Samstag, August 29, 2009

Syndrom des vermissten hübschen Mädchens

Genderama-Leser R.P. weist mich auf einen Spiegel-Online-Artikel hin, in dem es heißt:

Die Entführung von Jaycee Dugard endete glücklich - nach 18 Jahren. Doch fast 1700 Kinder bleiben täglich in den USA vermisst, viele werden nie gefunden. Die Medien interessiert das meist nur dann, wenn es sich um weiße, blonde, hübsche Mädchen handelt.

(...) Dugards Entführung war beileibe kein Einzelfall. Insgesamt 614.925 Kinder unter 18 Jahren wurden nach Zählung des FBI voriges Jahr als vermisst gemeldet - fast 1700 pro Tag. 54,4 Prozent davon waren Mädchen. Rund 51.000 bleiben bis heute verschwunden, das FBI führt sie als "aktive Akten". Doch viele werden über die Jahre zu auswechselbaren Statistiken, in der Zeit eingefroren als beklemmende Kinderfotos auf Such-Websites und, so in den USA üblich, auf Milchkartons.

(...) Eines haben diese medienwirksamen Auftritte auffallend gemein: Die betroffenen Kinder sind meist weiße, blonde Mädchen. Etliche Studien haben inzwischen erwiesen, dass die US-Medien vermisste schwarze Kinder dagegen oft ignorieren - obwohl diese den weit überwiegenden Teil der Fälle bilden.

"Es ist ein beliebter Erzählstrang der Medien", kritisierte der Kolumnist Eugene Robinson in der "Washington Post". "Etwas Zierliches, Delikates wird einem entrissen, geschändet, zerstört von Kräften, die im Schatten lauern." Kommentatoren sprechen vom "Syndrom des vermissten hübschen Mädchens".


Mein Leser kommentiert diesen Artikel sehr treffend:

SPIEGEL-Online führt aus, daß Entführungen von schwarzen Mädchen bedeutend weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird als Entführungen von weißen Mädchen ("So verschwand knapp ein Jahr vor Natalee Holloway (weiß, blond) in South Carolina Tamika Huston (schwarz, dunkelhaarig). Ihre Familie versuchte vergebens, die Medien für die junge Frau zu interessieren.").

Bemerkenswert, daß SPIEGEL-Autor Marc Pitzke also lediglich dem Rassenunterschied besondere Aufmerksamkeit schenkt, nicht aber dem Geschlechterunterschied, und dies dann auch noch mit den Entführungsfällen zweier Mädchen illustriert. Daß Entführungen von Jungen von den Medien gleichfalls weniger beachtet werden als Entführungen von Mädchen, auf diesen merkwürdigen Umstand wird nicht besonders hingewiesen, obwohl laut Statistik fast ebensoviele Jungen als vermißt gemeldet werden wie Mädchen.

Zwar wird von Pitzke auch der Entführungsfall Adam Walsh (1981) erwähnt, aber wohl nur deswegen, weil dessen Vater John Walsh eine Selbsthilfegruppe für Eltern vermißter Kinder gegründet hat und später Moderator der Fernsehsendung "America's Most Wanted" wurde. Ansonsten fallen eben Formulierungen wie diese auf:

Eines haben diese medienwirksamen Auftritte auffallend gemein: Die betroffenen Kinder sind meist weiße, blonde Mädchen. Etliche Studien haben inzwischen erwiesen, dass die US-Medien vermisste schwarze Kinder dagegen oft ignorieren - obwohl diese den weit überwiegenden Teil der Fälle bilden.

Merke: Das Gegenteil von "weiß" ist "schwarz", das Gegenteil von "Mädchen" aber ist "Kind". Auch Marc Pitzke kann sich also nicht von den Denkmustern lösen, die er bei seinen Kollegen anprangert.

Das Muster, wonach schwarzen Jungs bedeutend weniger Mitgefühl zuteil wird als weißen Mädchen, und Geschlechterrassismus weniger auffällt als "normaler" Rassismus, paßt im Übrigen perfekt zu einer Meldung, auf die ich vor ziemlich genau einem Jahr schon einmal hingewiesen habe.

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Montag, Mai 04, 2009

"Zier dich nicht!"

In den Romanen des Cora-Verlages zeigen sich seit 2002 veränderte Frauen- und Männerbilder, die nicht zuletzt auch die Ansichten in Bezug auf Keuschheit, Frauenrolle und der Angst vor dem Fremden beinhalten.


Telepolis berichtet über ein Genre, das ansonsten im Gegensatz zur immer wieder als Mega-Bedrohung hinaufgeschriebenen Pornographie überhaupt nicht problematisiert wird. Denn es sind nicht Männer, sondern Frauen, die es begeistert konsumieren.

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Sonntag, September 07, 2008

Lesermail (Prügelstrafe)

Genderama-Leser R.P. schickt mir heute eine interessante Mail:

Ich möchte Sie gerne auf eine SPIEGEL-Meldung vom 22. August aufmerksam machen. Sie thematisiert die in weiten Teilen der USA, namentlich im "Bible Belt", noch immer gültige Prügelstrafe in Schulen. Der Artikel wird folgendermaßen eingeleitet:

In fast der Hälfte der US-Staaten dürfen Lehrer ihre Schüler schlagen. Und sie tun es auch, am liebsten mit Holzpaddeln aufs Gesäß. Eine neue Studie verzeichnet 200.000 Fälle jährlich, meist in den Südstaaten. Verdroschen werden vor allem schwarze Kinder.


Liest man den Artikel allerdings durch, stellt man fest, dass bei den Opfern der Prügelstrafe keineswegs nur rassische Ungleichheit besteht:

In den Staaten, in denen das "Paddling" verbreitet ist, traf es doppelt so häufig schwarze wie weiße Mädchen. Jungs werden dreimal so häufig geschlagen wie Mädchen; bei Kindern indianischer Herkunft langten Lehrer ebenfalls besonders häufig zu.


Man kann diese Ungleichheit jetzt mit der üblichen Standardantwort von Feministinnen erklären, wonach Jungs eben deswegen häufiger bestraft werden, weil sie angeblich von Natur aus "aggressiver" und "undisziplinierter" als Mädchen seien. Allerdings: Ähnliche Antworten würden vermutlich auch Rassisten geben, nämlich dass "Nigger" nur deswegen öfter und härter bestraft werden, weil sie sich im Gegensatz zu Weißen nicht beherrschen könnten. Es ist daher wohl kein Zufall, dass diese Meldung gerade den bekanntermaßen rassistischen Süden der USA betrifft.

Das Ganze passt gut zu den von Ihnen bereits berichteten Parallelen und Verknüpfungen von Misandrie und Rassismus: Verfolgt und bestraft wird, was in der öffentlichen Meinung als "schmutzig" und "unrein" gilt, verschont wird, was man für "rein" und "unschuldig" hält. Daher trifft es schwarze Jungs am meisten, weiße Mädchen dagegen am seltensten.

Rassismus gegen Menschen fremder Herkunft gilt verdientermaßen als asozial und wird angeprangert. Geschlechterrassismus dagegen ist dermaßen sozialkonform und anerkannt, dass er nicht mal dann auffällt, wenn man die Zahlen für beides schwarz auf weiß vor sich liegen hat.

Abschließend wäre noch der letzte Absatz des Artikels zu beachten:

"Jede Schule benötigt effektive Methoden, um den Schülern Disziplin beizubringen", sagte Alice Famer, Autorin der Studie. Würden Kinder jedoch geschlagen, brächten Lehrer ihnen gewalttätiges Verhalten bei und verhinderten damit keine künftigen Regelverstöße.


Man kann sich's denken, was aus solchen an gewalttätiges Verhalten gewöhnten Jungs später wird: Prügelnde Ehemänner, deren anerzogene Gewalttätigkeit dann als Beweis für eine angeblich angeborene höhere Aggressivität von Männern (oder Schwarzen) herhalten muss, mit der dann die weitere Unterdrückung von Jungs und (und Schwarzen) begründet wird. So schaffen MännerhasserInnen und Rassisten erst das Problem, das sie angeblich bekämpfen. Und sie schaffen es sogar noch mit den Methoden, mit denen sie es bekämpfen wollen.

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Freitag, Februar 29, 2008

"Gender Trouble im Krieg gegen den Terror?"

Der "Freitag" seziert Susan Faludi und kommt dabei zu interessanten Ergebnissen über die Schnittmenge zwischen Misandrie und Islamophobie:

Denn wie die Indianer in den meisten alten "captivity narratives" als Ansammlung roher (beziehungsweise höchst attraktiver) gesetzloser Wilder ohne Zivilisation beschrieben wurden, geschieht es heute mit den orientalischen Männern. Sie existieren in der öffentlichen Wahrnehmung fast nur noch als fanatisierte Terroristen und Selbstmordattentäter; als unerträgliche alte Patriarchen, oder als sexuell verklemmte und gewaltbereite junge Männer. Es scheint, dass sich heute die unter dem Begriff Exotismus bereits seit Jahren analysierte Faszination und gleichzeitige Abscheu gegenüber dem Orient wieder ganz neu entfacht hat und kondensiert auf den arabischen Mann projiziert wird.

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Freitag, Januar 12, 2007

"Warum sich Madonna, Jolie & Co. nach Afrika sehnen"

„Immerzu sieht es selbstbewusste Frauen in die Savanne. Was suchen sie dort?“ Das fragt sich heute Michael Pilz in der “Welt“. Ein Auszug:

Das weiblich Afrophile gründet auf der stillen Übereinkunft, dass der wohlhabende weiße Mann den Kontinent rundum verdorben hat mit Gier, Gewalt und Geld, und dass der schwarze Mann dieses Zerstörungswerk nun fortsetzt. Sei es in Gestalt des dicken Potentaten oder des kaum alphabetisierten, armen aber stolzen Simpels. Letztem kann und muss geholfen werden, seinen Kindern auch. Der Afrikaner kennt inzwischen alle Arten dieser Samariterin. Die Antibeschneidungsaktivistin, die Altkleidersammlerinnen, die Adoptivmutter. (...) Zweierlei gelingt in jener überhitzten Drittweltferne leichter als daheim: sich zu emanzipieren - und zugleich in die dann doch vermisste Tradition zurückzufallen. Beides macht der wohlhabende weiße, nun auch noch verunsicherte Mann tagtäglich schwer. Im wahren Afrika emanzipieren sich nicht wenige wohlhabende weiße Frauen an der Urlaubsküste Kenias. Der sonst männlich dominierte Sextourismus findet seine weibliche Entsprechung in Mombasa; nur der Striptease wird ersetzt durch Stammestänze. (...) Hier darf die Frau wieder verzeihen, wie die Rollentradition es vorsieht. Wenn der Mann nicht liebesfähig ist, das Auto gegen Bäume lenkt, noch warmes Tierblut trinkt und zuviel Bier, dann ist der Mann halt so, der Afrikaner. Dieses sanft Rassistische kränkt zwar den Mann daheim. Doch wie man es von Meryl Streep seit 20 Jahren und jetzt auch von Iris Berben weiß: In Afrika wird selbst der weiße Macho wieder heiß geliebt, solange er der Dame unter diesem unglaublichen Sternenzelt die Haare wäscht.

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