1. Aktuell erscheint eine
neue deutsche Studie über männliche Opfer häuslicher Gewalt im Nomos-Verlag. (Das ist derselbe Verlag, in dem auch mein Buch
"Gleichberechtigung beginnt zu zweit" erschienen ist.) Die Studie von Dr. Jonas Schemmel, Laura-Romina Goede und Philipp Müller steht online und ist für jeden problemlos einsehbar.
Ich gehe davon aus, dass es durchaus im Sinne der Forscher ist, wenn ich ihre zentralen Erkenntnisse auch in ausführlichen Zitaten einer größeren Öffentlichkeit bekannt mache. (Andernfalls genügt eine Mail an mich; dann würde ich sämtliche Erkenntnisse lediglich paraphrasierend und damit notwendigerweise verkürzt wiedergeben.)
Viele dieser Erkenntnisse bestätigen Aspekte, die ich und andere Mitglieder der Männerbewegung seit Jahrzehnten thematisieren – trotzdem halte ich für politisch brisant, wie sehr die aktuelle Studie diese Dinge bestätigt. Sie zeigt auch, wie wichtig eine politische Bewegung für Männer ist – und wie wichtig es wäre, dass diese Bewegung von Politik und Medien endlich stärker gewürdigt wird.
- Wie häufig erfahren Männer Gewalt in der Partnerschaft? -
Im Rahmen unserer quantitativen Erhebung ergaben sich substanzielle
Prävalenzraten insbesondere im Hinblick auf nicht-körperliche Übergriffe, also psychische Gewalt (Lebenszeit: 39,8 %; 12 Monate: 23,6 %) und Kontrollverhalten (Lebenszeit: 38,6 %; 12 Monate: 13,8 %). Körperliche Gewalt wurde nur etwas seltener berichtet (Lebenszeit: 29,8%; 12 Monate: 13,8 %).
Wie die Verfasser der Studie korrekt festhalten, deckt sich diese Häufigkeit mit den Ergebnissen der bislang vorliegenden Forschung. Ich selbst hatte erstmals im Jahr 2000 darüber berichtet.
Im Hinblick auf unsere Sekundäranalyse des Niedersachsensurveys zu Teen-Dating-Violence (TDV) ist zusammenfassend festzuhalten, dass etwas mehr als die Hälfte der befragten männlichen Jugendlichen mit Beziehungserfahrung von TDV innerhalb eines zurückliegenden Jahres berichteten, wobei die betroffenen Jugendlichen in den meisten Fällen nur seltene Vorkommnisse angaben.
- Welche Auswirkungen hat diese Gewalt auf Männer? -
Bezüglich der Folgen der Gewalterfahrungen wurden sowohl psychische
Folgen wie Angst- und Schamgefühle, Störungen des Selbstbildes, Depressionen und suizidale Tendenzen als auch körperliche Folgen wie Verletzungen oder körperliche Symptome, z.B. Schlafstörungen oder Panikattacken, durch die betroffenen Männer berichtet. In einzelnen Fällen schilderten die Betroffenen auch, dass sie sich Selbstverletzungen zugefügt haben. Viele erzählten zudem, dass sie die Gewalterfahrungen auch heute noch stark
belasteten.
- Wie reagieren Männer auf Gewalt in der Partnerschaft? -
Am seltensten gaben Betroffene mit psychischen Folgen einen starken Wunsch
nach Bestrafung der Täterin an (10,3 %). Nur 10 % der gewaltbetroffenen Männer gaben an, sich körperlich gewehrt zu haben; deutlich häufiger wurde eine verbale Gegenwehr und/oder eher vermeidende Reaktionen genannt. Langfristig folgte für etwa ein Drittel der gewaltbetroffenen Männer eine Trennung von der Partnerin; allerdings berichteten auch ein nennenswerter Anteil der Männer Anzeichen einer sozialen Isolation (Kontaktabbruch zu Freunden bzw. Familie: 10,4 % bzw. 3,8 %). Einziger Copingstil, der leicht negativ mit emotionalen Folgen zusammenhing, war Humor. Inwieweit Humor geringere emotionale Folgen begünstigte oder andersherum geringere Folgen eine humorvolle Reaktion erst ermöglichte, kann auf der Grundlage der vorliegenden Daten nicht festgestellt werden. Am stärksten mit emotionalen Folgen assoziiert sind Verleugnung, Ablenkung und Selbstbeschuldigung.
- Wie häufig wenden sich männliche Opfer an die Polizei? -
Nur eine kleine Minderheit der gewaltbetroffenen Männer hatten aufgrund ihrer Erfahrungen Kontakt zur Polizei oder zu Beratungsstellen (7,9 %). Besonders selten war der Kontakt zur Polizei, den gerade 11 Männer berichteten, was etwa 2 % der gewaltbetroffenen Männer entspricht.
Soviel zur Aussagekraft der Kriminalstatistik, die von fast allen Journalisten herangezogen wird, um zu zeigen, dass Frauen deutlich häufiger von häuslicher Gewalt betroffen seien als Männer. Anzeige erstattet wurde lediglich von sechs gewaltbetroffenen Männern, wobei es
nur in zwei Fällen zu einem Strafbefehl bzw. einer Verurteilung kam.
Die betroffenen Männer, bei denen es zu einer Einstellung der Ermittlungen kam, bemängelten neben einem Vertrauensverlust in das Rechtssystem vor allem, dass fehlende negative Konsequenzen für die Täter*innen negative Effekte auf die Gewaltdynamik
hatten, wenn sich die Partner*innen dadurch in ihrem Gewalthandeln bestätigt fühlten. Mehrere Betroffene berichteten zudem, dass sie sowohl während der Polizeieinsätze als auch im Rahmen der Gerichtsprozesse fälschlicherweise als Täter durch ihre Partner*innen beschuldigt wurden.
An anderer Stelle der Studie heißt es zu Erfahrungen der Gewaltopfer mit den Behörden:
Die Erfahrungen mit der Polizei beschrieben die Interviewpartner sowohl positiv als auch negativ. Positive Erfahrungen wurden insbesondere dann geschildert, wenn die jeweiligen Beamt*innen die betroffenen Männer als Opfer wahrnahmen und ein sensibles Verhalten an den Tag legten. Negativ bewertet wurden solche Erfahrungen, bei denen bei denen sich die Betroffenen durch die Einsatzkräfte nicht als Opfer wahrgenommen oder aufgrund ihres männlichen Geschlechts vorverurteilt fühlten. In einzelnen Fällen wurde den Betroffenen durch die Polizist*innen auch nahegelegt, die Wohnung zu verlassen, in zwei Fällen wurden die Betroffenen sogar der Wohnung verwiesen. Dies wurde durch die betroffenen Interviewpartner als eine Art zweifacher Opferwerdung wahrgenommen.
In mehreren Fällen, in denen sich die Interviewpartner infolge von Gewalterfahrungen an den polizeilichen Notruf wandten, bemängelten sie, sich durch die Beamt*innen am Telefon nicht
als Opfer wahrgenommen gefühlt zu haben. Als Gründe, wieso sie die Polizei erst gar nicht gerufen haben, führten die Betroffenen eine fehlende Opfererkenntnis, frühere negative Erfahrungen mit der Polizei, die Angst vor einer Vorverurteilung als Täter sowie den Wunsch nach Erhalt des Familienzusammenhaltes an.
- Wie häufig suchen männliche Opfer Beratungsstellen auf? -
Etwa dreimal so viele Männer (n=35; 7 %) hatten Kontakt zu einer Beratungsstelle. Die Erfahrungsberichte fielen insgesamt gemischt aus, wobei die Erfahrungen mit den Beratungsstellen positiver bewertet wurden. 82,4 % der Männer mit Beratungserfahrung würden anderen Männern in derselben Situation Kontakt zu Beratungsstellen empfehlen, für die Polizei gaben dies nur 45,5 % mit Polizeikontakt an. Der mit Abstand häufigste Grund für einen ausbleibenden Kontakt mit Polizei und/oder Beratungsstellen war, dass die Gewalt als "nicht so schlimm" empfunden wurde (59 %). Ca. 30 % gaben an, sie hätten die Dinge selbst geregelt und 13,8 % (Polizei) bzw. 8,1 % berichteten, sie hätten die Partnerschaft oder die Familie nicht gefährden wollen. 5,4 % (Polizei) bzw. 2,8 % (Beratung) der Männer äußerten die Befürchtung, sie würden ihre Kinder nicht mehr sehen dürfen und 3,5 % (Polizei) bzw. 1,0 % (Beratung) fürchteten die Rache ihres*r Partner*in.
- Weshalb wurde gegen diese Männer Gewalt ausgeübt? -
Als häufigster Grund für die Gewalt wurde Eifersucht genannt (31,9 %), dicht gefolgt von Konflikten die Gestaltung des Beziehungsalltags betreffend (fehlende gemeinsame Zeit: 27,5 %; Haushaltsführung: 27,1 %; Freizeitgestaltung: 24,5 %; Sexualität: 20,0 %; Finanzen: 19,5 %). Kinder wurden von 19,1 % als Grund für Gewaltausbrüche genannt, während Alkohol- und Drogenkonsum am seltensten angegeben wurden (9,8 % bzw. 8,7 %)
- Weshalb unterbinden Männer solche Gewalt nicht schneller und effektiver? -
Eine Analyse der Gewalt- und Beziehungsdynamik zeigt, dass viele Interviewpartner die Anfangsphase der Beziehungen als harmonisch wahrgenommen haben, erst später kam es dann zu ersten kritisch wahrgenommenen Situationen sowie Vorfällen der Gewalt. Änderungen in der Gewaltdynamik, z.B. das vermehrte Auftreten der Gewalt oder zusätzlichen Gewaltformen sowie ihrer Intensität, wurden vor allem dann geschildert, wenn die Betroffenen mit ihren Partner*innen in eine gemeinsame Wohnung gezogen sind oder gemeinsame Kinder bekamen. Das Erleben der Gewalt gestaltete sich in den Erzählungen der betroffenen Männer als ein schleichender, schrittweise ansteigender Prozess, bei dem die Gewalt im Laufe der Beziehungen immer stärker und häufiger aufgetreten ist. Diese
langsame und stetige Zunahme der Gewalt führte auch zu Gewöhnungs- und Normalisierungsprozessen bei den Betroffenen, infolge derer sich ihre eigenen Toleranzgrenzen, was als Gewalt oder übergriffiges Verhalten wahrgenommen wird, immer mehr verschoben haben. Verbunden damit war für viele der Interviewpartner die Schwierigkeit, sich selbst als Opfer von Gewalt wahrzunehmen.
- Warum beenden Männer eine solche Partnerschaft nicht? -
In mehreren Fällen kann auch von einem Kreislauf der Gewalt gesprochen werden, bei dem sich harmonische Phasen mit Gewalteskalationen abwechselte und der es für die Betroffenen schwierig machte, die Beziehungen zu verlassen. Neben der fehlenden Opfererkenntnis wurden als Gründe für ein Verbleiben in der Beziehung durch die Betroffenen vor allem den Wunsch nach einem Festhalten an der Beziehung oder dem Familienzusammenhalt genannt. Gemeinsame Kinder spielten für die betroffenen Männer auch nach der Trennung von ihren Partner*innen eine große Rolle, weil diese einen fortbestehenden Kontakt zu den Täter*innen notwendig machte und der Streit um Sorge- und Umgangsrecht häufig als sehr belastend wahrgenommen wurde. Viele betroffene Väter schilderten daher auch ein Gefühl der Diskriminierung, weil ihre Bedürfnisse als Opfer sowie ihre Rechte als Väter durch die zuständigen Behörden nicht gesehen worden seien.
- Für welche Verbesserungen plädieren die männlichen Gewaltopfer?
Nahezu alle Interviewpartner äußerten das Bedürfnis eines generellen und stärkeren Bewusstseins in der Gesellschaft, dass auch Männer Opfer von Partnerschaftsgewalt werden. In diesem Zusammenhang wurde sich auch eine stärkere Öffentlichkeit des Themas (z.B. durch mediale Kampagnen) gewünscht, einerseits um das Bewusstsein innerhalb der
Gesellschaft und andererseits auch die Bereitschaft von gewaltbetroffenen Männern, sich an Hilfs- und Beratungsangebote zu wenden, zu fördern. Häufig wünschten sich die Betroffenen auch mehr Hilfsangebote für gewaltbetroffene Männer, die niedrigschwellig gestaltet und auf die spezifischen Bedürfnisse von Männern zugeschnitten sind. Ein Interviewpartner bemängelte explizit, dass es insbesondere für Männer mit Kindern kaum Schutzangebote gebe. Zuletzt plädierten viele Interviewpartner auch für einen sensibleren Umgang von Behörden und Institutionen, die (auch) mit gewaltbetroffenen Männern Kontakt haben.
Die Wünsche der Opfer decken sich - wenig überraschend - mit den Forderungen von Männerrechtlern (Maskulisten).
2. Wie die
Tagesschau berichtet, will die EU Übergriffe gegen Frauen stärker bestrafen. "Heute machen wir den ersten Schritt, um Europa zum ersten Kontinent der Welt zu machen, der Gewalt gegen Frauen beseitigt", sagte die Verhandlungsführerin des Europaparlaments, Frances Fitzgerald.
3. In Indien wurde eine Frau wegen Falschbeschuldigung sexueller Gewalt gegen ihren Ehemann zu
fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Die Täterin hatte ihrem Mann unterstellt, seine Tochter sexuell missbraucht zu haben, und dafür sogar gefälschte Beweisstücke (einen Urintest und die angebliche Aussage eines Arztes) fabriziert.