Montag, April 24, 2023

Wie Russland Männer manipuliert und wie die Ukraine das unterläuft

1. Mehrere Medien, darunter RTL, berichten über die neue Kampagne, mit der Russland Männer an die Front bringen möchte:

Der Werbespot zeigt einen Mann in einem Supermarkt in Militäruniform mit einem schweren Maschinengewehr in der Hand. Dann wird er in der Uniform eines Wachmanns mit der offensichtlich rhetorischen Frage konfrontiert: "Ist das die Art von Verteidiger, von der Sie geträumt haben?" Als Nächstes ist ein Mann zu sehen, der mit anderen Soldaten durch den Nebel in einem Gelände geht, das wie ein Schlachtfeld aussieht. Dann wird er als Fitnesstrainer gezeigt, der einem Kunden in einem Sportstudio hilft, Gewichte zu stemmen. "Liegt hier wirklich Ihre Stärke?", wird gefragt. Die kuriose Videokampagne stammt vom russischen Militär. Mit ihr sollen mehr Berufssoldaten für den Kampf in der Ukraine gewonnen werden. In dem Werbespot werden Interessierte damit gelockt, unter Beweis zu stellen, dass sie "echte Männer" seien. Sie tauschten ein als trist beschriebenes Zivilleben gegen das Schlachtfeld ein.


Was Russland hier zur Manipulation ausnutzt, ist ein sozialer Mechanismus, nach dem Männlichkeit immer wieder bewiesen werden muss. Das funktioniert auch hier im Westen. Ich erinnere mich etwa an eine alte Folge der Realitiy-Gameshow "The Apprentice" (mit Donald Trump). Eines der Teams bestand aus einem männlichen und einem weiblichen Kandidaten. Als es darum ging, eine riskante und unangenehme Aufgabe zu erfüllen, brachte die Frau ihren männlichen Mitbewerber dazu, diese Aufnahme zu übernehmen, indem sie ihn fragte, ob er etwa kein "richtiger Mann" wäre. Diese Strategie lässt sich nicht auf dieselbe Weise kontern: Der männliche Kandidat konnte nicht die Weiblichkeit seiner Mitbewerberin infrage stellen, wenn sie diese Aufnahme nicht übernahm. Dass sie eine "richtige Frau" war, brauchte sie nicht erst mit besonderem Wagemut unter Beweis stellen. Ihre Strategie zeigte sich als erfolgreich, und ihr Mitbewerber ließ sich dazu drängen, die unangenehme Aufgabe zu erledigen.

Andererseits sind viele Leute auch nicht komplett dämlich. So sorgte der russische Werbespot im Internet für viel Spott:

Ein YouTube-Nutzer kommentiert: "Ich dachte, echte Männer säßen hinter 40 Fuß breiten Tischen und kauerten in Bunkern im Kreml. Ich finde es toll, wie sie die Ausrüstung sehen und anfassen können, die sie nie bekommen werden, wenn sie sich melden." Ein anderer schreibt: "Lol, knallharte Männer, die ihre kleine Pose einnehmen. Und dann werden sie alle von einer einzigen Artillerie-Präzisionskugel ausgeschaltet, oof. Im Krieg muss man nicht beweisen, dass man ein Mann ist, im Krieg fliegt ständig Blei, Schrapnell und Sprengstoff auf einen zu, und all deine Männlichkeit wird dich nicht retten, wenn dich einer trifft." Und ein weiterer Kommentar lautet: "Warum sagt man ihnen nicht einfach, dass sie nur Kanonenfutter sind, das macht es einfacher."


Die Ukraine kontert, indem sie den Werbespot umschreibt und an die Stelle von vergifteten Botschaften die Parole "Sei ein Mensch" setzt:

"Ich will einfach keine Kinder töten."; "Ich will den Menschen nicht den Kopf abschlagen."; "Ich will nicht für Putins Kriegsverbrechen verantwortlich sein." Gepostet hat diesen Clip der Autor und Historiker Ian Garner, der etwa das Buch "Generation Z – Im Herzen der faschistischen Jugend Russlands" geschrieben hat.

Der Historiker analysiert das Video und erklärt, wie die ukrainische "Entmachtung" der russischen Propaganda funktioniert: "Die ukrainische Antwort kehrt Russlands absurdes, mit giftiger Männlichkeit vollgepacktes Original um und ersetzt Gewalt durch Humanismus. Die Kluft zwischen den Selbst- und Zukunftsbildern der beiden Länder in einem 30-Sekunden-Video."

Zudem sei es besonders effektiv, eben nicht wortwörtlich zu sagen "russische Soldaten sind böse, melde dich nicht an". Der Satz "Ich will keine Kinder töten", spreche menschliche Emotionen an. "Ganz gleich, auf welcher Seite du stehst, nur sehr wenige Soldaten träumen davon, Kinder zu töten, bevor sie an die Front gehen", so Garner.

Und auch der Stereotypisierung verpasst Garner einen Seitenhieb: "Die Wortwahl – 'Du bist ein Mensch' – gegenüber Russlands 'Du bist ein Machomann' ist bezeichnend: Die eine Gesellschaft versucht, eine Vielzahl von Identitäten in ihr soziales Gefüge einzubauen; die andere reduziert sie auf enge, geschlechtsspezifische Kästchen. In der einen Gesellschaft kann man eine Person sein, in der anderen eine Rolle spielen."


Allerdings übergeht diese Darstellung, dass auch die Ukraine Männer an die Front zwingt.



2. Dem Komiker Jan Böhmermann wird in Alice Schwarzers Zeitschrift "Emma" Frauenfeindlichkeit vorgeworfen. Dass Männerfeindlichkeit Böhmermanns Form von Journalismus besser trifft, zeigt seine letzte Sendung. Die Berliner Zeitung berichtet darüber:

Am Freitagabend nahmen Jan Böhmermann und sein Team in Marl zum sechsten Mal den Grimme-Preis entgegen. Die Jury pries seine ZDF-Show "Magazin Royale" als "einzigartiges Gesamtkunstwerk", das Unterhaltung mit Informationswert und Information mit Unterhaltungswert biete.

Die letzten Ausgaben erschienen indes wenig preisverdächtig. So widmete sich Böhmermann in den letzten beiden Wochen den kahlen Männerhäuptern und den verödenden Innenstädten – mit wenig Witz und kaum Informationswert. In der Folge, die am Abend der Preisgala lief, wirkte Böhmermann wieder deutlich aggressiver: Er beschrieb die Fahrschulen als "rollenden Angstraum" für junge Frauen und unterstellte den mehrheitlich älteren und männlichen Fahrlehrern, unter ihnen seien viele notgeile Grabscher. (…) Die allermeisten Fahrlehrer sind männlich und jenseits der 50. Nur 12 Prozent der Fahrlehrer:innen, wie Böhmermann den Begriff genderte, seien Frauen. Beschrieben wurden sie dann aber immer abstoßend männlich: mal als "alternder Westenträger", dazu wurde ein Bild von Dieter Hallervorden eingeblendet, mal "als Pfeife rauchende Best Ager" oder "fremde Hygiene-Skeptiker".

Seine 50-köpfige Redaktion hatte im Netz diverse Zeitungsausschnitte von Gerichtsverhandlung gegen sexuell übergriffige Fahrlehrer zusammengestellt und versuchte mit einer Rundmail an über 500 Behörden herauszufinden, welche konkreten Ausmaße das Problem eigentlich habe. Das magere Ergebnis wurde sogleich skandalisiert: Denn es gibt offenbar keine offiziellen Zahlen, wie viele Fälle sexueller Übergriffe es hier tatsächlich gibt. Immerhin versuchen laut Böhmermann in Deutschland jährlich rund eine Million Menschen, die Fahrscheinprüfung abzulegen.

Zum Beleg, wie sexistisch verroht die Branche ist, dienten Bildchen auf den Internetseiten von Fahrschulen, die Frauen als blöde Dummchen zeigten. Das Zitat eines führenden Branchenvertreters, der seinen Ausbildern auf den Weg gab: "Tut alles, damit man euch keine sexuelle Belästigung nachsagen kann", deutete Böhmermann sofort so: "Sexuelle Belästigung – kein Problem. Man muss einfach nur aufpassen, dass einem nichts nachgesagt werden kann."

Aus all den dünnen Infos, die in jedem normalen TV-Magazin in deutlich kürzerer Zeit aufbereitet worden wären, konstruierte Böhmermann dann das Fahrschulauto zum einzigen Ort, an dem Cancel Culture und Woke Bubble keine Chance hätten und in dem kernige Männer ihre Machtgelüste ausleben könnten.




3. Die Zahl der Anrufe beim Männerhilfetelefon ist deutlich gestiegen.

Das teilten die zuständigen Ministerien in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern mit. Demnach gab es 4.500 Kontaktaufnahmen und damit fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Am häufigsten ging es demnach um erlebte psychische Gewalt – oft in Kombination mit zusätzlicher körperlicher und sexualisierter Gewalt. Über die Hälfte der Anrufer waren zwischen 31 und 50 Jahre alt. Von Gewalt betroffene Männer seien nach wie vor ein Tabuthema in der Gesellschaft, hieß es.




4. Österreichs Tageszeitung "Standard" beschäftigt sich mit Vätern:

Trotz vieler Maßnahmen bleibt die Kindererziehung meist bei den Müttern. Männer rechtlich dazu zu zwingen kann aber nicht der richtige Weg sein. Wichtiger ist ein gesamtgesellschaftliches Umdenken.


Hier geht es weiter mit dem Artikel "Gesetze machen keine besseren Väter".



5. Der SWR zeigt die dreiviertelstündige Sendung "Jungenbeschneidung: Mehr als nur ein kleiner Schnitt".



6. Männerrechtlern wird immer wieder gedankenlos Frauenfeindlichkeit unterstellt, wenn sie zum Beispiel feministische Politik hinterfragen. Die australische Sportjournalistin Erin Molan hat solche Rhetorik satt:

"Ein Frauenfeind ist per Definition eine Person, die Frauen nicht mag, verachtet oder starke Vorurteile gegen sie hegt", sagte Frau Molan. "Glauben Sie mir, es gibt sie - ich weiß es, ich habe einige aus erster Hand kennengelernt. Aber man kann den Begriff nicht einfach aus dem Ärmel schütteln, wenn einem nicht gefällt, was jemand zu oder über eine Frau, eine Person, zu sagen hat. Vor allem, wenn er schlechtes Verhalten anprangert."




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