Viele Beobachter fragen sich: Wie kann es sein, dass eine Partei wie die Piraten, die vor kurzem noch als politische Hoffnungsträger galten und entsprechend hohe Wahlergebnisse einfuhren, ausgerechnet zum Höhepunkt der USA-Internet-Abhöraffäre verschiedenen Umfrageinstitute zufolge bei
null bis zwei Prozent liegen? Warum fahren sie aktuell nicht fette politische Beute ein?
Ein Hinweis auf die Gründe ergibt sich aus den
Prüfsteinen zur Bundestagswahl, die die geschlechterpolitische Initiative AGENS kürzlich an die bekanntesten Parteien schickte. Bei den Piraten stimmte eine deutliche Mehrheit dafür,
diese Fragen erst gar nicht zu beantworten:
Meinungsbild: Wir beantworten diesen Wahlprüfsteine nicht, z.B. weil es den Initiator*innen nicht um einen Dialog geht, sondern um antifeministischen, antimännerbewegten und antiempanzipatorischen Populismus.
Allein die Wortwahl liefert bereits einen kleinen Hinweis darauf, welche politische Strömung bei den Piraten inzwischen das Sagen hat.
Zur Begründung wird allen Ernstes die Wikipedia zitiert:
Über MANNdat und Agens sagte Martin Rosowski, Vorsitzender des Bundesforums Männer, in dem sich 29 Männervereine zusammengeschlossen haben, in einem Interview mit der Zeitschrift Emma (2011): "Da wird eine unglaubliche Frauenfeindlichkeit verbreitet, die sich jetzt auch gegen uns gleichstellungsorientierte Männer richtet. Was da zum Teil geschrieben wird, ist menschenverachtend, ja gewalttätig. Und es hat uns maßlos geärgert, dass die Medien, seit das Männerthema hochkocht, nicht zur Kenntnis genommen haben, dass es auch Männer wie uns gibt. Stattdessen kommen immer nur die Altmeister der biologistischen Männertheorie wie Gerhard Amendt oder Walter Hollstein zu Wort."
Arne Hoffmann gilt als radikaler Antifeminist und Maskulist und als Vordenker der deutschen Männerrechtsbewegung. Er ist Mitglied im Männerrechtsverein MANNdat und Gründungsmitglied von Agens e.V. Er war in der AG Männer aktiv, der männerpolitischen Initiative der Piratenpartei. Thomas Gesterkamp führt Hoffmann als Beispiel für Akteure in der Männerrechtsbewegung an, bei denen es "immer wieder Überschneidungen und Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen und Publikationen" gebe. So versorge Hoffmann "die maskulinistische Seite 'Wieviel Gleichberechtigung verträgt das Land' regelmäßig mit Artikeln aus der Jungen Freiheit.2 In seinem Blog Genderama hetze Hoffmann gegen alles Feministische." (https://de.wikipedia.org/wiki/Arne_Hoffmann)
Über meine tatsächliche politische Position und
dem eklatanten Mangel an wissenschaftlicher Seriosität in Gesterkamps Kampfschrift brauche ich Genderama-Lesern ja nicht mehr viel sagen. Ebenso lustig ist aber der erste der beiden Absätze, die die Piraten ernsthaft als Begründung anbieten. Der tatsächliche Wortlaut im
EMMA-Interview, auf den sich der Wikipedia-Eintrag bezieht, lautet nämlich so:
EMMA: Herr Rosowski, wir Frauen haben mit Verbänden, die sich "Männer- und Väterrechte" auf die Fahnen geschrieben haben, recht gemischte Erfahrungen gemacht.
Rosowski: Aber Sie brauchen sich ja nur unsere Plattform anzuschauen, um zu sehen, dass wir mit Organisationen wie MANNdat oder Agens nichts zu tun haben – auch wenn die gerade massenhaft Mitgliedsanträge stellen.
Im weiteren Verlauf des Interviews fragt die EMMA:
EMMA: Kein Wunder, dass Sie auf Maskulisten-Seiten im Internet als "neues Ärgernis" im Kampf gegen den "Feministinnenwahn" beschimpft werden.
Rosowski: Wir werden auch gern als "lila Pudel" bezeichnet. Das ist allerdings noch harmlos. Da wird eine unglaubliche Frauenfeindlichkeit verbreitet, die sich jetzt auch gegen uns gleichstellungsorientierte Männer richtet. Was da zum Teil geschrieben wird, ist menschenverachtend, ja gewalttätig. Und es hat uns maßlos geärgert, dass die Medien, seit das Männerthema hochkocht, nicht zur Kenntnis genommen haben, dass es auch Männer wie uns gibt.
Rosowski behauptet also an keiner Stelle, dass AGENS (mit dem Motto "Mann – Frau – Miteinander") eine "unglaubliche Frauenfeindlichkeit" verbreiten würde, menschenverachtend und gewalttätig sei. Er spricht von nicht näher benannten "Maskulisten-Seiten", also vermutlich denjenigen Extremisten, die deshalb auf Genderama alle paar Monate entsprechend kritisiert werden. Wieder einmal haben "Fiona Baine" und Co. sich die Wahrheit zurechtgelogen und verleumderisch zitiert.
Dass eine Partei wie die Piraten,
deren Schwerpunktthema das Internet ist, grundnaiv alles glauben, was in der Wikipedia steht, als ob das eine seriöse Quelle wäre und nicht jeder dort hineinschreiben könnte, was er wollte, dass noch dazu offenbar keiner der Piraten auch nur auf den Gedanken kommt, solche Behauptungen in der Wikipedia gegenzurecherchieren – das erklärt bestens, warum diese Partei auf zwei bis null Prozent heruntergedonnert ist: sogar zum Höhepunkt einer internationalen Affäre, die für die Piraten eine Steilvorlage hätte sein müssen. Eine weitere feministische Partei ist nicht das, wonach sich zahllose Wähler sehnen.
Ziel der AGENS-Aktion "Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2013" ist es herauszufinden, welche der bekanntesten Parteien speziell Männern Anreize bietet, sie zu wählen, und welche nicht. In diesem Sinne ist auch ein Totalausfall bei einer Partei für uns eine überaus hilfreiche Information. Wir sind mit der Antwort der Piratenpartei, gerade wegen ihrer entblößenden Offenheit, hochzufrieden.