Menschenrechtler beklagen sexuelle Gewalt gegen Männer in Syrien – News vom 31. Juli 2020
1. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtet:
Staatliche sowie nicht-staatliche Akteure in Syrien haben gegen Männer, Jungen, Transgender Frauen und nicht-binäre Menschen sexuelle Gewalt angewendet. Die Betroffenen erlitten schwere physische und mentale Verletzungen, die durch mangelnde Hilfsangebot im Libanon noch verschärft werden, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.
Der 77-seitige Bericht "They Treated Us in Monstrous Ways": Sexual Violence Against Men, Boys, and Transgender Women in the Syrian Conflict dokumentiert, wie Männer und Jungen seit Beginn des Konflikts in Syrien sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Schwule und bisexuelle Männer, Transgender Frauen sowie nicht-binäre Menschen wurde immer stärker attackiert wegen ihrer tatsächlichen oder wahrgenommen sexuellen Orientierung oder Gender-Identität, so berichteten Gesprächspartner. Transgender Frauen werden in Syrien oft als schwule Männer gesehen und aus diesem Grund angegriffen.
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2. Der Deutschlandfunk berichtet (so wie viele andere Medien), dass Polen und andere osteuropäische Staaten die sogenannte "Istanbul-Konvention", die Frauen vor Gewalt schützen soll, nicht unterzeichnen wollen. Da der Appell des Deutschlandfunk-Intendanten, einseitige Berichterstattung zu vermeiden, schon ein paar Tage her ist, gilt er offenbar schon als veraltet, und Lesern wie Hörern wird schnell klar gemacht, wie hier Gut und Böse verteilt sind. Ein näher vorgestellter Kritiker der Resolution, "packt den ganz dicken, rhetorischen Hammer aus", "ereifert" sich und "wütet" herum. Klar, dass jemand bei klarem Verstand das nicht tun kann, denn die Resolution scheint auf sachlicher Ebene kaum zu beanstanden:
Die Istanbul-Konvention wurde 2011 von 13 Mitgliedstaaten des Europarats angenommen. Nach und nach unterzeichneten alle Mitgliedstaaten das Papier, außer Russland und Aserbaidschan. Die Konvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, durch Gesetze und politische Programme sicherzustellen, dass Frauen vor Gewalt geschützt werden und ganz allgemein häusliche Gewalt unterbunden wird. 34 der 46 Unterzeichnerstaaten haben die Konvention mittlerweile auch ratifiziert.
Nicht ratifiziert hingegen haben etliche osteuropäische Staaten. Und das vor allem wegen des Widerstands der katholischen Kirche, die gegen die Istanbul Konvention mobilmacht. Weil die angeblich eine verborgene Gender-Agenda verfolge, durch die das natürliche Verhältnis von Mann und Frau zerstört werden solle.
Offenbar haben die Osteuropäer und die Katholen mal wieder einen Sprung in der Schüssel, muss man nach der Lektüre dieses Beitrags denken. Phantasieren die doch glatt in eine Konvention, die lediglich Frauen davor schützen soll, grün und blau geschlagen zu werden, eine "Gender-Agenda" hinein! Lächerliche Verschwörungsphantasien. Und mit solchen Wirrköpfen muss man sich denselben Kontinent teilen!
Oder gibt es Teile der Istanbul-Konvention, über die unsere "Qualitätsjournalisten" die deutschen Hörer und Leser schlichtweg nicht unterrichten? Schauen wir mal, was wir aus der britischen Presse erfahren können, was Kritik an der Istanbul-Konvention angeht:
Ihre wichtigste Voraussetzung ist, dass ein Staat, wenn er sie ratifiziert, sich bereit erklärt, Gesetze zu erlassen, die Gewalt gegen Frauen, von Vergewaltigung bis hin zu Zwangsheirat, Zwangsabtreibung, weiblicher Genitalverstümmelung, Einschüchterung und sexueller Belästigung, verhindern und kriminalisieren. Aber all dies tun wir bereits, und zwar ohne die Hilfe eines internationalen Vertrags, der uns dazu zwingt.
(...) Wenn das einzige Argument gegen den Beitritt zur Istanbul-Konvention war, dass es sich dabei nur um eine weitere sinnlose, aber harmlose Geste handelt, die darauf abzielt, Druckgruppen zu besänftigen und den Professoren des Völkerrechts Arbeit zu verschaffen, könnte es ein Argument dafür geben, dass eine Regierung sich damit ein ruhiges Leben verschafft. Leider ist dem nicht so. In mehrfacher Hinsicht ist die Istanbul-Konvention schädlich, da das Kleingedruckte eine Reihe von Nebenverpflichtungen enthält, die jeder demokratischen Regierung eine Denkpause verschaffen sollten.
(...) Drei Beispiele sollten genügen. Zunächst einmal fordert eine Bestimmung, Artikel 12, die Regierungen auf, sich auf etwas einzulassen, das nur als offizielle Kulturmanipulation bezeichnet werden kann. Die Parteien, so heißt es, "treffen die erforderlichen Maßnahmen, um Veränderungen in den sozialen und kulturellen Verhaltensmustern von Frauen und Männern mit dem Ziel zu fördern, Vorurteile, Sitten, Gebräuche, Traditionen und alle anderen Praktiken zu beseitigen, die auf der Vorstellung von der Unterlegenheit der Frau oder auf stereotypen Rollenbildern für Frauen und Männer beruhen". Lesen Sie das noch einmal langsam durch. Die Istanbul-Konvention fordert, mit mehr als einem Hauch von Totalitarismus, eine vertragliche Verpflichtung der Regierung, nicht die Menschen von einer bestimmten Position zu überzeugen oder eine Auseinandersetzung darüber zu fördern, sondern administrative Schritte zu unternehmen, um ihre bestehenden Sitten, Gebräuche, Traditionen und Praktiken auszumerzen, soweit sie nicht einer offiziellen Linie entsprechen.
(...) Zweitens verlangt die Istanbul-Konvention von der Regierung, dass sie in großem Umfang in das Bildungswesen eingreift und sich darüber hinaus auf die Medien stützt. Man fragt sich, ob sich die ernsthaften und wohlmeinenden Befürworter der Ratifizierung jemals genau mit Artikel 14 befasst haben. Danach müssen die Regierungen auf allen Bildungsebenen vom Kindergarten bis zur Universität "die notwendigen Schritte unternehmen, um Lehrmaterial zu Themen wie Gleichstellung von Frauen und Männern, nicht stereotype Geschlechterrollen, gegenseitiger Respekt, gewaltfreie Konfliktlösung in zwischenmenschlichen Beziehungen, geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen ... aufzunehmen". Diese Bestimmung über die obligatorische Vermittlung einer durch und durch ideologischen Position sollte jeden beunruhigen, der sich mit dem Recht der Eltern beschäftigt, die Kinder nach ihren eigenen Überzeugungen zu erziehen, ganz zu schweigen von der Fähigkeit der Gemeinschaften, Schulen einzurichten, um die Kinder in einem vernünftigen Rahmen nach ihren Normen zu erziehen. Ebenso alarmierend ist der zweite Teil desselben Artikels. All dies muss von der Regierung gefördert werden, nicht nur in der Bildung, sondern unter anderem auch in den Medien: Anders ausgedrückt, wird den Regierungen gesagt, dass sie Druck auf Nachrichten und Fernsehsender ausüben sollen, damit diese einer bestimmten ideologischen Linie folgen. Die Auswirkungen auf die Pressefreiheit sind für jeden klar ersichtlich.
(...) Drittens, und das ist noch beunruhigender, ist das, was die Istanbul-Konvention zum Gender-Thema sagt. Sie bezieht sich nicht nur häufig auf Dinge wie geschlechtsspezifische Gewalt und verlangt, dass Kindern beigebracht wird, dass Geschlechterrollen schlecht sind, sondern in Artikel 3 ist eine Aussage versteckt, die besagt, dass unter Gender "die gesellschaftlich konstruierten Rollen, Verhaltensweisen, Aktivitäten und Eigenschaften zu verstehen sind, die eine bestimmte Gesellschaft für Frauen und Männer als angemessen erachtet". Es ist schwer, dies als etwas anderes zu sehen als die Forderung, dass der Staat in der Gender-Debatte offiziell Partei ergreift. Im Rahmen der Konvention muss der Staat scheinbar als offizielle Ideologie die umstrittene und fast schon kultische Vorstellung, dass Geschlecht einfach ein soziales Konstrukt ist, als offizielle Ideologie durchsetzen und der Jugend als Tatsache vermitteln. Dies mag für diejenigen akzeptabel sein, die ihr Leben an Universitäten oder auf Konferenzen gleichgesinnter Fachleute verbracht haben: Es ist für niemanden akzeptabel, der der Meinung ist, dass solche Fragen frei und ohne offizielle Intervention diskutiert werden sollten.
(…) Es gibt einen noch wichtigeren Punkt. Die Istanbul-Konvention schafft ein Kader von 15 Personen namens GREVIO, oder "Expertengruppe für Aktionen gegen Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt", die in der Praxis aus ausgewählten Fachleuten besteht, denen man vertrauen kann, dass sie mit ihren Zielen übereinstimmen und die internationalistische Denkweise teilen. An dieses Gremium muss jeder Staat, ähnlich wie ein Arbeiter in seiner Bewährungszeit, regelmäßig über seine Fortschritte berichten, und enthält seinerseits Berichte darüber, was er nach der Meinung von GREVIO besser machen könnte.
Jetzt kann man diese Kritik für sich persönlich unterschiedlich beurteilen. Der eine mag hier schon eine "Gender-Diktatur" am Werk sehen, der andere die verschiedenen aufgeführten Punkte ganz vernünftig finden. Der eine mag den Kritikern der Konvention glauben, dass es ihnen vor allem um Demokratie und Pressefreiheit geht, der andere mag das für vorgeschobene Argumente halten. Nur möchte ich – und ich weiß, das ist von unseren Leitmedien in ihrem gegenwärtigen Zustand VIEL ZU VIEL VERLANGT – gerne konkret darüber informiert werden, dass es in der umstrittenen Vereinbarung eben nicht allein darum geht, Frauen vor Gewalt zu schützen, sondern dass sie viel weiter gehende Punkte enthält. Ich möchte gerne Konkretes über die beiden Positionen einer Debatte erfahren, statt dass die Position der einen Seite bei der Berichterstattung fast komplett ausgeklammert wird und jede Kritik so von vorneherein als Phantasterei irgendwelcher Hinterwäldler erscheint. Wie soll ich mir zu einem Thema eine informierte Meinung bilden, wenn ich von unseren Leitmedien nur einen Bruchteil der wesentlichen Fakten erhalte?
Und wenn mir solche Informationen vorenthalten werden, frage ich mich mit ganz besonderem Interesse: Warum?
In der Süddeutschen Zeitung ist es nicht anders. Über die tatsächlich umstrittenen Punkte der Vereinbarung erfahre ich nichts. Der Platz fehlt, weil die "Süddeutsche" ausführlich über das Martyrium einer Frau berichten muss, die von ihrem Ex-Partner in einem Eifersuchtsanfall bewusstlos geschlagen, erwürgt und zu verbrennen versucht wurde.
Währenddessen twittert die Grüne Ricarda Lang:
Die Unterzeichnung der #IstanbulKonvention ist noch keine Garantie für den umfassenden Schutz von Frauen vor Gewalt. Aber wenn Polen und die Türkei sie aufkündigen, senden sie ein klares Signal an Täter: wir tolerieren eure Taten, wir schützen euch.
Mit anderen Worten: Man muss schon ein Monster sein, um diese Konvention nicht zu unterzeichnen.
(Dass eine internationale Vereinbarung, die allein Frauen vor Gewalt schützt, für Männerrechtler nicht akzeptabel sein kann, ist ohnehin klar und war auf Genderama auch bereits Thema, wenn es um die Istanbul-Konvention ging.)
3. Dieser Tage ist das Buch "Abgründe: Spektakuläre Fälle aus dem Leben eines Psychotherapeuten" des Kinder- und Jugendtherapeuten Hans Hopf erschienen. Jeannette Hagen, eine der Autorinnen des von mir herausgegebenen wissenschaftlichen Sammelbands "Gleichberechtigung beginnt zu zweit", schreibt dazu:
Leseempfehlung für jede/n, die/der verstehen will, was Vaterentbehrung und damit oft einhergehende toxische Mutterverbindungen mit Kinderseelen anrichten. (…) Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Es lässt wirklich in Abgründe blicken – allerdings in Abgründe, die wir selbst schaffen.
4. In einer Kleinen Anfrage erkundigte sich die FDP vergangene Woche nach dem Verfahrensstand der durch Bundesjustiz- und -frauenministerium seit Jahren verschleppten, von Experten angeratenen Reform des Sorge- und Umgangsrecht.
5. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir zu dem "Zeit"-Online-Artikel "Unberührt und voller Hass", vor den die Redaktion inzwischen eine Bezahlschranke gesenkt hat:
Die Autorin ist sehr verallgemeinernd vorgegangen. Sie hat ohne weitere Reflektion den Begriff des Incels direkt mit dem des potentiellen Amokläufers, mindestens jedoch mit dem Typus des stets gegenüber Frauen als gewalttätig auftretenden Mannes gleichgesetzt. Zu keiner Zeit wurde versucht, diesen - zumindest in Worten - extrem gewaltbereiten Teil der Bewegung als Splittergruppe zu quantifizieren. Ohne belastbare Zahlen zu kennen, würde es mich persönlich sehr wundern, wenn der radikale Arm mehr als 1% jener ausmacht, die tatsächlich im "involuntary celibate" leben. Der Grund ist klar: Ein solcher, nach gewalttätigen Zitaten geradezu lechzender Artikel, wäre schwer möglich gewesen, wenn man vorab dargestellt hätte, dass der überwiegende Mehrteil der Incels nur still vor sich hin leidet und sich nicht in Gewaltfantasien ergeht.
Kommt bei der Autorin einmal Mitgefühl auf, wird nachfolgend klargestellt, dass die Incels nur sich selbst, durch ihre eigenen Probleme, im Wege stehen. Ein Nachweis hierfür wird nicht erbracht - überflüssig! Es fällt daher als uninformierter Leser leicht, diese Gruppe als Ganzes zu verdammen. Erwähnte Verweise in rechte Netzwerke tun ihr übrigens, um die Incels vollständig zu diskreditieren. Dabei verbringt niemand mit einem erfüllten Leben und ohne schwere psychische Probleme sein Leben des Nachts in Foren, um Hassnachrichten zu schreiben und andere Mitmenschen zum Selbstmord oder Amoklauf aufzufordern.
Ich möchte klarstellen, dass die im Artikel geschilderte radikale Untergruppe der Incels, wie sich sich in dem erwähnten Forum und anderen organisiert und äußert, vollständig abzulehnen ist. Gewalt darf niemals ein Mittel zum Erreichen egal welcher Ziele sein. Zudem sind die Äußerungen extrem frauen- und menschenverachtend. Es war korrekt diese Beiträge den Behörden zu melden, um auf Vorliegen eines Straftatbestandes zu prüfen.
Hiermit ist allerdings nicht zeitgleich das Recht gegeben, die Incel-Bewegung in einen Topf zu werfen. Beim Film "The Red Pill" war einer der schärfsten Kritikpunkte, dass nicht auch radikale, gewaltbereite "Männerrechtler" interviewt wurden. Diese Untergruppe dürfte allerdings weit in der Unterzahl sein und eine sachliche Einordnung in die Gesamtzahl der friedlich-konstruktiven Männerrechtler hätte dem Film sicherlich gut getan.
Wir können im Artikel der Zeit jedoch exakt eine diametrale "journalistische" Herangehensweisen zur Erreichung eines bestimmten Effektes beobachten. Und diese Absicht war es einfach, Jugendliche und Männer, traumatisiert, leidend, in Einsamkeit lebend, als Ziele zu markieren, ein "Selbst schuld!" hinterherzurufen und sich an Klickzahlen und zustimmenden Forenbeiträge zu ergötzen. Und das alles nur, um sich durch die Abwertung Anderer selbst aufzuwerten. In mir selbst löst diese allzu durchschaubare Handlungsweise nur Ekel aus.
Leider scheint "Zeit"-Online mit diesem Produzieren von Feindbildern kommerziell enorm erfolgreich zu sein. Vor einigen Tagen meldete das Branchenmagazin "kress", dass Zeit Online-Chef Jochen Wegner es mit seiner Redaktion geschafft habe, mehr als 100.000 voll bezahlte Digitalabos zu verkaufen. Schlüssel dazu sei die "Interaktion mit den Lesern", was sehr euphemistisch formuliert für die Löschungsorgien unliebsamer Kommentare klingt, für die "Zeit"-Online vor allem bekannt geworden ist. Solange es sich wirtschaftlich rechnet, dürfte Zeit"-Online also mit diesem Schüren von Hass weitermachen: Das machen Magazine im radikal rechten Lager ja auch nicht anders, um auf hohe Verkaufszahlen zu kommen.