Reform des Unterhaltsrechts: "Väter zur Zielscheibe erklärt"
1. Jens Biedermann, der in dem folgenden Artikel als Väterrechtler beschrieben wird, ist mit der anstehenden Reform des Unterhaltsrechts nicht glücklich:
Schließlich gilt im allgemeinen Sprachgebrauch das Motto: "Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und ist grün." Begriffe wie Selbstbestimmungsrecht und Identitätspolitik wiesen für mich eindeutig in die Richtung, demnächst als unterhaltszahlender Vater mit weniger unterhaltsrechtlichen Ungerechtigkeiten rechnen zu müssen. Zukünftig werde ich nicht mehr nur als der "Erzeuger" wahrgenommen, träume ich. Die in den Jugendämtern, Familiengerichten und sozialpädagogischen Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen (familienrechtliche Institutionen) weitverbreitete Devise mit Blick auf den Vater "Drei Minuten Rittmeister und 25 Jahre Zahlmeister" wird bald der Vergangenheit angehören. Das Weltbild in den Amtsstuben wird sich zugunsten der Väter entwickeln, dachte ich. Doch weit gefehlt. Pure Enttäuschung steigt in mir auf.
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"Die Welt" widmet sich demselben Thema unter der Überschrift "Warum die „Zahlväter“ wegen der Ampel-Unterhaltsreform neue Konflikte befürchten. In diesem Artikel heißt es:
Als Justizminister Marco Buschmann (FDP) am Freitag seine Eckpunkte für eine Unterhaltsreform vorlegte, ließ er keinen Zweifel daran, dass es sich dabei zunächst um einen ersten Vorstoß handeln soll. "Nichts ist in Stein gemeißelt", sagte Buschmann da. "Unser Eckpunktepapier soll nicht das Ende einer Debatte sein – sondern ein Anfang." Er wolle in den kommenden Wochen "offen diskutieren", in der Bundesregierung, mit der Wissenschaft, der Rechtspraxis, "und natürlich auch mit den betroffenen Trennungsfamilien".
Der Minister weiß offensichtlich, dass sein Vorstoß, Väter zu entlasten, die für ihre Kinder mehr sein wollen als nur ein alle-14-Tage-Wochenend-Papa, ihm nicht nur Applaus einbringt. Kritik kommt von allen Seiten – vor allem von den Verbänden der Trennungsfamilien.
(…) Konkret hatte Buschmann vorgeschlagen, all die Unterhaltspflichtigen finanziell zu entlasten, die über das übliche Maß hinaus Betreuungsverantwortung im Alltag übernehmen – und trotzdem vollen Unterhalt zahlen. Derzeit wird der Unterhalt nur von beiden Eltern getragen, wenn sie sich die Betreuung genau hälftig im "Wechselmodell" teilen.
Buschmann will nun eine weitere Stufe einführen: Schon bei einer Mitbetreuung von mehr als 29 Prozent soll es künftig finanzielle Abschläge beim Unterhalt geben. Denn schließlich fielen dann auch relevante Kosten im eigenen Haushalt an. Zudem habe der hauptbetreuende Elternteil – meist die Mutter – dann auch mehr Luft für eigene Erwerbstätigkeit. Für ganz Alleinerziehende, bei denen der Vater nicht oder nur wenig präsent ist, soll sich hingegen nichts ändern.
"Das Vorhaben greift eine zur Wirklichkeit gewordene Entwicklung zum Wohl der Kinder auf, nämlich die der gemeinsamen elterlichen Verantwortung für Kinder in Trennungsfällen", lobte der Verband getrennt erziehender Eltern. Fälle, in denen sich ein Teil zumindest mit erheblichem Aufwand in die gemeinsame Kinderbetreuung einbringt, habe das Unterhaltsrecht bislang überhaupt nicht vorgesehen, sagt der Vorsitzende Johannes Busse. "Die Änderung des Gesetzes schafft einen gerechten Ausgleich zwischen den Eltern."
Doch längst nicht alle sind davon so begeistert wie Busse. So sind Väterinitiativen, die seit Jahren lautstark gegen ihr Schicksal als "Zahlvater" aufbegehren, unzufrieden: "Nicht alle hauptbetreuenden Eltern wollen mehr Betreuung vom Ex-Partner", fürchtet der Verein Väteraufbruch für Kinder. "Weniger Kind würde auch weniger Geld bedeuten. Damit ist Streit vorprogrammiert."
Der Väteraufbruch befürchtet, dass sich die Streitigkeiten, die bisher um das 50:50-Wechselmodell geführt werden, künftig nach vorne verlagerten. Dann werde eben um die Anzahl der Übernachtungen des Kindes im anderen Haushalt rund um die 29-Prozent-Schwelle gestritten. "Einige hauptbetreuende Eltern werden nur noch tagsüber und zu weniger als 29 Prozent Betreuung zulassen wollen."
Seine Mutmaßung speist der Verein aus einschlägigen Erfahrungen. Insbesondere seit der Anerkennung des Wechselmodells als Umgangsform durch den Bundesgerichtshof 2017 sei bekannt, "dass gerade hauptbetreuende Elternteile sich aus monetären Gründen gegen ein paritätisches Wechselmodell aussprechen und dieses verweigern". Eine solche "taktische Reduzierung von Kindesumgang" sei auch bei der Neuregelung zu befürchten. "Wir sehen ein gesetzlich normiertes Wechselmodell als Lösung, um derartigen Streit insgesamt zu vermeiden", sagt Vorstandsmitglied Marcus Gnau.
Alleinerziehendenverbände fürchten hingegen, dass die meist hauptbetreuenden Mütter noch mehr ins finanzielle Hintertreffen geraten: Auf Mütterseite hält sich hartnäckig der Verdacht, dass Väter bislang vor allem so verbissen um die hälftige Betreuung im Wechselmodell gestritten haben, weil sie dann kaum noch Unterhalt zahlen müssten.
Die Mütterinitiative für Alleinerziehende spricht sogar von "finanzieller Gewalt". "Das Aufrechnen von Mitbetreuungszeit gegen Kindesunterhalt setzt falsche Anreize. Es verschiebt unterhaltsrechtliche Fragen in den Bereich des Umgangsrechts. Das wird noch mehr Eltern in Umgangsstreitigkeiten bringen, Konflikte weiter anfachen, die involvierten Kinder noch mehr belasten", sagt die zweite Vorsitzende Stefanie Ponikau. Nach Einschätzung des Vereins liefert die Reform "eine weitere Möglichkeit, Frauen und ihre Kinder unter Druck zu setzen und finanzielle Gewalt gegen sie auszuüben".
2. Die Frankfurter Allgemeine schlagzeilt: Männermangel in den Grundschulen – Wo bleibt der Aufschrei?
Es ist schon erstaunlich, welche Prioritäten in öffentlichen Debatten gesetzt werden. Während allerorten über geschlechtergerechte Wort-Endungen und Gender-Sternchen gestritten wird, läuft ein anderes, weit größeres Problem für die Gleichberechtigung völlig unter dem Radar: Gerade einmal zwölf Prozent der Lehrkräfte an deutschen Grundschulen sind Männer, in Hessen sind es sogar noch weniger. Mit anderen Worten: Auf neun Frauen kommt ein Mann. Es kann sein, dass ein Kind durch die Grundschule geht, ohne je von einem Mann unterrichtet worden zu sein.
Den "Aufschrei", den die Frankfurter Allgemeine vermisst, gibt es von Männerrechtlern seit Jahrzehnten. Sie werden nur nicht angemssen von den Leitmedien aufgegriffen. Jemand wie ich, der das beharrlich tut, wird stattdessen in der FAZ als wunderlicher Zausel karikiert.
3. Die einigestellten Ermittlungen gegen Till Lindemann haben zu weiteren erwähnenswerten Reaktionen geführt – etwa von der Schauspielerin Nora Tschirner:
"Willkommen an einem wunderbaren weiteren Tag im Patriarchat", leitete sie ihre Stellungnahme bei Instagram vielsagend ein und holte zum Rundumschlag gegen das bestehende System aus.
Die Schauspielerin konnte es absolut nicht nachvollziehen, dass in dem Fall "nicht genug Beweise" vorlagen. Schließlich hatten gleich mehrere Frauen, teilweise anonym, Anschuldigungen gegen den Rammstein-Sänger erhoben und ihre Angaben eidesstattlich versichert.
Aber "die Stimmen unzähliger Frauen aus verschiedenen Ländern gegen die eines einzigen gekränkten, mutlosen, mächtigen Mannes, eingekuschelt in seinen Hechel-Club von rückgratlosen Opportunisten sind einen Dreck wert", beklagte die Berlinerin in ihrer Story und schoss scharf gegen den 60-Jährigen.
Dieser Fall sei erneut eine Botschaft an unzählige Betroffene überall auf der Welt, "dass es sich nicht lohnt [...] für Anstand und Gerechtigkeit und ein liebevolles, ausgeglichenes, für ALLE faires System zu kämpfen", kritisierte die 42-Jährige.
Gleichzeitig haben mich so viele Leser wie noch nie in der Geschichte von Genderama auf einen Beitrag des Rechtsanwalts Udo Vetter aufmerksam gemacht – er scheint also vielen von euch aus der Seele zu sprechen:
Die Medien sind heute voller Wehklagen. Nehmen wir als Beispiel t-online:
"Die Einstellung des Verfahrens gegen Rammstein-Sänger Lindemann war erwartbar. Der Fall legt erneut die Fehler beim Umgang mit Sexualstraftaten in Deutschland offen."
Dann wird die angeblich zu schnelle Einstellung des Verfahrens beklagt. Die Staatsanwaltschaft habe "den Fall, in dem mehrere Monate oder sogar Jahre hätte ermittelt werden können, zu den Akten gelegt".
Wie bitte? Soll das etwa andeuten, die Sache hätte schon deswegen länger dauern müssen, weil schon die Jahre und Monate des laufenden Verfahrens Lindemann und seine Band zermürben und zugrunde richten werden? Was für ein groteskes Verständnis. Jeder hat das Recht auf ein zügiges Verfahren. Das steht in der Europäischen Menschenrechtskonvention. Extra für t-online: Das ist so was wie das Europäische Grundgesetz.
Oder ist die offenkundige Lust auf ein jahrelanges Verfahren auch darin begründet, dass dann regelmäßig eine schöne Schlagzeile abfällt? Der Fall Lindemann als Klick- und Auflagengarant. Ganz uneigennützig klingt das alles jedenfalls nicht angesichts des medialen Sperrfeuers, dem Lindemann ausgesetzt war. Die Jagd nach Schlagzeilen ist in letzter Zeit zwar etwas abgeebtt. Aber nicht aus Einsicht. Gerichte haben die übelsten Ausschläge auf der nach oben offenen Spekulationsskala mit einstweiligen Verfügungen gedämpft.
Unklar ist laut t-online auch, ob es weitere Ermittlungsansätze gegen Lindemann gab. Das ist nur unklar, wenn man die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Berlin nicht liest. Oder sie liest und den Lesern trotzdem vorenthält, was drin steht. Nämlich, dass es keine weiteren Ermittlungsansätze gibt. Die Staatsanwälte haben die Akten der Vilnius-Sache angefordert. Sie haben sich redlich darum bemüht, an die mutmaßlich Geschädigten heranzukommen. Doch diese sind anonym. Die Medien, in denen die Betroffenen ihre Geschichte erzählt haben, berufen sich auf den gesetzlich verankerten Quellenschutz. Sogar die einzige namentlich bekannte Zeugin schaffte es laut den Behörden noch nicht mal, das Ergebnis ihres angeblich positiven Drogentests nach einem Rammstein-Konzert vorzulegen.
Die Staatsanwaltschaft ist mit ihrem Latein am Ende, so lange ihr keine der Zeuginnen die Hand reicht. Können Medien ernsthaft der Meinung sein, dass im Spiegel und anderswo auflagenträchtig kolportierte "Erfahrungen" für eine Anklage ausreichen – bloß weil der Spiegel angibt, ihm lägen eidesstattliche Versicherungen vor?
Nora Tschirner etwa scheint das tatsächlich zu glauben.
Hier geht es weiter mit dem Beitrag von Udo Vetter. Auch ich halte ihn für durchgehend sehr lesenswert.
4. In dem Beitrag "Deutschland eifrig Spitzelland" beschäftigt sich Hubertus Knabe, von 2000 bis 2018 wissenschaftlicher Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, mit dem Unwesen staatlich geförderter Meldestellen, zu denen auch die "Meldestelle Antifeminismus" gehört:
Immer häufiger animiert der deutsche Staat seine Bürger, unliebsame Mitbürger anzuschwärzen. Während das Strafgesetzbuch aus gutem Grund ausschließlich vorschreibt, geplante schwere Straftaten anzuzeigen, damit diese noch verhindert werden können, hat sich in Deutschland mittlerweile eine regelrechte Meldestellen-Industrie entwickelt. (…) Die "Petz-Portale", wie sie von Kritikern genannt werden, arbeiten praktisch alle auf Kosten des Staates.
Diese Entwicklung ist umso erstaunlicher, als ähnliche Portale noch 2018 auf heftige Kritik stießen. Die Hamburger AfD-Fraktion hatte damals im Internet die Möglichkeit eröffnet mitzuteilen, wenn sich Lehrer politisch nicht neutral verhielten. Auch in anderen Bundesländern richtete die AfD solche Seiten ein. Die damalige Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) kritisierte das Vorgehen mit den Worten: "Organisierte Denunziation ist ein Mittel von Diktaturen." Ähnlich äußerte sich die Ehefrau von Olaf Scholz, Britta Ernst (SPD), die damals Bildungsministerin von Brandenburg war. Ihr zufolge fühlten sich gerade in den ostdeutschen Bundesländern viele "zu Recht an Stasi-Überprüfungsmethoden erinnert". Datenschutzbeauftragte mehrerer Länder untersagten der AfD daraufhin den Betrieb der Seiten.
Tatsächlich ist es von der Meldung zur Denunziation nur ein kleiner Schritt, wie Untersuchungen zeigen. Wer einem Vorgesetzten, Arbeitskollegen oder Lieferanten Straftaten vorwirft, aber den Weg zur Polizei scheut, hat dafür nämlich häufig private Motive: Manche erhoffen sich persönliche Vorteile, andere wollen sich für etwas rächen, viele suchen schlicht nach Anerkennung. Auch Schadenfreude – ein Wort, das es nur im Deutschen gibt – kann eine Rolle spielen.
Kriminologen haben deshalb schon vor Jahren vor dem Missbrauch von Online-Strafanzeigen gewarnt. Die leichte Handhabung führe nicht nur zu einem Anstieg der Meldungen. Sie verleitete auch dazu, spontan und emotional, womöglich sogar unter Alkoholeinfluss, zu agieren. Strafbare Merkmale könnten dadurch überbetont oder erfunden werden. Verstärkend wirke, dass man keinem Polizeibeamten mehr gegenüber sitze, der einen über die Folgen einer Falschaussage belehre. "Die Falschanzeige zur Schädigung eines anderen wird wegen der angenommenen größeren Anonymität wahrscheinlicher," resümierte der Strafrechtler Jens Puschke. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kam die Datenschützerin Marie-Theres Tinnefeld, die insbesondere die Möglichkeit, Hinweise anonym abzugeben, kritisierte.
(…) Deutschlands historische Erfahrungen bestätigen diese Warnungen. Die Folgen privater Anzeigen sind insbesondere für das NS-Regime gut erforscht. Ob "Rassenschande", "Wehrkraftzersetzung" oder "heimtückische Angriffe auf Staat und Partei" – fast immer wurden die entsprechenden Verfahren durch freiwillige Mitteilungen initiiert. Die meisten Informanten zogen es dabei vor, sich an die Zellen-, Block- oder Kreisleiter der NSDAP statt an die Polizei zu wenden. "Auf diese Weise gelang es den Machthabern, in die Privatsphären einzudringen und in engsten Kreisen gegenseitiges Misstrauen zu erzeugen," schreibt Karol Sauerland in seinem Buch "30 Silberlinge". Den meisten Denunziationen hätten dabei persönliche Motive zugrunde gelegen.
Die Flut der Denunziationen war selbst den NS-Führern zu viel. Wiederholt warnte die Gestapo vor einem Anheizen der Meldebereitschaft. Denn wenn der Staat massenhaft für die Austragung persönlicher Konflikte instrumentalisiert wird, fehlen ihm die Kapazitäten, gegen die aus seiner Sicht tatsächlich gefährlichen Personen zu ermitteln. Als Reinhard Heydrich dem Ministerrat 1939 eine Verordnung vorlegte, die alle Deutschen dazu verpflichten sollte, jede wahrgenommene Straftat zu melden, stieß er deshalb auf einhellige Ablehnung. Sogar Joseph Goebbels meinte, durch die Verordnung "würde ein Denunziantentum gezüchtet werden, gegen das die Bestrafung der falschen Anzeige nur ein unvollkommenes Abwehrmittel bietet".
(…) Welche Folgen das neue Meldesystem der Bundesregierung haben wird, ist noch nicht abzusehen. Im besten Fall wird es von der Bevölkerung ignoriert. Dann ist es nur eine weitere bürokratische Last für private und öffentliche Arbeitgeber. Im schlechtesten Fall wird es massenhaft genutzt und vergiftet dadurch sukzessive die Sozialbeziehungen. Denn wer bei jeder Tätigkeit und jedem Gespräch daran denken muss, dass einer Meldestelle davon Mitteilung gemacht werden könnte, entwickelt einen Argwohn, wie man ihn sonst nur aus Diktaturen kennt.
Dabei hat schon jetzt eine wachsende Zahl von Bundesbürgern Angst, sich im Alltag offen zu äußern. Bei einer Befragung im Jahr 2021 hatten nur noch 45 Prozent das Gefühl, man könne in Deutschland seine politische Meinung frei sagen – der tiefste Wert seit Jahrzehnten. Die Angst beruhte dabei nicht auf Bestimmungen des Strafgesetzbuches, sondern auf gesellschaftlichen Sanktionen. Diese Unsicherheit dürfte durch das neue Meldesystem weiter verstärkt werden. Am Ende könnte eine Gesellschaft entstehen, die keine Privatheit mehr kennt, sondern sich nach staatlichen Vorgaben selbst kontrolliert.