Samstag, April 29, 2023

Precht legt gegen Baerbock nach: "Weil sie eine Frau ist"

1. Nachdem Richard David Precht wegen seiner Kritik an Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) durch einen heftigen Shitstorm als sexistischer Frauenfasser gebrandmarkt wurde, legt er im Podcast mit Markus Lanz jetzt nach. Der Focus berichtet:

Auch erinnerte er seinen Gesprächspartner daran, einst den vormaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier scharf kritisiert zu haben, was Precht bestätigte. Er habe auch damals schon "die eine oder andere drollige Formulierung" benutzt, "darüber hat sich aber niemand aufgeregt, weil er ein alter weißer Mann ist", mutmaßte der Bestsellerautor. Lanz sprang ihm erneut zur Seite: "Du hast doch nicht Annalena Baerbock als Frau kritisiert!" Precht wies derlei von sich und kritisierte die Art und Weise, wie Baerbock verteidigt worden sei: "Eine Firewall um sie zu machen, weil sie eine Frau ist, widerspricht der Gleichberechtigung."

Auch hier waren sich Richard David Precht und Markus Lanz einig. Der ZDF-Talker nannte den "Reflex", immer gleich eine Diskurs-Front zwischen Frauen und Männern aufzumachen "befremdlich" und paraphrasierte das Lebensgefühl eines Friedrich Merz, wie er es wahrnehme: "Ich möchte als Mann nicht ständig nur noch das Problem sein, während Frauen prinzipiell die Lösung sind. So einfach ist das alles nicht."


Jedem, der an diesem Wochenende irgendwie Zeit dazu findet, empfehle ich, sich die komplette Passage in dem Podcast anzuhören. Unabhängig, was man von Lanz und Precht sonst hält, dürften sie hier den meisten Männerrechtlern aus der Seele sprechen. Der entsprechende Wortwechsel findet sich von Minute 8 bis Minute 19 des Podcasts. Besonders schön finde ich Prechts Einordnung des Denkens, das Frauen als sakrosankt und Kritik an ihnen für unzulässig erklärt: "Ich verstehe nicht, wie Menschen, die sich für links halten, sich solcher rechter Denkraster bedienen, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen." Tja, das sind dieselben Leute, die auch Männerrechtler als "rechts" phantasieren.

Zu Beginn ihres Podcasts wundern sich Lanz und Precht übrigens darüber, dass ihr Zweiergespräch eine derart riesige Welle an Empörung ausgelöst hat: ("Es ist schon irre, wenn man bedenkt, welche Bedeutung dem beigemessen wird.") Ich hätte eine mögliche Erklärung anzubieten: Precht wird gerade deshalb so heftig angegangen, weil er Baerbock gerade nicht als Frau sondern wegen – aus seiner Sicht – eklatanten Schwächen als Ministerin filetiert. Das macht Baerbock nach Anne Spiegel und Christine Lambrecht zur mittlerweile DRITTEN Ministerin der gegenwärtigen Regierungskoalition, der komplette Inkompetenz nachgesagt wird (und die mit Sexismusvorwürfen verteidigt wird). Selbst wohlmeinende Bürger könnten zu dem Eindruck kommen, dass sich das allmählich häuft, Frauen sind vielleicht doch keine fast perfekten Wunderwesen sind und es sinnvoll ist, Ministerposten nach dem Geschlecht ("Hauptsache, wir haben genügend Frauen untergebracht") zu besetzen. Damit geht dem rotgrünen Lager ein zentrales ideologisches Narrativ flöten.

Ein gelungenes Video zu dieser Debatte findet man auf Youtube: Sexismus? Precht gegen Baerbock im Check.



2. Wir bleiben bei den Kapriolen der Ampelkoalition: Wie die Süddeutsche Zeitung (hinter einer Bezahlschranke) berichtet, gibt es wegen der Frauenquote Streit mit der FDP:

Seit 1998 stagniert der Anteil der Frauen bei etwa 30 Prozent. Auch die "Fortschrittskoalition", als die sich die Ampel bezeichnet hat, wird daran offenbar kaum etwas ändern. Das ist dem Abschlussbericht der Kommission zu entnehmen, über den am Donnerstag abgestimmt wird, er liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Mal wieder sind sich die Koalitionspartner nicht einig.

Auf der einen Seite stehen SPD und Grüne, die ein Paritätsgesetz für "geboten" und "zwingend notwendig" halten. Es soll Parteien dazu verpflichten, für Wahlen genauso viele Männer wie Frauen aufzustellen, etwa durch quotierte Listen und besondere Regelungen für Direktmandate. SPD, Grüne und die Linke haben solche Listen. (…) Doch ist so ein Gesetz in Deutschland rechtlich überhaupt zulässig?

Eindeutig nicht, sagt die FDP - die auf der anderen Seite steht. Und schon ist man in einem jahrelangen, verfassungsrechtlichen Streit, der Bücher füllen würde. Eines könnte von der Rechtswissenschaftlerin Anna Gloßner stammen, die dem Thema ihre Doktorarbeit gewidmet hat und von der FDP in die Kommission gebeten wurde. Ein Paritätsgesetz würde viele Verfassungsrechte einschränken, sagt Gloßner, die passive Wahlrechtsfreiheit etwa. Die sei verletzt, wenn ein Kandidat nicht auf allen Listenplätzen kandidieren dürfe.

Oder die Programmfreiheit: Wenn es nicht zum Programm einer Partei gehöre, genauso viele Männer wie Frauen aufzustellen, müsse eine Partei das auch nicht tun. Ähnlich argumentierten die Verfassungsgerichte von Thüringen und Brandenburg, als sie die Paritätsgesetze dort kippten. Gloßner würde an anderer Stelle ansetzen und etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, damit mehr Frauen in Parteien eintreten.

Und was ist mit Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetztes? Dort steht: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Der Staat solle die Durchsetzung der Gleichberechtigung fördern und auf die Beseitigung von Nachteilen hinwirken. Eher eine Absichtserklärung, meint Gloßner. Eindeutig ein Gebot, sagt Ruth Laskowski.

Laskowski ist Jura-Professorin an der Uni Kassel, sie wurde von der SPD in die Kommission berufen. Dass genauso viele Frauen im Bundestag sitzen wie Männer sei ein verfassungsrechtlich legitimiertes Ziel, sagt sie und fragt: Wie können dann die Mittel, dieses Ziel zu erreichen, verfassungswidrig sein?

Zur Freiheit der Wahl sagt Laskowski erstens: Die Wähler konnten sich noch nie aussuchen, wen die Parteien ihnen zur Wahl vorschlagen. Ob da nun ein Mann oder eine Frau stünde, ändere nichts am Wahlergebnis, sie seien ja von der gleichen Partei. Und zweitens: Die Chancengleichheit sei gegeben. Schließlich stünden Männern wie Frauen die gleiche Anzahl der Listenplätze zur Verfügung.

Ob das Grundgesetz ein Paritätsgesetz zulässt, ist also umstritten. Und die FDP geht davon aus, dass das Gesetz letztlich vor dem Bundesverfassungsgericht landen würde. Eine solche Aussicht hat die Partei allerdings nicht daran gehindert, der jüngsten Wahlrechtsreform zuzustimmen, für die das gleiche gilt. Es ist wohl eher so, dass das Gesetz generell ihrer liberalen Überzeugung widerspricht. Die fasst der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae so zusammen: "Es ist nicht Sache des Gesetzgebers, vorzugeben, wie eine Liste auszusehen hat. Das müssen die Parteien beschließen."

Auch den Vorschlag, Parteien finanziell zu fördern, die Maßnahmen für eine gleichberechtigte Verteilung ergreifen, lehnt die FDP ab. Stattdessen schlägt sie vor, dass Parteien sich selbst einen Kodex zur Gleichberechtigung geben.

Das könnte es jetzt also gewesen sein für ein Paritätsgesetz. Aber da ist noch diese Möglichkeit, die Leni Breymaier in einer Bundestagsrede angesprochen hat: Wenn bei der Arbeit der Kommission nichts rauskomme, müssten sich eben die Frauen aller Parteien zusammentun. Progressive Männer dürften auch mitmachen, die Frauen haben ja keine Mehrheit im Bundestag. Doch der Vorschlag ist problematisch: Breymaier ruft damit quasi dazu auf, den Koalitionsvertrag aufzukündigen. Denn so funktioniert eine Koalition nun mal: Man stimmt nie mit der Opposition, sogar wenn man ihr in einer Frage inhaltlich nahesteht. (…) Nur: Würden die Frauen von Union und FDP diesmal mitmachen?

Sich bei der Union für ein Paritätsgesetz einzusetzen, sei nicht gerade karrierefördernd, sagt eine Abgeordnete, die nicht namentlich genannt werden möchte. Denn auch ihr wurden deshalb schon bei der Nominierung Steine in den Weg gelegt. Von den Direktmandaten müsse man die Finger lassen, für eine quotierte Liste könne man mobilisieren. Aber bestimmt nicht jetzt. Die Wahlrechtsreform sei beschlossen, die Stimmung aufgeheizt. "Und jetzt noch ein heißeres Thema obendrauf?" Die Chance sei vertan, sagt sie, und: "Ich finde es furchtbar." Auch bei den FDP-Frauen sei nichts zu holen: "Die kämpfen ums Überleben." Da traue sich keine an die Öffentlichkeit. Leni Breymaier hört sich das an - und bleibt dabei: "Ich will, dass noch in dieser Legislaturperiode ein Paritätsgesetz beschlossen wird."


Wenn Leni Breymaier unbedingt etwas will, was die demokratisch gewählte Mehrheit nicht möchte, bleibt ihr am Ende nichts anderes übrig, als sich auf irgendeiner Straße festzukleben.



3. Wir bleiben bei den fragwürdigen Entwicklungen in der Regierungspolitik. Gestern berichtete Genderama, dass aufgrund einer Sonderregelung im geplanten Selbstbestimmungsgesetz der Ampel Männer im Verteidigungsfall nicht durch Änderung ihres Geschlechtseintrags einer möglichen Einberufung entgehen dürfen. Der Journalist Roland Tichy kommentiert unter der Überschrift "Männer – als Soldaten sind sie gut zu gebrauchen":

Angeblich ist der Penis kein Geschlechtsmerkmal, sondern nur ein zufälliges Anhängsel, das nichts über das Geschlecht aussagt. Nur eben bis zu dem Punkt, wenn es ums Sterben geht: Da ist der Mann noch ein Mann und die Frau darf der Front ferne bleiben. (…) Erst werden Männer verteufelt, und wenn sie dann alle Frauen werden, ist es auch nicht recht. Für den Friedhof sind Männer dann doch gut genug; denen ansonsten ständig "toxische Männlichkeit" vorgeworfen wird.


Mein Leser Kevin Fuchs schreibt mir zu diesem Thema:

Hallo Arne,

zu dem neuen Selbstbestimmungsgesetz möchte ich dem Gesetzgeber gerne ein paar Fragen stellen.

Wie definiert der Gesetzgeber hier "Mann"?

Wie formuliert man hier im Einzelfall eine Begründung? Ungefähr so?

"Sehr geehrte Frau Mayer, Ihren Antrag auf Kriegsdienstverweigerung lehnen wir ab, da Sie ein Mann sind. Zwar ist in Ihrem Personenstand das weibliche Geschlecht eingetragen, nach welchem Sie rechtlich eine Frau sind. Aber das Gesetz sieht vor, dass sie im Moment ein Mann sind. Da Sie, Frau Mayer also rechtlich derzeit ein Mann sind, können Sie nicht gleichzeitig rechtlich eine Frau sein, auch wenn sie rechtlich korrekt als solche eingetragen sind. Bitte missverstehen Sie uns nicht. Wir missgendern Sie nicht. Selbstverständlich erkennen wir an, dass Sie eine Frau sind, aber im Moment ist Krieg und da müssen Sie ein Mann sein."

Sorry Arne, aber Politiker als Vollidioten zu bezeichnen, kann derzeit keine Beleidigung sein - es ist eine schlichte Tatsachen-Feststellung. Diese Widersprüchlichkeit in sich ist einfach herrlich.

Offen gesagt finde ich das total geil. Unsereins hat sich so lange Zeit so viel Mühe gemacht, den grotesken Unfug hinter der Gleichstellungspolitik zu belegen. Und nun tun diese Politiker das ganz von selbst, indem man die einfach machen lässt und alle schauen zu.

Nicht falsch verstehen. Ich finde es total angebracht, wenn jeder über sein Geschlecht selbst bestimmen kann. Der Punkt ist nur, dass Gleichstellung immer ein Cherrypicking war. Wo es Frauen nutzte, hat man auf moderne Rollenbilder gemacht. Wo es für Frauen unbequem war, hat man an alten Rollenbilder festgehalten. Nichts illustriert diese Paradoxie so gut wie dieser Irrsinn.

Ich habe mich immer gefragt, wie eine Gesellschaft aussähe, in der man Gender-Ansätze konsequent zu Ende denkt, und kam zu dem Schluss, dass das Ergebnis weite Teile unseres Rechts komplett auf den Kopf stellen würde, da viele Gesetze implizit die biologischen Geschlechter voraussetzen. Das hier ist nur ein Beispiel. Vielleicht finden Deine Leser ja weitere.




Freitag, April 28, 2023

Neues "Selbstbestimmungsgesetz" zurrt Diskriminierung der Männer fest

1. Viele Medien, darunter der Merkur, veröffentlichen heute eine dpa-Meldung über das neue Selbstbestimmungsgesetz:

Männer sollen im Verteidigungsfall nicht durch Änderung ihres Geschlechtseintrags einer möglichen Einberufung entgehen können. Das sieht eine Sonderregelung im geplanten Selbstbestimmungsgesetz der Ampel vor. Bundesjustiz- und Familienministerium haben für das Vorhaben einen fertigen Entwurf in die regierungsinterne Abstimmung gegeben.


Auf Twitter äußern sich Männer wie Frauen gleichermaßen befremdet (ich verlinke jetzt nicht jeden einzelnen Tweet):

Im Krieg gibts keine Quote? Klingt, als würden wir eher ein Gleichverpflichtungsgesetz brauchen als ein sog. #Selbtbestimmungsgesetz


Wird eigentlich bei der Einberufung kontrolliert, ob ein funktionsfähiger Penis vorhanden ist? Und warum kann man mit Vagina nicht schießen?


So, so. Die Männer-Lust in der Frauensauna endet also, wenn der Staat zum Sterben ruft. Wenn es hart auf hart kommt, zählt nur die Biologie. Es zeigt sich der ganze Irrsinn von Self-ID. Schade um die FDP.


Man kann also jederzeit bestraft werden, wenn man einen Menschen mit falschem Pronomen anspricht, außer im Kriegsfall?


Da ja alle mit allen gleichgestellt sind, werden ja sicher auch die Frauen eingezogen. Oder ist an der Front sterben wieder so ein ungerechtes Privileg der Männer?


Da haben Feministinnen jahrzehntelang dafür gekämpft, dass auch Frauen in allen Waffengattungen Dienst tun dürfen, selbst wenn sie die körperlichen Voraussetzungen nicht erfüllen und dabei glatt vergessen auch die Verpflichtung zum Dienst einzuklagen? Warum überrascht das nicht?




2. Die FDP will von den Grünen mehr Einsatz bei feministischer Außenpolitik und Menschenrechten.



3. Dass Amber Heard weiterhin in den Aquaman-Filmen auftreten darf, sorgt bei einigen für Unmut:

"Ich spreche für alle, wenn ich sage, dass wir uns das nicht ansehen werden", schrieb ein Nutzer, nachdem er die Nachricht gehört hatte. Ein anderer fügte hinzu: "Johnny Depps Karriere wurde buchstäblich gestoppt, bis er seine Unschuld bewiesen hat, aber Amber Heard muss nach dem, was sie getan hat, mit keinerlei Konsequenzen rechnen. Die Branche sollte an ihr ein Exempel statuieren, so wie sie es wiederholt mit skandalösen Männern getan hat, damit andere daraus lernen können."




4. In Texas steht eine Babysitterin vor Gericht, weil sie einen 13jährigen Jungen vergewaltigt haben soll. Bei der Tat habe sie ein Messer an seinen Penis gehalten, gedroht, ihn abzuhacken, und dem Opfer befohlen: "Halt die Fresse und nimm es wie ein Mann!"



Donnerstag, April 27, 2023

Brandenburg gegen Gender, Precht gegen Baerbock, Sexualtäterinnen gegen Kinder

1. Brandenburgs Kommunen laufen Sturm gegen die Reform der Kommunalverfassung und fordern das Innenministerium zum Stopp des laufenden Gesetzgebungsverfahrens auf. Dorn im Auge ist den Gemeinden auch die geschlechtergerechte Sprache:

Mit der Reform würden die Kommunen gezwungen, ihre Satzungen und Dokumente in geschlechtergerechter Sprache zu verfassen, wie es das Landesgleichstellungsgesetz vorsieht. "Dafür ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt", sagte [Bürgermeisterin Kerstin Hoppe, Vizepräsidentin des Städte- und Gemeindebundes]. Einige Kommunen hätten ihre Hauptsatzungen entsprechend angepasst. "Wir lehnen geschlechtergerechte Sprache nicht ab, aber wir möchten weiterhin selbst entscheiden, ob wir das aufnehmen in unsere Arbeit", sagte sie.

Oliver Hermann, parteiloser Bürgermeister von Wittenberge (Prignitz), verwies auf die zahlreichen Aufgaben, die Brandenburgs Kommunen derzeit zu bewältigen hätten: die Unterbringung von Flüchtlingen, die Schaffung von Kita-Plätzen, die Erweiterung von Schulen, die Grundsteuerreform, die Digitalisierung von Bürgerdiensten. "Ist es jetzt wichtig, dass alle Hauptsatzungen der Gemeinden gendergerecht werden? Haben wir nichts anderes zu tun?", fragte Hermann.




2. Der russische Schriftsteller Dmitri Gluchowski kommentiert die verstärkten Versuche seines Landes, Männer an die Front zu schicken, so: "Das ist ein Gesetz über das Recht des Staates, mit einer Mail jeden Beliebigen zum Tode zu verurteilen, ohne Recht auf Widerspruch. (…) Wenn ihr könnt, reist sofort aus." Die Deutsche Friedensgesellschaft plant nun vom 8. bis 21. Mai gemeinsam mit weiteren Friedensgruppen Aktionswochen für Schutz und Asyl von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren.



3. In einem gemeinsam mit dem TV-Moderator Markus Lanz geführten Podcast ging der Publizist Richard David Precht mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hart ins Gericht:

"Also, wenn ich ganz ehrlich sein darf… was für ein Unfall, dass diese Frau Außenministerin geworden ist", so Precht. "Unter normalen Bedingungen hätte die im Auswärtigen Amt noch nicht einmal ein Praktikum gekriegt." Baerbock habe "die moralische Inbrunst einer Klassensprecherin".


Insbesondere gegenüber der chinesischen Regierung habe Baerbock sich undiplomatisch und strategisch ungeschickt verhalten: Chinesen würden vor allem Menschen respektieren, die in ihrem Leben eine besondere Leistung vorweisen könnten, und insofern auf eine Standpauke gerade von Baerbock eher unwirsch reagieren.

Für seine Aussagen wurde Precht jetzt in den sozialen Medien sowohl heftig kritisiert als auch gelobt. Die Worte "Sexismus" und "Narzissmus" fielen dabei besonders häufig. "Was kann Precht? Vor allem, wieso kann er beurteilen, wer Außenministerin kann? Ich vergaß, dass er - ganz bescheiden - alles weiß und kann. Das ist männliche Überheblichkeit und Arroganz", schrieb die Grünen-Politikerin Renate Künast auf Twitter.


Manche scheinen Prechts Kritik an Baerbock geradezu als Majestätsbeleidigung aufzufassen:

"Zu hören ist das Gejammer eines narzisstisch gekränkten Besserwissers, der so gerne richtig wichtig geworden wäre", schreibt Tagesspiegel-Redakteur Rainer Woratschka.

(…)"Erschreckend, wie Lanz das ‚unter normalen Umständen‘ von Precht durchgehen lässt", schreibt der Vorsitzende der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, Jan Philipp Albrecht. Dieses Verhalten sei "verschwörungsmythisch" und "antidemokratisch".


Die Journalistin Nicole Diekmann schloss sich den Vorwürfen an, die zwei Tage lang auf Twitter trendeten. Precht zeige immer wieder "komplett unverstellten Sexismus", "Testosteron-getriebenes Aufplustern" und eine "frauenfeindliche Tendenz":

Penispropeller ignoriert man, oder von mir aus antwortet man ihm auch kurz. Precht aber sitzt da in intimer Zweiersituation mit seinem Freund Lanz. Der nur schwach protestiert. Vielleicht aus freundschaftlicher Verbundenheit. Vielleicht aus Abgestumpftheit. Vielleicht hat er sich an diese Ausfälle Prechts auch einfach schon gewöhnt.


Als einziges Beispiel für "solche Ausfälle" nennt Diekmann Prechts Erwiderung auf die Kritik der Journalistin Melanie Amann an seinem aktuellen Buch, sie habe es offenbar nicht verstanden:

Mimik, Gestik und Tonfall, derer er sich in diesem Dialog bediente – daneben wirkt Chinas Menschenrechtspolitik Friedensnobelpreis-verdächtig. Bilder, wie sich Precht mit verzerrtem Gesicht zu Amann hinüberbeugt und mit ihr spricht, haben sich zu einem Meme entwickelt: Sie werden gern in den sozialen Medien gepostet, wenn ein Mann einer ihm argumentativ und stilistisch offensichtlich überlegenen Frau nichts Eleganteres entgegenzusetzen hat als – tja, eigentlich muss man sagen: gar nichts.


Diekmann erhält für ihren Artikel auf Twitter zuhauf Widerspruch. Eine kleine Auswahl:

Eine Kritik an Baerbock soll Sexismus sein. Was wäre wenn ein männlicher Außenminister falsche Angaben im Lebenslauf macht, sich sehr häufig eklatant verspricht, schlechtes Englisch spricht und Beziehungen zu wichtigen Partnern zerstört? Wäre dann Kritik angebracht?


Warum ist es automatisch ein Egoproblem oder Frauenfeindlichkeit, wenn er Baerbock kritisiert? Er hat sie zwar hart, aber doch sachbezogen und nicht wegen ihres Geschlechts angegriffen. Der Artikel unterstellt ihm dafür die widerlichsten persönlichen Beweggründe.


Ich teile Prechts Kritik an Baerbock ausdrücklich nicht, aber Sexismus sehe ich nicht. Sorry. Wir müssen wieder lernen, dahin zu kommen, dass nicht jede Kritik an Frauen - ob man ihr inhaltlich zustimmt oder nicht - automatisch Sexismus ist.


Wer eine Frau mit markigen Formulierungen kritisiert, ist natürlich offen frauenfeindlich. Das ist Journalismus heute. Dieser Mann steht zu seiner Meinung, auch wenn er von den beleidigten Medien ständig Prügel kriegt. Ich bewundere ihn dafür.


Kann Journalismus bitte auch einfach mal seriös sein? Ja, man kann #Precht für seine Ausdrucksweise zum Thema #Baerbock kritisieren. Aber warum ein Ego-Problem und Sexismus diagnostizieren/unterstellen? Das ist doch völlig unsachlich und anmaßend.




4. Der Donaukurier schließt sich den Medien an, die den Soziologen und Zufriedenheitsforscher Professor Martin Schröder interviewt haben. Ein Auszug:

Donaukurier: Benachteiligung scheint es auch im Hochschulbetrieb zu geben. Immerhin gibt es wesentlich weniger Professorinnen als Professoren – obwohl junge Frauen inzwischen beim Abitur besser abschneiden als Männer.

Professor Schröder: Diesen Bereich habe ich selbst genauer erforscht und zwar die Fächer Soziologie, Politikwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Psychologie. Dabei hat sich herausgestellt, dass in Bewerbungsgesprächen Frauen keinen Nachteil haben, sondern eher einen Vorteil. In einer weiteren Untersuchung wurden fiktive Bewerbungen verschickt, wobei sich herausstellte, dass bei gleicher Qualifikation eher Frauen als Männer zu Gesprächen eingeladen wurden. In einer anderen Untersuchung in den USA bei Mint-Fächern wurde festgestellt, dass Frauen bei gleicher Qualifikation doppelt so häufig eingestellt werden wie Männer. Also: Eine Benachteiligung bei den Bewerbungen scheint es nicht zu geben, daran kann es nicht liegen, dass es so wenige Professorinnen gibt.

(…) Donaukurier: Wie heftig wird eigentlich inzwischen an den Universitäten gegendert?

Professor Schröder: Es gibt einen gewissen Konformitätsdruck zu gendern. Und es hängt ja auch ein ziemlich großer Moral-Rattenschwanz daran. Das ist ja schon keine Privatsache mehr, ob man gendert oder nicht, sondern eine quasi politische Äußerung. Man demonstriert damit, dass man zu den Guten gehört.




5. Die Wissenschaftssendung "Nano" hat vorgestern sexuelle Gewalt durch Frauen thematisiert; seit gestern steht der Beitrag online (ab Minute 18):

Sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen, das Strafgesetzbuch spricht von Kindesmissbrauch, ist in unserer Gesellschaft noch immer ein Tabuthema. Vielen Menschen fällt es schwer, sich damit auseinander zu setzen. Besonders dann, wenn der Täter kein Mann, sondern eine Frau ist: die Mutter, die Tante, die Schwimmtrainerin. Und das passiert viel häufiger als man denkt.


Das Thema, so heißt es zutreffend in der Ansage des Beitrags, habe viel zu lange auch in der Wissenschaft als Tabu gegolten.



6. Das britische Politikmagazin "Spectator" berichtet über die Pläne der Labour-Partei für Jungen:

Der jüngste Plan der Labour-Partei sieht vor, dass ein Teil des Schultages dafür reserviert wird, dass Jungen von Frauen hören, die Opfer von männlicher Gewalt und Missbrauch geworden sind. Auf einer Veranstaltung im Süden Londons kündigte Keir Starmer diese Woche an, dass er den nationalen Lehrplan um obligatorischen Unterricht über die Bedeutung des Respekts gegenüber Frauen erweitern möchte. Er hofft, dass dies dazu beitragen wird, einen "kulturellen Wandel" herbeizuführen und Jungen zu ermutigen, Freunde, die sich frauenfeindlich verhalten, "zur Rede zu stellen". Die Labour-Partei hofft, dass die Beseitigung unangemessenen Verhaltens bei Jungen dazu beitragen wird, die Zahl der Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen innerhalb eines Jahrzehnts zu halbieren.

(…) Indem er die Jungen herausgreift, hat Starmer den politischen Weg des geringsten Widerstands eingeschlagen. Jungen werden seit langem als Problem angesehen, wobei weiße Jungen aus der Arbeiterklasse das größte Problem darstellen. Das Narrativ der toxischen Männlichkeit stellt Männer als eine Gefahr für Frauen, die Gesellschaft und sich selbst dar. Da Jungen zu Männern und damit zu potenziellen Missbrauchstätern heranwachsen, wird von den Schulen erwartet, dass sie eine moralische Prophylaxe bieten. Nach Ansicht von Starmer sollte dies beinhalten, dass sie aus erster Hand von Opfern sexueller Belästigung und Übergriffe erfahren. Als Junge muss man seine Erbsünde fest im Griff haben.

(…) Der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass Armut es den Menschen erschwert, Beziehungen zu verlassen, die unter enormen Belastungen stehen. Er sagt uns, dass der Erwerb einiger Qualifikationen während der Schulzeit die Wahrscheinlichkeit einer Beschäftigung erhöht. Wir wissen, dass derzeit weiße Jungen aus der Arbeiterklasse am ehesten die Schule ohne jeglichen Abschluss verlassen und am seltensten eine Universität besuchen.

Wenn man leistungsschwachen Jungen noch mehr Lektionen darüber erteilt, warum sie von Natur aus schlecht sind, wird man sie wohl kaum für die Schule begeistern können.




7. In der US-amerikanischen Tageszeitung "Daily Herald" geht es um Männer im Kreuzfeuer des Geschlechterkrieges:

Wiewohl Frauen gegenwärtig mit geschlechtsspezifischen Problemen konfrontiert sind und in der Vergangenheit die Hauptlast der geschlechtsspezifischen Diskrepanz trugen, gibt es nur sehr wenige Quellen, die über die Belange von Männern sprechen, abgesehen von Podcasts mit Alphamännchen und frauenfeindlichen Kommentatoren. Wenn Sie heute beispielsweise über einen Campus spazieren, werden Sie Plakate, Programme und Tafeln finden, die Frauen auffordern, in männerdominierten Branchen mitzuarbeiten. Auf den Bannern auf dem Campus steht "Frauen in der Justiz" und "Frauen in MINT". Allerdings sieht man selten, wenn überhaupt, ein Plakat mit der Aufschrift "Männer in den Geisteswissenschaften" oder "Männer in der Bildung". In den Nachrichten heben Unternehmen ihre weiblichen Angestellten hervor und verstecken ihre männlichen Mitarbeiter wie eine beschämende Narbe. Professoren bringen ungewollt männliche Stimmen zu aktuellen gesellschaftlichen Themen zum Schweigen. Lehrer loben weibliche Schüler für ihre Handschrift, ihre Brillanz und ihr Benehmen und wenden sich dann an ihre männlichen Mitschüler mit der gehässigen Frage, warum sie nicht "erwachsen" werden können. In der Zwischenzeit sind Youtube, Twitter und TikTok voll mit gefährlich aggressiven, frauenfeindlichen Bloggern, von denen einige in kriminelle Aktivitäten verwickelt sind. Junge Männer stehen dann zwischen diesen beiden Welten, die gegeneinander ausgespielt werden, und sind gezwungen, eine unmögliche Wahl zu treffen: entweder denen zu folgen, die sie angreifen, weil sie Männer sind, oder denen zu folgen, die Frauen nicht unterstützen. Wer wird das Vorbild für unsere Teenager-Jungs sein?

Die Fortschritte, die Frauen in den letzten Jahrzehnten gemacht haben, sind lobenswert und müssen fortgesetzt werden, aber während Frauen Barrieren abbauen und Fortschritte machen, sollten Männer und Männlichkeit nicht verunglimpft werden. Der Kampf geht nicht gegen "den anderen", sondern gegen unsere individuellen und kollektiven Sünden. Jeder sollte sich sicher fühlen, seine Persönlichkeit und sein Geschlecht offen zum Ausdruck bringen zu können, unabhängig davon, wie männlich oder weiblich er ist. Jedes Mal, wenn die Popkultur achtlos "Tötet alle Männer", "Männer sind Abschaum", "männliche Privilegien", "Manspreading", "Mansplaining", "toxische Maskulinität" oder "Patriarchat" sagt, stellt sie Männer als Täter von Verbrechen gegen die Moral dar und verleiht der Ideologie, die der Feminismus bekämpfen will, Macht.




8. Die Post. Einer meiner Leser weist mich auf einen Artikel der Neuen Zürcher Zeitung über den geringeren Verdienst von Müttern hin, wo es heißt:

Eine Softwareentwicklerin beispielsweise erarbeite sich ihre Kompetenz, indem sie möglichst regelmässig programmiere. Bleibe sie einige Jahre zu Hause bei den Kindern, so erwerbe sie dort sicher auch Kompetenzen. Diese brächten ihr aber bei einem Wiedereinstieg nicht gleich viel wie beispielsweise einer Pflegefachfrau, sagt Dobler.


Hierzu wendet mein Leser ein:

Ich selbst arbeite seit 1995 in der IT. Und habe auch weibliche Kollegen, die programmieren. (Aber nicht sehr viele, der überwiegende Anteil der Software-Entwickler bei uns ist männlich.) Aber die einzigen, die auch wirklich zu Hause in diesem Bereich in ihrer Freizeit etwas machen, sind die Männer. Ich selbst verfolge beispielsweise einige Projekte mit meinem Raspberry (einem Kleinrechner für Maker-Projekte), unter anderem auch deswegen, weil ich da Sachen machen kann, die ich in der Firma nicht mache, und die mich einfach interessieren. Viele männliche Kollegen von mir machen das auch. Die Damen aber nicht.




Mittwoch, April 26, 2023

Wie Männer Angststörungen bewältigen können – ein maskulistischer Ansatz

Die Website "A Voice for Men" beschäftigt sich in einem aktuellen Beitrag mit Angst:



Angstzustände sind vielleicht das am weitesten verbreitete "psychiatrische" Problem der Welt. Umso interessanter ist es, dass es sich um ein Problem handelt, das in den Medien und im medizinischen Establishment so wenig Beachtung findet.

Die Symptome können ein leichtes Ärgernis sein, mit einem gelegentlichen und vorübergehenden Gefühl der Unruhe und des Unbehagens. Die Gründe dafür können zu diesem Zeitpunkt ziemlich offensichtlich sein. Andererseits können sie auch aus heiterem Himmel auftreten. Es kann ohne sichtbare "Auslöser" kommen und gehen, wie z. B. Ereignisse mit hohem Stressfaktor.

In extremeren, aber sehr häufigen Fällen der Störung können die Symptome lebensverändernde, entsetzliche Erfahrungen sein. Zu einem ausgewachsenen Angstanfall, der gemeinhin als "Panikattacke" bezeichnet wird, gehören Herzrasen (schneller, unkontrollierter Puls), Schweißausbrüche, beängstigende Orientierungslosigkeit, ein überwältigendes Gefühl des bevorstehenden Todes oder Untergangs und ein lähmendes Maß an Angst, das von Minuten bis zu Stunden andauern kann.

Selbst wenn der Betroffene weiß, dass die Anfälle nicht tödlich sind und er sie schon Hunderte von Malen erlebt hat, kann er sich während eines Anfalls nicht beruhigen. Jeder Anfall ist so schlimm wie der letzte. Es kann zu einer lebenden Hölle werden, in der sich der Betroffene zwischen den lähmenden Anfällen wie eine tickende Zeitbombe fühlt.

Die lateinische Wurzel von Angst ist "angere", was so viel bedeutet wie ersticken, zusammenpressen oder fest zusammendrücken. Genau das passiert mit unserem Körper, wenn wir Angst haben - unsere Brustmuskeln verkrampfen sich, und die Atmung erschwert sich. Unser Hals verengt sich und bildet einen Kloß im Hals. Wir verschlucken die Worte, kriegen sie nicht mehr raus. Lippen, Gesicht, Hände und Beine versteifen sich und machen es uns schwer, uns zu bewegen, und unsere Blutgefäße ziehen sich zusammen, was zu Spannungskopfschmerzen führt. Es ist, als ob wir von einem Riesen gefangen werden, der uns mit seiner Faust zerquetscht.

Angststörungen sind die häufigste aller psychiatrischen Erkrankungen und treten doppelt so häufig auf wie Gemütskrankheiten wie Depressionen und bipolare Erkrankungen. Ängste sind gekennzeichnet durch:

a. körperliche Symptome wie Anspannung, Herzrasen, Zittrigkeit oder Schweißausbrüche.

b. Zustand des Unbehagens, der Nervosität, des Grauens, der Not, der Angst, der Panik und in extremen Fällen des Terrors.

c. Befürchtung von Misserfolg, Unglück oder Gefahr.

Angst beeinflusst auch die Art und Weise, wie wir denken, fühlen und handeln. "Sie ist ein kleines Monster", schreibt der Autor Daniel Smith, "das so banale Tricks wie Lähmung bei der Auswahl des richtigen Salats anwendet und uns davon überzeugt, dass die Wahl zwischen Blauschimmelkäse und Vinaigrette genauso schlimm ist wie die zwischen Leben und Tod."

Es gibt zahlreiche Formen, darunter die generalisierte Angststörung, die soziale Angststörung, die Trennungsangst, die Leistungsangst, die Angst vor Fremden, die Agoraphobie, die posttraumatische Belastungsstörung, die Zwangsstörung, die Situationsangst, die Phobien und die Panikstörung, um nur einige zu nennen. Jede hat ihre eigenen Besonderheiten und Auslöser (auch wenn diese oft schwer zu erkennen sind), und jede erfordert einen anderen Ansatz, um sie zu verstehen und zu bewältigen.

Da es so viele Angststörungen gibt, beschränken wir uns auf eine Kategorie, die Männer betrifft und die Sie in den Lehrbüchern auf den Schreibtischen der Therapeuten nicht finden werden.

In der Vergangenheit haben Psychologen von "Leistungsangst" und "Kastrationsangst" gesprochen, um Männer zu verstehen, aber diese Begriffe gehen nicht weit genug. Die Ängste von Männern haben einen weitaus breiteren Hintergrund als den, dass ihnen ein metaphorischer (oder realer) Penis abgehackt wird.

Die Ursache für die Ängste der Männer ist in diesem Fall die gesamte misandrische (männerfeindliche) Kultur, der sie sich täglich stellen müssen. Die meisten Männer sind sich dessen nicht bewusst, da die Konfrontation mit und der Umgang mit misandrischem Druck gesellschaftlich verboten ist und oft hinter einer Mauer der Verleugnung versteckt wird. Es ist die Kultur selbst, die von ihnen verlangt, Leistung zu erbringen, zu dienen, unter ständiger Beobachtung und Verdacht auf Fehlverhalten zu stehen, und die sie bestraft, wenn sie aus der Reihe tanzen.

In diesem Sinne ist die Verleugnung dieser Angst durch Männer ein Überlebensmechanismus.

Wenn Sie als Mann in dieser Welt NICHT ängstlich sind, dann stimmt entweder etwas ganz und gar nicht mit Ihnen, oder Sie gehören zu den wenigen Glücklichen, die die Antworten auf dieses Problem entschlüsselt haben.

Alle Männer (und Jungen) werden von gesellschaftlichen Kräften angegriffen, und die daraus resultierende Angst ist eine natürliche Reaktion. Diese Kräfte beschimpfen Sie ständig wegen Ihrer angeblichen gewalttätigen Tendenzen, wegen der Vergewaltigungskultur, des Kindesunterhalts, der Alimente und des Mannseins. All dies bestraft Sie mit dem Stress des Versagens oder dem Stress des Ungehorsams. Die ganze Gesellschaft, in der Sie leben, tut alles, um Sie zum Schweigen zu bringen.

Also lasst uns darüber reden. Wir sollten ihr auch einen Namen geben - Misandric Culture Anxiety (MCA). Wir behaupten ganz unverblümt, dass die moderne männliche Geschlechterrolle und die unerreichbaren Anforderungen, die sie an Jungen und Männer in der misandrischen Kultur stellt, psychische Erkrankungen bei Männern verursachen.

Unter den vielen Ursachen für Angstzustände ist MCA eine der Hauptursachen. Und wenn Sie zufällig eine andere zugrunde liegende Angststörung haben, wird MCA diese verschlimmern. Wenn Sie soziale Phobien haben, wird MCA Sie noch nervöser machen, wenn Sie mit anderen Menschen zusammenkommen.

Wenn Sie Valium oder Alprazolam (Xanax/Tafil) gegen eine generalisierte Angststörung einnehmen, wird die zusätzliche Belastung durch MCA Sie dazu verleiten, Ihre Dosis einseitig zu erhöhen. Dies ist im Hinblick auf Toleranz und Abhängigkeit höchst gefährlich. Sowohl bei Valium als auch bei Xanax/Tafil handelt es sich um Benzodiazepine, die üble Nebenwirkungen mit Alkohol haben können und die beide bei hohen Dosen über einen längeren Zeitraum zu gefährlichen Entzugserscheinungen führen können. Der Entzug dieser Medikamente kann sogar tödlich sein.

Das andere Problem ist das der Toleranz. Wie bei den meisten anderen Drogen entwickelt sich eine Toleranz, und für den gleichen therapeutischen Nutzen werden höhere Dosen benötigt. Auch wenn sie kurzfristige Lösungen bieten, sind diese psychoaktiven Medikamente eine Behandlung, die leicht schlimmer werden kann als das Problem, das sie behandeln.

Auch wenn die Auslöser von Angstattacken sehr obskur sein können, kann eine Verringerung der Gesamtbelastung und der Auswirkungen von MCA auf unser Leben den Stress und die Angst, die damit einhergehen, reduzieren. Bevor wir uns mit den Möglichkeiten dazu befassen, sollten wir zunächst einen Blick auf die Art und Weise werfen, wie Männer traditionell damit umgehen - durch Selbstmedikation, oft auf destruktive Weise, um den Würgegriff der Angst zu verringern.

Wie oft sind Cocktails nach der Arbeit zum "Stressabbau" in Wirklichkeit nur eine Form der Selbstmedikation gegen Angstzustände? Wie viel davon wird aufgrund von Toleranz zum Problemtrinken? Wie viele andere Drogen, insbesondere Benzodiazepine, werden mit Alkohol kombiniert oder anderweitig missbraucht, um eine stärkere Wirkung gegen die Angst zu erzielen?

Angstzustände sind schwer zu behandeln. Es gibt keine Patentrezepte, und die vielen Erscheinungsformen der Angst erfordern unterschiedliche Reaktionen. Es gibt jedoch allgemeine Strategien, die bei vielen Männern die Angst und damit den Bedarf an Selbstmedikation verringern können. Als Erstes sollten mögliche oder bekannte Auslöser untersucht werden - ein Selbstläufer, aber in diesem Modell geschieht dies in Verbindung mit der Bewertung der Selbstdarstellungen, die Sie möglicherweise unnötigerweise mit diesen Auslösern konfrontieren. Wenn Ihre Angst beispielsweise durch den Wunsch ausgelöst wird, eine Frau zu versorgen, und Sie Angst haben, zu kurz zu kommen oder in Ihrer "Pflicht" zu versagen, dann müssen Sie dieses Narrativ durch ein anderes ersetzen, das Ihr Verhalten und Ihre Einstellung ändert.

Wenn Sie die Auslöser nicht genau bestimmen können oder sie sich nicht vermeiden lassen, gibt es immer noch Möglichkeiten, die Intensität Ihrer Ängste zu verringern. Neurofeedback-Behandlungen und Bemühungen, die emotionale Erregung Ihres Körpers zu überwachen, werden Ihnen helfen, den Grad Ihrer Angst besser zu erkennen und Strategien zur Regulierung ihrer Intensität anzuwenden. Doch zunächst müssen Sie sich bereit erklären, auf Ihre eigenen Bedürfnisse und Ihr Wohlbefinden zu achten - etwas, das vielen Männern schwer fällt.

Meditation, Atemkontrolle, Bewegung, Reduzierung von Koffein (und anderen Stimulanzien) können ebenfalls helfen. Sogar einige Formen von Cannabis haben inzwischen eine angstlösende Wirkung gezeigt, obwohl wir es für unklug halten, dies als einzigen Ansatz zu betrachten. Drogen, die Probleme maskieren, selbst wenn sie nicht süchtig machen, führen letztlich nicht dazu, die Ursachen des Problems anzugehen.

Bei manchen Menschen kann die Angst mehr oder weniger "geheilt" werden, bei anderen wiederum können die Symptome viel besser in den Griff bekommen werden. Wie immer haben das Engagement und die Entschlossenheit des Betroffenen den größten Einfluss auf die Ergebnisse.

Es handelt sich um ein kompliziertes Thema, das wir in Zukunft in einer Reihe von Artikeln behandeln werden, die sich mit Lösungen befassen.

Eines ist jedoch sicher, zumindest unserer Meinung nach. Alle Bemühungen, Angstprobleme bei Männern zu bekämpfen, ohne sich intensiv mit der narrativen Rekonstruktion zu befassen, sind unzureichend. Wenn Sie Ängste abbauen wollen, müssen Sie die Erwartungen, die Sie an sich selbst stellen und die diese Ängste überhaupt erst hervorrufen, ändern. Außerdem müssen Sie den Menschen in Ihrem Umfeld und der Gesellschaft im Allgemeinen die Erlaubnis entziehen, Sie mit ihren Erwartungen zu belasten.




Dienstag, April 25, 2023

Washington Post: Wir übersehen eine große Krise geistiger Gesundheit bei männlichen Teenagern

Letzte Woche habe ich hier einen aktuellen Beitrag der Washington Post zur Männergesundheit in deutscher Übersetzung gebloggt. Dieselbe Zeitung widmet sich in einem weiteren Beitrag (Bezahlschranke) einem damit zusammenhängenden Thema:



Sheila Hedstrom-Pelger, eine Krankenschwester in Chandler, Arizona, dachte, sie kenne die Anzeichen einer Depression. Sie hatte für ihren ältesten Sohn Alex professionelle Hilfe in Anspruch genommen, als er in der Highschool Gefühle von Hoffnungslosigkeit, Traurigkeit, Angst und Selbstmordgedanken zugab. Doch als ihr zweiter Sohn Tyler als Teenager anfing, sie verbal zu verletzen, zog Hedstrom-Pelger Depressionen als mögliche Ursache für Tylers untypisches Verhalten nicht in Betracht.

"Ich habe es persönlich genommen", sagte sie. "Ich nahm an, dass er wütend auf mich war. Erst nach Tylers Selbstmord im Alter von 17 Jahren erfuhr Hedstrom-Pelger, dass Reizbarkeit bei vielen Männern ein Zeichen für Depressionen und Angstzustände" ist, nicht nur ein Junge, der ein Junge ist" oder ein Teenager ist", sagte sie.

Männlich zu sein ist der größte Risikofaktor für Selbstmord, aber diese Tatsache ist nicht allgemein bekannt, sagt Richard V. Reeves, Autor von "Of Boys And Men: Why the Modern Male is Struggling, Why It Matters, and What To Do About It" und Senior Fellow für Wirtschaftsstudien an der Brookings Institution. Nach Angaben der American Foundation for Suicide Prevention sterben in den Vereinigten Staaten fast viermal so viele Männer durch Selbstmord wie Frauen.

"Ich war ziemlich schockiert über das mangelnde Bewusstsein der Menschen für dieses Problem", sagte Reeves. "Ich habe Leute in sehr hohen Positionen getroffen, einschließlich eines Professors, der auf einem Podium über die psychische Gesundheit von Teenagern und Selbstmord sprach, die nichts über die geschlechtsspezifische Kluft bei Selbstmorden wissen. Mir wurde von Kongressmitgliedern gesagt, dass ich verwechseln würde, welches Geschlecht am stärksten betroffen ist."

Diese Verwirrung ist verständlich, wenn man die jüngste Jugend-Risiko-Verhaltensstudie (Youth Risk Behavior Survey, YRBS) aus dem Jahr 2021 betrachtet, aus der hervorgeht, dass Mädchen bei fast allen berichteten Maßnahmen im Zusammenhang mit psychischen Problemen, Gewalterfahrungen und Selbstmordgedanken und -verhalten schlechter abschneiden als Jungen. Mädchen leiden sicherlich in einem sehr dunklen Bereich. Aber gleichzeitig geht es auch den Jungen nicht gut.

Vor allem bei Jungen im Teenageralter ist die psychische Belastung hoch. Das Nationale Vitalstatistiksystem (NVSS) der CDC für das Jahr 2021 zeigt einen massiven Anstieg der männlichen Selbstmorde unter Jugendlichen und jungen Männern. Von 2020 bis 2021 stieg die Selbstmordrate bei Männern laut CDC deutlich an, wobei der größte Anstieg bei Männern zwischen 15 und 24 Jahren zu verzeichnen war. In dieser Gruppe stieg die Selbstmordrate im Jahr 2021 um 8 Prozent gegenüber 2020.

Reeves ist der Meinung, dass wir von – derzeit nicht existierenden – Forschungs- oder Regierungsorganisationen profitieren könnten, deren "Aufgabe es wäre, auf die Probleme von Jungen und Männern aufmerksam zu machen." (Der Bundesstaat Washington hat kürzlich einen Gesetzesentwurf eingereicht, der die Einrichtung einer Regierungskommission für Jungen und Männer vorsieht.) Er glaubt, dass der Mangel an Forschung dazu beiträgt, dass wir männliche Probleme und Depressionen nicht verstehen.

Aber mehr noch, Experten glauben auch, dass die Zunahme der Selbstmorde darauf zurückzuführen ist, dass wir nicht verstehen, wie gesellschaftliche Erwartungen das Wohlbefinden und den emotionalen Ausdruck von Jungen beeinflussen.

"Die Entwicklung von Jungen ist durch die Art und Weise, wie wir sie über Generationen hinweg aufgebaut und verwaltet haben, beeinträchtigt worden", so Michael C. Reichert, Gründungsdirektor des Center for the Study of Boys' and Girls' Lives an der University of Pennsylvania und Autor von "How to Raise a Boy: The Power of Connection to Build Good Men". Gängige gesellschaftliche Erwartungen – z. B. dass Jungen stark und unabhängig sein sollten – behindern die Fähigkeit von Jungen, Gefühle zuzulassen und um Hilfe zu bitten.

"Jungen sind darauf konditioniert, nicht um Hilfe zu bitten und ihre Gefühle nicht auszudrücken", sagt Stacey Freedenthal, klinische Sozialarbeiterin und Autorin von "Loving Someone with Suicidal Thoughts: What Family, Friends, and Partners Can Say and Do". Diese Konditionierung führt dazu, dass viele Jungen und junge Männer nicht sagen, wenn sie traurig sind.

Da sie darauf konditioniert sind, ihre Traurigkeit nicht auszudrücken, zeigen Jungen und Männer, die an einer Depression leiden, diese möglicherweise durch Wut, Aggression und Reizbarkeit, Müdigkeit und Verlust des Interesses an Schule oder Hobbys, so das National Institute of Mental Health. In der YRBS-Studie 2021 wurde nach "traurigen Gefühlen" und Hoffnungslosigkeit gefragt, nicht aber nach Wut oder Reizbarkeit, was der Grund dafür sein könnte, dass in der Umfrage ein hohes Maß an Depressionen bei Frauen festgestellt und die Verzweiflung von Jungen übersehen wurde.

"Es gibt einige Hinweise darauf, dass wir Depressionen bei Männern aufgrund der Fragen, die wir stellen, nicht ausreichend erfassen", sagte Reeves.

Tylers Mutter, Hedstrom-Pelger, sagte, dass die Symptome, die er zeigte - Rückzug, Reizbarkeit, ein neuer Freundeskreis - "nicht mit Depressionen und Angstzuständen in Verbindung gebracht worden wären, bis ich mehr darüber erfahren habe." Jetzt rät sie anderen Eltern: "Wenn Ihr Kind Sie angreift, geben Sie ihm nicht so schnell Hausarrest oder nehmen Sie ihm das Telefon weg. Lassen Sie es weggehen und fragen Sie etwas später nach: 'Was war denn da los? Stimmt etwas nicht?'"

Jayden, ein 16-jähriger Junge aus Arizona, der bei Arizona Students for Mental Health aktiv ist, einer gemeinnützigen Organisation, die von Schülern entwickelt wurde, um das Thema Selbstmord und psychische Gesundheit anzugehen, sagte, dass Jungen, die unter Angstzuständen, Depressionen oder anderen psychischen Problemen leiden, "vielleicht nicht direkt sagen: 'Ich habe Probleme'." Stattdessen könnten sie sich zurückziehen oder sich untypisch verhalten, wie Hedstrom-Pelgers Sohn Tyler.

Jaydens Gefühl ist nicht ungewöhnlich, so Reichert. Da die Gesellschaft lange Zeit davon ausging, dass Jungen und Männer stark und emotionslos sein sollten, "behalten viele Jungs Dinge für sich, weil sie kein anderes Ventil finden". Diese Isolation scheint ein entscheidendes Merkmal (und eine Ursache) für die Probleme von männlichen Teenagern zu sein. "Die Art und Weise, wie sich die psychischen Probleme junger Männer und junger Frauen darstellen, ist nicht nur unterschiedlich, sondern diametral entgegengesetzt", so Reeves. "Bei Mädchen sind es ihre Beziehungen und ihr Verhältnis zur Welt, die so problematisch werden können. Bei Jungen sind es der Rückzug aus der Welt und der Mangel an Beziehungen, die zum Problem werden."

Laut der American Perspectives Survey haben fünfzehn Prozent der jungen Männer von heute keinen engen Freund, und viele junge Männer im Alter von 18 bis 23 Jahren haben das Gefühl, dass "niemand mich wirklich kennt", so eine Studie, die Reichert derzeit durchführt. Dieser Mangel an Beziehungen könnte erklären, warum so viele Jungen im Stillen kämpfen. "Wir hatten 70 Selbstmorde in fünf Jahren", sagt Katey McPherson, eine Bildungsberaterin, die seit 2015 die Selbstmorde von Teenagern in der 15 bis 20 Quadratmeilen großen Region von Phoenix im East Valley von Arizona verfolgt. "Ich würde sagen, 90 Prozent davon waren Jungen."

John Sefcik, ein 30-jähriger lizenzierter Berater, der an einer High School in Monmouth, N.J., arbeitet, sagte, dass Schüler ihn routinemäßig bitten, nach Freunden zu sehen, um die sie sich Sorgen machen. Aber er sagte auch, dass diejenigen, die seine Hilfe suchen, "viel stärker auf Mädchen ausgerichtet sind, die sich um andere Mädchen kümmern. Ich kann mich an keinen einzigen Jungen erinnern, der sich um einen anderen Jungen Sorgen gemacht hat."

Trotz der anhaltenden Bedrohungen für die psychische Gesundheit von Männern ist Reichert der Meinung, dass es "nie eine bessere Zeit gab, um einen Jungen aufzuziehen".

"Wir haben endlich das Tabu durchbrochen und uns erlaubt zu hinterfragen, warum wir tun, was wir tun, wenn es nicht funktioniert", sagte er. Jungen brauchen, genau wie Mädchen und nicht-binäre Kinder, Zuwendung, Mitgefühl und Bestätigung.

Das Bewusstsein für die psychischen Bedürfnisse von Jungen ist der erste Schritt, um der männlichen Selbstmordkrise Einhalt zu gebieten. "Eltern müssen wissen, dass die Tatsache, männlich zu sein, der größte Risikofaktor für Selbstmord ist", sagte Reeves. "Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ihr Sohn durch Selbstmord das Leben nimmt, ist etwa viermal höher als bei ihrer Tochter."

Der nächste (und vielleicht wichtigste) Schritt ist, sich an unseren Jungen zu erfreuen, so Reichert. Anstatt sich auf das Verhalten und die Fehler unserer Jungen zu konzentrieren, ermutigt er die Eltern, "einen Weg durch all die Unsicherheiten, Zweifel und Sorgen zu finden, die Sie haben, und den Ort in Ihrem Herzen zu finden, an dem Sie sich über Ihren Sohn freuen können". Verbringen Sie viel Zeit mit ihm und tun Sie das, was er gerne tut, ohne ihn zu belehren, zu schelten oder zu zwingen.

"Eltern haben eine enorme Macht, die Existenz ihres Sohnes zu bestätigen", so Reichert. Freude ist "wie Sonnenlicht für einen jungen Mann. Je mehr Sie ihn damit anstrahlen, desto sicherer fühlt er sich und desto eher wird er sich Ihnen öffnen".




Montag, April 24, 2023

Wie Russland Männer manipuliert und wie die Ukraine das unterläuft

1. Mehrere Medien, darunter RTL, berichten über die neue Kampagne, mit der Russland Männer an die Front bringen möchte:

Der Werbespot zeigt einen Mann in einem Supermarkt in Militäruniform mit einem schweren Maschinengewehr in der Hand. Dann wird er in der Uniform eines Wachmanns mit der offensichtlich rhetorischen Frage konfrontiert: "Ist das die Art von Verteidiger, von der Sie geträumt haben?" Als Nächstes ist ein Mann zu sehen, der mit anderen Soldaten durch den Nebel in einem Gelände geht, das wie ein Schlachtfeld aussieht. Dann wird er als Fitnesstrainer gezeigt, der einem Kunden in einem Sportstudio hilft, Gewichte zu stemmen. "Liegt hier wirklich Ihre Stärke?", wird gefragt. Die kuriose Videokampagne stammt vom russischen Militär. Mit ihr sollen mehr Berufssoldaten für den Kampf in der Ukraine gewonnen werden. In dem Werbespot werden Interessierte damit gelockt, unter Beweis zu stellen, dass sie "echte Männer" seien. Sie tauschten ein als trist beschriebenes Zivilleben gegen das Schlachtfeld ein.


Was Russland hier zur Manipulation ausnutzt, ist ein sozialer Mechanismus, nach dem Männlichkeit immer wieder bewiesen werden muss. Das funktioniert auch hier im Westen. Ich erinnere mich etwa an eine alte Folge der Realitiy-Gameshow "The Apprentice" (mit Donald Trump). Eines der Teams bestand aus einem männlichen und einem weiblichen Kandidaten. Als es darum ging, eine riskante und unangenehme Aufgabe zu erfüllen, brachte die Frau ihren männlichen Mitbewerber dazu, diese Aufnahme zu übernehmen, indem sie ihn fragte, ob er etwa kein "richtiger Mann" wäre. Diese Strategie lässt sich nicht auf dieselbe Weise kontern: Der männliche Kandidat konnte nicht die Weiblichkeit seiner Mitbewerberin infrage stellen, wenn sie diese Aufnahme nicht übernahm. Dass sie eine "richtige Frau" war, brauchte sie nicht erst mit besonderem Wagemut unter Beweis stellen. Ihre Strategie zeigte sich als erfolgreich, und ihr Mitbewerber ließ sich dazu drängen, die unangenehme Aufgabe zu erledigen.

Andererseits sind viele Leute auch nicht komplett dämlich. So sorgte der russische Werbespot im Internet für viel Spott:

Ein YouTube-Nutzer kommentiert: "Ich dachte, echte Männer säßen hinter 40 Fuß breiten Tischen und kauerten in Bunkern im Kreml. Ich finde es toll, wie sie die Ausrüstung sehen und anfassen können, die sie nie bekommen werden, wenn sie sich melden." Ein anderer schreibt: "Lol, knallharte Männer, die ihre kleine Pose einnehmen. Und dann werden sie alle von einer einzigen Artillerie-Präzisionskugel ausgeschaltet, oof. Im Krieg muss man nicht beweisen, dass man ein Mann ist, im Krieg fliegt ständig Blei, Schrapnell und Sprengstoff auf einen zu, und all deine Männlichkeit wird dich nicht retten, wenn dich einer trifft." Und ein weiterer Kommentar lautet: "Warum sagt man ihnen nicht einfach, dass sie nur Kanonenfutter sind, das macht es einfacher."


Die Ukraine kontert, indem sie den Werbespot umschreibt und an die Stelle von vergifteten Botschaften die Parole "Sei ein Mensch" setzt:

"Ich will einfach keine Kinder töten."; "Ich will den Menschen nicht den Kopf abschlagen."; "Ich will nicht für Putins Kriegsverbrechen verantwortlich sein." Gepostet hat diesen Clip der Autor und Historiker Ian Garner, der etwa das Buch "Generation Z – Im Herzen der faschistischen Jugend Russlands" geschrieben hat.

Der Historiker analysiert das Video und erklärt, wie die ukrainische "Entmachtung" der russischen Propaganda funktioniert: "Die ukrainische Antwort kehrt Russlands absurdes, mit giftiger Männlichkeit vollgepacktes Original um und ersetzt Gewalt durch Humanismus. Die Kluft zwischen den Selbst- und Zukunftsbildern der beiden Länder in einem 30-Sekunden-Video."

Zudem sei es besonders effektiv, eben nicht wortwörtlich zu sagen "russische Soldaten sind böse, melde dich nicht an". Der Satz "Ich will keine Kinder töten", spreche menschliche Emotionen an. "Ganz gleich, auf welcher Seite du stehst, nur sehr wenige Soldaten träumen davon, Kinder zu töten, bevor sie an die Front gehen", so Garner.

Und auch der Stereotypisierung verpasst Garner einen Seitenhieb: "Die Wortwahl – 'Du bist ein Mensch' – gegenüber Russlands 'Du bist ein Machomann' ist bezeichnend: Die eine Gesellschaft versucht, eine Vielzahl von Identitäten in ihr soziales Gefüge einzubauen; die andere reduziert sie auf enge, geschlechtsspezifische Kästchen. In der einen Gesellschaft kann man eine Person sein, in der anderen eine Rolle spielen."


Allerdings übergeht diese Darstellung, dass auch die Ukraine Männer an die Front zwingt.



2. Dem Komiker Jan Böhmermann wird in Alice Schwarzers Zeitschrift "Emma" Frauenfeindlichkeit vorgeworfen. Dass Männerfeindlichkeit Böhmermanns Form von Journalismus besser trifft, zeigt seine letzte Sendung. Die Berliner Zeitung berichtet darüber:

Am Freitagabend nahmen Jan Böhmermann und sein Team in Marl zum sechsten Mal den Grimme-Preis entgegen. Die Jury pries seine ZDF-Show "Magazin Royale" als "einzigartiges Gesamtkunstwerk", das Unterhaltung mit Informationswert und Information mit Unterhaltungswert biete.

Die letzten Ausgaben erschienen indes wenig preisverdächtig. So widmete sich Böhmermann in den letzten beiden Wochen den kahlen Männerhäuptern und den verödenden Innenstädten – mit wenig Witz und kaum Informationswert. In der Folge, die am Abend der Preisgala lief, wirkte Böhmermann wieder deutlich aggressiver: Er beschrieb die Fahrschulen als "rollenden Angstraum" für junge Frauen und unterstellte den mehrheitlich älteren und männlichen Fahrlehrern, unter ihnen seien viele notgeile Grabscher. (…) Die allermeisten Fahrlehrer sind männlich und jenseits der 50. Nur 12 Prozent der Fahrlehrer:innen, wie Böhmermann den Begriff genderte, seien Frauen. Beschrieben wurden sie dann aber immer abstoßend männlich: mal als "alternder Westenträger", dazu wurde ein Bild von Dieter Hallervorden eingeblendet, mal "als Pfeife rauchende Best Ager" oder "fremde Hygiene-Skeptiker".

Seine 50-köpfige Redaktion hatte im Netz diverse Zeitungsausschnitte von Gerichtsverhandlung gegen sexuell übergriffige Fahrlehrer zusammengestellt und versuchte mit einer Rundmail an über 500 Behörden herauszufinden, welche konkreten Ausmaße das Problem eigentlich habe. Das magere Ergebnis wurde sogleich skandalisiert: Denn es gibt offenbar keine offiziellen Zahlen, wie viele Fälle sexueller Übergriffe es hier tatsächlich gibt. Immerhin versuchen laut Böhmermann in Deutschland jährlich rund eine Million Menschen, die Fahrscheinprüfung abzulegen.

Zum Beleg, wie sexistisch verroht die Branche ist, dienten Bildchen auf den Internetseiten von Fahrschulen, die Frauen als blöde Dummchen zeigten. Das Zitat eines führenden Branchenvertreters, der seinen Ausbildern auf den Weg gab: "Tut alles, damit man euch keine sexuelle Belästigung nachsagen kann", deutete Böhmermann sofort so: "Sexuelle Belästigung – kein Problem. Man muss einfach nur aufpassen, dass einem nichts nachgesagt werden kann."

Aus all den dünnen Infos, die in jedem normalen TV-Magazin in deutlich kürzerer Zeit aufbereitet worden wären, konstruierte Böhmermann dann das Fahrschulauto zum einzigen Ort, an dem Cancel Culture und Woke Bubble keine Chance hätten und in dem kernige Männer ihre Machtgelüste ausleben könnten.




3. Die Zahl der Anrufe beim Männerhilfetelefon ist deutlich gestiegen.

Das teilten die zuständigen Ministerien in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern mit. Demnach gab es 4.500 Kontaktaufnahmen und damit fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Am häufigsten ging es demnach um erlebte psychische Gewalt – oft in Kombination mit zusätzlicher körperlicher und sexualisierter Gewalt. Über die Hälfte der Anrufer waren zwischen 31 und 50 Jahre alt. Von Gewalt betroffene Männer seien nach wie vor ein Tabuthema in der Gesellschaft, hieß es.




4. Österreichs Tageszeitung "Standard" beschäftigt sich mit Vätern:

Trotz vieler Maßnahmen bleibt die Kindererziehung meist bei den Müttern. Männer rechtlich dazu zu zwingen kann aber nicht der richtige Weg sein. Wichtiger ist ein gesamtgesellschaftliches Umdenken.


Hier geht es weiter mit dem Artikel "Gesetze machen keine besseren Väter".



5. Der SWR zeigt die dreiviertelstündige Sendung "Jungenbeschneidung: Mehr als nur ein kleiner Schnitt".



6. Männerrechtlern wird immer wieder gedankenlos Frauenfeindlichkeit unterstellt, wenn sie zum Beispiel feministische Politik hinterfragen. Die australische Sportjournalistin Erin Molan hat solche Rhetorik satt:

"Ein Frauenfeind ist per Definition eine Person, die Frauen nicht mag, verachtet oder starke Vorurteile gegen sie hegt", sagte Frau Molan. "Glauben Sie mir, es gibt sie - ich weiß es, ich habe einige aus erster Hand kennengelernt. Aber man kann den Begriff nicht einfach aus dem Ärmel schütteln, wenn einem nicht gefällt, was jemand zu oder über eine Frau, eine Person, zu sagen hat. Vor allem, wenn er schlechtes Verhalten anprangert."




Samstag, April 22, 2023

Der STERN stellt mein Buch "Sexuelle Gewalt gegen Männer" vor

1. In einer ausführlichen Rezension stellt Axel Palm für die Zeitschrift STERN meine neueste Veröffentlichung "Sexuelle Gewalt gegen Männer" in der Reihe "Bedeutende Bücher" vor. Ein Auszug:

Hoffmann kritisiert (…), dass männliche Opfer weder gesehen werden noch eine vernünftige Unterstützung erfahren. Dazu sei gesagt, dass sich der Autor selbst als Vertreter des Maskulismus versteht. Dabei handelt es sich um eine Bewegung, der es nach eigner Aussage darum geht, "Benachteiligungen, soziale Problemlagen und Menschenrechtsverletzungen in Bezug auf alle Menschen einschließlich der Männer zu erforschen ... und realistische Lösungsstrategien zu entwickeln."

Maskulisten wird von Feministinnen und Feministen eine antifeministische und frauenfeindliche Positionen unterstellt. Und genau hier liegt Knallpotenzial begraben, das der Autor nur zum Teil explodieren lässt. Im Buch finden sich keine frauenfeindlichen Formulierungen oder Denkweisen. Es handelt auch nicht davon, Frauen irgendwelche Rechte abzusprechen oder wegzunehmen. Allerdings kritisiert der Autor, dass männliche Opfer und weibliche Täter nicht gesehen werden. Und er widerlegt Aussagen und Behauptungen einzelner Feministinnen wie beispielsweise von Alice Schwarzer (dazu später mehr).

Die Antwort auf die Frage, wieso, weshalb, warum Männern Hilfe verwehrt bleibt, liefert Hoffmann aus seiner Sicht gleich mit und zwar in einer deutlichen Kritik an Politik, Medien und alten Stereotypen. Die Kritik an der Politik ist überraschend. Ein Beispiel: Ausgerechnet die (selbst ernannten) Fortschrittsparteien Grüne, SPD und Piraten dienen als Beispiel, weil sie Hilfsangebote für von sexueller oder häuslicher Gewalt betroffene Männer blockieren. Kurios ist es allemal, wenn durch Denken in alten Stereotypen um des Fortschrittswillens der Fortschritt zu einer neuen Sicht auf den Mann verhindert wird.

Seine Kritik an den Medien belegt Hoffmann ebenfalls an Beispielen. Mal vertauscht ein großes Nachrichtenmagazin die Studienergebnisse zu häuslicher Gewalt zwischen Frauen und Männern, mal werden männliche Opfer sexueller Gewalt nicht nur lächerlich gemacht, sondern darüber hinaus verhöhnt, mal titelt ein Schweizer Boulevard-Blatt über den Missbrauchsfall eines Minderjährigen: "Mathelehrerin verführt Schüler (15): Sie brachte ihm das Sexmalsex bei", mal werden kritische Kommentare in sozialen Medien schroff abmoderiert.

Das Bild, welches der Autor anhand der Beispiele zeichnet, ähnelt erschreckend dem oben dargestellten Mehrheitsgedanken. Politik und Medien eint, dass gerade progressiv eingestellte Marken nur zu gern in alte Stereotype verfallen, wenn Männer die Opfer von sexueller Gewalt sind. So kann natürlich keine Debatte über das Thema entstehen.

(…) Womit wir zu den alten Stereotypen in unseren Köpfen kommen, die Hoffmann zu durchbrechen anregt. Männer, die Opfer von sexueller Gewalt geworden sind, sprechen eben nicht darüber, weil es nicht männlich im klassischen Sinne ist. Und weil Männer sich fürchten, nicht ernst genommen zu werden, wenn sie die gewalttätigen Übergriffe zur Anzeige bringen. All das lässt sich natürlich schwierig belegen, weshalb sich der Autor häufig auf Aussagen von Betroffenen stützt. Die im Buch festgehaltenen Interviews männlicher Opfer sexueller Gewalt sind mit der lesenswerteste Teil von "Sexuelle Gewalt gegen Männer" und hinterlassen beim Leser oder der Leserin einen nachhaltigen Eindruck.

Auf der anderen Seite steht dagegen das von Hoffmann kritisierte Bild "der Frau als Verkörperung der reinen Unschuld", das besonders gefährlich sei, wenn Frauen zu Täterinnen werden. Die angeführten Beispiele des Kindesmissbrauchs durch Frauen sind schockierend. Der Autor selbst spricht von einem "blinden Fleck" im Bezug auf weibliche Gewalt. Er kritisiert dabei auch Alice Schwarzer, die laut Hoffmann in einem ihrer Bücher behaupte, dass 98,5 Prozent aller Missbrauchstäter männlich seien und die verbliebenen 1,5 Prozent seien Frauen, die von Männern zum Missbrauch angestiftet worden seien. Dem entgegen hält der Autor mehrere Forschungsergebnisse, unter anderem eine Studie des Universitätsklinikums Eppendorf, die zu einem anderen Ergebnis kommen als das von Schwarzer propagierte Bild der gewaltfreien Frau. Vermutlich rührt daher auch die Kritik einiger Feminist:innen an ihm und/oder seinem Aktivismus.

(…) Gleichberechtigung mal anders. Wie es mit unserer subjektiven Wahrheit so ist, unterscheidet sich manchmal das, was wir glauben zu wissen, fundamental von dem, was wirklich ist. Oder wie es ein Mann in einem Interview aus dem Buch sagt: "Man sieht nur, was man sehen will". Voreingenommenheit nennt das der Volksmund und Hoffmann versucht in "Sexuelle Gewalt gegen Männer" mit ihr aufzuräumen – auch was das Klischee der gewaltfreien Frau angeht. Das gelingt ihm größtenteils. Sein Buch ist natürlich von seinem Aktivismus geprägt. Und so absurd es klingen mag: Es eint sich vor allem beim Brechen von Geschlechterklischees mit der Forderung nach Umdenken, die eigentlich aus dem Feminismus bekannt ist. Wer in Gleichberechtigung und Überwindung von Sexismus bei Frau und Mann keine Einbahnstraße sieht, kann zu dem Buch greifen und damit vielleicht seine Sichtweise erweitern.


Hier findet man die vollständige Rezension.

Ohne eure finanzielle Unterstützung hätte ich nicht 150 Redaktionen mit meinem Buch bestücken können, diese Rezension gäbe es nicht und das Tabu, um das sich mein Buch dreht, würde nicht allmählich beginnen zu bröckeln. Deshalb an dieser Stelle noch einmal ganz herzlichen Dank dafür!

Um mal ein Zwischenfazit zu ziehen: Zuvor hatten sich mit dem Overton-Magazin und dem Kontrafunk Seiten abseits vom medialen Mainstream mit meinem Buch beschäftigt. Der STERN ist das erste Leitmedium, das sich hier mutig nach vorne wagt. Ansonsten habe ich bislang nur von Journalistinnen zweier größerer Regionalzeitungen gehört, dass sie etwas dazu bringen wollten, aber dann war erst mal Funkstille.

Die Rezension im STERN gehört zu einer im Februar 2023 begonnenen Artikelreihe, die Axel Palm gemeinsam mit Mareike Fangmann veröffentlicht. Darin geht es hauptsächlich um Bücher zur persönlichen Entwicklung und über Themen, die man eher verschweigt. Bislang dort besprochene Titel drehten sich um Selbstbewusstsein, die "Schönheit der Differenz" und weiblichen Narzissmus.



2. Themenwechsel hin zu einem Problem, das auf andere Weise bedrückend ist als sexuelle Gewalt: der Zwangseinzug von Männern zum Krieg. Darüber berichtet aktuell die "taz":

Der russische Staat geht immer strenger vor, um Männer für das Militär zu rekrutieren. Kritiker sprechen bereits von einem "elektronischen Gulag".


Wie es in dem Artikel heißt, habe Moskau inzwischen auch ein Gesichtserkennungssystem installiert, mit dem wehrpflichtige Männer ausfindig gemacht werden sollen. Das berichtete der Militärkommissar der Hauptstadt, Oberst Maxim Loktew, der Nachrichtenagentur TASS.

Der britischen BBC zufolge versucht Putin parallel Männer durch verführerische Videos für seinen Fleischwolf zu gewinnen:

Das Moskauer Verteidigungsministerium hat ein Video veröffentlicht, in dem es an Russen appelliert, ihre zivilen Arbeitsplätze zugunsten eines Vertrags mit dem Militär aufzugeben. In dem Video sind ein Supermarktwächter, ein Fitnesstrainer und ein Taxifahrer zu sehen - sie alle sind offenbar vom zivilen Leben desillusioniert und finden in der Armee ihre Erfüllung.

Das russische Video ist Teil einer breit angelegten Kampagne, die im staatlichen Fernsehen und auch in der Presse ausführlich vorgestellt wurde. Auf VKontakte, Russlands beliebtestem sozialem Netzwerk, hat sich die Zahl der Armeewerbung versiebenfacht, wie Recherchen der unabhängigen Website Novaya Gazeta ergaben. Die Medienkampagne läuft parallel zur Armeewerbung auf Russlands Straßen. "Man kann gar nicht genug betonen, wie allgegenwärtig diese Rekrutierungskampagne der Armee ist", sagte ein Twitter-Nutzer in der russischen Hauptstadt. "Sie hat Moskau komplett eingenommen und man kann kaum zwei Minuten vergehen, ohne ein weiteres Plakat zu sehen.

Die Rekrutierungskampagne wurde wahrscheinlich dadurch ausgelöst, dass das russische Militär nach mehr als einem Jahr Kampfhandlungen in der Ukraine dringend neue Soldaten braucht. Durchgesickerten US-Dokumenten zufolge schätzt das Pentagon die russischen Verluste auf 189.500 bis 223.000 Tote, wobei 35.500 bis 43.000 Männer im Kampf gefallen sind.




3. Auf ukrainischer Seite löst die angekündigte Offensive bei vielen wehrpflichtigen Männern Ängste aus.



4. Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) ruft die Lehrer des Bundeslandes dazu auf, die Gendersprache zu verwenden. Damit sollen sie "die Schüler auf die schnell fortschreitenden gesellschaftlichen Veränderungen vorbereiten".



5. Die Cancel Culture in der Geschlechterdebatte trifft nicht mehr allein Männerrechtler: An der Ruhr Uni Bochum wurde eine Veranstaltung von Feministinnen abgesagt, weil sie von der Existenz zweier biologischer Geschlechter überzeugt sind.



6. Der "taz" geht die Verschärfung des Sexualstrafrechts in Spanien nicht weit genug. Noch immer müsse eine Frau beweisen, dass sie Widerstand geleistet hatten, damit ein Sexualstraftäter wegen Vergewaltigung ins Gefängnis wandert und nicht nur wegen Missbrauch. (Sexuelle Gewalt gegen Männer scheint im Denken von "taz"-Redakteuren ohnehin nicht vorzukommen.)



7. Die ZDF-Sendung "37 Grad" begleitet zwei Frauen auf der Suche nach ihren leiblichen Vätern. Es geht in dem Beitrag um die innere Verzweiflung, wurzellos zu sein, und was es verändert, den Erzeuger zu finden.



8. Markus Witt vom Väteraufbruch für Kinder verrät, wie man in Fällen von Eltern-Kind-Entfremdung vorgehen kann.



Freitag, April 21, 2023

Bundesforum Männer prangert in Bildzeitung Diskriminierung von Jungen an

1. Die Bildzeitung hat die mangelnde Bildungsgerechtigkeit für Jungen aufgegriffen:

Ganze sieben Prozentpunkte unterscheidet sich die Wahrscheinlichkeit von Jungs und Mädchen, das Gymnasium zu besuchen. Und zwar über alle Schichten hinweg.

Männer-Experte Schwerma kann das Problem genau benennen. Er sagt: "Die Entwicklungsstufen und Bedarfe von Jungen werden in allen Stufen des Bildungssystems nicht genügend einbezogen. Es braucht mehr Angebote, die sich direkt an Jungen richten."

In der Schule mit großen Klassen und wachsendem Lehrermangel bleibt wenig Zeit, auf die speziellen Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Die schlechteren Leistungen zeigen jedoch, dass gerade Jungs diese benötigen.

Das "Bundesforum Männer" schlägt zur Verbesserung Folgendes vor:

* Lese-Rechtschreib-Förderung

* sozialpädagogische, auf Jungs abgestimmte Angebote

* Pädagogische Fach- und Lehrkräfte müssen jungenpädagogisch geschult werden

Ein weiterer Grund für das schlechte Abschneiden könnte im Mangel an männlichen Pädagogen liegen. Den Jungs fehlt es an Männern zur Orientierung. Dadurch fällt es ihnen schwer, ihre Identität als Mann zu entwickeln. Diese innere Unsicherheit könnte schlechtere Noten bedingen. Zudem bieten Erzieherinnen und Lehrerinnen als Frauen Angebote eher für Mädchen aus, wodurch Jungs unbeabsichtigt auf der Strecke bleiben.


Die Männerrechtsbewegung spricht seit vielen Jahren über dieses Thema, ich selbst zum Beispiel in meinem 2009 erschienenen Buch "Rettet unsere Söhne". Damals wurden wir aus dem Lager, dem das Bundesforum zugehört, deswegen angegriffen: Wenn wir dieses Problem ansprächen, würden wir damit verschleiern, dass davon Jungen migrantischer Herkunft oder aus den unteren sozialen Schichten besonders betroffen seien, was zeige, dass wir dem rechten Lager zugehörten. Es freut mich, dass das Bundesforum sich jetzt von diesem Mumpitz absetzt und die Benachteiligung von Jungen klar benennt.



2. Die Neue Zürcher Zeitung ist beunruhigt darüber, dass sich immer mehr junge Männer Leuten wie Andrew Tate, "fragwürdigen Männercoaches oder Pick-up-Artists" zuwenden.

Um diesen Gefahren entgegenzutreten, muss die Diskussion um Gleichstellung die Männer einbeziehen. In den letzten Jahrzehnten drehte sie sich vor allem um die Ermächtigung von Mädchen und Frauen – und das zu Recht. Männer haben den Planeten und die Gesellschaften jahrhundertelang dominiert. Frauen verdienen in der Schweiz noch heute durchschnittlich 1500 Franken pro Monat weniger als Männer, sie besetzen seltener Chefposten, sind in der Politik untervertreten und im Alter stärker von Armut betroffen.


Ja, Frauen haben die Folgen ihrer Lebensplanung zu tragen.

Doch Frauenförderung und Männeranliegen sollten sich nicht ausschliessen – im Gegenteil. Sie müssen Hand in Hand gehen. Wer von Gleichstellung spricht, darf die jungen Männer nicht vergessen.

"Moderner Sexismus" – so deutlich benennen die Politologinnen und Politologen der Universität Göteborg das Problem. In einer breit angelegten Studie mit 32.000 Personen in fast allen EU-Ländern sind sie der Frage nachgegangen, wer sich gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter stellt. Überraschenderweise sind es nicht die vielgescholtenen "alten weissen Männer", sondern die jungen, die am meisten Gegenwehr leisten.


Spoiler: Einen Beleg dafür, dass die jungen Männer tatsächlich gegen Gleichberechtigung sind, werden wir in diesem Artikel nicht lesen. (Das tippe ich ein, bevor ich den Artikel tatsächlich gelesen habe, weil ich weiß, dass ich hier nicht enttäuscht werde.)

Westliche Demokratien seien in den letzten Jahrzehnten zunehmend geschlechtergerecht geworden, schreiben die Wissenschafter. Neuere Forschungsergebnisse deuteten nun aber auf einen Rückschlag hin. Der Grund: "Junge Männer nehmen die Fortschritte bei den Frauenrechten am ehesten als Bedrohung wahr."

Die Crux ist: Die Angst der Männer ist nicht ganz unberechtigt. Denn während sich die Situation der Frauen in den letzten Jahrzehnten in der westlichen Welt bedeutend verbessert hat, stagniert die Lage der Männer in gewissen Belangen – oder verschlechtert sich gar. Das sagen keine frauenverachtenden Männerrechtler, sondern die nackten Zahlen.


Ins Deutsche übersetzt: Diese verflixten Männerrechtler liegen in der Sache richtig. Wir Qualitätsjournalisten haben das oft ignoriert.

Zusammengetragen hat sie der britisch-amerikanische Autor Richard Reeves, ein ausgewiesener Fürsprecher der Gleichstellung. In seinem neuesten Buch "Of Boys and Men" zeigt er, dass amerikanische Männer mehr Gewalttaten verüben, häufiger suchtkrank sind, öfter Suizid begehen, schulisch schlechter abschneiden als Frauen und gemessen am Reallohn heute meist weniger verdienen als ihre Geschlechtsgenossen eine Generation zuvor.


Man könnte hier auch auf deutschsprachige Autoren hinweisen, die dasselbe schon seit Jahrzehnten schreiben, aber dann könnte man eben nicht über vermeintlich "frauenverachtenden Männerrechtler" herziehen. Also zieht man lieber einen US-Amerikaner heran, der Jahrzehnte später dasselbe sagt.

Reeves zitiert in seinem Werk eine bemerkenswerte Aussage der amerikanischen Wirtschaftswissenschafterin Melissa Kearney, die sich besorgt zeigt über das wirtschaftliche, soziale und familiäre Leben der Männer: "Seit 20, 30, 40 Jahren fokussiert die Forschung auf Frauen und Kinder. Wir müssen anfangen, uns auch über die Männer Gedanken zu machen."


Aber wäre das denn nicht schlimmer Frauenhass?

Diese Erkenntnis lässt sich nicht eins zu eins auf Europa und die Schweiz übertragen. Aber auch hierzulande sind Männer häufiger arbeitslos, werden öfter kriminell und haben eine tiefere Lebenserwartung als Frauen. Und auch in hiesigen Klassenzimmern ist in den letzten Jahren das Ungleichgewicht zulasten der Männer gekippt.

Buben schneiden bei der Pisa-Studie regelmässig schlechter ab als Mädchen. Machten 1980 noch etwas mehr junge Männer die Matura, sind die jungen Frauen heute deutlich in der Überzahl.


Gut, aber woher hätten man das alles wissen sollen? Vor Reeves hat miemand je darüber geschrieben …

Es ist Zeit, dass Bewegung in die Sache kommt.


Etwa gar eine … Männerrechtsbewegung?

Es ist Zeit, die Unsicherheit, das "Unbehagen" der Männer ernst zu nehmen, es zu benennen und darüber zu sprechen. Das gilt für das Bildungswesen, die Politik und die Männer selbst.


Aber sobald ihr diese Aufforderung ernst nehmt, schreiben wir Journalisten "Reingefallen!" und machen euch als Frauenhasser runter.

Denn sie haben sich bisher fast gar nicht in die Diskussion eingebracht. Abgesehen von einzelnen Gruppierungen, die in ihrem Dunstkreis angeregte Diskussionen führen, bleiben die meisten Männer stumm.


Ja, abgesehen von einigen hundert Männer-Aktivisten, die von den Leitmedien ausgegrenzt werden, schweigen viele aus Angst vor Ausgrenzung oder wegen mangelnder Information.

Doch auch sonst steckt die Diskussion hierzulande noch in den Kinderschuhen. In Schwedens Schulen ist bereits von einer "pojkkrisen", einer Bubenkrise die Rede. Australien hat unlängst ein Leseprogramm extra für Buben entwickelt. Die American Psychological Association hat spezifische Richtlinien für die Arbeit mit Knaben, Männern und Vätern herausgegeben.

Solche Unterstützung zahlt sich längerfristig aus. Haben junge Männer Erfolg in Schule und Beruf, verringert das die Wahrscheinlichkeit, dass sie zu Vertretern des "modernen Sexismus" verkommen, wie die Göteborger Politologen in ihrer Studie zeigen. Wirtschaftliche Probleme, so die Forscher, führten nämlich häufig dazu, dass Männer die Frauenrechte als Bedrohung wahrnähmen.


Ins Deutsche übersetzt: Sobald Geschlechterpolitik nicht mehr einseitig zu Lasten der Männer geht, sinkt das Risiko einer Revolte gegen diese Geschlechterpolitik.

Man muss nicht gleich so weit gehen wie Richard Reeves, der in seinem Buch vorschlägt, Buben ein Jahr später einzuschulen als Mädchen, um die durchschnittlich etwas verzögerte Entwicklung auszugleichen. Aber für kommende Entscheide, Förderprogramme und Lehrpläne muss eine Erkenntnis berücksichtigt werden: Vergesst die Buben und die jungen Männer nicht.


Die "alten weißen Männer" hingegen darf man vergessen, da droht kein Aufbegehren.



3. "Die Zeit" beschäftigt sich mit den Benachteiligungen von Männern in der Ukraine. Wenn es sich dabei um "nicht binäre" Männer handelt, ist es nämlich total ungerecht, dass sie auch benachteiligt werden. Das verrät der Artikel "Kein Mann und trotzdem zum Bleiben gezwungen". Immerhin sprechen mehrere Leserkommentare an, wie fragwürdig diese Moral ist:

Wäre es im umgekehrten Fall möglich, hier einen Artikel zu lesen, wo in einem fiktivem Land nach dem Einmarsch religiöser Extremisten alle Frauen zwangsverheiratet werden und einem Transmann die Ausreise verweigert wird, weil im Pass noch das weibliche Geschlecht steht? Oder läge das Augenmerk dann doch auf den Frauen im Land?




4. Christian Schmidt zerpflückt Katharina Schulzes "15-Punkte-Plan für Geschlechtergerechtigkeit", in dem "Gerechtigkeit" bedeutet, dass man sich allein um die Anliegen einer Seite kümmert.



5. In Beiträgen deutscher Medien wird das Thema "Incels" ausschließlich zum Niedermachen der Männer benutzt, die sich dort finden. Das populärwissenschaftliche Magazin Psychology Today geht mit diesem Thema seriöser um und hat einen Artikel veröffentlicht, der erörtert, warum diese Bewegung für einige Männer anziehend wirkt.

Incels sind Männer, die sich unfreiwillig zölibatär fühlen, und viele geben Frauen die Schuld für ihren mangelnden sexuellen und/oder romantischen Erfolg. Trotz der psychologischen Forschung, die sich mit dem Incel-Phänomen befasst, haben wir immer noch Schwierigkeiten, die Ursachen dafür zu ergründen, warum sich viele junge Männer zu diesem Phänomen hingezogen fühlen.

Hier sind zwei Erkenntnisse, die uns helfen können, das Phänomen in die richtige Perspektive zu rücken. (…)

1. Junge Männer, die sich der Incel-Bewegung anschließen, werden eher ausgegrenzt

In einem Interview mit dem britischen Journalisten Piers Morgan aus dem Jahr 2022 wurde Jordan Peterson, ein umstrittener kanadischer Psychologe, gefragt, ob er sich als "intellektueller Held" der Incel-Gemeinschaft sehe.

Peterson antwortete: "Es ist sehr schwer zu verstehen, wie demoralisiert die Menschen sind, und sicherlich gehören viele junge Männer zu dieser Kategorie. Sie wissen nicht, wie sie sich für Frauen attraktiv machen können, die dazu neigen, wählerisch zu sein, und das zu Recht. Aber diese Männer sind einsam, und jeder beschimpft sie."

Eine kürzlich in der Zeitschrift Current Psychology veröffentlichte Studie ergab, dass "Incels" mehr Einsamkeit und weniger soziale Unterstützung erfahren als Männer, die keine "Incels" sind. Dies wird mit zahlreichen psychischen Problemen und Beziehungsschwierigkeiten in Verbindung gebracht. Wenn diese einsamen Männer eine Online-Gemeinschaft finden, die sie aufgrund gemeinsamer Erfahrungen zu "verstehen" scheint, strömen sie dorthin, um ein Gefühl der Zugehörigkeit zu bekommen.

Der Kern der Incel-Gemeinschaft ist ein Gefühl der Minderwertigkeit und der sexuellen und romantischen Bedeutungslosigkeit, das sich in Form von Hass auf Frauen äußern kann. Diese Männer glauben, dass die Frauen direkt für ihre Probleme verantwortlich sind. Dies kann zu einer weiteren Marginalisierung führen.

Um dem entgegenzuwirken, muss unbedingt überprüft werden, wie wir als Gesellschaft mit denjenigen umgehen, die sich unattraktiv fühlen oder aus anderen Gründen vom anderen Geschlecht nicht wahrgenommen werden. Der weit verbreitete Spott, das Mobbing, die Meme und die Ausgrenzung derjenigen, die einsam sind, müssen eingedämmt werden - und ein unterstützender Ansatz zur Selbstverbesserung muss zur Norm werden.

Das soll nicht heißen, dass jeder, der sich ausgegrenzt fühlt, in diesen Gemeinschaften Unterstützung sucht. Die Incel-Gemeinschaft kann Menschen mit bestimmten bereits vorhandenen Tendenzen anziehen, was zum nächsten Punkt führen kann.

2. Incels haben oft mit schweren, unbehandelten psychischen Erkrankungen zu kämpfen

In einer neuen Studie, die im Journal of Sexual Medicine veröffentlicht wurde, wurde festgestellt, dass Männer, die in Bezug auf die Eigenschaften von Incels hohe Werte erreichten, wahrscheinlich auch depressiv, ängstlich und paranoid sind. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass dieselben Männer (im Vergleich zu denjenigen, die niedrige Werte bei den Incel-Eigenschaften aufwiesen) eher zu einem ängstlichen Bindungsstil neigen. Die Studie ergab auch, dass eine hohe Punktzahl auf Skalen zur Messung von Paranoia, Depression und einem ängstlichen Bindungsstil das Auftreten von Incel-Eigenschaften vorhersagen kann.

In einem Interview wies der Hauptautor der Studie, Dr. Giacomo Ciocca, darauf hin, dass Angehörige der Gesundheitsberufe und Psychologen darin geschult werden sollten, diese Merkmale zu beurteilen.

Das Erkennen dieser Merkmale bei Menschen, die mit romantikbedingten depressiven, ängstlichen oder paranoiden Symptomen zur Therapie kommen, kann der Schlüssel zum besseren Verständnis sein. Einige Männer reagieren möglicherweise weniger auf therapeutische Interventionen, die sie als Mittel zur Kontrolle und Unterwerfung zu gefügigen "Beta"-Männern ansehen.

Die Studie ergab auch, dass ein sicherer Bindungsstil Personen, die bei Paranoia und Depressionen hohe Werte aufweisen, möglicherweise davor schützen könnte, sich einer Incel-Mentalität anzuschließen.

Schlussfolgerung

Diese Gruppe von Männern kämpft mit psychischen Problemen. Bevor sie sich der Bewegung anschlossen, wurden diese Männer wahrscheinlich an den Rand gedrängt, und sie sehen die Gemeinschaft als etwas Aufmunterndes an, ohne zu merken, dass sie sich selbst tiefer in die Unattraktivität und Verzweiflung stürzen. Größere Investitionen in die präventive psychische Gesundheit - die Bereitstellung von Beratung, Unterstützung und Ressourcen für marginalisierte Personen - sind der beste Weg, um das Problem in den Griff zu bekommen.


Aber Incels niederzumachen bereitet vielen Menschen ein wesentlich größeres Vergnügen.



Donnerstag, April 20, 2023

Washington Post: Die Krise der Männergesundheit verschärft sich

Die Washington Post, eine der wohl angesehensten Zeitungen der Welt, beschäftigt sich in einem aktuellen Artikel mit der Benachteiligung von Männern im Gesundheitsbereich. Ich habe den Artikel, der zentrale Anliegen von uns Männerrechtlern aufgreift, ins Deutsche übersetzt.



Eine stille Krise der Männergesundheit verkürzt die Lebensspanne von Vätern, Ehemännern, Brüdern und Söhnen.

Jahrelang war die gängige Meinung, dass ein Mangel an geschlechtsspezifischer Gesundheitsforschung vor allem Frauen und geschlechtsspezifischen Minderheiten schadet. Diese Befürchtungen sind zwar real, doch ein genauerer Blick auf die Daten zur Lebenserwartung zeigt eine kompliziertere Geschichte.

Über die gesamte Lebensspanne hinweg - vom Säuglingsalter über die Teenagerjahre und die Lebensmitte bis ins hohe Alter - ist das Sterberisiko für Jungen und Männer in jedem Alter höher als für Mädchen und Frauen.

Das Ergebnis ist eine wachsende Kluft in der Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen. In den Vereinigten Staaten lag die Lebenserwartung im Jahr 2021 bei 79,1 Jahren für Frauen und 73,2 Jahren für Männer. Dieser Unterschied von 5,9 Jahren ist die größte Lücke seit einem Vierteljahrhundert. (Die Daten wurden nicht analysiert, um die Unterschiede zwischen nicht-binären und transsexuellen Menschen zu berücksichtigen).

"Männer sind in jeder Hinsicht in unserer Gesellschaft im Vorteil, und doch haben wir bei den meisten Krankheiten, die uns umbringen können, schlechtere Ergebnisse", sagte Derek Griffith, Direktor des Center for Men's Health Equity am Racial Justice Institute der Georgetown University, und fügte hinzu: "Wir neigen dazu, der Gesundheit von Männern keine Priorität einzuräumen, aber sie braucht besondere Aufmerksamkeit, und sie hat Auswirkungen auf den Rest der Familie. Es bedeutet, dass auch andere Familienmitglieder, einschließlich Frauen und Kinder, darunter leiden."




Das Übliche: "Männer sind in jeder Hinsicht in unserer Gesellschaft im Vorteil", außer in dem einen Bereich, in dem ich mich auskenne – sagen Wissenschaftler aus vielen unterschiedlichen Bereichen.



Der Unterschied in der Lebenserwartung von Männern und Frauen ist ein globales Phänomen, auch wenn die Unterschiede zwischen den Geschlechtern und die Daten über das Alter mit dem höchsten Risiko weltweit variieren und von kulturellen Normen, Aufzeichnungen und geopolitischen Faktoren wie Krieg, Klimawandel und Armut beeinflusst werden.

Die Daten zu den Gesundheitsrisiken für Jungen und Männer in den Vereinigten Staaten zeichnen jedoch ein klares Bild.

* Männer haben ein höheres Risiko, an Covid-19 zu sterben als Frauen, ein Unterschied, der sich nicht durch Infektionsraten oder Vorerkrankungen erklären lässt. Die altersbereinigte Todesrate für Covid lag bei Männern bei 140 Todesfällen pro 100 000 und bei Frauen bei 87,7 pro 100 000.

* Es sterben mehr Männer an Diabetes als Frauen. Die Sterblichkeitsrate für Männer liegt bei 31,2 pro 100.000 Personen gegenüber 19,5 pro 100.000 für Frauen.

* Die Krebssterblichkeitsrate ist bei Männern höher - 189,5 pro 100.000 - im Vergleich zu 135,7 pro 100.000 bei Frauen. Schwarze Männer haben mit 227,3 pro 100.000 die höchste Krebstodesrate. Bei den schwarzen Frauen liegt die Krebssterblichkeitsrate bei 149 pro 100.000.

* Die Sterblichkeitsrate bei Jungen und Jugendlichen im Alter von 10 bis 19 Jahren (44,5 pro 100.000) übersteigt bei weitem die der Mädchen (21,3 pro 100.000). Selbst bei Säuglingen ist die Sterblichkeitsrate bei Jungen (5,87 pro 1.000 Lebendgeburten) höher als bei Mädchen (4,95 pro 1.000).

* Männer sterben fast viermal häufiger durch Selbstmord als Frauen, wie aus den Daten der Centers for Disease Control and Prevention für das Jahr 2020 hervorgeht. Die Selbstmordrate ist bei weißen Männern mittleren Alters am höchsten, aber auch Jungen im Teenageralter sind einem hohen Risiko ausgesetzt.

* Im Jahr 2020 waren 72 Prozent aller Todesopfer bei Autounfällen männlich. Männer waren auch für 71 Prozent der Todesfälle unter Fußgängern, 87 Prozent der Todesfälle unter Radfahrern und 92 Prozent der Todesfälle unter Motorradfahrern verantwortlich.

Befürworter einer verstärkten Erforschung der Männergesundheit sagen, das Ziel sei nicht, Frauen, Mädchen und geschlechtsspezifischen Minderheiten Ressourcen zu entziehen.

"Manche Leute denken, die Gesundheitsversorgung sei ein Nullsummenspiel und ein Dollar für die Männergesundheit würde den Frauen etwas wegnehmen", sagte Ronald Henry, Präsident und Mitbegründer des Men's Health Network. "Das ist falsch. Wir unterstützen voll und ganz die Bemühungen um die Gesundheit von Frauen und die Verbesserung der Lebensqualität von Frauen".

Indem sie Männer als privilegierten Standard betrachten, ignorieren Gesundheitsexperten jedoch wichtige geschlechtsspezifische Unterschiede, die Gesundheitsprobleme bei allen Geschlechtern und Minderheitengruppen beleuchten könnten.

So herrschte in medizinischen Kreisen jahrelang die weit verbreitete Meinung vor, dass Frauen im Vergleich zu Männern zu viele Ressourcen für die Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen. Infolgedessen galten Männer als Standard für die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, während Frauen oft als hysterisch oder "ängstlich" abgetan wurden, wenn sie sich in Behandlung begaben.

"Früher dachten wir, dass Frauen die Gesundheitsfürsorge übermäßig in Anspruch nehmen und Männer es richtig machen", sagte Griffith. "Wir haben festgestellt, dass Frauen die Gesundheitsfürsorge besser nutzen, vor allem im Hinblick auf die Prävention, und dass Männer die Gesundheitsfürsorge zu wenig in Anspruch nehmen."

Die Gründe für den Unterschied in der Lebenserwartung sind noch nicht vollständig geklärt, aber die globale Natur der Ungleichheit lässt vermuten, dass die Biologie wahrscheinlich eine große Rolle spielt.

So könnte beispielsweise ein hoher Testosteronspiegel, der die Immunabwehr schwächen kann, ein Grund dafür sein, dass Männer und männliche Säugetiere im Allgemeinen anfälliger für Parasiteninfektionen sind. Östrogen könnte erklären, warum Frauen während ihres gesamten Lebens seltener an Herzkrankheiten erkranken - und warum sich der Unterschied nach der Menopause verringert. (Obwohl Östrogen bei Frauen eine schützende Wirkung zu haben scheint, haben Studien in den 1970er Jahren gezeigt, dass die Verabreichung von Östrogen an Männer nicht schützend wirkte, sondern zu einer doppelt so hohen Rate an Herzinfarkten führte wie in einer Placebogruppe).

Kulturelle Vorurteile in Bezug auf Männlichkeit, die Jungen und Männer lehren, ihre Gefühle zu verbergen und sich nicht zu beschweren, können ebenfalls die Gesundheit von Männern beeinflussen.

"Depressionen bei Männern sind ziemlich trügerisch", sagt Marianne J. Legato, Ärztin und Gründerin der Foundation for Gender-Specific Medicine in New York. "Männer sind gesellschaftlich darauf programmiert, sich nicht zu beklagen. Ein Selbstmord wird oft unerwartet als ein frühes Ende des Lebens eines Mannes angesehen, im Gegensatz zu dem einer Frau."

Auch die kulturelle Erwartung, stoisch zu bleiben, kann die Versorgung von Männern verzögern. Obwohl beispielsweise Krankheiten wie Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck bei Männern und Frauen gleichermaßen auftreten, warten Männer oft länger, bis sie sich in ärztliche Behandlung begeben, und die Krankheiten werden erst in späteren Stadien diagnostiziert, was zu größeren Schäden und schlechteren Behandlungsergebnissen führt.

"Es ist ein interessantes Rätsel, das in vielerlei Hinsicht nicht gut verstanden wird", sagt der Kardiologe Steven Nissen, Chief Academic Officer an der Cleveland Clinic. "Männer müssen ihre kardiovaskulären Risikofaktoren genau im Auge behalten. Die frühzeitige Behandlung von Risikofaktoren kann einen Großteil des Risikos mindern."

Männer sind auch dafür bekannt, dass sie mehr riskante Verhaltensweisen an den Tag legen, wie Drogen- und Alkoholkonsum, Rauchen und rücksichtsloses Fahren. Auch wenn die Gründe für diese Trends noch nicht vollständig geklärt sind, sind die Verhaltensrisiken auch ein Grund dafür, dass die Gesundheit von Männern nicht untersucht wird, so Griffith.

"Es ist schwer, die Menschen davon zu überzeugen, dass die Gesundheit von Männern ein Problem ist, wenn wir denken, dass es nur daran liegt, dass Männer nicht das tun, was sie tun sollten", sagte er.

Eine oft geäußerte Sorge ist, dass Männer auch seltener zum Arzt gehen. Obwohl Jungen und Mädchen gleich häufig zum Kinderarzt gehen, ändert sich der Trend im Erwachsenenalter und die Zahl der Arztbesuche von Männern nimmt ab. CDC-Daten zeigen, dass die Arztbesuchsrate im Jahr 2018 bei Frauen fast 40 Prozent höher war - 3,08 Besuche pro Frau gegenüber 2,24 pro Mann.

Ein Grund dafür ist, dass Frauen in ihren reproduktiven Jahren regelmäßig den Gynäkologen aufsuchen. "Für Männer gibt es keinen vergleichbaren Weg", so Nissen.

Aber selbst wenn man die Besuche im Zusammenhang mit der Schwangerschaft ausklammert, deuten die Forschungsergebnisse darauf hin, dass Frauen immer noch doppelt so häufig wie Männer regelmäßige jährliche Untersuchungen planen und Präventionsdienste in Anspruch nehmen.

Ärzte sagen, dass Männer am ehesten wegen einer Sportverletzung oder wegen eines "Viagra"-Besuchs zum Arzt gehen - wenn sie sich wegen Erektionsstörungen behandeln lassen. Daher werden Sportmediziner und Urologen ermutigt, diese Besuche zu nutzen, um Blutdruck, Cholesterin und andere Indikatoren für die allgemeine Gesundheit zu überprüfen.

"Ausdauer und sexuelle Gesundheit sind zwei der wichtigsten Dinge, über die Männer nachdenken", sagt Howard LeWine, Arzt für innere Medizin am Brigham and Women's Hospital in Boston und medizinischer Chefredakteur bei Harvard Health Publishing. "Wenn man 20, 30 ist und ein Mann, denkt man nicht wirklich über Gesundheit nach. Der Gedanke, zum Arzt zu gehen, um Krebs oder Herzkrankheiten vorzubeugen - ich glaube, viele Männer denken erst daran, wenn ihnen etwas zugestoßen ist."

Die Ironie liegt darin, dass Männer seit Jahren in der medizinischen Forschung überrepräsentiert sind, oft auf Kosten von Frauen. Dies geht aus einem bahnbrechenden Bericht von 1985 hervor, der die Regierung dazu veranlasste, mehr in die Gesundheitsforschung für Frauen zu investieren.

"Männer, die in medizinischen Studien überrepräsentiert waren, sind in der klinischen Versorgung immer noch unterrepräsentiert", so Harvey Simon, Arzt für innere Medizin und Gründer von Harvard Men's Health Watch, einem Newsletter, der sich mit der Gesundheit von Männern beschäftigt.

Befürworter der Männergesundheit sehen einen der größten Faktoren in der fehlenden Infrastruktur zur Unterstützung der Forschung, die sich speziell auf die Gesundheit von Männern konzentriert.

Seit Jahren setzt sich das Men's Health Network für die Einrichtung eines Amtes für Männergesundheit ein, ähnlich dem Amt für Frauengesundheit im Ministerium für Gesundheit und menschliche Dienstleistungen. Die vorgeschlagenen Rechtsvorschriften haben jedoch durchweg keine Unterstützung gefunden.

Einige Gesundheitssysteme geben zwar an, über Abteilungen zu verfügen, die sich mit der Gesundheit von Männern befassen, doch liegt der Schwerpunkt häufig auf der urologischen und Prostatagesundheit und nicht auf der Herzbehandlung, der psychischen Gesundheit oder anderen Problemen, von denen Männer in hohem Maße betroffen sind.

Das Thema Männergesundheit ist einfach noch nicht in den Köpfen der Befürworter, Unternehmen und Politiker angekommen. Während die rosa Schleife als Symbol für das Bewusstsein für Brustkrebs zu einer Ikone geworden ist, hat das Thema Männergesundheit noch nicht die gleiche Aufmerksamkeit erlangt.

"Es gibt eine Kluft der Empathie", sagte Henry. "Es gibt Leute, die mit den Schultern zucken und sagen: 'Ja, Männer sterben jünger. Das ist nun einmal so in der Welt.' Das muss aber nicht so sein. Wenn wir Aufmerksamkeit und Ressourcen aufwenden, können wir die Ergebnisse für Männer ändern."




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