Heute vor fünfzehn Jahren ging der
erste Genderama-Blogbeitrag online – ein Verweis auf einen Artikel der "Welt", der selbst nicht mehr online steht:
Unter der Überschrift "Wenn Männer zu Verlierern im Geschlechterkampf werden. Klagen über Benachteiligung und Gewalt - Gleichstellungspolitik konzentriert sich bisher auf Frauen - Forderung nach Bewusstseinswandel in der Gesellschaft" berichtet die "Welt" über die aktuell vom Bundesfrauenministerium vorgestellten Gewaltstudien. Obwohl sechs von sieben Männern bereits einmal Gewalterfahrungen gemacht haben, liegt der Schwerpunkt des Ministeriums noch immer bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen.
Da auch Männer einen Recht auf Schutz und Unversehrtheit hätten, fordert der Geschlechterforscher Hans-Joachim Lenz einen Bewusstseinswandel und eine Gleichstellungspolitik, die auch die Probleme von Männern berücksichtigt. Diese Forderung unterstützt unter anderem Reiner Wanielik von der Fachstelle für Jungenarbeit des Paritätischen Bildungswerkes Rheinland-Pfalz/Saarland: Männer sterben in Deutschland sieben Jahre früher als Frauen, haben häufiger mit Herz-Kreislaufproblemen und Süchten zu kämpfen und begehen drei von vier Selbstmorden. Leider laute die Maxime immer noch: "Ein Mann klagt nicht und beißt die Zähne zusammen." Der Grundstein für die verfehlten Entwicklungen werde schon in der frühen Kindheit gelegt.
Wahnsinn, oder, was sich seit damals alles für uns verbesert hat?
All diese gigantischen Veränderungen wären nicht möglich gewesen, ohne
- politische Parteien, die darum wetteiferten, wie sie auch der männlichen Hälfte der Wählerschaft ein überzeugendes Angebot machen können,
- die "Qualitätsmedien", die sich den Anliegen der Männerbewegung voller Interesse widmeten: nicht nur wegen ihrer Pflicht zur ausgewogenen Berichterstattung, sondern auch weil nach einem halben Jahrhundert einseitiger Sicht auf das Geschlechterthema die Perspektive von Männern frischen Wind in die Debatte brachte,
- ein akademischer Sektor, wo im Fach Genderstudien feministische und maskulistische Literatur gleichermaßen gelesen und kritisch besprochen wurden, damit die Studenten dort einen so breiten Horizont wie möglich vermittelt bekamen,
- ein staatliches Bundesforum Männer, das weit entfernt von jeder Korrumpierbarkeit dadurch, dass die Geldtöpfe in feministischer Hand waren, sich zügig mit der Basis der Männerbewegung vernetzte und mit ihr konstruktiv zusammenarbeitete, um Benachteiligungen von Männern konsequent immer wieder zum Thema zu machen.
Wenn es diesen Aufbruch nicht gegeben hätte, dann hätte sich die Lage der Männer in den letzten Jahren auch nicht so entschieden verbessert, wie es glücklicherweise der Fall gewesen ist.
Okay ...
Natürlich habe ich mir zum 15jährigen Jubiläum dieses Blogs noch etwas anderes überlegt als meinen berüchtigten Sarkasmus.
Stattdessen habe ich mich für ein eher launiges Thema entschieden: Was waren in den letzten 15 Jahren eigentlich die Genderama-Blogbeiträge, die am meisten angeklickt wurden, euch also am meisten interessiert haben? Blogspot macht die Erstellung einer solchen Top Ten ja problemlos möglich. Schauen wir uns doch an diesem Jahrestag einmal die Charts der meistgelesenen Genderama-Beiträge an. Es waren oft weder meine persönlichen Lieblingstexte hier, noch Beiträge, von denen ich eine so hohe Aufmerksamkeit erwartet hatte.
Auf Platz 10 etwa, was die Zugriffszahlen angeht, liegt der Beitrag
Was die Grünen in Bayern wollen, der am 7. Oktober 2018 kurz vor der bayrischen Landtagswahl die geschlechterpolitischen Pläne dieser Partei auflistete. Ob diese Darstellung wohl ein klein wenig dazu beitrug, dass die Grünen wider Erwarten keine Mitglieder der aktuellen bayrischen Landesregierung geworden sind?
Auf Platz 9 liegt ironischerweise der Beitrag, den ich am schnellsten von allen geschrieben habe:
Neue Regierung: Das ist in den nächsten vier Jahren für Männer drin vom 8. Februar 2018. Offenbar mögen es zahlreiche Leser, wenn man etwas ohne viel Worte auf den Punkt bringt.
Auf Platz 8 liegt vom 18. Mai 2015 einer dieser Beiträge, bei denen ich keine Ahnung habe, warum sie zu tausenden angeklickt worden sind:
Verfasser der Vergleichstudie Feminismus/Maskulismus bietet Vorträge und Artikel an. Mit diesem Eintrag wollte ich einem vielversprechenden jungen Politikwissenschaftler nur mal einen kleinen Gefallen tun, aber irgendjemand muss Links darauf sehr fleißig verteilt haben. Das
Blogpost, auf das darin verwiesen wird, finde ich für eine breite Leserschaft sehr viel spannender, schaffte es aber eben nicht in die Top Ten. (Kommt jetzt bitte nicht alle auf die Idee, mir ähnliche Gesuche zuzuschicken; Genderama ist normalerweise nicht als Schwarzes Brett für die Jobsuche gedacht.)
Auf Platz 7 liegt am 5.4.2018 der verblüffende Hinweis darauf, dass eines der geschlechterpolitisch einseitigsten Blätter unseres Landes plötzlich entdeckt hat, dass vielleicht doch nicht nur die weibliche Perspektive zählen sollte: Es ging um die
"Zeit"-Titelgeschichte: "Schäm dich, Mann!" Allerdings traute sich "Die Zeit" natürlich nicht, etwas derart Kühnes zu veröffentlichen, ohne einen Gegen-Artikel nachzuschieben, und der Journalist, der auch einmal über die Befindlichkeiten von Männern sprechen wollte, erhielt von vielen Feministinnen in den Leitmedien Gruppenkeile, wobei viele Schläge unter die Gürtellinie gingen. Lucas Schoppe hat sich mit dem Artikel und den Reaktionen darauf
hier und
hier beschäftigt und dabei herausgearbeitet, wie bizarr die Geschlechterdebatte im "Qualitätsjournalismus" mittlerweile geführt wird. Rückblickend zeigt diese Kontroverse die wahren Machtverhältnisse im "Frauen unterdrückenden Patriarchat".
Platz 6 führt uns zurück in jene Zeiten, als ein Genderama-Beitrag auch mal zum Großteil in englischer Sprache verfasst sein konnte. Am 20. August 2014 schlagzeilte Genderama
Debatte: "Die künstliche Gebärmutter wird den Feminismus für immer verändern" Die hier skizzierte Entwicklung und ihre Bedeutung für die Rechte von Männern in unserer Gesellschaft sind immer noch spekulative Zukunftsmusik, faszinierten aber offenbar zahlreiche Leser.
Platz 5 beleuchtete am 9. September 2018 die Folgen von MeToo in den USA unter einer für Genderama typisch boulevardesken Schlagzeile:
"Irre: So haben junge New Yorker inzwischen Sex". Das hätte man natürlich auch feinsinniger und weniger reißerisch formulieren können, aber das wäre dann eben nicht der fünfte Platz für einen lesenswerten Text gewesen.
Der Beitrag auf Platz 4 stammt vom 5. Dezember 2017:
"Frauen stocksauer, weil Facebook gegen Hate Speech einschreitet". Eine hübsche ironische Volte: Feministinnen hatten gefordert, dass Facebook gegen aggressive Wortmeldungen eingreifen sollte, aber nicht bedacht, dass der Konzern das ohne Ansehen des Geschlechts und der Zugehörigkeit zu einem politischen Lager tun würde, weshalb auch viele Rüpeleien von Frauenseite zensiert wurden. Das führte zu einiger Verstörung, aber wenig Einsicht: Noch heute poltern im Gender-Bereich viele gegen "Antifeminismus", während ihnen "Antimaskulismus" reichlich schnuppe ist, und männerfeindliche Hate Speech ist diesem Lager kaum die Rede wert. Das schützenswerte Geschlecht ist auch für viele Feministinnen der Gegenwart immer noch weiblich. Dieses Messen mit zweierlei Maß fanden viele von euch so bezeichnend, dass ihr diesen Beitrag massenhaft angeklickt und verbreitet habt.
Wie man bisher schon gesehen hat, stammen die meisten Beiträge dieser Charts aus der jüngeren Gegenwart, selbst das Jahr 2014 war ein radikaler Ausreißer. Auf Platz 3 der meistgelesenen Blogposts liegt sogar ein Eintrag, den ich erst vor wenigen Tagen veröffentlicht habe:
Professor gesteht: "Ich habe mir die Grundlagen der Genderstudien nur ausgedacht" vom 18. September dieses Jahres. Kritik an den pseudowissenschaftlichen Zügen der Genderstudien gibt es ja zuhauf, aber das ist einer der seltenen Fälle, wo es in diesem Fachbereich auch einmal Selbstkritik von innen gab: ungewöhnlich genug für den dritten Platz.
Nun würde Genderama nicht seit 15 Jahren mit mehreren tausend Lesern pro Tag bestehen, wenn es nicht eine Lücke schließen würde, die die Leitmedien sperrangelweit offen lassen: Gerade "Zeit", "taz", Spiegel-Online und "Süddeutsche Zeitung" wetteifern oft darin, Männer so negativ wie möglich darzustellen und ihre Anliegen beiseite zu wischen. Platz 2 der Genderama-Charts verät, welches Blatt in diesem kuriosen Wettstreit zeitweise die Führung übernommen hatte – die "Süddeutsche Zeitung" nämlich mit ihrer Geheimwaffe Julian Dörr. Einen besonders schäbigen Artikel von ihm habe ich am 12.6.2017 unter der Überschrift
Süddeutsche Zeitung zu den Problemen der Männer: "Mimimi" zerpflückt, und diese Analyse war einer eurer Lieblingsbeiträge. Immerhin zeigen so heftige Reaktionen wie Dörrs Artikel, dass unsere Leitmedien den Maskulismus, obwohl sie ihn weitgehend totschweigen, als so bedrohlich wahrnehmen, dass sie einen solchen Backlash gegen die Emanzipation der Männer notwendig finden. Denn online, abseits der gedruckten Zeitungsartikel, hat sich der Geschlechterdiskurs in den letzten 15 Jahren ganz erheblich gewandelt, und immer mehr Menschen sehen, dass es zwei Seiten bei einer Medaille gibt. (Näher mit Julian Dörr hat sich übrigens Mark Smith im Blog von Lucas Schoppe beschäftigt:
Hier und
hier.)
Und schließlich kommen wir zu PLATZ 1, dem meistgelesenen und -verlinkten Genderama-Beitrag überhaupt. Dieser Blogpost greift den Blogpost von Platz 9 dieser Charts auf, aber ernsthaft statt satirisch zugespitzt:
Konkreter: Was verspricht der neue Koalitionsvertrag Frauen und Männern? vom 8. Februar 2018. In diesem Beitrag habe ich einfach nur gegenübergestellt, was die aktuelle schwarz-rote Regierung weiblichen und was sie männlichen Wählern anzubieten hat. Dieser Kontrast (seitenweise Versprechungen an Frauen, eine knappe leere Floskel für Männer) ist so aussagestark, dass er für den Top-Genderama-Beitrag überhaupt sorgte. Gleichzeitig veranschaulicht diese eklatante Vernachlässigung einer riesigen Wählergruppe die großen Entwicklungen, die in den letzten Jahren in der deutschen Politik stattgefunden haben: der Abschied von SPD und demnächst vielleicht auch der CDU von ihrem Status als Volksparteien hin zu Parteien, die die einflussreichsten Lobbygruppen befriedigen möchten (und das sind nun mal Feministinnen statt Männerrechtlern), was wiederum zum Aufstieg der AfD und einer immer zynischeren Einstellung vieler Bürger gegenüber der deutschen Regierungspolitik führte. Leitmedien und Politik haben eine enorme Schlagseite, und das tut diesem Land nicht wirklich gut. Der meistgelesene Gendera,a-Beitrag von allen machte diese schlagseite, wenn es um ie Geschlechterdebatte geht, jedem mit einem Blick sichtbar.
15 Jahre Genderama bedeutet übrigens auch, dass man 15 Jahren lang den Leitmedien dabei zusah, wie sie immer wieder neue Feministinnen mit Artikeln und Lobpreisungen nach vorne pushten, die danach in der Geschlechterdebatte keine große Rolle mehr spielten. Wer kennt denn heute wirklich noch Jana Hensel, Meredith Haaf, Thea Dorn, Bascha Mika: alles Feministinnen, deren Bücher in Artikeln vorgestellt wurden, die durch die Talkshows wanderten ... und die keine großen Spuren hinterlassen haben. Oder erinnert sich noch jemand der Jüngeren beispielsweise an Lisa Ortgies, die als Kronprinzin Alice Schwarzers aufgebaut worden und 2008 kurzzeitig sogar Chefredakteurin der "Emma" war? Selbst von Anne Wizorek hat man seit Jahren nichts mehr gehört, und von Sibel Schick kam nach "Männer sind Arschlöcher" auch keine nur annähernd so brillante geistige Leistung mehr. Heute huldigen viele Margarete Stokowski, aber auch da wird man sich in fünf bis zehn Jahren fragen, was ihre große geistige Hinterlassenschaft eigentlich gewesen ist. Echtes Neuland zu beackern verschafft einem da größere Befriedigung, auch wenn die Leitmedien davor zurückschrecken, Themen wie "sexuelle Gewalt und andere Menschenrechtsverletzungen gegen Männer" oder "rassistischer Sexismus gegen weiße Männer" breit aufzugreifen. Das Aufkommen einer Bewegung für Männerrechte hat die Geschlechterdebatte aber tatsächlich verändert, auch wenn dies bislang hauptsächlich im Internet stattfindet.
Zuletzt möchte ich euch allen dafür danken, dass ihr Genderama die Treue gehalten und mich mit Hinweisen auf interessante Meldungen, mit Feedback und mit
Spenden für dieses Blog immer wieder unterstützt habt. Der Leser, der mich auf die Idee gebracht hat, die Arbeit an diesem Blog aufrecht zu erhalten, indem ich euch um finanzielle Unterstützung dabei bitte, hat womöglich dafür gesorgt, dass es Genderama in dieser Form überhaupt noch gibt. (Und der Leser, der mich auf eine Übersetzungsmaschine im Internet aufmerksam gemacht hat, hat dafür gesorgt, dass viele potentielle Leser nicht aufgrund einer Sprachbarriere außen vor geblieben sind.) Also noch einmal: Ganz herzlichen Dank!