Brandenburg gegen Gender, Precht gegen Baerbock, Sexualtäterinnen gegen Kinder
1. Brandenburgs Kommunen laufen Sturm gegen die Reform der Kommunalverfassung und fordern das Innenministerium zum Stopp des laufenden Gesetzgebungsverfahrens auf. Dorn im Auge ist den Gemeinden auch die geschlechtergerechte Sprache:
Mit der Reform würden die Kommunen gezwungen, ihre Satzungen und Dokumente in geschlechtergerechter Sprache zu verfassen, wie es das Landesgleichstellungsgesetz vorsieht. "Dafür ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt", sagte [Bürgermeisterin Kerstin Hoppe, Vizepräsidentin des Städte- und Gemeindebundes]. Einige Kommunen hätten ihre Hauptsatzungen entsprechend angepasst. "Wir lehnen geschlechtergerechte Sprache nicht ab, aber wir möchten weiterhin selbst entscheiden, ob wir das aufnehmen in unsere Arbeit", sagte sie.
Oliver Hermann, parteiloser Bürgermeister von Wittenberge (Prignitz), verwies auf die zahlreichen Aufgaben, die Brandenburgs Kommunen derzeit zu bewältigen hätten: die Unterbringung von Flüchtlingen, die Schaffung von Kita-Plätzen, die Erweiterung von Schulen, die Grundsteuerreform, die Digitalisierung von Bürgerdiensten. "Ist es jetzt wichtig, dass alle Hauptsatzungen der Gemeinden gendergerecht werden? Haben wir nichts anderes zu tun?", fragte Hermann.
2. Der russische Schriftsteller Dmitri Gluchowski kommentiert die verstärkten Versuche seines Landes, Männer an die Front zu schicken, so: "Das ist ein Gesetz über das Recht des Staates, mit einer Mail jeden Beliebigen zum Tode zu verurteilen, ohne Recht auf Widerspruch. (…) Wenn ihr könnt, reist sofort aus." Die Deutsche Friedensgesellschaft plant nun vom 8. bis 21. Mai gemeinsam mit weiteren Friedensgruppen Aktionswochen für Schutz und Asyl von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren.
3. In einem gemeinsam mit dem TV-Moderator Markus Lanz geführten Podcast ging der Publizist Richard David Precht mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hart ins Gericht:
"Also, wenn ich ganz ehrlich sein darf… was für ein Unfall, dass diese Frau Außenministerin geworden ist", so Precht. "Unter normalen Bedingungen hätte die im Auswärtigen Amt noch nicht einmal ein Praktikum gekriegt." Baerbock habe "die moralische Inbrunst einer Klassensprecherin".
Insbesondere gegenüber der chinesischen Regierung habe Baerbock sich undiplomatisch und strategisch ungeschickt verhalten: Chinesen würden vor allem Menschen respektieren, die in ihrem Leben eine besondere Leistung vorweisen könnten, und insofern auf eine Standpauke gerade von Baerbock eher unwirsch reagieren.
Für seine Aussagen wurde Precht jetzt in den sozialen Medien sowohl heftig kritisiert als auch gelobt. Die Worte "Sexismus" und "Narzissmus" fielen dabei besonders häufig. "Was kann Precht? Vor allem, wieso kann er beurteilen, wer Außenministerin kann? Ich vergaß, dass er - ganz bescheiden - alles weiß und kann. Das ist männliche Überheblichkeit und Arroganz", schrieb die Grünen-Politikerin Renate Künast auf Twitter.
Manche scheinen Prechts Kritik an Baerbock geradezu als Majestätsbeleidigung aufzufassen:
"Zu hören ist das Gejammer eines narzisstisch gekränkten Besserwissers, der so gerne richtig wichtig geworden wäre", schreibt Tagesspiegel-Redakteur Rainer Woratschka.
(…)"Erschreckend, wie Lanz das ‚unter normalen Umständen‘ von Precht durchgehen lässt", schreibt der Vorsitzende der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, Jan Philipp Albrecht. Dieses Verhalten sei "verschwörungsmythisch" und "antidemokratisch".
Die Journalistin Nicole Diekmann schloss sich den Vorwürfen an, die zwei Tage lang auf Twitter trendeten. Precht zeige immer wieder "komplett unverstellten Sexismus", "Testosteron-getriebenes Aufplustern" und eine "frauenfeindliche Tendenz":
Penispropeller ignoriert man, oder von mir aus antwortet man ihm auch kurz. Precht aber sitzt da in intimer Zweiersituation mit seinem Freund Lanz. Der nur schwach protestiert. Vielleicht aus freundschaftlicher Verbundenheit. Vielleicht aus Abgestumpftheit. Vielleicht hat er sich an diese Ausfälle Prechts auch einfach schon gewöhnt.
Als einziges Beispiel für "solche Ausfälle" nennt Diekmann Prechts Erwiderung auf die Kritik der Journalistin Melanie Amann an seinem aktuellen Buch, sie habe es offenbar nicht verstanden:
Mimik, Gestik und Tonfall, derer er sich in diesem Dialog bediente – daneben wirkt Chinas Menschenrechtspolitik Friedensnobelpreis-verdächtig. Bilder, wie sich Precht mit verzerrtem Gesicht zu Amann hinüberbeugt und mit ihr spricht, haben sich zu einem Meme entwickelt: Sie werden gern in den sozialen Medien gepostet, wenn ein Mann einer ihm argumentativ und stilistisch offensichtlich überlegenen Frau nichts Eleganteres entgegenzusetzen hat als – tja, eigentlich muss man sagen: gar nichts.
Diekmann erhält für ihren Artikel auf Twitter zuhauf Widerspruch. Eine kleine Auswahl:
Eine Kritik an Baerbock soll Sexismus sein. Was wäre wenn ein männlicher Außenminister falsche Angaben im Lebenslauf macht, sich sehr häufig eklatant verspricht, schlechtes Englisch spricht und Beziehungen zu wichtigen Partnern zerstört? Wäre dann Kritik angebracht?
Warum ist es automatisch ein Egoproblem oder Frauenfeindlichkeit, wenn er Baerbock kritisiert? Er hat sie zwar hart, aber doch sachbezogen und nicht wegen ihres Geschlechts angegriffen. Der Artikel unterstellt ihm dafür die widerlichsten persönlichen Beweggründe.
Ich teile Prechts Kritik an Baerbock ausdrücklich nicht, aber Sexismus sehe ich nicht. Sorry. Wir müssen wieder lernen, dahin zu kommen, dass nicht jede Kritik an Frauen - ob man ihr inhaltlich zustimmt oder nicht - automatisch Sexismus ist.
Wer eine Frau mit markigen Formulierungen kritisiert, ist natürlich offen frauenfeindlich. Das ist Journalismus heute. Dieser Mann steht zu seiner Meinung, auch wenn er von den beleidigten Medien ständig Prügel kriegt. Ich bewundere ihn dafür.
Kann Journalismus bitte auch einfach mal seriös sein? Ja, man kann #Precht für seine Ausdrucksweise zum Thema #Baerbock kritisieren. Aber warum ein Ego-Problem und Sexismus diagnostizieren/unterstellen? Das ist doch völlig unsachlich und anmaßend.
4. Der Donaukurier schließt sich den Medien an, die den Soziologen und Zufriedenheitsforscher Professor Martin Schröder interviewt haben. Ein Auszug:
Donaukurier: Benachteiligung scheint es auch im Hochschulbetrieb zu geben. Immerhin gibt es wesentlich weniger Professorinnen als Professoren – obwohl junge Frauen inzwischen beim Abitur besser abschneiden als Männer.
Professor Schröder: Diesen Bereich habe ich selbst genauer erforscht und zwar die Fächer Soziologie, Politikwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Psychologie. Dabei hat sich herausgestellt, dass in Bewerbungsgesprächen Frauen keinen Nachteil haben, sondern eher einen Vorteil. In einer weiteren Untersuchung wurden fiktive Bewerbungen verschickt, wobei sich herausstellte, dass bei gleicher Qualifikation eher Frauen als Männer zu Gesprächen eingeladen wurden. In einer anderen Untersuchung in den USA bei Mint-Fächern wurde festgestellt, dass Frauen bei gleicher Qualifikation doppelt so häufig eingestellt werden wie Männer. Also: Eine Benachteiligung bei den Bewerbungen scheint es nicht zu geben, daran kann es nicht liegen, dass es so wenige Professorinnen gibt.
(…) Donaukurier: Wie heftig wird eigentlich inzwischen an den Universitäten gegendert?
Professor Schröder: Es gibt einen gewissen Konformitätsdruck zu gendern. Und es hängt ja auch ein ziemlich großer Moral-Rattenschwanz daran. Das ist ja schon keine Privatsache mehr, ob man gendert oder nicht, sondern eine quasi politische Äußerung. Man demonstriert damit, dass man zu den Guten gehört.
5. Die Wissenschaftssendung "Nano" hat vorgestern sexuelle Gewalt durch Frauen thematisiert; seit gestern steht der Beitrag online (ab Minute 18):
Sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen, das Strafgesetzbuch spricht von Kindesmissbrauch, ist in unserer Gesellschaft noch immer ein Tabuthema. Vielen Menschen fällt es schwer, sich damit auseinander zu setzen. Besonders dann, wenn der Täter kein Mann, sondern eine Frau ist: die Mutter, die Tante, die Schwimmtrainerin. Und das passiert viel häufiger als man denkt.
Das Thema, so heißt es zutreffend in der Ansage des Beitrags, habe viel zu lange auch in der Wissenschaft als Tabu gegolten.
6. Das britische Politikmagazin "Spectator" berichtet über die Pläne der Labour-Partei für Jungen:
Der jüngste Plan der Labour-Partei sieht vor, dass ein Teil des Schultages dafür reserviert wird, dass Jungen von Frauen hören, die Opfer von männlicher Gewalt und Missbrauch geworden sind. Auf einer Veranstaltung im Süden Londons kündigte Keir Starmer diese Woche an, dass er den nationalen Lehrplan um obligatorischen Unterricht über die Bedeutung des Respekts gegenüber Frauen erweitern möchte. Er hofft, dass dies dazu beitragen wird, einen "kulturellen Wandel" herbeizuführen und Jungen zu ermutigen, Freunde, die sich frauenfeindlich verhalten, "zur Rede zu stellen". Die Labour-Partei hofft, dass die Beseitigung unangemessenen Verhaltens bei Jungen dazu beitragen wird, die Zahl der Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen innerhalb eines Jahrzehnts zu halbieren.
(…) Indem er die Jungen herausgreift, hat Starmer den politischen Weg des geringsten Widerstands eingeschlagen. Jungen werden seit langem als Problem angesehen, wobei weiße Jungen aus der Arbeiterklasse das größte Problem darstellen. Das Narrativ der toxischen Männlichkeit stellt Männer als eine Gefahr für Frauen, die Gesellschaft und sich selbst dar. Da Jungen zu Männern und damit zu potenziellen Missbrauchstätern heranwachsen, wird von den Schulen erwartet, dass sie eine moralische Prophylaxe bieten. Nach Ansicht von Starmer sollte dies beinhalten, dass sie aus erster Hand von Opfern sexueller Belästigung und Übergriffe erfahren. Als Junge muss man seine Erbsünde fest im Griff haben.
(…) Der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass Armut es den Menschen erschwert, Beziehungen zu verlassen, die unter enormen Belastungen stehen. Er sagt uns, dass der Erwerb einiger Qualifikationen während der Schulzeit die Wahrscheinlichkeit einer Beschäftigung erhöht. Wir wissen, dass derzeit weiße Jungen aus der Arbeiterklasse am ehesten die Schule ohne jeglichen Abschluss verlassen und am seltensten eine Universität besuchen.
Wenn man leistungsschwachen Jungen noch mehr Lektionen darüber erteilt, warum sie von Natur aus schlecht sind, wird man sie wohl kaum für die Schule begeistern können.
7. In der US-amerikanischen Tageszeitung "Daily Herald" geht es um Männer im Kreuzfeuer des Geschlechterkrieges:
Wiewohl Frauen gegenwärtig mit geschlechtsspezifischen Problemen konfrontiert sind und in der Vergangenheit die Hauptlast der geschlechtsspezifischen Diskrepanz trugen, gibt es nur sehr wenige Quellen, die über die Belange von Männern sprechen, abgesehen von Podcasts mit Alphamännchen und frauenfeindlichen Kommentatoren. Wenn Sie heute beispielsweise über einen Campus spazieren, werden Sie Plakate, Programme und Tafeln finden, die Frauen auffordern, in männerdominierten Branchen mitzuarbeiten. Auf den Bannern auf dem Campus steht "Frauen in der Justiz" und "Frauen in MINT". Allerdings sieht man selten, wenn überhaupt, ein Plakat mit der Aufschrift "Männer in den Geisteswissenschaften" oder "Männer in der Bildung". In den Nachrichten heben Unternehmen ihre weiblichen Angestellten hervor und verstecken ihre männlichen Mitarbeiter wie eine beschämende Narbe. Professoren bringen ungewollt männliche Stimmen zu aktuellen gesellschaftlichen Themen zum Schweigen. Lehrer loben weibliche Schüler für ihre Handschrift, ihre Brillanz und ihr Benehmen und wenden sich dann an ihre männlichen Mitschüler mit der gehässigen Frage, warum sie nicht "erwachsen" werden können. In der Zwischenzeit sind Youtube, Twitter und TikTok voll mit gefährlich aggressiven, frauenfeindlichen Bloggern, von denen einige in kriminelle Aktivitäten verwickelt sind. Junge Männer stehen dann zwischen diesen beiden Welten, die gegeneinander ausgespielt werden, und sind gezwungen, eine unmögliche Wahl zu treffen: entweder denen zu folgen, die sie angreifen, weil sie Männer sind, oder denen zu folgen, die Frauen nicht unterstützen. Wer wird das Vorbild für unsere Teenager-Jungs sein?
Die Fortschritte, die Frauen in den letzten Jahrzehnten gemacht haben, sind lobenswert und müssen fortgesetzt werden, aber während Frauen Barrieren abbauen und Fortschritte machen, sollten Männer und Männlichkeit nicht verunglimpft werden. Der Kampf geht nicht gegen "den anderen", sondern gegen unsere individuellen und kollektiven Sünden. Jeder sollte sich sicher fühlen, seine Persönlichkeit und sein Geschlecht offen zum Ausdruck bringen zu können, unabhängig davon, wie männlich oder weiblich er ist. Jedes Mal, wenn die Popkultur achtlos "Tötet alle Männer", "Männer sind Abschaum", "männliche Privilegien", "Manspreading", "Mansplaining", "toxische Maskulinität" oder "Patriarchat" sagt, stellt sie Männer als Täter von Verbrechen gegen die Moral dar und verleiht der Ideologie, die der Feminismus bekämpfen will, Macht.
8. Die Post. Einer meiner Leser weist mich auf einen Artikel der Neuen Zürcher Zeitung über den geringeren Verdienst von Müttern hin, wo es heißt:
Eine Softwareentwicklerin beispielsweise erarbeite sich ihre Kompetenz, indem sie möglichst regelmässig programmiere. Bleibe sie einige Jahre zu Hause bei den Kindern, so erwerbe sie dort sicher auch Kompetenzen. Diese brächten ihr aber bei einem Wiedereinstieg nicht gleich viel wie beispielsweise einer Pflegefachfrau, sagt Dobler.
Hierzu wendet mein Leser ein:
Ich selbst arbeite seit 1995 in der IT. Und habe auch weibliche Kollegen, die programmieren. (Aber nicht sehr viele, der überwiegende Anteil der Software-Entwickler bei uns ist männlich.) Aber die einzigen, die auch wirklich zu Hause in diesem Bereich in ihrer Freizeit etwas machen, sind die Männer. Ich selbst verfolge beispielsweise einige Projekte mit meinem Raspberry (einem Kleinrechner für Maker-Projekte), unter anderem auch deswegen, weil ich da Sachen machen kann, die ich in der Firma nicht mache, und die mich einfach interessieren. Viele männliche Kollegen von mir machen das auch. Die Damen aber nicht.
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