Tages-Anzeiger: "Die Leiden der jungen Männer" – News vom 16. September 2019
1. Mehrere Leser haben mich heute Morgen begeistert auf einen Beitrag im Schweizer "Tages-Anzeiger" über die Diskriminierung junger Männer im Bildungssystem aufmerksam gemacht. "Der Artikel könnte von Ihnen stammen", schreibt mir einer von ihnen. "Aber er kommt – man staune! – aus der Feder von Michelle Binswanger." (Binswanger schreibt häufig feministische Artikel.) Der Artikel steht im Ranking der meistgelesenen "Tages-Anzeiger"-Beiträge gerade an erster Stelle. Er ist allerdings nur für Abonnenten des Blattes freigeschaltet. Einige Auszüge:
Zwei Gymnasiasten sitzen an einem der Tische, beide im Maturjahr, und beide haben eine klare Meinung. Die Frage war: Wird man heute in der Schule als junger Mann gegenüber den Mädchen benachteiligt? Die Antwort: Ja, definitiv. "Feminismus hiess einmal Gleichstellung. Jetzt wollen die Frauen einfach so viel für sich herausholen, wie es nur geht", sagen sie.
Beide Buben betonen, dass sie für Gleichstellung sind, beide haben Schwestern und Mütter, die arbeiten. Sie wurden erzogen, dass man Frauen ehren und wertschätzen soll. Umgekehrt scheine dies aber nicht der Fall zu sein. Zumindest nicht in der Schule. "Wir werden damit bombardiert, dass man sich als Mann schuldig fühlen muss", sagen sie. Der Druck komme von Lehrerinnen und Mitschülerinnen. "Dauernd wird man in ein schlechtes Licht gerückt." Und besonders die feministisch orientierten Lehrerinnen würden die Buben strenger bewerten.
(...) "Man spricht immer von Mansplaining", sagt Grolimund, "aber in der Erziehung betreiben auch sehr viele Frauen Womansplaining." Frauen, die ihren Männern nicht zugestehen können, dass sie es anders machen, aber nicht unbedingt schlechter. Dieses Womansplaining kennen auch die beiden Gymnasiasten. Und sie haben genug davon. "Echt, wir haben keinen Bock mehr, wenn wir so behandelt werden."
Tatsächlich fühlen sich viele junge Männer überfordert – und lehnen zunehmend ab, was sie als "radikalen Feminismus" wahrnehmen. Wenn man sie fragt, erzählen sie von Lehrerinnen, die es sich nach schlechten Erfahrungen mit Männern zur Aufgabe gemacht hätten, ihren Schülern solches Verhalten auszutreiben. Von einem Artikel über Alkoholsucht, den sie lesen mussten und aus dem im Unterricht ein männliches Vergewaltigersyndrom hergeleitet wurde. Als wäre jeder Mann ein Vergewaltiger. "Wenn ein Lehrer einen Witz über Feminismus macht, rennen die Mädchen sofort zum Rektor, weil das sexistisch sei. Aber bei solchen Aussagen über Männer wehrt sich niemand."
Gerade in den sprachlich orientierten Fächern gehe es immer wieder um die gesellschaftliche Stellung der Frau. "Es ist, als wäre Sexismus ein eigenes Schulfach geworden." Männliche Lehrpersonen könnten immerhin ein bisschen nachvollziehen, wie es ihnen als jungen Männern gehe, und hätten mehr Verständnis. Wobei die Mädchen auch dort den Vorteil hätten, sich besser "einschleimen" zu können.
Ein Lehrer unter meinen Lesern merkt zu dem Artikel an:
Ich kann dies mit eigenen Erfahrungen aus deutschen Schulen bestätigen. Die neue Lehrerinnenschaft der letzten fünf bis zehn Jahre hat definitiv ein Problem mit Jungs (nicht alle, aber es sind nicht wenige).
Der Feminismus scheint ein ernsthaftes Image-Problem zu haben. Während Blätter wie "Zeit", "Süddeutsche" und "taz" ständig "Feminismus yay!" schreiben und Feministinnen von Geistesverwandten ulkige Preise verliehen bekommen, stehen diese Jubelrufe in starkem Kontrast mit dem Alltagserleben vieler Jungen und Männer, die noch dazu den Eindruck haben dürften, dass über diese Probleme in den Leitmedien kaum eine offene Debatte erlaubt ist.
2. Spiegel-Online bleibt dran am Thema "Feministinnen in der CDU und ihre Forderung nach einem Gender-Wahlrecht". In einem aktuellen Beitrag heißt es:
Auf den Kandidatenlisten für Parlamentswahlen sollen künftig zur Hälfte Frauen und Männer vertreten sein. Das haben die Mitglieder der Frauen Union auf ihrem 33. Bundesdelegiertentag in Leipzig einstimmig beschlossen. (...) Am Samstag hatte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sich bei der Veranstaltung bereits für einen höheren Anteil von Frauen in politischen Ämtern ausgesprochen.
Sogar wenn man dem Feminismus selbst weder aufgeschlossen noch ablehnend gegenüber steht, wird der ideologische Einheitsbrei in den Parteien allmählich etwas schwierig für die Demokratie. Lediglich acht Prozent der Deutschen positionieren sich selbst im feministischen Lager, ermittelte eine Umfrage des Instituts Yougov im Jahr 2018. Gleichzeitig hat jemand, der dem Feminismus nicht nur gleichgültig oder zwiegespalten gegenüber steht, sondern der ihn wirklich nicht mag, inzwischen große Probleme, eine einflussreiche Partei zu wählen, die nicht stark feministisch ausgerichtet ist. Insofern können Feministinnen einerseits triumphieren, weil sie die Leitmedien, die politischen Parteien und den akademischen Sektor gut im Griff haben. Andererseits: Das alles im Griff zu haben und nur acht Prozent der Bevölkerung ins eigene Lager ziehen zu können, sollte einem schon sehr zu denken geben.
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