Precht legt gegen Baerbock nach: "Weil sie eine Frau ist"
1. Nachdem Richard David Precht wegen seiner Kritik an Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) durch einen heftigen Shitstorm als sexistischer Frauenfasser gebrandmarkt wurde, legt er im Podcast mit Markus Lanz jetzt nach. Der Focus berichtet:
Auch erinnerte er seinen Gesprächspartner daran, einst den vormaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier scharf kritisiert zu haben, was Precht bestätigte. Er habe auch damals schon "die eine oder andere drollige Formulierung" benutzt, "darüber hat sich aber niemand aufgeregt, weil er ein alter weißer Mann ist", mutmaßte der Bestsellerautor. Lanz sprang ihm erneut zur Seite: "Du hast doch nicht Annalena Baerbock als Frau kritisiert!" Precht wies derlei von sich und kritisierte die Art und Weise, wie Baerbock verteidigt worden sei: "Eine Firewall um sie zu machen, weil sie eine Frau ist, widerspricht der Gleichberechtigung."
Auch hier waren sich Richard David Precht und Markus Lanz einig. Der ZDF-Talker nannte den "Reflex", immer gleich eine Diskurs-Front zwischen Frauen und Männern aufzumachen "befremdlich" und paraphrasierte das Lebensgefühl eines Friedrich Merz, wie er es wahrnehme: "Ich möchte als Mann nicht ständig nur noch das Problem sein, während Frauen prinzipiell die Lösung sind. So einfach ist das alles nicht."
Jedem, der an diesem Wochenende irgendwie Zeit dazu findet, empfehle ich, sich die komplette Passage in dem Podcast anzuhören. Unabhängig, was man von Lanz und Precht sonst hält, dürften sie hier den meisten Männerrechtlern aus der Seele sprechen. Der entsprechende Wortwechsel findet sich von Minute 8 bis Minute 19 des Podcasts. Besonders schön finde ich Prechts Einordnung des Denkens, das Frauen als sakrosankt und Kritik an ihnen für unzulässig erklärt: "Ich verstehe nicht, wie Menschen, die sich für links halten, sich solcher rechter Denkraster bedienen, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen." Tja, das sind dieselben Leute, die auch Männerrechtler als "rechts" phantasieren.
Zu Beginn ihres Podcasts wundern sich Lanz und Precht übrigens darüber, dass ihr Zweiergespräch eine derart riesige Welle an Empörung ausgelöst hat: ("Es ist schon irre, wenn man bedenkt, welche Bedeutung dem beigemessen wird.") Ich hätte eine mögliche Erklärung anzubieten: Precht wird gerade deshalb so heftig angegangen, weil er Baerbock gerade nicht als Frau sondern wegen – aus seiner Sicht – eklatanten Schwächen als Ministerin filetiert. Das macht Baerbock nach Anne Spiegel und Christine Lambrecht zur mittlerweile DRITTEN Ministerin der gegenwärtigen Regierungskoalition, der komplette Inkompetenz nachgesagt wird (und die mit Sexismusvorwürfen verteidigt wird). Selbst wohlmeinende Bürger könnten zu dem Eindruck kommen, dass sich das allmählich häuft, Frauen sind vielleicht doch keine fast perfekten Wunderwesen sind und es sinnvoll ist, Ministerposten nach dem Geschlecht ("Hauptsache, wir haben genügend Frauen untergebracht") zu besetzen. Damit geht dem rotgrünen Lager ein zentrales ideologisches Narrativ flöten.
Ein gelungenes Video zu dieser Debatte findet man auf Youtube: Sexismus? Precht gegen Baerbock im Check.
2. Wir bleiben bei den Kapriolen der Ampelkoalition: Wie die Süddeutsche Zeitung (hinter einer Bezahlschranke) berichtet, gibt es wegen der Frauenquote Streit mit der FDP:
Seit 1998 stagniert der Anteil der Frauen bei etwa 30 Prozent. Auch die "Fortschrittskoalition", als die sich die Ampel bezeichnet hat, wird daran offenbar kaum etwas ändern. Das ist dem Abschlussbericht der Kommission zu entnehmen, über den am Donnerstag abgestimmt wird, er liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Mal wieder sind sich die Koalitionspartner nicht einig.
Auf der einen Seite stehen SPD und Grüne, die ein Paritätsgesetz für "geboten" und "zwingend notwendig" halten. Es soll Parteien dazu verpflichten, für Wahlen genauso viele Männer wie Frauen aufzustellen, etwa durch quotierte Listen und besondere Regelungen für Direktmandate. SPD, Grüne und die Linke haben solche Listen. (…) Doch ist so ein Gesetz in Deutschland rechtlich überhaupt zulässig?
Eindeutig nicht, sagt die FDP - die auf der anderen Seite steht. Und schon ist man in einem jahrelangen, verfassungsrechtlichen Streit, der Bücher füllen würde. Eines könnte von der Rechtswissenschaftlerin Anna Gloßner stammen, die dem Thema ihre Doktorarbeit gewidmet hat und von der FDP in die Kommission gebeten wurde. Ein Paritätsgesetz würde viele Verfassungsrechte einschränken, sagt Gloßner, die passive Wahlrechtsfreiheit etwa. Die sei verletzt, wenn ein Kandidat nicht auf allen Listenplätzen kandidieren dürfe.
Oder die Programmfreiheit: Wenn es nicht zum Programm einer Partei gehöre, genauso viele Männer wie Frauen aufzustellen, müsse eine Partei das auch nicht tun. Ähnlich argumentierten die Verfassungsgerichte von Thüringen und Brandenburg, als sie die Paritätsgesetze dort kippten. Gloßner würde an anderer Stelle ansetzen und etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, damit mehr Frauen in Parteien eintreten.
Und was ist mit Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetztes? Dort steht: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Der Staat solle die Durchsetzung der Gleichberechtigung fördern und auf die Beseitigung von Nachteilen hinwirken. Eher eine Absichtserklärung, meint Gloßner. Eindeutig ein Gebot, sagt Ruth Laskowski.
Laskowski ist Jura-Professorin an der Uni Kassel, sie wurde von der SPD in die Kommission berufen. Dass genauso viele Frauen im Bundestag sitzen wie Männer sei ein verfassungsrechtlich legitimiertes Ziel, sagt sie und fragt: Wie können dann die Mittel, dieses Ziel zu erreichen, verfassungswidrig sein?
Zur Freiheit der Wahl sagt Laskowski erstens: Die Wähler konnten sich noch nie aussuchen, wen die Parteien ihnen zur Wahl vorschlagen. Ob da nun ein Mann oder eine Frau stünde, ändere nichts am Wahlergebnis, sie seien ja von der gleichen Partei. Und zweitens: Die Chancengleichheit sei gegeben. Schließlich stünden Männern wie Frauen die gleiche Anzahl der Listenplätze zur Verfügung.
Ob das Grundgesetz ein Paritätsgesetz zulässt, ist also umstritten. Und die FDP geht davon aus, dass das Gesetz letztlich vor dem Bundesverfassungsgericht landen würde. Eine solche Aussicht hat die Partei allerdings nicht daran gehindert, der jüngsten Wahlrechtsreform zuzustimmen, für die das gleiche gilt. Es ist wohl eher so, dass das Gesetz generell ihrer liberalen Überzeugung widerspricht. Die fasst der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae so zusammen: "Es ist nicht Sache des Gesetzgebers, vorzugeben, wie eine Liste auszusehen hat. Das müssen die Parteien beschließen."
Auch den Vorschlag, Parteien finanziell zu fördern, die Maßnahmen für eine gleichberechtigte Verteilung ergreifen, lehnt die FDP ab. Stattdessen schlägt sie vor, dass Parteien sich selbst einen Kodex zur Gleichberechtigung geben.
Das könnte es jetzt also gewesen sein für ein Paritätsgesetz. Aber da ist noch diese Möglichkeit, die Leni Breymaier in einer Bundestagsrede angesprochen hat: Wenn bei der Arbeit der Kommission nichts rauskomme, müssten sich eben die Frauen aller Parteien zusammentun. Progressive Männer dürften auch mitmachen, die Frauen haben ja keine Mehrheit im Bundestag. Doch der Vorschlag ist problematisch: Breymaier ruft damit quasi dazu auf, den Koalitionsvertrag aufzukündigen. Denn so funktioniert eine Koalition nun mal: Man stimmt nie mit der Opposition, sogar wenn man ihr in einer Frage inhaltlich nahesteht. (…) Nur: Würden die Frauen von Union und FDP diesmal mitmachen?
Sich bei der Union für ein Paritätsgesetz einzusetzen, sei nicht gerade karrierefördernd, sagt eine Abgeordnete, die nicht namentlich genannt werden möchte. Denn auch ihr wurden deshalb schon bei der Nominierung Steine in den Weg gelegt. Von den Direktmandaten müsse man die Finger lassen, für eine quotierte Liste könne man mobilisieren. Aber bestimmt nicht jetzt. Die Wahlrechtsreform sei beschlossen, die Stimmung aufgeheizt. "Und jetzt noch ein heißeres Thema obendrauf?" Die Chance sei vertan, sagt sie, und: "Ich finde es furchtbar." Auch bei den FDP-Frauen sei nichts zu holen: "Die kämpfen ums Überleben." Da traue sich keine an die Öffentlichkeit. Leni Breymaier hört sich das an - und bleibt dabei: "Ich will, dass noch in dieser Legislaturperiode ein Paritätsgesetz beschlossen wird."
Wenn Leni Breymaier unbedingt etwas will, was die demokratisch gewählte Mehrheit nicht möchte, bleibt ihr am Ende nichts anderes übrig, als sich auf irgendeiner Straße festzukleben.
3. Wir bleiben bei den fragwürdigen Entwicklungen in der Regierungspolitik. Gestern berichtete Genderama, dass aufgrund einer Sonderregelung im geplanten Selbstbestimmungsgesetz der Ampel Männer im Verteidigungsfall nicht durch Änderung ihres Geschlechtseintrags einer möglichen Einberufung entgehen dürfen. Der Journalist Roland Tichy kommentiert unter der Überschrift "Männer – als Soldaten sind sie gut zu gebrauchen":
Angeblich ist der Penis kein Geschlechtsmerkmal, sondern nur ein zufälliges Anhängsel, das nichts über das Geschlecht aussagt. Nur eben bis zu dem Punkt, wenn es ums Sterben geht: Da ist der Mann noch ein Mann und die Frau darf der Front ferne bleiben. (…) Erst werden Männer verteufelt, und wenn sie dann alle Frauen werden, ist es auch nicht recht. Für den Friedhof sind Männer dann doch gut genug; denen ansonsten ständig "toxische Männlichkeit" vorgeworfen wird.
Mein Leser Kevin Fuchs schreibt mir zu diesem Thema:
Hallo Arne,
zu dem neuen Selbstbestimmungsgesetz möchte ich dem Gesetzgeber gerne ein paar Fragen stellen.
Wie definiert der Gesetzgeber hier "Mann"?
Wie formuliert man hier im Einzelfall eine Begründung? Ungefähr so?
"Sehr geehrte Frau Mayer, Ihren Antrag auf Kriegsdienstverweigerung lehnen wir ab, da Sie ein Mann sind. Zwar ist in Ihrem Personenstand das weibliche Geschlecht eingetragen, nach welchem Sie rechtlich eine Frau sind. Aber das Gesetz sieht vor, dass sie im Moment ein Mann sind. Da Sie, Frau Mayer also rechtlich derzeit ein Mann sind, können Sie nicht gleichzeitig rechtlich eine Frau sein, auch wenn sie rechtlich korrekt als solche eingetragen sind. Bitte missverstehen Sie uns nicht. Wir missgendern Sie nicht. Selbstverständlich erkennen wir an, dass Sie eine Frau sind, aber im Moment ist Krieg und da müssen Sie ein Mann sein."
Sorry Arne, aber Politiker als Vollidioten zu bezeichnen, kann derzeit keine Beleidigung sein - es ist eine schlichte Tatsachen-Feststellung. Diese Widersprüchlichkeit in sich ist einfach herrlich.
Offen gesagt finde ich das total geil. Unsereins hat sich so lange Zeit so viel Mühe gemacht, den grotesken Unfug hinter der Gleichstellungspolitik zu belegen. Und nun tun diese Politiker das ganz von selbst, indem man die einfach machen lässt und alle schauen zu.
Nicht falsch verstehen. Ich finde es total angebracht, wenn jeder über sein Geschlecht selbst bestimmen kann. Der Punkt ist nur, dass Gleichstellung immer ein Cherrypicking war. Wo es Frauen nutzte, hat man auf moderne Rollenbilder gemacht. Wo es für Frauen unbequem war, hat man an alten Rollenbilder festgehalten. Nichts illustriert diese Paradoxie so gut wie dieser Irrsinn.
Ich habe mich immer gefragt, wie eine Gesellschaft aussähe, in der man Gender-Ansätze konsequent zu Ende denkt, und kam zu dem Schluss, dass das Ergebnis weite Teile unseres Rechts komplett auf den Kopf stellen würde, da viele Gesetze implizit die biologischen Geschlechter voraussetzen. Das hier ist nur ein Beispiel. Vielleicht finden Deine Leser ja weitere.