Donnerstag, September 19, 2019

"Frauen bekommen ein Viertel weniger Rente": Was hinter dieser Meldung steckt – News vom 19. September 2019

1. "Frauen bekommen ein Viertel weniger Rente" schlagzeilte vorgestern die Süddeutsche Zeitung, wo man die vermeintliche Diskriminierung des weiblichen Geschlechts regelmäßig zum Thema zu machen versucht. Andere Medien, etwa der "Focus" und t-online griffen diese Berichterstattung sofort auf. Dabei müsste das in diesem Fall sogar eine positive Nachricht sein, denn noch vor zwei Jahren hatte es auf Spiegel-Online, wo man die selbe geschlechterpolitische Agenda wie bei der Süddeutschen fährt, geheißen: "Frauen erhalten in Deutschland nur halb so viel Rente wie Männer". Von nur die Hälfte bis lediglich ein Viertel weniger in zwei Jahren – bei diesem Tempo dürfte das Problem ja bald vom Tisch sein?

Stattdessen wird hier, Genderama-Leser ahnen es schon, mit der Rhetorik von der Frauendiskriminierung einmal mehr Politik betrieben. Um im einzelnen zu erläutern, wie hier gearbeitet wird, müsste man eigentlich diesen gesamten Beitrag des Professors für Volkswirtschaftslehre, Sozialpolitik und Sozialwissenschaften Stefan Sell lesen. Für die Genderama-Presseschau kann ich nur einige Absätze herausgreifen, die zumindest grob umreißen, was hinter der fragwürdigen Berichterstattung unserer "Qualitätsjournalisten" steckt:

Eine zentrale Kritik (...) bezieht sich auf den Tatbestand, dass sich der Gender Pay Gap ausschließlich auf individuelle Alterseinkünfte bezieht und daher den für Wohlstandsanalysen indizierten Haushaltskontext negiert. Außerdem führt der GPG-Index sogar in die Irre, weil er die Hinterbliebenenrenten außer Acht lässt. Und weiter: "Die Grundüberlegung des Gender Pension Gaps ist von der Konzeption des Gender Wage Gaps abgeleitet: Die empirisch belegbaren durchschnittlich höheren Löhne von Männern gegenüber Frauen." Die sich dann auch in entsprechend höheren bzw. niedrigeren Renten niederschlagen. [Die Wirtschaftswissenschaftler] Faik und Köhler-Rama weisen dann darauf hin, dass der "Gender Wage Gap in der Diskussion über die Benachteiligung von Frauen bislang eine sehr erfolgreiche Rolle gespielt (hat). Es liegt (aus frauenpolitischer Sicht) also nahe, einen solchen Index auch für die wichtiger werdende Alterssicherungsdiskussion zu nutzen."

(...) "Eine Lohnlücke ist allerdings nicht vergleichbar mit einer Rentenlücke", behaupten die Autoren. Wie das? "Alterssicherungsansprüche subsumieren nicht nur Einkommensverläufe, sondern sämtliche Entscheidungen und Schicksale im Laufe eines Erwerbs- und Familienlebens von Frauen und Männern. Frauen würden sich vermutlich nicht freiwillig für einen geringeren Lohn bei gleicher Tätigkeit und Qualifikation entscheiden. Sie dürften sich aber in nicht wenigen Fällen freiwillig und einvernehmlich mit ihrem Partner für eine Heirat oder Nichtheirat, für Kinder oder Kinderlosigkeit, für Vollzeiterwerbstätigkeit oder eine Phase der Teilzeitarbeit entscheiden, in der sie ihre Kinder zu Hause betreuen."

Und eine weitere Zumutung halten Faik und Köhler-Rama bereit: "Sozialpolitisch führt der Indikator in die Irre, da er eine Benachteiligung von Frauen im Alterssicherungssystem suggeriert." Ja, eine Benachteiligung ist doch offensichtlich. Die beiden Autoren sehen das anders: "Eher das Gegenteil ist der Fall: Frauen erhalten für denselben Beitrag mehr Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und weisen aufgrund ihrer durchschnittlich deutlich höheren Lebenserwartung signifikant höhere Beitragsrenditen in der gesetzlichen Rentenversicherung auf. Sie profitieren in weit höherem Maße als Männer von Elementen des sozialen Ausgleichs im Rentenrecht. So wurde z.B. die rentenrechtliche Anerkennung von Kindererziehungsleistungen – die überwiegend von Frauen erbracht werden – in den vergangenen Jahren stark aufgewertet, und dies führt zu einer nennenswerten Verbesserung der Alterssicherungsansprüche von Frauen in den jüngeren Kohorten."

Hinzu kommt: "Verheiratete Frauen verfügen zwar vielfach über relativ geringe eigenständige Rentenanwartschaften. Der Versorgungsausgleich und die Hinterbliebenenrente sind aber Elemente in der Alterssicherung, die sie faktisch gegen das Scheidungs- und das Verwitwungsrisiko absichern" sollen. "Hinterbliebenenrenten beinhalten eine Anerkennung der Familien- und Erziehungsleistungen von Frauen. Sie in einem Index unberücksichtigt zu lassen, der für sich beansprucht, eine Aussage über die Fairness der Alterssicherung von Frauen (im Vergleich zu Männern) zu treffen, unterschlägt eine wesentliche Dimension und ist daher nicht sinnvoll."

Und dann legen Faik/Köhler-Rama (...) den Finger auf eine immer wiederkehrende Debatte, die sich zentrieren lässt um das Argument, dass man zwischen der Individual- und der Haushaltsperspektive unterschieden sollte: "Es ist … eine seit Jahrzehnten bekannte Binsenweisheit, dass kleine Renten von Frauen nicht gleichbedeutend mit dem Vorhandensein von Altersarmutsrisiken sind. Im Gegenteil: Kleinstrenten von Frauen sind oftmals mit relativ hohen Haushaltseinkommen bei Ehepaaren verbunden."


Also alles wie gehabt in der Genderdebatte: Es ist eher das Gegenteil dessen der Fall, was uns von interessierter Seite verkauft wird. Mitleid für die "armen, benachteiligten Frauen" ist häufig fehl am Platz, ja Frauen profitieren per saldo sogar mehr von unserem Rentensystem als Männer. Warum schreibt das die Süddeutsche Zeitung nicht? (Anschlussfrage: Warum hat diese Zeitung die Kommentarspalte unter ihren Online-Beiträgen abgeschafft, wo man auf derartig irreführende Berichterstattung zumindest hätte hinweisen können? Zweite Anschlussfrage: Wollen unsere Leitmedien ihre Leser eher informieren oder eher von ihrer politischen Weltsicht überzeugen?) Professor Sell führt weiter aus:

Nun wieder zurück zu dem aktuellen Beitrag von Hendrik Munsberg [in der Süddeutschen Zeitung]: Frauen bekommen ein Viertel weniger Rente als ihre Partner. Dem ganz aufmerksamen Leser wird hier übrigens auffallen, dass sich die Überschrift des Artikels im Vergleich zum Anfang des Beitrags verändert hat – denn da hieß es noch: "Frauen bekommen ein Viertel weniger Rente". Offensichtlich hat man innerhalb weniger Stunden den Titel in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung entsprechend verändert, ohne dass darauf hingewiesen wurde. Aber der neue Titel macht es auch nicht besser, eher im Gegenteil. Der nicht mit der Materie vertraute Leser muss den Eindruck bekommen, dass die Frauen an sich bestraft werden bei der Rente.


Ich lehne mich mal ganz kühn aus dem Fenster und behaupte, dass dieser Eindruck beim Leser auch erzeugt werden soll. Zu dieser Vermutung komme ich durch die Stoßrichtung der Süddeutschen Zeitung beim Geschlechterthema insgesamt. Professor Sell indes verfolgt noch eine andere Spur. Eine "differenzierte Darstellung" der Faktenlage sei vielleicht gar nicht das Ziel der Studie gewesen, die die Süddeutsche so interessiert aufgegriffen hatte, weil es ihr so gut ins Konzept von den armen, diskriminierten Frauen gepasst haben könnte:

Möglicherweise geht es hier um einen ganz anderen Mechanismus, den man ansteuern möchte: die Risikoaversion (gerade in Deutschland), die Angst vor der Altersarmut und darauf aufsetzend dann ein "hilfreicher" Bewältigungsvorschlag. So berichtet Munsberg in seinem Artikel: "Niessen-Ruenzi betont die Bedeutung ihrer Ergebnisse: „Das ist gesellschaftspolitisch wichtig, wenn man sich die aktuellen Scheidungsraten ansieht, sind viele Frauen nicht mehr über ihre Männer abgesichert. Sie sollten frühzeitig anfangen, selbst vorzusorgen.“"

Die Frauen "sollten frühzeitig anfangen, selbst vorzusorgen"? Da werden bei einigen die Alarmlampen angehen. Davon sprechen bekanntlich gerne diejenigen, die den Menschen zusätzliche Altersvorsorgeprodukte verkaufen wollen. Sollte es hier einen Zusammenhang geben?

Hendrik Munsberg selbst beendet seinen Artikel mit diesem nicht ganz unwichtigen Hinweis: "Dass die aktuelle Studie von einem Finanzdienstleister wie Fidelity in Auftrag gegeben wurde, ist kein Zufall. Fondsgesellschaften, Banken und Versicherungen verdienen Milliarden mit Vorsorgeprodukten, die Lücken der gesetzlichen Rentenversicherung schließen sollen. Für Unkundige ist es bei oft intransparenten Gebühren aber schwierig, passende Angebote zu finden." Wie dem auch sei – aber Fidelity kann sich über eine viele beunruhigende "Rentenlücke" freuen, denn das könnte den einen oder anderen dazu bewegen, sich dem (angeblich) "weißen Ritter" der privaten Altersvorsorge in die Arme zu werfen. Möglicherweise aber kommt man dabei unter die Hufen, was schmerzhaft enden würde.


Auf solche Dinge weist in der öffentlichen Debatte allerdings kaum jemand hin – außer uns bösen Männerrechtlern natürlich, die man besser aus der Debatte ausgrenzt, weil wir mit Beiträgen wie diesem so gemein "frauenfeindlich" sind.



2. Es gibt neue Erkenntnisse dafür, dass es kein böses "Patriarchat" ist, das Frauen von der Karriere abhält:

Für Frauen wie Männer gilt: Wettbewerb spornt zu besseren Leistungen an. Sind Frauen jedoch zusätzlich erhöhtem Stress ausgesetzt, haben Wettbewerbssituationen auf sie den gegenteiligen Effekt: Ihre Leistung nimmt ab. Folglich vermeiden gestresste Frauen verstärkt den Wettbewerb. Diese Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten ökonomischen Studie könnten erklären, warum Frauen in gut bezahlten Berufen sowie in Führungspositionen immer noch unterrepräsentiert sind und stellen so manche Management-Methode infrage.


Die Max-Planck-Gesellschaft berichtet.



3. Nachdem es Medienberichten zufolge geheißen hatte, dass die Stadt Salzburg auf das Gendern verzichte, kam es dort zu einiger Verwirrung, was diese Frage anging. Die aktuelle Tageslosung lautet: "Nach außen gendern wir, nach innen nicht."



4. "Wie feministische Social Justice Warriors Männer töten" schlagzeilt das konservative Online-Magazin "The American Thinker". Wie schon seine Überschrift verrät, ist der Tonfall des Beitrags (er stammt offenbar von einem weiblichen Autor) deutlich schärfer als Beiträge, die normalerweise auf Genderama verlinkt werden. Aber auch auf diese neue Schärfe lohnt es sich hinzuweisen. Bislang wurde der feministische Furor a la "Männer sind Arschlöcher" (Sibel Schick, Missy Magazine) in politischen Magazinen ja nicht mit derselben Heftigkeit erwidert, und mir persönlich liegt der krawallige Stil ja auch nicht so. Einige Auszüge aus dem Artikel:

Warum sind Feministinnen der Neuzeit so wütend auf Männer? Wir leben in einer Welt, in der alle wirklichen Probleme und Anliegen gelöst werden, so dass das Signalisieren von Tugend und soziale Gerechtigkeit entstanden sind, um Themen zu erzeugen, über die man sich empören kann. Stellen Sie sich vor, Sie wachen jeden Tag auf und suchen nach Dingen, die Sie verärgern, und entscheiden dann, ob Männer die Ursache für alles Böse sind? Stellen Sie sich vor, Sie verwandeln die Probleme von Männern in eine Möglichkeit für Frauen, weiter Opfer zu spielen? Solchen Unsinn findet man bereits in vielen Medien, zum Beispiel in diesem Artikel aus Harpers Bazaar "Männer haben keine Freunde und Frauen tragen die Last" . Isolierte Männer sind die Last einer Frau? Diese unaufhörliche Umschmeicheln von Frauen, indem man sie als die ultimativen Opfer einer unterdrückerischen Gesellschaft darstellt, muss wirklich beseitigt werden.

Männer fühlen sich hoffnungslos und unerwünscht. Sie verlieren die Fähigkeit, einen Sinn im Leben zu finden, da sie immer wieder von den Medien darüber aufgeklärt werden, wie schlecht sie allein durch ihre bloße Existenz sind. Wenn du keinen Sinn im Leben findest, was nützt es dann, einfach zu leben, um zu existieren? Das ist ein echtes Problem, mit dem Männer heute konfrontiert sind, und es sind Frauen, die es verursacht haben.

(...) Stellen Sie sich vor, Sie wären ein junger Mann, und Sie hören nur, wie schrecklich, grausam, räuberisch und geradezu böse Männer sind. Führt dieser ununterbrochene Schwall von erniedrigender Sprache zu gesundem Selbstwertgefühl oder psychischer Gesundheit? Nein. Eine ganze Gruppe von Menschen wird jeden Tag misshandelt und seelisch zusammengeschlagen, und dann fragen wir uns, warum der männliche Selbstmord auf dem Vormarsch ist? Wenn es um psychische Gesundheit geht, ist es für Social Justice Warriors und insbesondere Feministinnen der Dritten Welle wichtig zu verstehen, dass sie buchstäblich Männer töten.

(...) Wie wäre es, wenn wir die Schuldzuweisung für schlechte Entscheidungen, nachträgliches Bedauern und das Gefühl der Überlegenheit durch Verteufelung von anderen bleiben lassen? Das wäre ganz sicher mal eine schöne Abwechslung. Vielleicht wird dann die erdrückende Depression dadurch, dass man sich in unserer Gesellschaft wertlos fühlt, zurückgehen und dringend benötigter Anstand wird zurückkehren.


Der Artikel endet mit einem Hinweis auf die nationale Notrufstelle für selbstmordgefährdete Menschen.

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