1.
Wolfgang Thierse (SPD), vormals Bürgerrechtler in der DDR und später Bundestagspräsident im wiedervereinigten Deutschland, hat sich in einem Artikel für die Frankfurter Allgemeine (Bezahlschranke) sowie in einem
mutigen Interview mit dem Deutschlandfunk zur Cancel Culture in unserer Gesellschaft geäußert. Ein Auszug aus dem insgesamt lesenswerten Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann:
Thierse: Auf der einen Seite, auf der rechten Seite gibt es diejenigen, die das Nationale als die zentrale Kategorie nennen und damit Vorstellungen von Homogenität, also von Ausschließung betreiben – die Deutschen, Ausländer weg, Menschen, die andere Ansichten, andere Einstellungen haben, andere kulturelle, sexuelle Orientierungen und so weiter. Die werden befedet.
Auf der anderen Seite: Menschen werden vom Diskurs ausgeschlossen an den Universitäten oder in den Medien, die unliebsame Ansichten haben, die einem nicht passen, die man ablehnt, und deswegen will man sie ausschließen. Das sind die Beobachtungen, die mich beunruhigen.
Heckmann: Sie sagen, das Fragen ethnischer, geschlechtlicher und sexueller Identität dominieren, dass diese Debatten über Rassismus, Postkolonialismus und Gender heftiger und aggressiver geführt werden. Das heißt, Sie kommen zu dem Schluss, diese Debatten über Identitätspolitik, die tragen zur Spaltung der Gesellschaft bei?
Thierse: Jedenfalls in der Art, wie sie geführt werden. Sehen Sie, mein Text ist ja ein Appell, mehr Anstrengungen für Gemeinsamkeit zu übernehmen, das Gemeinsame immer neu im Verschiedenen, ohne die Vielfalt beseitigen zu wollen, sondern Vielfalt kann nur friedlich und produktiv gelebt werden, wenn wir fundamentale Gemeinsamkeiten haben. Dieser Appell hat zu einem Shitstorm geführt. Ich werde als reaktionär beschimpft, als Mann mit neurechtem Sprech, gewissermaßen AfD-Positionen. Vom Schwulen- und Lesbenverband wird das getrieben. Mir wird vorgehalten, das sind ja die Ansichten eines alten weißen Mannes mit heterosexueller Orientierung, heteronormativer Orientierung. Da erleben Sie genau das. Eine Ansicht, die einem nicht passt, die wird identitär zurückgewiesen. Mein Alter, meine "Rasse", mein Geschlecht, meine sexuelle Orientierung – also ist die Sache erledigt. Man muss sich mit der Ansicht nicht befassen. Man kann sie einfach ablegen, weil sie so von einem Menschen, der ja immer definiert ist mit einer bestimmten Identität, vorgetragen worden ist.
(…) Heckmann: Aber sehen Sie keinen Unterschied zwischen Identitätspolitik, die von rechts betrieben wird, und der von links?
Thierse: Ohne Zweifel sehe ich den. Die Identitätspolitik von rechts ist eine Politik, die zu Ausschließung, zu Hass, ja zu Gewalt führt. Und die Identitätspolitik von links führt, wenn sie weiter so einseitig und in dieser Radikalität betrieben wird, zu Cancel Culture. Das heißt, man will sich nicht mehr mit Leuten auseinandersetzen, diskutieren, den Diskurs führen, die Ansichten haben, die einem nicht passen. Das ist ziemlich demokratiefremd und, wenn ich das sagen darf, demokratiefeindlich. Eine pluralistische Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn in ihr die Unterschiedlichkeiten zu Wort kommen, artikuliert werden, im Gespräch miteinander sind – mit dem Ziel, die Unterschiede nicht zu verwischen, aber trotzdem auf die gemeinsamen Grundlagen des Zusammenlebens zu kommen.
Heckmann: Genau auf den Punkt wollte ich zu sprechen kommen, Herr Thierse. Sie sprechen ja auch im Text von Cancel Culture, auch von Sprachanordnungen, Sprachverboten. Ist das aber nicht ein oft wiederholtes Märchen, denn in dieser Gesellschaft im Jahr 2021 kann doch nun wirklich jeder alles sagen, aber er muss natürlich auch mit Gegenrede rechnen. Wer schreibt Ihnen denn, Herr Thierse, konkret eine bestimmte Sprache vor?
Thierse: Entschuldigen Sie! Inzwischen – das können Sie nachlesen – gibt es an Universitäten die selbstverständliche Anordnung, wer nicht die gendersensible Sprache lebt, der kann seine Arbeiten nicht abgeben. Die Unsicherheit, dass man nicht mehr weiß, wie man jemanden ansprechen soll, angesichts der Vielfalt von Geschlechtern, führt jedenfalls nicht zu einer Erleichterung von Kommunikation. Es gibt Verwaltungsanordnungen in unterschiedlichen Städten, wie die Sprache zu sein hat, damit man die Vielfalt berücksichtigt etc. Ganz so ist es nicht, dass man, wie ich ja meine, Vertrauen auf die Entwicklung der Sprache hat, die sich ständig ändert, sondern das geschieht schon auch auf dem Verordnungswege, auf dem Wege von Anordnungen. Dem müssen sich nicht alle beugen, aber wer sich dem nicht beugt, muss auch damit rechnen, dass er Konsequenzen zu tragen hat.
Heckmann: Auch wir hier im Deutschlandfunk diskutieren übrigens intern auch durchaus über geschlechtergerechte oder sogenannte gendersensible Sprache. Die einen sagen, es darf niemand ausgeschlossen werden in dem, was wir sagen. Die anderen sagen, das trägt eher zur Spaltung bei und zu weniger Zusammenhalt, zu der uns ja auch unser Staatsvertrag verpflichtet. Wie sehen Sie das?
Thierse: Ich glaube schon, dass bei der Radikalisierung dieser Forderung das eher zur Spaltung beiträgt. Wissen Sie, es wird inzwischen ein Stil sichtbar, dass derjenige, der sagt, ich bin betroffen, ich fühle mich ausgeschlossen, ich empfinde mich als Opfer, dass der schon recht hat. Aber unsere Tradition seit der Aufklärung ist doch die, nicht die Betroffenheit, nicht das subjektive Empfinden darf entscheidend sein, sondern das vernünftig begründende Argument, das muss uns miteinander verbinden, das muss den Diskurs strukturieren. Denn sonst ist klar: Thierse ist ein alter weißer heterosexueller Mann. Seine Ansichten sind so definiert und damit ist der Fall erledigt. Da wird gar nicht mehr hingehört, welche Argumente hat er denn, welche Erfahrungen formuliert er, welche Vorschläge macht er, was ist das Ziel seines Redens, sondern es ist definiert durch Herkunft, durch Identität, und dann kann man sagen, nein, das ist nicht meine, meine ist anders, ich fühle mich benachteiligt, also habe ich recht.
Es ist klar, dass der Deutschlandfunk dieses Interview nicht einfach stehen lassen, sondern zügig eine
empörte Erwiderung dagegen setzen musste, der zufolge man gegen die Privilegien "weißer. heterosexueller, patriarchal geprägter Menschen" vorgehen müsse.
Auch auf
Twitter wird Wolfgang Thierse teils heftig für seine Positionen kritisiert. Manch einer bewertet sie als Anzeichen für den Niedergang der SPD: Während Sozialdemokraten sich früher für die Unterdrückten eingesetzt hätten, kämpften dort heute die weißen Männer für ihre Vorherrschaft. Andere Menschen verteidigen Thierse und argumentieren, die scharfen Reaktionen auf seine Meinungsäußerung bewiesen, wie richtig er damit liege.
In meinem Buch
"Feindbild weiße Männer" habe ich mich ausführlicher mit den von Thierse angesprochenen Problemen beschäftigt.
2. Der Deutsche Bundestag hat gestern über
mehr Gleichstellung in den Medien beraten:
Die grosse Koalition aus CDU, CSU, SPD hatte einen Antrag eingebracht, um die "Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien zu verwirklichen". Schon das überraschte. Schliesst die Union endgültig ihren Frieden mit der einst heftig bekämpften Quote? Die Namen der Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus und Alexander Dobrindt stehen unter der Drucksache 19/26893.
(…) Die Befürworter des Antrags machten sich das Motto der Auftaktrednerin zunutze, der CDU-Abgeordneten Elisabeth Motschmann: "Zahlen lügen nicht." Motschmann hatte die Talkshow-Auftritte des SPD-Politikers und Arztes Karl Lauterbach in der Corona-Krise gezählt – "rund fünfzig!" – und fragte rhetorisch, ob es nicht auch weibliche Mediziner gebe und "warum die nicht auch mal eingeladen werden".
Die Frage ist wirklich rein rhetorisch: Natürlich haben sich auch Frauen aus dem Wissenschaftsbereich wie Melanie Brinkmann, Sandra Ciesek und Mai Thi Nguyen-Kim immer wieder in den gängigen Talkrunden zu Corona geäußert. Die Omnipäsenz von Karl Lauterbach dürfte eher der Tatsache zu verschulden sein, dass er die schwärzesten Szenarien malt, was für Medien grundsätzlich interessant ist. ("If it bleeds it leads" ist ein alter Wahlspruch der Branche.)
Nach einer halben Stunde wurde Antrag 19/26893 mit den Stimmen der Koalition angenommen. Die AfD stimmte dagegen, FDP, Linkspartei und Grüne enthielten sich. Damit hat das Parlament die Bundesregierung aufgefordert, für Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien zu sorgen, eine Expertinnen-Datenbank aufzubauen, Gehaltsunterschiede regelmässig zu überprüfen und auf die paritätische Besetzung von Gremien, Jurys und Rundfunkräten zu drängen.
3. Frauenministerin Giffey feiert das zehnjährige Bestehen des Bundesforums Männer. Da sich in den letzten zehn Jahren für Männer aber kaum etwas verbessert hat, möchte in den Kommentaren niemand so recht mitfeiern: weder auf
Facebook noch auf
Twitter. Allein Feministinnen scheinen mit dem Bundesfourm glücklich zu sein.
4. Der Schweizer
"Beobachter" berichtet über die vermutlichen Folgen eines aktuellen Gerichtsurteils zu Lasten der Wikipedia:
Laut Digital-Anwalt Martin Steiger werden diese Urteile nun weitere Personen ermutigen, den Rechtsweg gegen Wikipedia zu beschreiten. Viele, die in einem Eintrag des Online-Lexikons auftauchen, fühlten sich aufgrund einer einseitigen Darstellung verunglimpft, sagt Steiger. Ein Problem sei, dass sich Wikipedia fast ausschliesslich auf Sekundärquellen stütze und damit die Gefahr bestehe, dass mögliche Fehler übernommen werden. "Umgekehrt übernehmen viele Medien unkritisch Angaben aus Wikipedia, womit sich der Kreis schliesst."
Andreas Mäckler, Herausgeber des "Schwarzbuchs Wikipedia" und Kenner der rechten Szene, geht davon aus, dass aus dieser Szene weitere Prozesse gegen Wikimedia angestrengt werden. Es gebe "Tausende Personen des öffentlichen Lebens, deren Artikel auf Wikipedia verzerrt bis hin zu Justiziabilität falsch dargestellt werden".
Ich habe selbst einen Beitrag zu dem "Schwarzbuch Wikipedia" geleistet, da ich selbst sowie die Männerrechtsbewegung im Allgemeinen von solchen Rufschädigungen betroffen bin. In der Wikipedia werden ja viele denunziert, die in die Cancel Culture eines bestimmten identitätspolitischen Lagers passen. Insofern rechne ich damit, dass nicht nur aus der rechten Szene, sondern z.B. auch von unorthodoxen Linken und Liberalen entsprechende Prozesse vorbereitet werden.
5. Apropos Prozesse:
In Großbritannien hat ein Labormitarbeiter seine Chefin wegen sexueller Diskriminierung verklagt.
Einem Laborarbeiter wurde erlaubt, eine Klage wegen sexueller Diskriminierung einzureichen, nachdem seine Chefin ihm angeblich gesagt hatte, er solle "seinen Mann stehen", als er einige Kisten verschob, und ihm sagte, sie stelle "keine Männer ein, weil sie weniger organisiert sind".
Daniel Price sagt, er habe bei PiQ Laboratories in Ebbw Vale, Wales, unter "extremer Diskriminierung" gelitten, die zu einer "toxischen Umgebung" wurde, nachdem er angeblich bei mehreren Gelegenheiten von Gesprächen ausgeschlossen wurde.
Er führt an, dass die Laborleiterin Ashleigh Knowles ihm sagte, dass er "Glück" habe, einen Job zu haben, da er ein Mann sei.
Bei einer Gelegenheit soll sie ihm gesagt haben: "Du bist ein Mann und musst dir das nicht anhören".
Er sagt, dass eine Reihe von Vorfällen zwischen Juni 2019 und Mai letzten Jahres in dem Lebensmitteltestlabor in Ebbw Vale, Südwales, auftrat: 'Extreme Diskriminierung von Männern am Arbeitsplatz, was zu einem toxischen Arbeitsumfeld für mich führte.'
Das Arbeitsgericht in Cardiff hörte, dass Miss Knowles bei der Diskussion über eine Neueinstellung sagte: "Es wird höchstwahrscheinlich ein Mädchen sein, weil Frauen dazu neigen, im Labor besser und organisierter zu sein.
Dann soll sie zu Herrn Price gesagt haben: "Sie haben Glück, dass Sie Ihren Job haben, denn alle waren schockiert, dass ein Mann eingestellt wurde - wir stellen normalerweise nur Frauen ein, weil Männer weniger organisiert sind."
(…) Am 16. März 2020 weigerte er sich, Kisten zu bewegen, da er an einem Leistenbruch litt, aber Miss Knowles sagte ihm: "Steh deinen Mann und mach weiter, es sind nur ein paar Kisten".
Er behauptet, sie habe daraufhin anderen Mitarbeitern erzählt, dass er sich geweigert habe, was zu einer "angespannten" Arbeitsumgebung geführt habe.
Als er einmal versuchte, einen Raum zu betreten, in dem sich Miss Knowles mit einer Kollegin unterhielt, soll sie zu ihm gesagt haben: "Geh zurück an die Arbeit, wir unterhalten uns hier."
Zwei Monate später, am 22. November 2019, als er erneut versuchte, das Büro zu betreten, soll Miss Knowles zu ihm gesagt haben: "Gehen Sie weg, wir reden hier über Frauenkram".
Er sagt, er antwortete: "Es ist okay, ich habe drei Schwestern und bin daran gewöhnt", woraufhin sie antwortete: "Nein, Sie sind ein Mann und brauchen sich das nicht anhören."
Wiederum im Januar letzten Jahres, als er versuchte, das Büro zu betreten, sagte er, dass Debbie Powell, die sich mit Miss Knowles und einer anderen Frau unterhielt, ihm sagte: "Sie sollten gehen, dieses Gespräch hat nichts mit Ihnen zu tun."
Unbeirrt blieb er, beschrieb aber die Atmosphäre als "angespannt", da er seine Arbeit machte und niemand sonst mit ihm redete.
Schließlich, am 26. Mai letzten Jahres, wurde ihm angeblich von Miss Knowles gesagt, als er versuchte, das Büro zu betreten: "Dieses Gespräch ist nicht für Sie bestimmt, nur für Mädchen."
Zwei Tage später wurde er entlassen.
Und jetzt zieht er vor das Arbeitsgericht. Die ersten haarigen Nutztiere wagen einen Aufstand.
6. Die britische Abgeordnete
Amber Rudd, vormals Innenministerin und danach Ministerin für Arbeit und Soziales, erklärte in einem aktuellen Interview:
"Wenn ich Premierministerin wäre, würde ich alle Männer feuern und ein rein weibliches Kabinett aufstellen." Sie behauptete, es sei bewiesen, dass Frauen im Allgemeinen dazu neigen, "einvernehmlicher zu arbeiten, mehr in Koalition miteinander".
7. Covid-19 mag entgegen anderslautender Behauptungen nicht dazu führen, dass die Emanzipation der Frau um Jahrzehnte zurückgeworfen wurde (Genderama berichtete mehrfach über Widerlegungen dieser These). Sehr wohl aber gibt es Hinweise darauf, dass die
Pandemie ein Comeback traditioneller Einstellungen begünstigt, was Geschlechterrollen angeht. Darauf zumindest lässt eine
aktuelle Studie schließen:
Eine neue Studie hat herausgefunden, dass die frühen Stadien der COVID-19-Pandemie mit einem Anstieg der Unterstützung für traditionelle Geschlechterrollen unter US-Erwachsenen zusammenfielen, was darauf hindeutet, dass der Ausbruch des Coronavirus mit einer kleinen Verschiebung in Richtung sozialer Konservatismus verbunden ist. Die Ergebnisse erscheinen im Journal of Applied Social Psychology.
"Wie wir alle wissen, hat die Pandemie das Leben, an das wir gewöhnt waren, dramatisch und schnell gestört - von unseren alltäglichen persönlichen Routinen bis hin zu den tiefgreifenden und übergreifenden Abläufen der Gesellschaft. Alles wurde plötzlich unsicher", sagt Studienautor Daniel L. Rosenfeld, Doktorand an der UCLA.
"Theorien aus der Evolutions- und Sozialpsychologie legen nahe, dass diese Art von Ungewissheit bedrohlich ist und - vor allem, wenn sie mit dem Risiko von Infektionskrankheiten und existenziellen Ängsten gepaart ist (z. B. die hohe Zahl der Todesopfer von COVID-19) - ein hohes Potenzial hat, Menschen sozial konservativer und traditioneller zu machen."
"Wir haben also die politische Ideologie (als wie liberal vs. konservativ sich Menschen identifizieren) in unserer Forschung betrachtet, aber wir waren auch daran interessiert, einen konkreteren Bereich zu betrachten, von dem wir wissen, dass die politische Ideologie eine große Rolle spielt: die Geschlechterrollen", erklärte Rosenfeld. "Wir waren besonders daran interessiert, zu sehen, ob die Pandemie die Art und Weise verändert haben könnte, wie Menschen über Geschlecht denken, sowohl in Bezug darauf, wie sehr sie sich persönlich mit traditionellen Formen von Männlichkeit gegenüber Weiblichkeit identifizieren, als auch in Bezug darauf, wie sie denken, dass diese Geschlechterrollen diktieren, wie sich andere Menschen verhalten sollen."
Die Forscher nutzten Amazon Mechanical Turk, um 2.000 erwachsene US-Teilnehmer zu ihrer politischen Ideologie, Geschlechtsrollenkonformität und Befürwortung von Geschlechterstereotypen am 25. und 26. Januar 2020 zu befragen, also vor dem Ausbruch des neuartigen Coronavirus in den Vereinigten Staaten. Von der ursprünglichen Stichprobe bestanden 695 Teilnehmer die Aufmerksamkeitsprüfung und füllten zwischen dem 19. März 2020 und dem 2. April 2020 eine Folgebefragung aus. In der Folgebefragung füllten die Teilnehmer auch ein Maß für die COVID-19-Besorgnis aus.
Die Forscher fanden heraus, dass sich die selbstberichtete politische Ideologie nach dem Ausbruch von COVID-19 nicht signifikant veränderte. Allerdings berichteten die Teilnehmer, dass sie sich während der Pandemie stärker an traditionelle Geschlechterrollen hielten und traditionelle Geschlechterstereotypen stärker unterstützten als vor der Pandemie.
"Das Hauptergebnis unserer Studie ist, dass die Menschen nach Beginn der Pandemie stärker an traditionelle Geschlechterrollen glaubten als vor der Pandemie", so Rosenfeld gegenüber PsyPost. "Männer identifizierten sich als maskuliner, Frauen als femininer; und die Menschen glaubten, dass von Männern erwartet wurde, sich maskuliner und von Frauen, sich femininer zu verhalten. Sobald die Pandemie begann, stimmten die Teilnehmer zum Beispiel eher zu, dass von Männern erwartet wird, dass sie mutiger und abenteuerlustiger handeln als Frauen."
Es ist jedoch unklar, "basierend auf unseren Daten, warum diese Verschiebung der Geschlechterrollen im Laufe der Zeit auftrat", so Rosenfeld.
Es ist möglich, dass die Pandemie Gefühle der Unsicherheit hervorgerufen hat, die die Menschen dazu brachten, sich in bestehende soziale Systeme einzufügen. Es ist auch möglich, dass die Wahrnehmung eines erhöhten Krankheitsrisikos eine Rolle spielte. Frühere Forschungen haben ergeben, dass Ekelempfindlichkeit und Angst vor Ansteckung beide mit sozialem Konservativismus verbunden sind.
"Es ist auch unklar, ob diese Verschiebung zwischen den Geschlechtern anhält, seit wir unsere Datenerhebung im April 2020 abgeschlossen haben. Vielleicht ist sie verschwunden. Oder vielleicht ist sie sogar noch größer geworden. Es ist auch erwähnenswert, dass sich unsere Studie nur auf die Vereinigten Staaten konzentrierte, so dass unsere Ergebnisse nur für diesen kulturellen Kontext relevant sind", sagte Rosenfeld.
"Diese Unterschiede in den Geschlechtervorstellungen waren gering, so dass es unklar ist, wie viel greifbaren Einfluss sie auf die Gesellschaft oder das Alltagsleben der Menschen hatten (oder noch haben könnten). Aber wenn es um eine so wichtige Angelegenheit wie die Geschlechterrollen in den USA geht, wo die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern im sozialen und wirtschaftlichen Leben tief sind, könnte jeder Effekt eine Überlegung wert sein."