Donnerstag, Februar 18, 2021

Akademiker fordern: Väter sollen jetzt "nicht gebärende Elternteile" heißen – News vom 18. Februar 2021

1.
An der Australian National University in Canberra ging ein Vorschlag in Form eines Handbuchs für die Lehrenden aus akademischen Zirkeln ein. Es enthält neue Formulierungen für tradierte Bezeichnungen. So sollen nicht länger die Worte "Mutter" und "Vater" verwendet, sondern durch geschlechtsneutrale Begriffe ersetzt werden. Die Mutter soll demzufolge als "Austragendes Elternteil" bezeichnet werden, der Vater als "Nicht-gebärendes Elternteil". Auf diese Weise soll künftig das soziale Geschlecht von Eltern inkludiert und in der Sprache abgebildet werden.

Zur gender-integrativen Lehre sieht das Handbuch des Gender Institute der Australian National University (ANU) auch einen geschlechtsneutralen Begriff für das Stillen vor, der sich im Deutschen allerdings nicht eindeutig wiedergeben lässt: Das Wort "breastfeeding" soll durch "chestfeeding" ersetzt werden. Auch "Muttermilch" soll nicht länger so heißen, sondern durch "Menschliche Milch" oder "Elternmilch" abgelöst werden. Mit diesen Neuerungen sollen Eltern der LGBTIQ+-Community nicht länger benachteiligt werden.


Der "Stern" berichtet.

Dem Artikel zufolge handelt es sich noch nicht um offizielle Richtlinien der Universität, aber ihr habt ja gemerkt, wie lange es zum Beispiel gedauert hat, bis Anne Will und andere Journalisten eine Genderpause mitten im Wort ("Bürger…innen") etabliert haben. Wenn eine Idee als politisch korrekt erscheint, ist vielen wurscht, wie unpraktisch und verschroben sie ist.



2. Der SPIEGEL betreibt weiterhin seine aktuelle Kampagne, Straftaten gegen Frauen als besonders schwere Straftaten zu erfassen, und lässt Politiker zu Wort kommen, die diesem Ansinnen zustimmen. Verräterisch ist hier vor allem eine Wortmeldung:

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, ist für die Einführung einer eigenen Kategorie "Frauenhass" für die Kriminalitätsstatistik. Bei der Ergänzung des Strafrechtsparagrafen 46 warnt sie vor dem Begriff "geschlechtsspezifischer" Motive: "Das halte ich für ein zweischneidiges Schwert, das sich auch gegen die Frauen selbst richten kann". So könnten mit dieser Begründung etwa manche feministischen Parolen, die als Beleidigungen oder Bedrohungen angezeigt werden, wegen vermeintlicher Männerfeindlichkeit verfolgt werden, sagt Jelpke.


Aus der SPIEGEL-Kampagne könnte so ein Rohrkrepierer werden. Dass Frauen besonders von Online-Attacken und körperlicher Gewalt betroffen sind, können die SPIEGEL-Redakteure ohnehin nur suggerieren, indem sie männliche Opfer ausblenden (ebenso übrigens wie weibliche Täter). Tatsächlich trifft Online-Mobbing in erster Linie Männer, was aktuell anhand der Attacken auf Karl Lauterbach besonders sichtbar wird. Warum soll Lauterbach vor solchem Hass weniger Schutz verdienen als eine Frau?

Ich halte die SPIEGEL-Kampagne für eine Reaktion darauf, dass bei häuslicher Gewalt in den letzten Jahren immer bekannter wurde, dass es sich in den meisten Fällen keineswegs um "Männergewalt gegen Frauen" handelt, wie Ideologinnen jahrzehntelang betonten. Das Bild vom Täter Mann und Opfer Frau muss jetzt diskursiv offenbar auf andere Weise gerettet werden.

Ob die Vorstellungen der SPIEGEL-Mitarbeiter hingegen als ernstzunehmender Gesetzesvorschlag gelten können, erscheint zweifelhaft, wie an Ulla Jelpkes Statement deutlich wird. Christian Schmidt kommentiert:

Die klassische Zwickmühle der feministischen Gesetze:

Beschränkt man sie auf Frauen, muss ein Grund dafür vorliegen, sonst kassiert sie das Bundesverfassungsgericht. Selbst wenn Frauen etwas mehr beleidigt werden sollten (was so gar nicht der Fall ist), rechtfertigt das ja nicht, nur eine Gruppe zu schützen.

Beschränkt man es nicht auf Frauen, dann profitieren plötzlich Männer (igitt) davon und können das dann auch noch gegen Frauen bzw Feministinnen verwenden. Grauenhaft!


Lucas Schoppe merkt hierzu an:

"Um das zu vermeiden, sollte konkret Frauenfeindlichkeit oder Homophobie als Motiv benannt werden." Der Schlusssatz des Artikels, den beim Spiegel vermutlich niemand als Problem wahrgenommen hat.

Tatsächlich bedeutet dieser Satz, dass ein Gesetz eigens so formuliert sein sollte, dass Angriffe gegen Angehörige bestimmter Gruppen MÖGLICH sein sollen. Hass ist es eben immer nur dann, wenn die anderen es tun.

Daran zeigt sich, dass die Gesetzesinitiative insgesamt ein Problem hat. Es gibt Gesetze gegen Beleidigungen, Bedrohungen, Verleumdung, üble Nachrede etc., unabhängig von Gruppenzugehörigkeiten. Wer darüber hinaus die Gesetzgebung von der Gruppenzugehörigkeit Betroffener abhängig machen will, verfolgt damit mindestens eines von zwei Zielen.

Erstens werden bestimmte Menschen über die genannten Tatbestände hinaus geschützt – aber wovor genau dann? Oder, zweitens, wird de Schutz anderer Menschen vor den genannten Tatbeständen aufgeweicht.

Die solche Überlegungen stützende Standardphrase, dass es keine Diskriminierung von Angehörigen privilegierter Gruppen geben kann, ist hohl, und das aus mehreren Gründen.

Logisch ist sie zirkulär. Denn ob jemand privilegiert ist, zeigt sich ja u.a. gerade daran, ob er/sie spezifische Benachteiligungen und Diskriminierungen erlebt. Dann kann logischerweise nicht andererseits die Frage, ob etwas als Diskriminierung zu werten ist, davon abhängig sein, ob jemandem eine privilegierte Position zugeschrieben wird.

Politisch ist sie naiv und vormodern – als lebten wir noch in einer klar strukturierten Feudalgesellschaft. In einer funktional ausdifferenzierten modernen Massengesellschaft können Menschen in einem Bereich Nachteile erleben, im anderen Vorteile. Mehr noch: Was in einem Kontext ein Privileg ist (für Frauen z.B. die weiterhin gewaltigen rechtlichen Vorteile im Kindschaftsrecht), kann sich in einem anderen als Nachteil auswirken (z.B. Vorteile im Kindschaftsrecht > schwächere Position auf dem Arbeitsmarkt).

In empirischer Hinsicht baut diese Phrase zudem auf einen Kategorienfehler (oder ist eine bewusste Täuschung). Der Satz, dass es keine Diskriminierungen gegen Angehörige bestimmter Gruppen gäbe, erweckt den Eindruck, etwas über eine empirisch erfassbare soziale Realität auszusagen. Tatsächlich bewegt er sich rein auf der Ebene von Definitionen, nicht einmal ein Seitenblick auf soziale Realitäten ist nötig: Wer Angehöriger der Gruppe X ist, kann damit per Definition kein Opfer von Diskriminierungen sein, was immer ihm auch geschieht. In realitätsleerer Satz.

Es ist wirklich beunruhigend, dass dieser identitäre Quatsch immer selbstverständlicher als Mainstream-Position dasteht, obwohl er argumentativ nicht haltbar und in den Konsequenzen womöglich fatal ist.




3. Das Forum Soziale Inklusion schreibt in seinem aktuellen Newsletter mit Bezug auf diesen Spiegel-Online-Artikel von Marc Röhlig:

"Bedauerlicherweise wiederholt der Spiegel im Verlauf des Beitrags seine unzutreffenden Unterstellungen und Diffamierungen gegenüber dem Verein und seinen Mitgliedern. Den inhaltlichen Austausch mit Vertretern des Vereins hatte die Redakteurin vermieden. FSI sieht sich jetzt dazu gezwungen, rechtliche Schritte gegen das Medium einzuleiten."


Auch ich nehme diesen Spiegel-Online-Artikel als rufmörderisch wahr.



4. Welche Konsequenzen hat es eigentlich für die öffentliche Wahrnehmung der Leitmedien, wenn sich Magazine wie der SPIEGEL derart verrennen, wieich in den letzten beiden Beispielen gezeigt habe? Darauf weisen die aktuellen Erkenntnisse des Edelman Trust Barometers 2021 hin, treffend zusammengefasst mit "Die Medien haben versagt":

Der neu erschienene Trust Barometer der Agentur Edelman stellt den etablierten Medien ein bitteres Zeugnis aus. (…) Das steht in krassem Gegensatz zu den zahlreichen Jubelarien im Qualitätsjournalismus im Jahr 2020.

(…) "Informationale Bankrotterklärung" fasst CEO Richard Edelman zusammen. In Zahlen bedeutet das, dass Qualitätsmedien international betrachtet acht Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr eingebüßt haben. Nur 53 Prozent der Befragten denkt, dass sie eine verlässliche Quelle für Informationen bilden.

(…) Schaut man sich die Zahlen des Berichts genauer an, findet man eine Erklärung für die fatale Entwicklung. Während "Eliten" den Qualitätsmedien und den öffentlichen Institutionen weiterhin überwiegend Vertrauen entgegenbringen, wendet sich die breite Öffentlichkeit weiter davon ab. Es entsteht eine immer größere "Vertrauenslücke". Weltweit vertrauen 68 Prozent der Eliten den Medien, während es nur 52 Prozent bei der breiten Öffentlichkeit sind.


Der Edelman-Report konzentriert sich auf das Thema Corona; der gravierende Vertrauensverlust in die Medien begann aber natürlich lange vor Ausbruch der Pandemie. Schuld daran sind genau solche Entwicklungen, wie ich sie hier täglich analysiere. Gerade die manipulativen Elemente der jüngsten hier besprochenen SPIEGEL-Artikel sind ja problemlos durchschaubar.



5. Die Neue Zürcher Zeitung berichtet:

Schlägt das Journalistenherz links? Allerdings, sagt Christian Hoffmann. Der Professor für Kommunikationsmanagement an der Universität Leipzig plädiert dafür, die Schlagseite der Branche endlich anzuerkennen. Die richtigen Aktivisten kämen jetzt erst in den Redaktionen an.


Hier geht es weiter.

Zwei besonders erwähnenswerte Passagen aus dem Interview:

Denken Sie an die Debatte über Cancel-Culture. Die politische Linke weigert sich, anzuerkennen, dass dieses Phänomen überhaupt existieren könnte, weil sie die zugrunde liegenden Machtverhältnisse nicht anerkennen will oder kann.


Die Kritik, die Konservative und Liberale am öffentlichrechtlichen Rundfunk äussern, ist nachvollziehbar. Ein von allen gemeinsam finanziertes Medienangebot sollte die ganze Breite politischer Ansichten repräsentieren. Und wenn man sich eine Befragung wie die der ARD-Volontäre anschaut, dann stehen die Anstalten vor einer doppelten Herausforderung: Es gibt es den Anspruch des Publikums auf eine ausgewogene Berichterstattung, und es gibt Journalisten, die selbst noch einmal links der ohnehin eher linken journalistischen Mitte stehen. Ich glaube auch, dass der deutsche öffentlichrechtliche Rundfunk bei der Adressierung dieses Problems dem europäischen Ausland hinterherhinkt. In Skandinavien oder in Grossbritannien wird beispielsweise sehr intensiv darüber nachgedacht, wie man konservative und liberale Positionen in den Programmen berücksichtigen kann. Diese Debatte findet bei uns bis jetzt nicht statt.


Übrigens sind auch einige von uns Linken alles andere als erbaut darüber, ständig vornehmlich Argumente und vorsortierte Fakten aus einem politischen Lager zu erhalten. Das ist intellektuell dürftig und erschwert den Blick auf eine komplexe Wirklichkeit.

Das Interview ist in Gänze lesenswert.



6. Einer der Kommentatoren bei Christian Schmidt berichtet:

In der gestrigen Sendung der "Kulturzeit" aus 3sat war das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit (das ja hier auch schon zur Sprache kam) Thema. Es gab ein Interview mit der Mitbegründerin Ulrike Ackermann, die im wesentlichen sehr gut argumentierte.

Bei [Minute] 5:17 fragt die Moderatorin, ob Ackermann sich nicht auch etwas mehr Diversität für den Verein wünschen würde, immerhin sind 59 von 70 Mitgliedern Männer ohne Migrationshintergrund. Sie antwortet darauf , dass es eben darum gehe, Forschung betreiben zu können unabhängig von Geschlecht und Herkunft; man werde mit Sicherheit keine Quoten einführen. Die Moderatorin antwortet: "Nein zu Diversität, alles klar".

Es wird auch nicht ansatzweise auf die Argumentation eingegangen bzw. erklärt, warum man in einem Verein, der sich eben gegen diese Ideologie ausspricht, eben ihr folgen müsste. So als würde man einem feministischen Verein vorwerfen, dass er nicht die Interessen von Männern vertritt.

Besser kann man das ideologische Brett vor dem Kopf wirklich nicht darstellen.




7. "In Nigeria sind erneut mehrere Schulkinder entführt worden", berichtet die Tagesschau.

Hmmm.

Welches Geschlecht diese "Schulkinder" wohl haben mögen?



8. Die Post. Eine meiner Leserinnen aus dem akademischen Spektrum schreibt mir heute:

Lieber Herr Hoffmann,

würde ich an Identitätspolitik glauben, würde ich mich jetzt erst einmal für meine Geschlechtsgenossinnen (zumindest einen kleinen, lauten Teil davon) entschuldigen.

Glücklicherweise tue ich das nicht und habe – abgesehen von großem Lob für Ihre Arbeit – stattdessen einige Anmerkungen zum Gendern.

1) Gegenderte Sprache widerspricht dem Grice’sche Maxim der Relevanz, in anderen Worten: gegenderte Sprache ist aus sprachökonomischer Sicht Schwachsinn. (Aber Paul Grice war natürlich nur ein alter, weißer Mann und daher von Natur aus auf dem Holzweg ;) )

Der Sinn von alltagssprachlichen Äußerungen ist, mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel zu sagen – und zwar so, dass der Gesprächspartner sofort versteht, worum es in der Äußerung gehen soll.

Beispiel:

"Auf der A1 ist ein Geisterfahrer unterwegs. Alle Autofahrer sollen vorsichtig sein." ->Der Fokus liegt auf der Gefahr und der Handlungsanweisung.

"Auf der A1 ist ein*e Geisterfahrer*in unterwegs. Alle Autofahrer*innen sollen vorsichtig sein." -> Der Fokus liegt auf der gegenderten Sprache; nicht auf der Aussage des Satzes an sich.

Auch wenn das gewählte Beispiel etwas extrem ist, gilt grundsätzlich: bei nicht-gegenderten Texten konzentrieren sich die meisten Leser auf den Inhalt, bei gegenderten auf die Sprache an sich. Der Begriff "geschlechtsbetonende Sprache" (ich glaube, Lucas Schoppe hat ihn als erstes verwendet) ist somit viel treffender als der Begriff "geschlechtergerechte Sprache".

2) In vielen Fällen blendet gegenderte Sprache Männer einfach ganz aus und führt quasi das generische Femininum durch die Hintertür ein.

Ärzt*innen; Jüd*innen, Ir*innen; Pädagog*innen – der Plural von Arzt ist nicht Ärzt, der Plural von Jude ist nicht Jüd, der Plural von Ire ist nicht Ir, der Plural von Pädagoge ist nicht Pädagog und so weiter.

3) Die Bedeutung von Sprache basiert größtenteils auf Konventionalisierung; Laute haben keine inhärente Bedeutung. (Zum Beispiel ist die Bedeutung der Lautfolge "gift" im Deutschen anders konventionalisiert als im Englischen.) Das generische Maskulinum war bis vor wenigen Jahren die allgemein anerkannte Konventionalisierung, um beide Geschlechter auszudrücken. Damals war bei der Aussage "Alle Schüler bekommen am Montag ihr Zeugnis" vollkommen klar, dass sowohl Schüler als auch Schülerinnen gemeint sind.

Mittlerweile wird eine Art Umkonventionalisierung vorgenommen, die erstens versucht, diese ältere Konventionalisierung zu leugnen und zweitens, eine neue, deutlich kompliziertere Konventionalisierung zu etablieren.

4) Auch wenn das Gegenteil noch so oft behauptet wird: Sprache hat nur einen sehr geringen Einfluss auf die Wirklichkeit.

Wenn es nicht so wäre, müsste man sich fragen, warum Angela Merkel seit über einem Jahrzehnt Kanzlerin ist, obwohl immer von "Kanzleramt" und "Kanzlerwahl" gesprochen wird. Der feministischen Sicht folgend, hätte sie wegen dieser ‚diskriminierenden‘ Sprache ja nie auf die Idee kommen dürfen, Kanzlerin zu werden.

5) Witzigerweise wird von englischen Feministen behauptet, dass gerade die geschlechtsbetonende Form "actress" sexistisch ist und man Schauspielerinnen deswegen (im generischen Maskulinum) "actor" nennen muss. Allgemein gibt es im Englischen fast nur das generische Maskulinum – weibliche Formen wie poetess und authoress (die im 18. und 19. Jahrhundert noch recht geläufig waren), sind größtenteils ausgestorben. Und obwohl in Großbritannien das böse generische Maskulinum allgegenwärtig ist, sehe ich keinen Unterschied zwischen der Gleichberechtigung dort und hier.

Man könnte fast auf die Idee kommen, dass Frauen nicht so dumm sind, wie es von feministischer Seite immer impliziert wird …

Sorry für den langen Rant, aber die ganze Duden-Geschichte hat mich echt ziemlich wütend gemacht. Moderne Wörterbücher haben deskriptiv zu sein und nicht präskriptiv – wir leben ja nicht im siebzehnten Jahrhundert.


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