Montag, April 22, 2024

Sorry, Caren Miosga, aber hier hat Maximilian Krah (AfD) leider Recht

Bekanntlich stehe ich bei zentralen Fragen konträr zur AfD und finde diese Partei in mehrfacher Hinicht bedenklich. Trotzdem kann es einen ärgern, wie unbeholfen Journalisten in der Auseinandersetzung mit dieser Partei hantieren – vor allem, wenn man die Werte von Wissenschaft und Aufklärung für wirklich wichtig hält. Blödsinn zu behaupten, nur um damit in der politischen Auseinandersetzung vermeintlich Punkte gegen die AfD machen zu können, halte ich für keinen strategisch gelungenen Zug.

Gestern Abend etwa war der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla zu Gast bei Caren Miosga. Dabei wird er immer wieder zu einem Buch seines Parteikollegen Maximilian Krah befragt (von dem ich wenig halte). Einen dieser Momente fasst die Rheinische Post unter einer Schlagzeile über angebliche "Frauenverachtung" so zusammen:

Miosga zitiert aus Maximilian Krahs Buch "Politik von rechts", in dem der Abgeordnete über die geringere Anzahl hochbegabter Frauen gegenüber Männern schreibt und schlussfolgert, sie seien "von Natur aus" nicht für Spitzenpositionen geeignet". Wieder müht sich der AfD-Politiker um Distanz zum EU-Spitzenkandidaten seiner Partei. Dessen Buch sei ja "nicht das Partei- oder Europaprogramm", sagt er und überrascht mit der Vermutung, es könne gut sein, dass Krah das Buch gar nicht selbst geschrieben habe


Nun werden durch die irrlichternden Anführungszeichen in diesem Absatz nicht klar, wo die Passage beginnt und aufhört, die auf Leser des Artikels wie ein Zitat aus Krahs Buch wirken muss. Am besten ist es, man schaut sich (hier ab Minute 21:40) die entsprechende Stelle der Sendung an:

Caren Miosga (liest aus Krahs Buch vor): "Der durchschnittliche Intelligenzquotient der Frauen ist dem der Männer nahe, wenngleich anders verteilt."

(Gelächter im Publikum)

Miosga: Ja, Sie lachen. (lacht auch) Steht hier! "Die Glockenkurve der IQ-Verteilung bei Frauen ist schmaler, es gibt also weniger Gering-, aber auch weniger Hochbegabte als bei den Männern, weshalb es keine Frauendiskriminierung ist, dass es weniger Frauen unter Nobelpreisträgern, Mathematikprofessoren oder DAX-Vorständen gibt." Da steht: Frauen sind von Natur aus für Spitzenpositionen nicht geeignet.

[Der letzte Satz wird von der Rheinischen Post zitiert.]

Chrupalla: Wo steht das mit den Spitzenpositionen – oder haben Sie das …? Das steht da jetzt nämlich nicht mehr.

Misoga: Weniger Frauen unter Nobelpreisträgern, Mathematikprofessoren oder DAX-Vorständen. Das sind Spitzenpositionen. Es war meine Übersetzung.


Puh. Eine persönliche "Übersetzung" als Zitat eines Buches zu verkaufen ist heikel.

"Die Zeit" macht es geschickter:

Auf ein Zitat aus Krahs Buch, demzufolge Frauen wegen ihres Intelligenzquotienten seltener Spitzenleistungen bringen würden als Männer, sagt er zunächst, das sei die Meinung eines Einzelnen: "Sein Buch ist nicht das Wahlprogramm der AfD." Dann macht Chrupalla sich lustig und weicht aus, weil es nichts zu erklären und zu rechtfertigen gibt: "Ich weiß ja gar nicht, ob er das Buch selbst geschrieben hat. Auch das müsste man mal fragen." (…) Chrupalla hebt die Hände. Rollt die Augen. Grinst beschämt. Letzte Verteidigungslinie des Parteichefs schließlich: Er zieht eine, wenn auch schwache Linie zwischen sich und das Gesagte. "Überflüssig" sei Letzteres. Das Publikum im Studio ist nun deutlich zu hören, es murrt.


N-tv gibt den Inhalt der Sendung so wieder:

Stattdessen zitiert [Miosga] aus einem Buch, das Spitzenkandidat Krah letztes Jahr veröffentlicht hat. Da schreibt er etwa, es gebe weniger hochintelligente Frauen als Männer, weshalb es auch keine Diskriminierung sei, wenn es weniger Nobelpreisträgerinnen, Mathematikprofessorinnen und Frauen in DAX-Vorständen gibt. Seine Meinung sei das nicht, sagt Chrupalla lächelnd und witzelt in Anspielung auf andere Politikerbücher: "Ich weiß auch gar nicht, ob er dieses Buch selber geschrieben hat." Bei Miosga kommt der frühere Siemens-Chef Joe Kaeser später noch einmal auf Krahs These zurück. Er kritisiert: "Dass Frauen weniger intelligent sind in der Breite als Männer, das ist schon eine beachtliche Art, über Frauen zu urteilen. Das wäre vielleicht eine bequeme Entschuldigung von DAX-Vorständen, die nicht in der Lage sind, Frauen dort hineinzufordern."


Das Problem bei der Sache: Was Maximilian Krah in seinem Buch geschrieben hat, ist in der wissenschaftlichen Intelligenzforschung gut belegt und gilt als weitgehend etabliert.

Da ich weiß, wie skandalös viele die Auffassung empfinden, ein AfD-Mitglied könnte mit irgendeiner Behauptung Recht haben, braucht es hierfür natürlich ausreichend Belege außerhalb rechter Publikationen. Schauen wir mal.

Der SWR klärt auf:

Zunächst sind Männer im Schnitt genauso intelligent wie Frauen. Die Mittelwerte ihrer Intelligenzquotienten unterscheiden sich nicht. Sie liegen in beiden Fällen etwas über hundert. Richtig ist: Es gibt bei Männern eine größere Streuung, also mehr Ausreißer nach oben und nach unten. Mehr Superintelligente mit einem IQ höher als 130, aber auch mehr geistig Behinderte mit einem IQ unter 70.


Das ist exakt das, was Miosga aus Krahs Buch zitiert.

In der Süddeutschen Zeitung heißt es unter der (leicht irreführenden) Schlagzeile "Also doch: Männer sind intelligenter als Frauen":

In ihrer Untersuchung fanden Paul Irwing und Richard Lynn vom Zentrum für Psychologie der Universität Manchester heraus, dass der IQ von Männern im Alter über 14 Jahren durchschnittlich fünf Punkte höher ist als bei Frauen. Und je höher der IQ ist, desto größer ist der Studie zufolge der Abstand zwischen Männern und Frauen.

Der Studie zufolge gibt es bis zum 14. Lebensjahr keinen Unterschied zwischen Jungen und Mädchen, danach aber schon: Doppelt so viele Männer wie Frauen haben einen IQ oberhalb von 125 Punkten.

Ab der Grenze von 155, die Genies zugesprochen wird, kommt auf 5,5 Männer sogar nur noch eine Frau. Die Ergebnisse der Studie erklärten vielleicht zum Teil, wieso es mehr Männer unter den Schachmeistern, bei den Gewinnern von Mathematik-Wettbewerben oder unter den Nobelpreisträgern gebe, sagte Irwing.


Aus einer Veröffentlichung der Universität Oxford erfährt man:

Bei der allgemeinen Intelligenz sind jedoch etwas mehr Mädchen als Jungen in diesen Stichproben um die Durchschnittswerte herum und verhältnismäßig mehr Männer als Frauen an den oberen und unteren Extremen zu finden.


Ausführlicher wird ein Autor der Website Intellectual Takeout:

Als Gruppen haben Männer und Frauen praktisch den gleichen durchschnittlichen IQ, aber ihre Standardabweichungen sind sehr unterschiedlich. Frauen sind in der Nähe des Mittelwerts angesiedelt, während Männer über das gesamte Spektrum verstreut sind. Viele Männer liegen innerhalb von ein oder zwei Standardabweichungen des Mittelwerts, haben also eine durchschnittliche Intelligenz, aber nicht wenige liegen auch über oder unter dem Niveau von drei oder sogar vier Standardabweichungen, d. h. es gibt mehr männliche Ausreißer, die sehr intelligent sind, und mehr, die weniger intelligent sind. (…) Aus diesem Grund gibt es viel mehr Männer als Frauen, die obdachlos sind oder in psychiatrischen Einrichtungen und Gefängnissen leben. Ein ähnliches Phänomen findet sich aber auch am anderen Ende dieser Verteilung. Unter den Nobelpreisträgern in Physik, Chemie und Wirtschaft sind Frauen weitaus weniger vertreten als Männer. Weit weniger Frauen als Männer erhalten die Fields-Medaille in Mathematik


Die liberale Feministin Christina Hoff Sommers führt aus:

Männer und Frauen scheinen im Durchschnitt gleich intelligent zu sein. Bei standardisierten Intelligenztests erzielen jedoch mehr Männer als Frauen überdurchschnittliche Ergebnisse - in beide Richtungen. Die größere Varianz von Männern bei Intelligenztests ist eine der am besten belegten Erkenntnisse der psychometrischen Literatur. Es gibt mehr Männer mit geistigen Defiziten und mehr Männer, die überdurchschnittlich brillant sind.


Auch Studien über Schulkinder bestätigen das:

Die Autoren der Studie kamen zu dem Schluss, dass "es keine signifikanten Mittelwertunterschiede bei den kognitiven Testergebnissen zwischen Jungen und Mädchen gab, wohl aber einen hoch signifikanten Unterschied bei den Standardabweichungen. Jungen waren am unteren und oberen Ende der kognitiven Fähigkeiten überrepräsentiert". Die Autoren spekulieren, dass ihre Ergebnisse "solche kognitiven Ergebnisse wie den leichten Überschuss an Männern, die einen erstklassigen Universitätsabschluss erreichen, und den Überschuss an Männern mit Lernschwierigkeiten erklären könnten."


Wenn Sie jetzt schon erschöpft von all den zitierten Passagen sein sollten: Man könnte stundenlang so weitermachen. Entsprechende Erklärungen sind online zuhauf zu finden. Es geht auch so schnell, dass ich das problemlos für eine Sendung vom Vorabend leisten kann. Bei Google die passenden Stichworte wie "Frauen, Männer, IQ" einzugeben reicht. Der Redaktion einer Sendung wie "Caren Miosga" sollte es umso leichter fallen. Stattdessen beömmelt sich Miosga mit ihrem Publikum über etwas, das natürlich politisch unkorrekt, aber in der Forschung gut belegt ist. (Ob eine Aussage "stimmt", lässt sich oft schwer mit letzter Endgültigkeit sagen, da Wissenschaft ständig im Fluss ist.) Der Mensch, den sie verspottet, ist selbst nicht in der Sendung anwesend und kann zu den aus seinem Buch vorgelesenen Passagen keine Stellung nehmen. Stattdessen amüsiert sich sein hiflos-überforderter Parteikollege über ihn mit. Man kann die AfD rundheraus ablehnen und dieses Vorgehen trotzdem fragwürdig finden.

Nun könnte man aber auch einwenden: Was soll die Klugscheißerei, gerade wenn man die AfD als politischen Gegner betrachtet? Die Diskreditierung ist Miosga doch vor zahlreichen Zuschauern geglückt, und viele Printmedien sorgen für noch größere Verbreitung. Sorgt ein Genderama-Beitrag wie dieser nicht nur für Attacken wie "Männerrechtler verteidigt AfD-Kandidaten" und neue Unterstellungen, Maskulisten wären frauenfeindlich und rechts? Ja, vermutlich schon, wenn ich nach meinen Erfahrungen in den letzten Jahren gehe. Statt um eine sachliche Diskussion geht es oft nur noch Lager gegen Lager.

Allerdings halte ich es erstens für fraglich, ob man eine Partei wie die AfD wirklich mit wisenschaftsfernen Methoden angehen muss. Zweitens ist abzusehen, dass untaugliche Versuche wie der von Miosga in den Kanälen, über die sich AfD-Anhänger vielfach informieren, genüsslich als weiterer Beleg für die "Lügenpresse" angeführt werden wird. Der Youtuber Kolja Barghoorn enthüllte Miosgas Patzer schon gestern Abend auf X (Twitter). Erste kritische Youtube-Videos zur Sendung – ich habe mir nicht die Zeit genommen, sie anzusehen – stehen auch schon online. Womöglich entsteht in der Debatte vielfach sogar der Eindruck, Frauen seien tatsächlich blöder als Männer.

Journalistische Versuche, die AfD zu stellen und zu diskreditieren, bleiben ein Elend.



[Nachtrag eine Stunde nach dem Bloggen dieses Beitrags: Ich sehe gerade, Kolja Barghoorn hat sein Youtube-Video zur Sendung inzwischen auch online gestellt und hat bereits über zweieinhalbtausend Likes geerntet. Absolut vorhersagbar: Wenn ein Ball direkt vor dem Tor liegt und der Torwart eine Toilettenpause macht, verwandelt man den Elfmeter eben.]



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