Grüne fordern feministisches Wahlrecht in Rheinland-Pfalz – News vom 18. Juli 2020
1.
In Thüringen hat das Verfassungsgericht das Paritätsgesetz gekippt. Dennoch befürwortet die rheinland-pfälzische Frauenministerin Anne Spiegel eine Geschlechterquote für Kandidatenlisten bei den Landtagswahlen.
"Das Paritätsgesetz ist vom Verfassungsgericht in Thüringen zwar gekippt worden", sagte die designierte Spitzenkandidatin der Grünen. "Aber wir werden uns genau die Urteilsbegründung anschauen." Spiegel sprach sich schon 2019 für ein Paritätsgesetz aus.
Besonders spannend sei, dass es nicht einstimmig abgelehnt worden sei. "Ein Sondervotum befasste sich mit der strukturellen Benachteiligung von Frauen. Da müssen wir ran." Frauenquoten seien zwar eine "positive Diskriminierung", sagte die Frauenministerin. Aber: "Bei der Gleichberechtigung sollte man nicht nur auf das Prinzip Freiwilligkeit setzen", fügte sie mit Blick auf die Diskussion über die Frauenquote in der CDU hinzu.
Die Jungen Liberalen in Rheinland-Pfalz können den Vorstoß von Ministerin Spiegel nicht nachvollziehen. "Das Paritätsgesetz ist gescheitert", so die stellvertretende JuLi-Vorsitzende Ann-Kathrin Johann. Es scheine, als wolle Spiegel "nicht akzeptieren, dass unser Rechtsstaat ein grünes Projekt beerdigt." Ohne Zweifel sei noch viel zu tun, um Gleichberechtigung gesamtgesellschaftlich zu leben. Allerdings könne so etwas nicht durch staatlichen Zwang in Form von "Fünfzig-Fünfzig-Schablonen" verordnet werden. Ähnlich äußerte sich der Landesvorsitzende der Jungen Liberalen, Luca Lichtenthäler: "Die Wählbarkeit von Menschen an ihr Geschlecht zu knüpfen, ist ein höchst bedenklicher Vorgang." Das sei ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Freiheit der Wahl.
Der SWR berichtet.
2. Dr. Klaus Funken, langjähriger wirtschaftspolitischer Referent der SPD-Bundestagsfraktion, Leiter der Büros der Friedrich Ebert Stiftung in Shanghai und London, kommentiert das Verfassungsgerichtsurteil zum feministischen Wahlrecht:
Zum ersten Mal haben sich Verfassungsrichter in Deutschland mit der Quotenregelung als einem Mittel der Politik, Verfassungsziele (hier Artikel 3 GG - Gleichheit vor dem Gesetz) zu verwirklichen, auseinandergesetzt. Die Richter kommen dabei zu dem eindeutigen Ergebnis, dass es unzulässig und nicht verfassungsgemäß ist, den Kernbestand der Demokratie, nämlich das Wahlrecht, also das Recht der Bürger, ihre Präsentanten in den Parlamenten in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen (Art. 38 GG), einzuschränken. Das Wahlrecht wird aber mit einer Quotenregelung, wie sie bei den vorliegenden Paritätsgesetzen vorliegt, verletzt.
Aber auch die Parteien mit Statuten, die verbindliche Quotenregelungen vorschreiben, werden jetzt durch das Erfurter Urteil zur Ordnung gerufen. Entsprechende Regelungen bei den Grünen, der Linken und den Sozialdemokraten sind verfassungswidrig. Parteien sind keine x-beliebigen privatrechtliche Vereinigungen oder Vereine wie ein Handballclub oder ein Gesangsverein. Sie sind vielfältig, auch verfassungsrechtlich, privilegiert, u.a. auch deshalb weil ihnen die Aufgabe zukommt, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Dabei ist den Parteien klar vorgeschrieben: "Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen." (Art. 21 GG). Verbindliche Quotenregelungen widersprechen freilich Art. 21 GG.
(…) Die öffentlich geäußerte Erwartung von so manchem übereifrigen Quotenlobbyisten (vgl. etwa Herbert Prantl in der Süddeutschen Zeitung vom 4./5. Juli 2020), dass die neue Frauenmehrheit im Bundesverfassungsgericht, den Paritätsgesetzen schließlich doch noch über die Hürden verhelfen wird, ist nicht nur rufschädigend, sondern auch zutiefst frauenfeindlich.
Ein Ziel des Paritätsgesetzes dürfte gewesen sein, Parteien zu benachteiligen, die sich nicht dem Gender-Regime unterwarfen. Es wäre hochgradig ironisch, wenn diese Attacke jetzt zum Bumerang wird.
3. Stephan Schleim, Professor für Psychologie, beschäftigt sich mit der unterschiedlichen Wahl von Studienfächern bei Frauen und Männern:
Das macht sehr deutlich, dass Jugendliche und junge Erwachsene - und ausdrücklich die intelligentesten unter ihnen - Vorstellungen von ihren Lebenswegen haben, die nicht zu den Idealen der Gleichstellungspolitik passen. Würde die herrschende Politik so weit gehen, beispielsweise Frauen mit dem Studienwunsch Architektur, Medizin, Pädagogik, Psychologie oder Rechtswissenschaften, wo dieses Geschlecht zurzeit deutlich überwiegt, derart "umzuerziehen", dass sie stattdessen Bauingenieurwesen, Informatik, Maschinenbau, Physik oder Volkswirtschaftslehre studieren? Und ähnliche Maßnahmen für Männer, dann nur in gegengesetzte Richtung?
Das erinnert an eher düstere Gesellschaften, in denen Menschen nicht im Sinne des politischen Liberalismus für sich selbst wählen können; Länder, in denen, wie es hieß, nicht das Volk seine Politik wählt, sondern umgekehrt die Politikerinnen und Politiker ihr Volk. Dabei wird oft übersehen, dass die Geschlechtsunterschiede, ob sie nun eher angeboren oder angelernt sind, zur empirischen Realität gehören. Dass erwachsene Frauen und Männer - vor allem in Abwesenheit finanzieller Zwänge - häufig gemäß stereotypischen Rollenmodellen wählen, ist ebenfalls Teil dieser Realität. Dabei sind Diskussionen über Geschlechtsrollen heutzutage so verbreitet, dass jede und jeder für sich selbst entscheiden kann, wie er oder sie sich dazu verhalten möchte.
In diesem Kontext sei auf die jüngeren Entscheidungen der Verfassungsgerichtshöfe von Bayern und Thüringen verwiesen, dass der Staat den Parteien bei der Aufstellung ihrer Wahllisten keine Geschlechtsquote aufzwingen darf. Auch hier gilt: Das Volk wählt sich seine Politikerinnen und Politiker, nicht umgekehrt. Natürlich steht es aber den Parteien frei, sich selbst solche Regeln aufzuerlegen. Anschließend können sich die Wählerinnen und Wähler für oder gegen diese Parteien entscheiden. So geht Demokratie und nicht anders.
Der Beitrag endet mit dem Fazit:
Für den sozialen Frieden in der Gesellschaft scheint mir (…) ein breiteres emanzipatives Projekt vonnöten, als es die heutige Gleichstellungspolitik fordert und fördert.
4. Lucas Schoppe hat einen neuen Essay veröffentlicht:
Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet viele gute Möglichkeiten, leicht und günstig an politische Informationen, an Texte und Bücher zu gelangen. Ausgerechnet in der Geschlechterpolitik aber, von der alle Menschen in ganz persönlichen Lebensbereichen betroffen sind, versperrt sie politische Debatten, anstatt Zugänge zu ihnen zu schaffen – und verzerrt Positionen politischer Gegner, anstatt sie zu Wort kommen zu lassen.
Hier geht es weiter mit dem lesenswerten Beitrag. Dass J.K. Rowling inzwischen nicht nur gegen trans Personen, sondern auch gegen Männerrechtler polemisiert, hatte ich zum Beispiel noch gar nicht mitbekommen.
Im Zusammenhang mit dem von Schoppe behandelten Thema ist auch der Beitrag "Ten woke ways to shut down debate" lesenswert.
5. Das Marketing-Magazin "Horizont" beschäftigt sich in Uwe Vorkötters Beitrag "Gendern, bis der Zahnarzt kommt" mit der sprachlichen Ideologisierung des Deutschlandsfunks. Ein Auszug:
Kürzlich ging es um den Sport, Thema war ein Tennisturnier. Die Moderatorin sprach über die "Spieler", kurze Pause, "-innen". Im nächsten Satz verwies sie darauf, dass für die "Teilnehmenden" strenge Hygienevorschriften gelten. Kurz darauf hieß es, dass "neben Betreuerinnen und Betreuern auch Zuschauerinnen und Zuschauer" auf der Tribüne zugelassen seien. So klingt es, wenn im Radio munter drauflos gegendert wird – wer die Sprache liebt, hört plötzlich Geräusche, die ungefähr so angenehm sind wie der Bohrer beim Zahnarzt. (…)
Um Missverständnisse zu vermeiden: Von mir aus kann jedes Medium sich seine Sprache selbst wählen. Es sollte nur eine Sprache sein, die zu ihm passt. Wer ein Magazin für pubertierende Jugendliche herausgibt, ist gut beraten, die jungen Menschen auf eine Art anzusprechen, die sie verstehen. Da werden nicht unbedingt die gewähltesten Ausdrücke zur Anwendung kommen. Wer wie die "taz" den Feminismus lebt und immer wieder neu erfindet, kann mit Hingabe all diese Debatten um Sternchen und Doppelpunkte führen, Vollversammlungen abhalten, Entscheidungen treffen, vertagen, verwerfen. Und die Kampagne für die allgemeine Genderei wieder und wieder befeuern. Warum nicht?
Der Deutschlandfunk ist aber weder die "taz" noch ein Begleitmedium zum Studiengang Gender Studies an der Uni Paderborn. Er ist ein (…) Informationsprogramm für Menschen, die wissen wollen, was in Politik und Gesellschaft passiert. Als beitragsfinanziertes öffentlich-rechtliches Programm (...) sollte der Deutschlandfunk, jedenfalls aus meiner Sicht, seinen Hörern in einer Sprache begegnen, die sie selbst auch sprechen. Kommunikation auf Ohrenhöhe gewissermaßen. Ich habe dazu einen (zugegeben nicht-repräsentativen) Test gemacht und festgestellt: In beruflichen Zoom-Konferenzen, bei Rewe an der Kasse, in der S-Bahn und auf Netflix reden Menschen, sie gendern nicht. Nicht mal im Hit-Radio. Aber im Deutschlandfunk treten neuerdings die Sprechenden den Hörenden von oben herab entgegen - in der Attitüde medialer Erzieher-innen, belehrend und anmaßend.
(…) Ach ja, noch eins: Menschen, die diesen Kommentar blöd finden, fanden es in der Vergangenheit auch schon blöd, dass Männer sich zu sowas überhaupt äußern. Der will sicher nur seine Privilegien verteidigen! Ich bin aber gern bereit, auf Anhieb mindestens ein Dutzend Frauen namentlich zu benennen, die meine Meinung in dieser Angelegenheit teilen – allesamt DLF-Hörerinnen, darunter aber keine Hörer-in.
6. Die männerpolitische NGO MANNdat beschäftigt sich mit der sexistischen Flüchtlingspolitik Österreichs.
7. Eine neue Studie erörtert Wege, um zu unterbinden, dass so viele Männer Covid-19 zum Opfer fallen.
8. Die neue Netflix-Serie "Cursed" ist eine feministische Neuinterpretation des König-Artur-Mythos, also mit einer weiblichen Heldin. Vor 30 bis 40 Jahren war ein solcher Zugang kreativ, innovativ und geistig anregend. Die Schriftstellerin Angela Carter etwa hat daraus wunderbare Erzählungen gefertigt. In den siebziger und achtziger Jahren. Jahrzehnte später, nach dem zigsten Aufguss, wirkt diese Masche außerhalb des entsprechend ideologisierten Lagers abgestanden und öd. Ein Blick auf die Begeisterungs-Kluft zwischen hauptberuflichen Kritikern und der Allgemeinbevölkerung zeigt das deutlich. (Ähnlich vernichtend ist das Ranking der Serie bei der Imdb.)
9. Die L.A. Times berichtet über einen bizarren Versuch, einem Jungen die toxische Männlichkeit mit Östrogen auszutreiben:
Ein 16-jähriger Junge, der in einer Jugendstrafanstalt im Bezirk Los Angeles festgehalten wurde, entwickelte vergrößerte Brüste, nachdem ihm Östrogen zur Behandlung einer Verhaltensstörung verschrieben worden war - ein Schritt, der die Ärzte vor ein Rätsel stellte, die sagten, dass sich die Behandlung der medizinischen Logik widersetzte, wie aus einer im letzten Monat eingereichten Klage hervorgeht.
Dem Teenager, dessen Identität aufgrund seines Alters verschwiegen wird, wurde zwei Tage nach seiner Verhaftung und Unterbringung in der Jugendstrafanstalt Eastlake im Juni 2019 eine Oppositionelle Verhaltensstörung (ODD) diagnostiziert, hieß es in der Klage. Die von der "Times" überprüften medizinischen Aufzeichnungen zeigen, dass der Testosteronspiegel des Teenagers "leicht erhöht" war, als der Arzt, der ihn diagnostizierte, ihm tägliche Östrogendosen verschrieb.
~ "Oppositionelle Verhaltensstörung"? Was soll das überhaupt für eine Krankheit sein? Symptome: trotziges Verhalten gegenüber Autoritätspersonen, die Weigerung, Regeln zu befolgen, Streitlust und absichtliches Ärgern von anderen Personen? Das habe ich unbehandelt seit rund 50 Jahren und lebe damit sehr gut. ~
Egal jetzt, weiter mit dem Artikel:
Nach der Einnahme von etwa 13 Tagesdosen des Hormons wurde bei dem Teenager eine Gynäkomastie diagnostiziert, definiert als die Vergrößerung oder Schwellung des Brustgewebes bei Männern, deren Östrogenspiegel zu hoch ist, wie die medizinischen Aufzeichnungen zeigen.
ODD, eine Verhaltensauffälligkeit, die manchmal bei Patienten mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung auftritt, wird normalerweise mit einer Therapie behandelt, sagte James McGough, Professor für klinische Psychiatrie an der UCLA.
"Östrogen ist keine Behandlung für ODD. Das kann ich nicht nachdrücklicher sagen", sagte McGough. "Sie werden nirgendwo eine Referenz finden, die den Einsatz von Östrogen bei ODD unterstützt."
In der Klage wurde die Behandlung als "experimentell" bezeichnet. Der Arzt, der das Östrogen verschrieben hatte, Danny Wang, konnte für eine Stellungnahme nicht erreicht werden.
(...) Der Vater des Jungen, der unter der Bedingung der Anonymität sprach, um die Identität seines Sohnes zu schützen, sagte, er habe von den Östrogenpillen erfahren, als er an einem Wochenende im vergangenen Juli die Jugendstrafanstalt besuchte.
"Als ich erfuhr, dass sie ihm die Pille gaben, fragte ich mich: Warum haben sie mich nicht gefragt? Als ich herausfand, was für eine Pille es war, dachte ich: Das ist schrecklich", sagte der Vater. "Er ist erst 16, und sie zwangen ihn, diese Pille zu nehmen."
(...) Der Vater des Jungen sagte, die Hormontherapie habe eine Langzeitwirkung auf seinen Sohn gehabt, der jetzt leicht Angst habe und unsozial geworden sei.
"Er ist wie ein anderer Mensch. Er will nur in seinem Zimmer sein, und er kommt den ganzen Tag nicht da raus", sagte der Vater. "So war er früher nie."
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