Hochschulgruppen entsetzt über Sexismus der Grünen – News vom 30. April 2021
1. Der Exxpress berichtet über eine aktuelle Kontroverse:
Eine Satzung der grünen Studentenvertretung “Gras” sorgt jetzt für Wirbel an österreichischen Unis. (…) Demnach heißt es unter Paragraph 47 in der Satzung der Grünen Hochschulvertreter (…): "Auf allen Versammlungen und Veranstaltungen der Partei kann von einer anwesenden FLINT*-Person (Anm: FLINT bedeutet Frauen, Lesben, Inter, Nonbinär, Trans) jederzeit und ohne Begründung ein Safe Space verlangt werden. Wird ein Safe Space verlangt, haben für dessen Dauer alle anwesenden Cis-Männer den Raum zu verlassen." Im Klartext: Männer müssen sofort den Raum verlassen, wenn Nicht-Männer das wollen.” Ist das fair?
In dem bei Studenten beliebten sozialen Netzwerk "Jodel" sorgte die Passage für ordentlich Wirbel. "Alter, Gras, löscht’s den Absatz aus eurer Verordnung bitte. Das kann echt nicht euer ernst sein", schreibt dort ein Student. "So etwas Sexistisches habe ich lange nicht mehr gesehen."
Auch die NEOS-nahe liberale Hochschulgruppe JUNOS zeigte sich entsetzt: "Die Gras hat Gleichberechtigung nicht verstanden! Das zeigt dieser Auszug ihrer eigenen Parteisatzung, in dem sich die extremistische Ideologie der Partei offenbart. Wir kämpfen jedenfalls weiterhin für Gleichberechtigung, das heißt aber nicht, dass manche Gruppen über andere gestellt werden."
Aus dem Standard erfährt man die Antwort der Grünen auf die Vorwürfe:
Die Gras argumentiert (…), dass der Paragraf nötig sei, um zu verhindern, dass sich "überbordende Männer-Egos" in den Vordergrund drängen, "nur um Posten und Prestige zu bekommen". (…) [Die Gras-Spitzenkandidatin] Keya Baier schreibt, es brauche solche Mechanismen "leider noch immer", sie seien nötig, um "das Patriarchat zu überwinden". Sexismus gegenüber Männern stellt Baier in Abrede, es gehe um die Unterstützung marginalisierter Gruppen.
(…) Allzu lange dürfte die Diskussion über die grüne Privilegierung von Flint-Personen allerdings nicht weiterkochen – und das nicht nur wegen der notorisch kurzen Gefechtszyklen in diesem Themenfeld. Die Gras erwägt nämlich, das Akronym Flint bald durch ein anderes zu ersetzen, wie ihr Aktivist Stephan Bartosch skizziert. Künftig könnte in der Satzung demnach von Finta-Personen die Rede sein: "Frauen, Inter-, Non-Binary, Trans- und Agender-Personen".
2. Menschen, die für die Gender-Sprache trommeln, führen gerne ominöse Studien ins Feld, der zufolge sich Menschen, wenn sie das generische Maskulinum hören oder lesen – also etwa "die Bürger" und "die Wähler" statt "Die Bürger_innen" und "die Wähler:Innen" – dabei weit überwiegend an Männergruppen statt an gemischtgeschlechtliche Gruppen denken würden. Warum das pseudowissenschaftliche Augenwischerei ist, erklärt Marcus Lorenz in der "Welt":
Bislang ist wenig bekannt, dass es vonseiten der Wissenschaft erhebliche Kritik an den Studien zum generischen Maskulinum gibt, die WELT vor einigen Monaten zusammengefasst hat. Linguisten bezweifeln ihre Aussagekraft stark; die These von der vorwiegend "männlichen Assoziation" betrachten sie als mindestens nicht belegt – oder unhaltbar. Gründe sind unter anderem gravierende methodische Mängel, die oft geringen Effekte "geschlechtergerechter Sprache" in Experimenten sowie die fragwürdige Interpretation der Ergebnisse. Das kürzlich im Springer-Wissenschaftsverlag erschienene Buch "Von Menschen und Mensch*innen. [20 gute Gründe, mit dem Gendern aufzuhören]" widmet der Kritik an den Studien ein ganzes Kapitel.
Die Linguistin Ewa Trutkowski erklärt ein wesentliches Problem dieser Studien:
"Wortassoziationen sind hochgradig subjektiv. Während der eine beim Wort Musiker an einen gemischten Chor denkt, fällt dem anderen ein männlicher Gitarrist ein." Wer sich auf Assoziationstests berufe und behaupte, das generische Maskulinum würde primär männliche Vorstellungen hervorrufen, lehne sich sehr weit aus dem Fenster, so die Wissenschaftlerin.
Der Kontext, in den ein Begriff eingebettet ist, stellt bei Wortassoziationen offensichtlich ebenfalls einen gewichtigen Faktor dar. Man vergleiche einmal die eigenen Vorstellungsinhalte bei "Terrorist" vs. "die Terroristen der RAF", bei "Chefs" vs. "die beiden Chefs von Biontec". Doch in den Studien wird dieser Kontextfaktor oft übergangen oder sogar gezielt ausgeblendet.
Die Sprachwissenschaftler Ewa Trutkowski und Franz Rainer halten das für eines der Hauptprobleme der Tests. "Wenn wir kommunizieren, tun wir das immer in einem bestimmen Kontext", sagt Rainer. Dadurch werde zum einen in der Regel klar, welche Lesart einer Personen- oder Berufsbezeichnung gemeint ist, die neutrale oder die männliche; zum anderen verschwinde eine etwaige – meist ohnehin nur kleine – Tendenz mancher Wörter zu eher männlicher Auslegung. Falls nicht, würden Sprecher spontan eine Doppelform oder das Femininum verwenden, so Rainer.
Es sind im Wesentlichen immer dieselben Tests, auf die sich die Gender-Bewegten berufen, eine Handvoll Untersuchungen. Einige davon sowie ein kleines Gedankenexperiment sind durch Fernsehbeiträge inzwischen weithin bekannt, im BR etwa werden sie als Begründungen fürs Gendern präsentiert. Sehen wir uns diese Tests und Experimente etwas näher an. Das Gedankenexperiment etwa soll den Beweis erbringen, dass das generische Maskulinum, obwohl im Deutschen tief verankert, in der Kommunikation "scheitert". Dieses bemerkenswerte Experiment ist in eine kleine Geschichte gekleidet:
Ein Vater und sein Sohn haben einen Autounfall. Der Vater stirbt noch am Unfallort, der Junge wird in ein Krankenhaus eingeliefert. Als der diensthabende Chirurg im OP erscheint und das Kind erblickt, erblasst er und sagt, er könne den Jungen nicht operieren. Denn das Kind sei sein Sohn. Frage: Wie kann das sein?
Des Rätsels Lösung ist, dass der "Chirurg" die Mutter des Jungen ist. Falls Sie die Lösung nicht gleich wussten, geht es Ihnen wie vielen Testpersonen; und die allgemeine Ratlosigkeit soll nun belegen, dass das generische Maskulinum "nicht funktioniert". Doch tatsächlich ist der Grund für die Verwirrung ein ganz anderer. (Und es hat nichts damit zu tun, dass Chirurg ein stereotyp männlicher Beruf ist.
Der Grund ist: Die grammatisch maskuline Personenbezeichnung Chirurg wird hier schlicht und ergreifend falsch verwendet. "Der Test verkennt, dass der ‚Chirurg‘, der im OP erscheint, eine spezifische Person ist. Der Gebrauch eines generischen Ausdrucks ist in so einem Fall aber nicht angebracht", sagt Sprachwissenschaftlerin Trutkowski. Nicht einmal der schärfste Gender-Sprache-Gegner würde etwa sagen, er besuche seinen "Nachbarn", wenn es sich um eine Nachbarin handele, so Trutkowski. Daher könne die Verwirrung nicht verwundern.
Im normalen Sprachgebrauch verwenden wir das generische Maskulinum, wenn das Geschlecht der Personen für die Aussage irrelevant ist (oder unbekannt). In der Geschichte ist das Geschlecht aber äußerst relevant. Wer nicht auf ein Missverständnis aus ist, würde hier zum Wort "Chirurgin" greifen, ist sich Trutkowski sicher. Natürlich besitzt "Chirurg" trotzdem eine neutrale Bedeutung, die sich im Kontext umgehend erschließt. Wenn etwa die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie warnt: Die deutschen Herz-Chirurgen betrachten den Organmangel mit Sorge, ist uns klar, dass hier von allen Herz-Chirurgen die Rede ist, Männern und Frauen.
(…) Besonders eine Studie von 2015 soll belegen, dass Gendern notwendig ist, um reale Geschlechtergleichheit herzustellen. In dem Test hätten sich Schulkinder "viel eher" zugetraut, einen typischen Männerberuf wie Ingenieur zu ergreifen, wenn sie Doppelnennungen (Ingenieurinnen und Ingenieure) statt des generischen Maskulinums hörten, so berichten Medien immer wieder. In Wahrheit waren die Effekte der Paarformen nur äußert gering bis gar nicht vorhanden (die Werte lagen auf einer Skala von 1 bis 5 gerade mal um 0,07 bis 0,26 höher als beim generischen Maskulinum). Wie stabil diese winzigen Effekte sind, wurde auch nie untersucht.
Aber vor allem unterschätzen euphorische Exegeten solcher Tests wie so oft die eigentlich relevanten Faktoren des wahren Lebens. Aus der Sozialforschung sind die Determinanten bekannt, die bei der Berufswahl eine Rolle spielen. Schulabschluss, Arbeitsmarkt, sozialer Hintergrund, Verdienstaussichten, der Rat der Eltern, Talente und Neigungen sind nur einige davon.
Dass im Labor gemessene winzige Kurzzeit-Spracheffekte auf das "Sich-Zutrauen" eines Berufs hier einen nennenswerten Faktor darstellen, scheint doch höchst unwahrscheinlich. (Falls diese Spracheffekte überhaupt stabil sind und wirklich etwas über das "Sich-Zutrauen" aussagen.) Eine Begründung fürs Gendern liefert auch diese Studie nicht.
3. In München hat ein schwules Paar einen homophoben Angreifer verprügelt.
4. Das populärwissenschaftliche Magazin Psychology Today berichtet über einen beunruhigenden Trend, wenn es um Meinungsfreiheit geht:
Über alle Jahrzehnte, Themen und Studien hinweg sind Frauen zensurfreudiger als Männer. Im Vergleich zu Männern unterstützen Frauen mehr Zensur verschiedener Arten von sexuellen und gewalttätigen Inhalten und von Inhalten, die sie als hasserfüllt oder anderweitig beleidigend für Minderheiten wahrnehmen. (...) Im Gegensatz dazu bewerten Männer die Redefreiheit als wichtiger als Frauen.
(...) Zum Beispiel glaubt eine Mehrheit der Männer, dass Colleges ihre Studenten nicht vor anstößigen Ideen schützen sollten, während eine Mehrheit der Frauen glaubt, dass Colleges dies tun sollten. Männliche Studenten bewerteten Wissensfortschritt und akademische Strenge als höherwertig und soziale Gerechtigkeit und emotionales Wohlbefinden als niedrigerwertig im Vergleich zu weiblichen Studenten. Und in einem Bericht von Eric Kaufmann aus dem Jahr 2021 befürworteten weibliche Wissenschaftler in den USA und Kanada eher als Männer die Entlassung eines Wissenschaftlers wegen kontroverser Forschung.
(...) In einem laufenden Projekt habe ich herausgefunden, dass diese geschlechtsspezifische Diskrepanz bei der Unterstützung von Zensur unter jungen Erwachsenen geringer sein könnte, wobei sowohl junge Männer als auch junge Frauen ähnliche Zensurvorlieben haben wie erwachsene Frauen.
In einer Studie mit 559 Online-Erwachsenen lasen die Teilnehmer fünf Passagen aus Büchern (die für die Zwecke dieser Studie erfunden wurden) und gaben ihre Wünsche zur Zensur dieser Bücher an, indem sie ihre Zustimmung zu Aussagen wie "Sie sollten das Buch aus der Bibliothek entfernen" und "Einem Professor sollte es nicht erlaubt sein, das Buch für den Unterricht zu verlangen." Zu den Passagen gehörten eine, die Schimpfwörter enthielt, eine, die eine blutige Beschreibung enthielt, eine, die argumentierte, dass es gewachsene Geschlechtsunterschiede bei der Führungsfähigkeit gibt, eine, die argumentierte, dass bestimmte Religionen zu Gewalt inspirieren, und eine, die argumentierte, dass es ethnische Unterschiede in Intelligenztestergebnissen gibt. Über alle fünf Aussagen hinweg waren Frauen kritischer als Männer.
Eine Folgestudie replizierte genau diese Methoden mit 1.057 jungen Erwachsenen (eine Mischung aus Studenten und jungen Erwachsenen im Internet). In dieser Studie waren Frauen kritischer gegenüber den Fluch- und Schimpfwortpassagen, aber es gab keine geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Unterstützung der Zensur für die Passagen, die sich auf Geschlechterunterschiede, ethnische Unterschiede oder Religion und Gewalt bezogen. Junge Erwachsene waren insgesamt kritischer als ältere Erwachsene, aber dieser Unterschied war bei Männern größer, so dass junge Männer die Zensur auf einem ähnlichen Niveau wie Frauen unterstützen.
In der Gesamtsicht geht damit bei der jungen Generation der Zug in Richtung mehr Zensur.