern erarbeitet werden. Wenn die Bundesrepublik auf Erfüllung der Passpflicht besteht, müssten ukrainische Männer mit abgelaufenen Dokumenten in ihre Heimat zurückkehren, wo wiederum aufgrund des Kriegsrechts ein Ausreiseverbot für sie gilt.
(…) Um Ukrainern, die nicht einberufen werden wollen, weiter einen legalen Aufenthalt zu ermöglichen, könnte die Bundesrepublik dieser Personengruppe Passersatzpapiere ausstellen. Rudi Friedrich von der Friedensorganisation Connection mit Sitz in Offenbach, die Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus aller Welt unterstützt, zweifelt jedoch daran, dass die deutschen Behörden dazu bereit sind.
8. Nach Massendemos wegen Gewalt an Frauen führt die Regierung in Australien Maßnahmen ein. Premierminister Anthony Albanese bezeichnete Gewalt gegen Frauen als "nationale Krise" und kündigte ein Paket in Höhe von 925 Millionen Australischen Dollar (560 Millionen Euro) an. Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt sind, können so rund 3000 Euro Soforthilfe erhalten, um einer Beziehung zu entkommen.
9. Feedback: Einer meiner Leser, der sich im Völkerrecht auskennt, schreibt mir zum Genderama-Beitrag von gestern, als es um die Frage ging, ob zum Beispiel in Srebrenica ein "Genozd" oder ein "Androzid" stattgefunden hat:
Jetzt mal abstrakt betrachtet und ohne im konkreten Fall Stellung nehmen zu wollen: Androzid schließt Genozid nicht aus. Bei Genozid geht es darum, ein Volk ganz oder in Teilen ausrotten zu wollen. Androzid kann Genozid sein. Zum einen sind Männer Teil eines Volkes und zum anderen ist der Erhalt eines Volkes ohne Männer nicht möglich.
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