Freitag, April 30, 2021

Hochschulgruppen entsetzt über Sexismus der Grünen – News vom 30. April 2021

1. Der Exxpress berichtet über eine aktuelle Kontroverse:

Eine Satzung der grünen Studentenvertretung “Gras” sorgt jetzt für Wirbel an österreichischen Unis. (…) Demnach heißt es unter Paragraph 47 in der Satzung der Grünen Hochschulvertreter (…): "Auf allen Versammlungen und Veranstaltungen der Partei kann von einer anwesenden FLINT*-Person (Anm: FLINT bedeutet Frauen, Lesben, Inter, Nonbinär, Trans) jederzeit und ohne Begründung ein Safe Space verlangt werden. Wird ein Safe Space verlangt, haben für dessen Dauer alle anwesenden Cis-Männer den Raum zu verlassen." Im Klartext: Männer müssen sofort den Raum verlassen, wenn Nicht-Männer das wollen.” Ist das fair?

In dem bei Studenten beliebten sozialen Netzwerk "Jodel" sorgte die Passage für ordentlich Wirbel. "Alter, Gras, löscht’s den Absatz aus eurer Verordnung bitte. Das kann echt nicht euer ernst sein", schreibt dort ein Student. "So etwas Sexistisches habe ich lange nicht mehr gesehen."

Auch die NEOS-nahe liberale Hochschulgruppe JUNOS zeigte sich entsetzt: "Die Gras hat Gleichberechtigung nicht verstanden! Das zeigt dieser Auszug ihrer eigenen Parteisatzung, in dem sich die extremistische Ideologie der Partei offenbart. Wir kämpfen jedenfalls weiterhin für Gleichberechtigung, das heißt aber nicht, dass manche Gruppen über andere gestellt werden."


Aus dem Standard erfährt man die Antwort der Grünen auf die Vorwürfe:

Die Gras argumentiert (…), dass der Paragraf nötig sei, um zu verhindern, dass sich "überbordende Männer-Egos" in den Vordergrund drängen, "nur um Posten und Prestige zu bekommen". (…) [Die Gras-Spitzenkandidatin] Keya Baier schreibt, es brauche solche Mechanismen "leider noch immer", sie seien nötig, um "das Patriarchat zu überwinden". Sexismus gegenüber Männern stellt Baier in Abrede, es gehe um die Unterstützung marginalisierter Gruppen.

(…) Allzu lange dürfte die Diskussion über die grüne Privilegierung von Flint-Personen allerdings nicht weiterkochen – und das nicht nur wegen der notorisch kurzen Gefechtszyklen in diesem Themenfeld. Die Gras erwägt nämlich, das Akronym Flint bald durch ein anderes zu ersetzen, wie ihr Aktivist Stephan Bartosch skizziert. Künftig könnte in der Satzung demnach von Finta-Personen die Rede sein: "Frauen, Inter-, Non-Binary, Trans- und Agender-Personen".




2. Menschen, die für die Gender-Sprache trommeln, führen gerne ominöse Studien ins Feld, der zufolge sich Menschen, wenn sie das generische Maskulinum hören oder lesen – also etwa "die Bürger" und "die Wähler" statt "Die Bürger_innen" und "die Wähler:Innen" – dabei weit überwiegend an Männergruppen statt an gemischtgeschlechtliche Gruppen denken würden. Warum das pseudowissenschaftliche Augenwischerei ist, erklärt Marcus Lorenz in der "Welt":

Bislang ist wenig bekannt, dass es vonseiten der Wissenschaft erhebliche Kritik an den Studien zum generischen Maskulinum gibt, die WELT vor einigen Monaten zusammengefasst hat. Linguisten bezweifeln ihre Aussagekraft stark; die These von der vorwiegend "männlichen Assoziation" betrachten sie als mindestens nicht belegt – oder unhaltbar. Gründe sind unter anderem gravierende methodische Mängel, die oft geringen Effekte "geschlechtergerechter Sprache" in Experimenten sowie die fragwürdige Interpretation der Ergebnisse. Das kürzlich im Springer-Wissenschaftsverlag erschienene Buch "Von Menschen und Mensch*innen. [20 gute Gründe, mit dem Gendern aufzuhören]" widmet der Kritik an den Studien ein ganzes Kapitel.


Die Linguistin Ewa Trutkowski erklärt ein wesentliches Problem dieser Studien:

"Wortassoziationen sind hochgradig subjektiv. Während der eine beim Wort Musiker an einen gemischten Chor denkt, fällt dem anderen ein männlicher Gitarrist ein." Wer sich auf Assoziationstests berufe und behaupte, das generische Maskulinum würde primär männliche Vorstellungen hervorrufen, lehne sich sehr weit aus dem Fenster, so die Wissenschaftlerin.

Der Kontext, in den ein Begriff eingebettet ist, stellt bei Wortassoziationen offensichtlich ebenfalls einen gewichtigen Faktor dar. Man vergleiche einmal die eigenen Vorstellungsinhalte bei "Terrorist" vs. "die Terroristen der RAF", bei "Chefs" vs. "die beiden Chefs von Biontec". Doch in den Studien wird dieser Kontextfaktor oft übergangen oder sogar gezielt ausgeblendet.

Die Sprachwissenschaftler Ewa Trutkowski und Franz Rainer halten das für eines der Hauptprobleme der Tests. "Wenn wir kommunizieren, tun wir das immer in einem bestimmen Kontext", sagt Rainer. Dadurch werde zum einen in der Regel klar, welche Lesart einer Personen- oder Berufsbezeichnung gemeint ist, die neutrale oder die männliche; zum anderen verschwinde eine etwaige – meist ohnehin nur kleine – Tendenz mancher Wörter zu eher männlicher Auslegung. Falls nicht, würden Sprecher spontan eine Doppelform oder das Femininum verwenden, so Rainer.

Es sind im Wesentlichen immer dieselben Tests, auf die sich die Gender-Bewegten berufen, eine Handvoll Untersuchungen. Einige davon sowie ein kleines Gedankenexperiment sind durch Fernsehbeiträge inzwischen weithin bekannt, im BR etwa werden sie als Begründungen fürs Gendern präsentiert. Sehen wir uns diese Tests und Experimente etwas näher an. Das Gedankenexperiment etwa soll den Beweis erbringen, dass das generische Maskulinum, obwohl im Deutschen tief verankert, in der Kommunikation "scheitert". Dieses bemerkenswerte Experiment ist in eine kleine Geschichte gekleidet:

Ein Vater und sein Sohn haben einen Autounfall. Der Vater stirbt noch am Unfallort, der Junge wird in ein Krankenhaus eingeliefert. Als der diensthabende Chirurg im OP erscheint und das Kind erblickt, erblasst er und sagt, er könne den Jungen nicht operieren. Denn das Kind sei sein Sohn. Frage: Wie kann das sein?

Des Rätsels Lösung ist, dass der "Chirurg" die Mutter des Jungen ist. Falls Sie die Lösung nicht gleich wussten, geht es Ihnen wie vielen Testpersonen; und die allgemeine Ratlosigkeit soll nun belegen, dass das generische Maskulinum "nicht funktioniert". Doch tatsächlich ist der Grund für die Verwirrung ein ganz anderer. (Und es hat nichts damit zu tun, dass Chirurg ein stereotyp männlicher Beruf ist.

Der Grund ist: Die grammatisch maskuline Personenbezeichnung Chirurg wird hier schlicht und ergreifend falsch verwendet. "Der Test verkennt, dass der ‚Chirurg‘, der im OP erscheint, eine spezifische Person ist. Der Gebrauch eines generischen Ausdrucks ist in so einem Fall aber nicht angebracht", sagt Sprachwissenschaftlerin Trutkowski. Nicht einmal der schärfste Gender-Sprache-Gegner würde etwa sagen, er besuche seinen "Nachbarn", wenn es sich um eine Nachbarin handele, so Trutkowski. Daher könne die Verwirrung nicht verwundern.

Im normalen Sprachgebrauch verwenden wir das generische Maskulinum, wenn das Geschlecht der Personen für die Aussage irrelevant ist (oder unbekannt). In der Geschichte ist das Geschlecht aber äußerst relevant. Wer nicht auf ein Missverständnis aus ist, würde hier zum Wort "Chirurgin" greifen, ist sich Trutkowski sicher. Natürlich besitzt "Chirurg" trotzdem eine neutrale Bedeutung, die sich im Kontext umgehend erschließt. Wenn etwa die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie warnt: Die deutschen Herz-Chirurgen betrachten den Organmangel mit Sorge, ist uns klar, dass hier von allen Herz-Chirurgen die Rede ist, Männern und Frauen.

(…) Besonders eine Studie von 2015 soll belegen, dass Gendern notwendig ist, um reale Geschlechtergleichheit herzustellen. In dem Test hätten sich Schulkinder "viel eher" zugetraut, einen typischen Männerberuf wie Ingenieur zu ergreifen, wenn sie Doppelnennungen (Ingenieurinnen und Ingenieure) statt des generischen Maskulinums hörten, so berichten Medien immer wieder. In Wahrheit waren die Effekte der Paarformen nur äußert gering bis gar nicht vorhanden (die Werte lagen auf einer Skala von 1 bis 5 gerade mal um 0,07 bis 0,26 höher als beim generischen Maskulinum). Wie stabil diese winzigen Effekte sind, wurde auch nie untersucht.

Aber vor allem unterschätzen euphorische Exegeten solcher Tests wie so oft die eigentlich relevanten Faktoren des wahren Lebens. Aus der Sozialforschung sind die Determinanten bekannt, die bei der Berufswahl eine Rolle spielen. Schulabschluss, Arbeitsmarkt, sozialer Hintergrund, Verdienstaussichten, der Rat der Eltern, Talente und Neigungen sind nur einige davon.

Dass im Labor gemessene winzige Kurzzeit-Spracheffekte auf das "Sich-Zutrauen" eines Berufs hier einen nennenswerten Faktor darstellen, scheint doch höchst unwahrscheinlich. (Falls diese Spracheffekte überhaupt stabil sind und wirklich etwas über das "Sich-Zutrauen" aussagen.) Eine Begründung fürs Gendern liefert auch diese Studie nicht.




3. In München hat ein schwules Paar einen homophoben Angreifer verprügelt.



4. Das populärwissenschaftliche Magazin Psychology Today berichtet über einen beunruhigenden Trend, wenn es um Meinungsfreiheit geht:

Über alle Jahrzehnte, Themen und Studien hinweg sind Frauen zensurfreudiger als Männer. Im Vergleich zu Männern unterstützen Frauen mehr Zensur verschiedener Arten von sexuellen und gewalttätigen Inhalten und von Inhalten, die sie als hasserfüllt oder anderweitig beleidigend für Minderheiten wahrnehmen. (...) Im Gegensatz dazu bewerten Männer die Redefreiheit als wichtiger als Frauen.

(...) Zum Beispiel glaubt eine Mehrheit der Männer, dass Colleges ihre Studenten nicht vor anstößigen Ideen schützen sollten, während eine Mehrheit der Frauen glaubt, dass Colleges dies tun sollten. Männliche Studenten bewerteten Wissensfortschritt und akademische Strenge als höherwertig und soziale Gerechtigkeit und emotionales Wohlbefinden als niedrigerwertig im Vergleich zu weiblichen Studenten. Und in einem Bericht von Eric Kaufmann aus dem Jahr 2021 befürworteten weibliche Wissenschaftler in den USA und Kanada eher als Männer die Entlassung eines Wissenschaftlers wegen kontroverser Forschung.

(...) In einem laufenden Projekt habe ich herausgefunden, dass diese geschlechtsspezifische Diskrepanz bei der Unterstützung von Zensur unter jungen Erwachsenen geringer sein könnte, wobei sowohl junge Männer als auch junge Frauen ähnliche Zensurvorlieben haben wie erwachsene Frauen.

In einer Studie mit 559 Online-Erwachsenen lasen die Teilnehmer fünf Passagen aus Büchern (die für die Zwecke dieser Studie erfunden wurden) und gaben ihre Wünsche zur Zensur dieser Bücher an, indem sie ihre Zustimmung zu Aussagen wie "Sie sollten das Buch aus der Bibliothek entfernen" und "Einem Professor sollte es nicht erlaubt sein, das Buch für den Unterricht zu verlangen." Zu den Passagen gehörten eine, die Schimpfwörter enthielt, eine, die eine blutige Beschreibung enthielt, eine, die argumentierte, dass es gewachsene Geschlechtsunterschiede bei der Führungsfähigkeit gibt, eine, die argumentierte, dass bestimmte Religionen zu Gewalt inspirieren, und eine, die argumentierte, dass es ethnische Unterschiede in Intelligenztestergebnissen gibt. Über alle fünf Aussagen hinweg waren Frauen kritischer als Männer.

Eine Folgestudie replizierte genau diese Methoden mit 1.057 jungen Erwachsenen (eine Mischung aus Studenten und jungen Erwachsenen im Internet). In dieser Studie waren Frauen kritischer gegenüber den Fluch- und Schimpfwortpassagen, aber es gab keine geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Unterstützung der Zensur für die Passagen, die sich auf Geschlechterunterschiede, ethnische Unterschiede oder Religion und Gewalt bezogen. Junge Erwachsene waren insgesamt kritischer als ältere Erwachsene, aber dieser Unterschied war bei Männern größer, so dass junge Männer die Zensur auf einem ähnlichen Niveau wie Frauen unterstützen.


In der Gesamtsicht geht damit bei der jungen Generation der Zug in Richtung mehr Zensur.



Donnerstag, April 29, 2021

Wenn Linke rechtsextremes Denken übernehmen – News vom 29. April 2021

1. Auf Telepolis bespricht Rüdiger Suchsland "Generation Beleidigt", das aktuelle Buch der französischen Autorin Caroline Fourests. Ein Auszug:

Fourest ist wütend auf kanadische Studenten, die die Streichung eines Yogakurses fordern, um sich nicht "dem Risiko der indischen Kultur" aussetzen zu müssen. Sie ist wütend auf Schulen, die die großen Romane von Flaubert, Dostojewski und Nabokov als "anstößig" aus dem Unterrichtsplan streichen. Auf Filmuniversitäten (!), an denen Filmstudenten sich weigern, Filme von Roman Polanski und Woody Allen oder Produktionen von Harvey "#MeToo" Weinstein oder Bertoluccis "Last Tango of Paris" überhaupt jemals anzusehen, und die sich für ein Seminar über Horrorfilm einschreiben, aber trotzdem bei jedem Film eine Triggerwarnung fordern, weil "Traumata berührt werden".

(…) Vor knapp zehn Jahren machte die - in Frankreich verbotene, in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtete - "Identitäre Bewegung" (IB) von sich reden. Unter diesem Schlagwort versuchten Rechtsextremisten aus Deutschland, Österreich und Italien, Rassismus und antidemokratisches Denken mit popkulturellem Auftreten, modernen Medien und aktivistischen Techniken zu verbinden, um so für eine junge Generation attraktiv zu werden.

Genau hier greift nun der Hauptvorwurf von Caroline Fourest. Mit vielen Beispielen unterfüttert, argumentiert sie, dass inzwischen die Linken die Denk- und Argumentationsstruktur der IB kopiert haben und mit eigenen Ideen füllen. Diese "identitäre Linke" ersetze Protest durch Zensur und trete als "Inquisitoren" und "Kulturtaliban" auf.

(…) Die säkulare, nicht-identitäre Linke und die liberale Mitte wissen sich vorerst nicht adäquat dagegen zu wehren. "Wir leben in einer Zeit", so Fourest, "in der ein Antisemit, ein Nazi oder ein Islamist ohne größere Probleme seine Weltanschauungen auf den sozialen Medien verbreiten kann, während es für radikal säkulare Linke immer schwieriger wird, ihre Ansichten zu vertreten. Und zwar auch, weil sie von diesem Teil der Linken, den identitären Linken, daran gehindert wird".


Wir säkularen Linken müssen offenbar noch viel deutlicher zeigen, dass wir uns das nicht bieten lassen.



2. Die Badische Zeitung hat die forensische Psychiaterin Sigrun Roßmanith zu ihrem aktuellen Buch über "Täterinnen" interviewt. Ein Auszug:

BZ: Frau Roßmanith, warum braucht es ein Buch über Frauen als Täterinnen?

Roßmanith: Weil es zwar stimmt, dass Frauen in sehr geringer Anzahl Gewalttaten und in noch geringerer Zahl Sexualstraftaten begehen, diese aber dennoch in der Betrachtung des Ganzen meist fehlen. Die Rolle der Frau als Opfer ist im gesellschaftlichen Blickwinkel nahezu einzementiert. Man traut Frauen Gewalttaten kaum zu und hört selten etwas von häuslicher Gewalt, die von Frauen verübt wird. Männer hingegen haben keinen Opferstatus, und wenn ein Mann wirklich mal anzeigt, dass eine Frau ihm gegenüber gewalttätig geworden ist, dann wird er als Loser wahrgenommen. Es stimmt, die Mehrheit der Frauen ist Opfer. Aber die Gesellschaft macht daraus ein immer. Das entspricht nicht der Realität.


Die Mehrheit der Frauen sind natürlich keine Opfer. Was Roßmanith offenbar meint, ist "Die Mehrheit der Opfer sind weiblich" – und auch das ist zweifelhaft.

BZ: Wie sieht die [Realität] denn aus?

Roßmanith: Etwa zwölf bis 15 Prozent der Gewalttaten werden von Frauen verübt, weltweit sind weniger als fünf Prozent der Amoktäter weiblich. Häufig wird davon ausgegangen, dass Gewalt von Frauen nur reaktiv ist. Das ist allerdings nicht meine Erfahrung. Frauen sind nicht bessere Menschen als Männer, bei ihnen greifen nur andere Mechanismen. Wir sind Meisterinnen der destruktiven verbalen und emotionalen Gewalt. Doch dass Frauen Täterinnen sein können, können sich nur wenige vorstellen, da überwiegt das Gute-Mutter-Stereotyp. Diese Schattenecke wollte ich ausleuchten. Sachlich, wertfrei, ohne zu verurteilen. Ich sage einfach: Das gibt es auch. Das kann ich nur als Frau machen, und nur als eine, die schon Jahrzehnte an Erfahrung hat und nichts mehr werden möchte.


Stimmt. Wenn wir Männer dasselbe tun, bricht ein Tsunami an Diffamierungen über uns hinweg.

BZ: Es wird ja oft angenommen, die Hemmschwelle zur Gewalt liege bei Frauen höher als bei Männern. Ist dem so?

Roßmanith: Die Schwelle, die überschritten werden muss, um jemanden zu töten, ist üblicherweise enorm hoch – bei Männern und Frauen. Bei beiden entfaltet das Gefühl, gekränkt worden zu sein, eine enorme Sprengkraft, die zu Gewalttaten führen kann. In der gesellschaftlichen Wahrnehmung hingegen fällt das Töten Männern leichter, Frauen töten immer nur aus gravierenden Gründen. Und es gibt noch etwas Eigentümliches: Der Begriff der traumatisierten Frau ist gang und gäbe. Es kommt vor, dass ein Täter oder eine Täterin etwas Traumatisches erlebt hat, was vielleicht dazu beigetragen hat, dass er oder sie die Tat begangen hat. Männer haben kein Opfergefühl, sie führen so etwas nie an, während Frauen oft von sich aus sagen: Ich bin traumatisiert, sonst wäre das nicht passiert.

(…) BZ: Inwieweit spiegelt sich diese Wahrnehmung von Frauen als Täterinnen in Gerichtsurteilen wider?

Roßmanith: Gerichten wurde früher gern vorgeworfen, dass sie gegen Frauen niedrigere Freiheitsstrafen verhängen. Das stimmt zumindest bei Gewalttaten von Frauen in Österreich – und nur hier kann ich das bestimmt sagen – nicht mehr. Jüngst hat eine Mutter, die ihre drei Kinder getötet hat, lebenslänglich bekommen. Das wäre vermutlich vor 25 Jahren nicht so gewesen. Da wurden Frauen oft einfach als Mittäterin oder ihre Tat als einmalige Entgleisung in einer Lebenskrise gesehen. Bei Sexualstraftäterinnen ist das bis heute oft noch so. Nehmen Sie Ghislaine Maxwell, die Mittäterin des verurteilten Sexualstraftäters Jeffrey Epstein. Sie deklariert sich nur als Mittelsfrau, die selbst abhängig war von Epstein, während die Opfer sie als Täterin bezeichnen. Es fällt uns schwer, uns vorzustellen, dass eine Frau sich sexuell an Minderjährigen vergeht, weil sie das Zuschauen und Mitmachen genießt. Aber das gibt es.


Ich habe das Buch "Teufelinnen" vor ein paar Wochen über die Fernleihe der Hessischen Landesbibliothek bestellt, werde es heute erhalten und bin gespannt auf die Lektüre.



3. Die "Ruhrbarone" haben einen Nachruf auf das generische Maskulinum veröffentlicht:

Das generische Maskulinum (GM) hat verloren. Da gibt es nichts zu beschönigen. Der Kampf war schmutzig und lang und die Niederlage ist eindeutig. Wenn jetzt im Duden steht, das Wort "Schüler" bezeichne einen männlichen Schüler, wenn im Öffentlichen Rundfunk jetzt grundsätzlich "Politiker(-Pause-)Innen" gesagt wird, dann wird sich das nicht zurückdrehen lassen. Die neue Sprechweise wird zur Normalität werden und zukünftige Generationen werden glauben, es seien damals wirklich nur Männer gemeint gewesen.

Natürlich wird ein aufgeklärter Leser ältere Texte noch verstehen können, wird wissen, dass das in diesem Zusammenhang irgendwie auch Frauen betreffen konnte. Aber für einen Menschen, der mit Gendersprache aufgewachsen ist, wird sich ein alter Text, in dem es 2die Schüler" heißt, völlig falsch anfühlen. Es wird der Eindruck entstehen, wir hätten in einer Zeit gelebt, in der Frauen gesellschaftlich nahezu ausgeschlossen waren. Das ist eine rückwirkende Verzerrung. Es ist auch entwürdigend gegenüber all den Frauen in der bisherigen Geschichte, die sehr wohl gemeint waren; die bald rückwirkend in Texten nicht mehr in Erscheinung treten, weil man die Sätze dann anders interpretiert.


Hier geht es weiter.



Mittwoch, April 28, 2021

Ursula von der Leyen: "Nur weil ich eine Frau bin" – News vom 28. April 2021

1. Vor einigen Wochen kam es zu einem diplomatischen Eklat in den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei:

Anlass des Staatsbesuchs im Präsidentenpalast in Ankara waren insbesondere Gespräche über eine Verlängerung des Flüchtlingsabkommens zwischen EU und Türkei. (…) Beim Pressetermin zu Beginn der Gespräche sollte ein offizielles Foto gemacht werden. Die türkische Regierung sah jedoch vor, dass dieses nur den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und den Ratspräsidenten der Europäischen Union, Charles Michel, zeigen sollte, nicht aber die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen. Daher standen nur zwei Stühle bereit. Von der Leyen war offenbar überrascht von der Situation und musste schließlich, ebenso wie der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, auf einem weiter entfernt stehenden Sofa Platz nehmen.


Zu diesem Vorfall hat sich von der Leyen jetzt geäußert:

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat als Reaktion auf den Sofagate-Vorfall in der Türkei ein klares Plädoyer für mehr Gleichberechtigung in Europa gehalten. Im Europaparlament beschrieb sie am Montagabend, was ihr durch den Kopf ging, als sie im Präsidentenpalast in Ankara auf ein Sofa platziert wurde, während sich EU-Ratspräsident Charles Michel auf einen Sessel neben Recep Tayyip Erdoğan setzte: "Ich fühlte mich verletzt und alleingelassen. Als Frau und als Europäerin."

Sie sei überzeugt, dass viele Frauen im Plenarsaal des Europäischen Parlaments dieses Gefühl der Diskriminierung genau kennen würden, sagte von der Leyen. Es gehe hier nicht um Protokollfragen, sondern um jene Werte, für welche die EU stehe. Sie hatte erwartet, dass sie als erste Frau an der Spitze der EU-Kommission genauso behandelt werde wie die Männer vor ihr. Früher habe es nie an Möbeln gefehlt, auch in den EU-Verträgen gebe es keine Rechtfertigung, sagte von der Leyen: "Ich kann daraus nur schließen, dass ich so behandelt wurde, weil ich eine Frau bin."

(…) Allerdings würden sich parallel Tausende solcher Vorfälle ereignen, von denen niemand Notiz nehme und die meist sehr viel ernster seien, sagte von der Leyen: "Wir müssen sicherstellen, dass diese Geschichten auch erzählt werden." Ein Instrument dafür sei die Istanbul-Konvention, die Frauen vor Gewalt schützen soll.


Nun ist eine Konvention, die nicht Menschen, sondern allein Frauen vor Gewalt schützen soll, fragwürdig – nicht für von der Leyen natürlich, aber für jeden mit einem funktionierenden moralischen Kompass. Dem unbenommen fand von der Leyen schnell Leute, die ihr beipflichteten:

Die Liberale Sophie in 't Veld klagte, dass es auch in der EU "Manspreading auf höchster Ebene" gebe, während die österreichische Sozialdemokratin Evelyn Regner über die tägliche Diskriminierung von Frauen sprach: "Wir werden kleingemacht und weggeschoben."


Das Problem hierbei ist, dass die Behauptungen von der Leyens nicht zutreffen. Das erklärt ein Wikipedia-Eintrag zum Thema "Sofagate". (Die Wikipedia ist als anonym gestaltete Website natürlich keine seriöse Quelle, aber dieser Eintrag fasst die Debatte prägnant zusammen und verweist durchgehend auf die relevanten Belegquellen.)

Die Türkei erklärte den Vorfall später damit, dass der Ratspräsident protokollarisch als Staatsoberhaupt gilt und damit höherrangig ist als die Kommissionspräsidentin, die als Regierungschefin behandelt wird (siehe Protokollarische Rangordnung in der Europäischen Union).

(…) Der türkische Außenminister, Mevlüt Çavuşoğlu der von der Leyen gegenüber im Sofa saß, erklärte: "Das Protokoll der Präsidentschaft entsprach den Forderungen der EU-Seite. Mit anderen Worten: Die Sitzordnung wurde so gestaltet, dass sie deren Forderungen und Vorschläge erfüllt." Türkische Beamten erklärten, dass die Sitzordnung dementsprechend nach den mit dem Stab von Charles Michel im Vorfeld getätigten Absprachen getroffen worden sei.

Der frühere Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte, ihm sei ebenfalls manchmal die gleiche Behandlung widerfahren. "Für jeden war klar, dass aus protokollarischer Sicht der Präsident des Rates die Nummer eins ist", erklärte Jean-Claude Juncker der Wochenzeitung Politico Europe. "Normalerweise hatte ich einen Stuhl neben dem Stuhl des Ratspräsidenten, aber manchmal passierte es, dass ich auf einem Sofa saß."


Ursula von der Leyens Sexismus-Phantasien erweisen sich damit als nicht stichhaltig. Trotzdem wird sie dafür natürlich von Blättern wie der Süddeutschen Zeitung, die immer mehr für ihren "Haltungs-Journalismus" statt für fundierte Recherche stehen, als "vorbildlich" gefeiert:

Ihre Stärken sind Disziplin, Fleiß, Organisiertheit. Und Durchsetzungskraft. Sie hat im konservativ geprägten Westen Deutschlands Kitas populär gemacht. Sie hat es nicht nur geschafft, zur ersten (heftig umstrittenen) Verteidigungsministerin berufen worden zu sein, sondern dies auch in einer zweiten Amtszeit, was kein Selbstläufer ist. Sie führt inzwischen die wichtigste Behörde Europas, die EU-Kommission. Und dann dieser Auftritt am Montag!


Das EU-Parlament sei plötzlich zur Kulisse für den machtvollen Auftritt der Kommissionschefin als Feministin geworden, heißt es in dem Artikel weiter. Von der Leyen könne für sich als Erste in Anspruch nehmen zu zeigen, dass auch Spitzenpolitikerinnen diskriminiert werden.

Journalistische Distanz sieht anders aus als die euphorischen Lobpreisungen der "Süddeutschen". Normalerweise wird in den deutschen Medien nur Annalena Baerbock dermaßen verherrlicht. Auch bei Politikern würdigen Journalisten inwischen weit weniger Kompetenz, Leistung und Ergebnisse als die "richtige", also feministische, Haltung.



2. In Melbourne, Australien, mussten sich Oberstüfler öffentlich dafür entschuldigen, weiße, christliche Männer zu sein:

Letzten Mittwoch wurde das Parkdale Secondary College im südlichen Melbourner Vorort Mordialloc von einer Sozialarbeiterin des örtlichen Kingston Council besucht.

Die Sozialarbeiterin sprach über Privilegien, Pronomen und Intersektionalität.

Während des Vortrags soll die Sozialarbeiterin Jungen, die heterosexuell, weiß und christlich waren, aufgefordert haben, sich vor ihren Mitschülern zu erheben.

Ihnen wurde dann gesagt, dass sie aufgrund ihres Privilegs dafür verantwortlich seien, "Unterdrücker" zu sein.

Die Schüler waren Berichten zufolge schockiert und schämten sich nach dem Vorfall.


Wenige Wochen zuvor war es zu einem ähnlichen Vorfall an einer Schule der australischen Hafenstadt Warrnambool gekommen. Dort hatte man Jungen in ähnlicher Weise gezwungen, bei einer Versammlung aufzustehen und sich bei ihren weiblichen Mitschülern zu entschuldigen.



3. Die preisgekrönte neuseeländische Komikerin Rose Mafeo erklärte, dass es ihren männlichen Kollegen untersagt werden solle, bei ihren Auftritten die MeToo-Kampagne zum Thema zu machen:

In einem aktuellen Interview sprach sich die neuseeländische Stand-up-Künstlerin gegen ihre männlichen Kollegen aus. "Letztendlich profitiert man finanziell immer noch davon, dass man Teil des Problems ist, wenn man die Sache diskutiert", sagte sie dem Evening Standard. "Ich bin es leid, sensible Männer zu sehen, die sagen: 'Was können wir tun? Was können wir TUN? Abgesehen davon, eine einstündige Show darüber zu schreiben ... was können wir TUN?'"




4. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute:

Hallo Herr Hoffmann,

als regelmäßiger Leser Ihres Blogs Genderama und gleichzeitig Angestellter einer evangelischen Landeskirche habe ich die Entwicklungen in Sachen "Feminismus und Gender" in meiner Organisation seit einiger Zeit im Blick. Ein erstaunlich nonkonformer Beitrag zur Sache von der emeritierten Theologieprofessorin Dorothea Wendebourg wurde nun im Evangelischen Pressedienst veröffentlicht - zuerst habe ich nachgeschaut, ob er nicht schon am 1. April herauskam ...

Ich verlinke ihn Ihnen mal: "Frauenarbeit ist verzichtbar."

Es ist aber schon auffällig, dass häufig erst nach erfolgter Pensionierung oder Emeritierung führende Personen aus Parteien und Kirchen den Mut finden, sich mit unbequemen eigenen Meinungen frei zu äußern.


Allerdings. Eines der frappierendsten Beispiele war schon vor zehn Jahren Professor Jens Alber, Soziologe und Forschungsdirektor für Ungleichheit und soziale Integration am Wissenschaftszentrum Berlin unter der meinungsstarken Feministin Jutta Allmendinger. Alber wies auf ein zentrales Missverhältnis in unserer Gesellschaft hin: Während es immer mehr Ungleichheiten zu Lasten von Männern gebe, werde in der Geschlechterdebatte dermaßen mit zweierlei Maß gemessen, dass wir hier "inzwischen ein ebenso beeindruckendes wie bedrückendes Maß einer verzerrten Realitätskonstruktion erreicht haben, das allmählich einer kollektiven Gehirnwäsche nahekommt". Während die mehr und mehr schwindenden Diskriminierungen von Frauen weiterhin in den Vordergrund gerückt würden, blieben Benachteiligungen und soziale Problemlagen, von denen Männer betroffen sind, weitgehend marginalisiert. Alber nannte einige Beispiele und zog zum Schluss seines Artikels das Fazit: "Zumindest sollten diejenigen, die das Geschlecht auch weiterhin als eine zentrale Dimension sozialer Ungleichheit darstellen wollen, allmählich auch die Ungleichheiten zu Ungunsten von Männern zur Kenntnis nehmen. Die Männer wären gut beraten, wenn sie den Universalismus als Wert weiterhin hochhielten, überdies aber eine Sensibilität für die Verwendung von Doppelstandards erkennen ließen und der mit harten Bandagen und doppelten Standards aufwartenden Interessenverfolgung engagierter entgegenträten."

Bezeichnenderweise äußerte sich Professor Alber entsprechend unmittelbar vor seinem Rückzug in den Ruhestand. Solche Fälle erlebe ich immer wieder. Man könnte meinen, dass Menschen Sanktionierungen befürchten müssen, wenn sie sich noch während ihrer Karriere männerfreundlich äußern. Das kann aber natürlich nicht sein, denn wir leben ja bekanntlich in einer freien Gesellschaft und zugleich einem Frauen unterdrückenden Patriarchat.



Dienstag, April 27, 2021

Richard David Precht zu Kandidatur von Annalena Baerbock: "Es gibt auch umgekehrten Sexismus" – News vom 27. April 2021

1. Im Interview mit Österreichs "Kurier" äußert sich der bekannte deutsche Philosoph Richard David Precht zur Kandidatur Annalena Baerbocks für das Amt der Bundeskanzlerin:

Kurier: Robert Habeck hat geklagt, dass sein Kanzlertraum dahin ist und er Opfer des umgekehrten Sexismus geworden sei, der ihn an Äußerlichkeiten – erst gefeierter, dann fallen gelassener Anti-Typ zum Politiker – gemessen habe. Hat er da recht?

Precht: Es ist interessant, dass ein Grüner einmal diese ehrlichen Worte ausspricht. Es gibt auch umgekehrten Sexismus, nicht nur den von Männern gegenüber Frauen. Ich habe eine fundamentale Kritik an der Biologisierung von Kompetenzen. Dass man die Eignung für ein Amt vom Geschlecht abhängig macht, habe ich immer für falsch gehalten, egal ob bei Männern oder Frauen.

Kurier: "Frau" war bei den Grünen explizit mit Entscheidungsgrundlage.

Precht: Überall wo man sagt, Frauen werden bei gleicher Eignung bevorzugt, halte ich das für falsch. Ich kann Emanzipation nicht daran erkennen, zu sagen, jetzt wart ihr so lange dran, jetzt sind wir mal dran. Das entspricht in keiner Form der Idee der Chancengerechtigkeit.




2. Hat Annalena Baerbock, Kanzlerinnenkandidatin der Grünen, Recht mit Ihrer Argumentation, sie habe als Frau schon deshalb eher einen Anspruch auf die Kandidatur als Robert Habeck, weil das schon im Grundgesetz stehe? Dr. Rainer Zitelmann hat nachgeschaut.



3. Einen besonders stark ausufernden Fall toxischer Weiblichkeit gab es im britischen Oxford. Dort wurde eine Rechtsanwältin zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt, weil sie einen Mann fälschlich der Vergewaltigung beschuldigt hatte:

Die Rechtsanwältin Anisah Ahmed orchestrierte eine "bösartige" Lügengeschichte, indem sie fälschlich behauptete, vergewaltigt entführt und durch Messerstiche verletzt worden zu sein.

Das bizarre Geschehen begann im Jahr 2014, als Ahmed herausfand, dass ihr Liebhaber, der Kollege Iqbal Mohammed, verheiratet war.

Der ihrem Fall vorsitzende Richter Michael Gledhill berichtet: "Es scheint, dass Ahmed keine Ahnung davon hatte. Als sie es herausfand, fühlte sie sich zutiefst betrogen und rächte sich, indem sie einen umfangreichen Plan durchführte, um ihn zu vernichten - sowohl beruflich als auch persönlich."

Das Gericht hörte, wie die ausgeklügelte Vernichtungskampagne begann, als die 33-jährige Anwältin intime Nachrichten über ihre Affäre an die Frau des Opfers und seine Kollegen schickte, bevor sie eine E-Mail an den Vorsitzenden seiner Kammer schrieb und eine Untersuchung seiner Integrität forderte.

Ihre Verachtung nahm eine noch unheimlichere Wendung, als sie, um ihre Falschbehauptungen zu untermauern, gefälschte E-Mails erstellte, die den Anschein erweckten, dass sie vom Opfer geschickt wurden, um sie zu bedrohen, was einer "Erpressung" gleichkam.

Das Opfer, Herr Mohammed, wurde öffentlich in seiner Anwaltskanzlei verhaftet, bevor er zu einer Polizeistation gebracht und für sieben Stunden in eine Zelle gesperrt wurde.

Nachdem die Kanzlei von Herrn Mohammed IT-Experten beauftragt hatte, die Computer der Kanzlei zu durchsuchen, entdeckten diese, dass die E-Mail-Beweise gefälscht worden waren, und die Polizei verhaftete Ahmed wegen schwerem Mobbing.

Sie gab später zu, dass sie die gefälschten E-Mails erstellt hatte, beharrte aber auf der Lüge, dass Mohammed sie weiterhin belästige.

Als beschlossen wurde, Ahmed wegen Belästigung strafrechtlich zu verfolgen, war sie weit davon entfernt, ihre Zerstörungskampagne zu beenden - sie eskalierte sie.

Richter Gledhill sagte: "Als Anwältin war sich Ahmed der Schwere ihres Handelns und der möglichen Konsequenzen für sie selbst bewusst. Um solche Konsequenzen zu vermeiden, nahm ihre Strategie dann eine noch finsterere Wendung. Sie unternahm einen weiteren Versuch, Herrn Mohammed eine schwere Straftat anzuhängen. Sie berichtete, dass er sie bei mehreren Gelegenheiten vergewaltigt hätte. Ihre Anzeige war detailliert und überzeugend, auch wenn sie völlig falsch war. Sie verfolgte zwei Ziele: Rache und Ablenkung der Polizei von sich selbst auf Herrn Mohammed. Kurzfristig funktionierte das. Herr Mohammed wurde erneut verhaftet und befragt. Die Auswirkungen auf Herrn Mohammed können kaum überbewertet werden. Er sah seine Karriere, seinen Lebensunterhalt und sein Familienleben vor seinen Augen zerfallen, er dachte sogar daran, sich das Leben zu nehmen."

Erschreckend ist, dass Ahmeds Bosheit und Zorn nicht bei den Vergewaltigungsvorwürfen aufhörte. Stattdessen richtete sie gefälschte E-Mail-Konten im Namen des Opfers ein und nutzte diese, um sich selbst Droh-E-Mails zu schicken.

Ebenso überredete sie Menschen in Birmingham, sie ständig anzurufen, um ihre gefälschte Behauptung zu unterstützen, dass Herr Mohammed sie belästige.

Der Richter hörte, es wurde aufgedeckt, dass, obwohl Ahmed berichtete, bedrohliche Anrufe von Herrn Mohammed erhalten zu haben, in Wirklichkeit ihren Ex-Freund, Mustafa Hussain, vom Kauf eines Telefons im Namen des Opfers überzeugt zu haben.

Das Gericht hörte, wie der 34-jährige Hussain, der vor Gericht stand, um wegen Verschwörung zur Rechtsbeugung verurteilt zu werden, mit Texten und Anrufen bombardiert wurde, in denen er gebeten wurde, Ahmed dabei zu helfen, einen Mann zu verhaften, der ihr Unrecht getan hatte und sie zu Unrecht verfolgte.

Staatsanwalt Iestyn Morgan sagte Richter Gledhill: "Es war eine komplexe und aufwändige Verschwörung, um die Polizei davon zu überzeugen, dass Herr Mohammed sie verfolgte, sie bedrohte, andere dazu veranlasste, sie zu mit ihrer Ermordung zu bedrohen und damit, ihr wirklich schwere Gewalt anzutun."

Als sich ihr Belästigungsprozess näherte, wurde Ahmed zunehmend verzweifelt und heckte einen Plan aus, ihre eigene Entführung und Verletzung durch Messerstiche zu inszenieren. Sie dachte, dass der Prozess platzen würde, wenn die Polizei glauben würde, dass sie von Herrn Mohammed angegriffen worden war.

Ahmed sagte Herrn Hussain, wenn er nicht auf sie einstechen würde, dann müsse sie das selbst tun: "Das ist der einzige Ausweg aus dieser Scheiße - tu es für die Liebe."

Nachdem sie den Angriff genau geplant hatte, sagte sie Hussain, er solle dreimal auf sie einstechen und sie auf dem Fahrersitz ihres Autos von der Außenseite der Fahrertür aus angreifen.

Am 12. Juli 2015 erhielt die Polizei einen Notruf, um eine schwer verletzte Frau in einem am Straßenrand geparkten Auto zu versorgen. Sie hatte eine "schreckliche" Wunde an ihrem Oberschenkel.

Sie konnte detailliert schildern, was passiert war: Sie sei von einem anderen Auto angehalten und zum Aussteigen aufgefordert worden, woraufhin sie von einem Mann ins Bein gestochen worden sei.

Auf dem Rücksitz des Krankenwagens sagte sie absichtlich den Namen des Opfers und beschuldigte ihn, sie entführt und ihr Bein aufgeschlitzt zu haben.

Richter Gledhill QC sagte: "Selbst als sie verletzt war, hat Ahmed ihre Kampagne gegen Herrn Mohammed nicht eingestellt. Sie überredete Leute, ihr Nachrichten zu schicken. Jemand, der vorgab, ein Komplize bei der Entführung und der Messerstecherei zu sein, schickte ihr Briefe, in denen er sie bedrohte und sie drängte, ihre Aussagen zurückzuziehen. Es wurde sogar ein Brief von jemandem geschickt, der gestand, auf Anweisung von Iqbal Mohammed auf sie eingestochen zu haben."

In einem letzten Versuch überzeugte Ahmed Hussain noch einmal, einen Drohbrief an ihr Haus zu schicken.

Hussain wurde ordnungsgemäß verhaftet, und obwohl er sagte, er handele im Auftrag von Mohammed, war er nicht überzeugend, und die Beamten entdeckten, dass es eine Verschwörung zur Pervertierung des Laufs der öffentlichen Justiz gab.

Obwohl Hussain zugab, sich verschworen zu haben, den Lauf der Gerechtigkeit zu vereiteln, stellte Ahmed sich selbst als das Opfer dar, was sie auch vor Gericht behauptete.

Um auf mildernde Umstände zu plädieren, argumentierte ihr Verteidiger Balraj Bhatia: "Sie ist nur noch wenige Tage von ihrem 34. Geburtstag entfernt ... Sie ist eindeutig eine manipulative Frau. Sie kann mit Ablehnung und Gefühlen des Verrats nicht umgehen, aber es ist wahrscheinlich, dass dieses Verhalten ein Bewältigungsmechanismus ist, der aus ihrer Diagnose einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung resultiert. Dass sie im Laufe ihrer Beziehung mit Iqbal Mohammed sitzen gelassen wurde, war ein Auslöser. Sie ist jetzt eine Frau, die dazu getrieben wurde, falsche Vergewaltigungsvorwürfe zu erfinden und die nun aufgeflogen ist. Sie hat sich anfällig für zukünftigen Missbrauch gemacht."

Hussains Rechtsanwalt führte aus: "Sie hat ihre Karriere verloren, sie ist ihr Studium anspruchsvoll und akribisch angegangen. Sie lebten im Haus ihrer Familie, ihre Bücher haben für einen bedeutenden Zeitraum einfach den Esszimmertisch eingenommen. Sie blieben dort, während sie studierte, um eine Karriere in der Rechtswissenschaft zu verfolgen. Sie blieb Nacht für Nacht auf und verdichtete ein zweijähriges Studium auf nur ein Jahr. Sie qualifizierte sich, ein Grund zum Feiern und zu großer Freude. Nichts ist schlimmer, als wenn ein Geschenk gegeben und dann grausam weggenommen wird, damit muss sie leben. Eine Karriere, die sie als Juristin anstrebte, wird angesichts dieser Verurteilung nicht mehr möglich sein. Sie hat versucht, damit zurechtzukommen, indem sie Trost in ihrer Religion suchte, sie betet fünfmal am Tag. Das alles hat große Schande über sie und ihre wohlmeinende muslimische Familie gebracht."

Ahmed, die eine religiöse Kopfbedeckung trug, wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe mit einer Mindestdauer von vier Jahren, sechs Monaten und 10 Tagen verurteilt.

In seiner Urteilsbegründung sagte Richter Gledhill: "Dieser Fall beinhaltete eindeutig eine sehr sorgfältige Planung, um das persönliche und berufliche Leben des Opfers zu zerstören. Der Aufwand, den Sie betrieben haben, um sich an Herrn Mohammed zu rächen, war fast unvorstellbar. Ihre Handlungen, Frau Ahmed, waren bösartig. Sie beharrten über einen längeren Zeitraum darauf und rekrutierten Hussain und andere, um Sie zu unterstützen. Falsche Anschuldigungen können schreckliche Folgen für eine unschuldige Person haben, die kein Verbrechen begangen hat. Zu Unrecht der Belästigung beschuldigt zu werden, ist ernst genug. Aber ihn der Vergewaltigung zu beschuldigen, gehört in eine ganz andere Kategorie."

Der Mitangeklagte Hussain aus Slough wurde zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er muss 150 Stunden unbezahlte Arbeit leisten, acht "ehabilitations-Tage ableisten und 2.000 Pfund für die Kosten der Anklage zahlen.


Typische Gründe, weshalb manche Frauen Männer als Vergewaltiger verleumden waren gestern Thema bei Christian Schmidt.

Die Versessenheit mancher Frauen, sich als Opfer darzustellen, auch wenn sie nachweislich selbst schwer schuldig geworden sind, wäre nähere Untersuchungen wert (dies es aufgrund mangelnder politischer Korrektheit vermutlich nie geben dürfte).



4. Das populärwissenschaftliche Magazin "Psychology Today" zerpflückt die hartnäckigsten Mythen über Pornographie. Ich habe diesen Beitrag verlinkt, weil Ressentiments gegen Erotika bei Feministinnen von Alice Schwarzer bis Veronika Kracher regelmäßig in Ressentiments gegen Männer münden (die als einzige Konsumenten solcher Erotika phantasiert werden). Das führte bis zu irren Slogans wie "Pornographie ist die Theorie, Vergewaltigung ist die Praxis." Ich habe den verlinkten Beitrag allerdings nicht übersetzt, weil Pornographie nun wirklich kein Anliegen der Männerrechtsbewegung ist (sondern allenfalls Merkmal einer insgesamt liberalen Gesellschaft).

Siehe zum selben Thema den aktuellen Beitrag "Why Do Men Watch Porn?"



5. Die Post. In meinem Blogbeitrag von gestern zitierte ich einen Telepolis-Beitrag, in dem es hieß:

Man könnte darauf aufmerksam machen, dass sich nicht ein Kritiker rechtfertigen muss, sondern das Bestehende; dass sich die Mächtigen rechtfertigen müssen, nicht die Ohnmächtigen.


Das kommentierte ich folgendermaßen:

So wird das aber in der Linken vielfach nicht mehr gesehen, seit sie die Diskurshoheit übernommen hat. Sie fordert zum Beispiel von uns Männerrechtlern Rechtfertigungen dafür ein, dass wir die Regierungspolitik nicht brav abnicken.


Hierzu schrieb mir einer meiner Leser:

Hallo Herr Hoffmann,

ich glaube, das wird von den Linken vielfach durchaus noch so gesehen, nur sehen sie es nicht so, dass sie die Diskurshoheit haben.

Viele Linke sehen sich, obwohl sie an den wichtigen Stellen der Medien, einflussreicher NGOs oder gar der Regierung sitzen, in keiner Weise als das "Establishment".

"Establishment", das sind für sie die "Strukturen" und "gesellschaftlichen Machtverhältnisse".

Deshalb sprechen insbesondere linke Journalisten so gerne von "Haltung", als ginge es darum, als Fels in der Brandung im Meer imaginierter unmenschlicher Verhältnisse in unserem Staat dazustehen.

Ich habe sogar den Eindruck, als ob sich die Regierung (!!) selbst nicht als das Establishment sieht, sondern irgendwie als tapfere kleine Mannschaft, die gegen ein übermächtiges System, bestehend aus patriarchalischen Strukturen, grassierendem Alltagsrassismus, militantem Antifeminismus usw. kämpft.

Ich bin mir sicher, dass viele Linke allein aufgrund der Tatsache, dass Blogs wie Ihres überhaupt noch existieren dürfen, oder dass Vereine wie das Forum Soziale Inklusion öffentliche Förderung erhalten, sich selbst nicht im Besitz der Diskurshoheit oder gar der Macht im Staat sehen.

Wenn also Rüdiger Suchsland auf Telepolis schreibt, dass sich "die Mächtigen rechtfertigen müssen, nicht die Ohnmächtigen", dann sehen das die angesprochenen Linken ganz genauso, nur sind "die Mächtigen" aus deren Sicht die Männerrechtler, die am "status quo" des Patriarchats festhalten wollen, und der armen kleinen Regierung bei ihrem tapferen Kampf für Gleichstellung Steine in den Weg legen.

Sagt ihnen "Dennis Moore" etwas? Das ist eine Figur aus einer Folge der britischen Comedy-Serie "Monty Python" aus den 1970er Jahren: Der edle Held Dennis Moore, eine Art Robin Hood, überfällt Adelige, um die Beute den Bauern zu schenken. Nach etlichen Raubzügen erleichtert er eine Gruppe mittlerweile bis auf die Unterwäsche ausgezogener Adeliger um ihre letzten Habseligkeiten und liefert sie bei den mittlerweile steinreichen Bauern ab. Trotzdem sieht er sich noch immer als Held und Kämpfer für Gerechtigkeit.

So etwa kommt mir diese Situation vor.




Ein anderer Leser schreibt mir:

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

beim Fernsehen heute abend stieß ich auf etwas für Ihren Bereich "Die Post". In der ZDF-Kulturzeit waren die Oscars, Diskriminierung und Diversity Thema. Mitten in der Sendung hier ab Minute 21:07) hieß es:

"Gerade ist der Prozess um den Mord an Geoerge Floyd durch einen weißen Polizisten zu Ende gegangen - mit einer Verurteilung. Doch im Gericht wurde klar, wie unterschiedlich Schwarze und Weiße in den USA immer noch wahrgenommen werden."

Im Fall George Floyd ging es, übertragen auf deutsche juristische Kategorien, um Totschlag und nicht um Mord, aber egal. Es folgt ein O-Ton der US-amerikanischen Schauspielerin Andra Day:

"Vor ein paar Jahren habe ich in einer Zeitung das Gesicht einer jungen, weißen Frau gesehen mit der Schlagzeile: Das neue, unschuldige Opfer der Drogensucht. Vergleichen Sie das mal mit dem, was gerade im George-Floyd-Fall gemacht wurde. Die Verteidigung hat seine Opioidsucht genutzt, um ihn zu kriminalisieren, ihn als bösen Typen abzustempeln. Diese Ungleichbehandlung beim Umgang mit Drogenabhängigen ist polarisierend und zeigt, wie Drogen als Mittel genutzt werden, um Schwarze schlecht zu machen."

"So close - so nah dran" möchte ich ihr da zurufen. Die entscheidende Kategorie, der entscheidende Gegensatz ist hier meines Erachtens nicht Hautfarbe bzw. Schwarze-Weiße, obwohl das sicherlich auch eine Rolle spielt, auch nicht die näheren Umstände, zu denen man Im Falle der weißen Frau nichts erfährt, sondern schlicht das Geschlecht: Mann-Frau.

Naja. Es dauert seine Zeit, dicke Bretter zu bohren. Machen Sie weiter mit Ihrer hervorragenden Arbeit.




Montag, April 26, 2021

Gastbeitrag: "Gleichberechtigung – eine Utopie?"

Bei "Kassel liest", einer Aktion des Literaturhaus Nordhessen, ist dieser Tage eine Rezension des von mir herausgegebenen Buches "Gleichberechtigung beginnt zu zweit" erschienen.

Es handelt sich meines Wisens tatsächlich um die erste Besprechung dieses vor zwei Jahren erschienenen Wissenschaftsbandes, obwohl ich damals um die 40 Presseexemplare an unsere Leitmedien verschickt hatte (drei allein an verschiedene Redakteure der "Zeit"). Ich war bislang der Auffassung, diese mangelnde Resonanz läge vor allem daran, dass mit dem Engagement für eine Geschlechterpolitik für beide Geschlechter automatisch eine Kritik des einseitigen feministischen Zugangs verbunden ist und "Antifeminismus" nun mal in unseren Leitmedien als tabu gilt.

Je mehr ich aber in den letzten Jahren zur Polarisierung unserer Gesellschaft gelesen habe, desto mehr gewinne ich den Eindruck, dass ein zweiter, ebenso wichtiger Grund dahinter steckt: Die Männerrechtsbewegung wird von vielen Journalisten als "Internetphänomen" betrachtet, und das oft anarchistische Internet gilt vielen Vertreter der klassischen Medien häufig als "böse", zumal Blogs wie Genderama das Geschäftsmodell dieser Medien bedrohen. Diese Sicht etablierter Journalisten auf das Netz wird in zahlreichen Artikeln wieder und wieder deutlich.

Gestern brachte dies die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot in einem insgesamt hörenswerten Interview über die flächendeckende, vernichtende Medienempörung über die #allesdichtmachen-Kampagne prominenter Schauspieler (bei gleichzeitiger weit überwiegender Zustimmung der Betrachter direkt unter den auf Youtube einsehbaren Videos) folgendermaßen auf den Punkt:

"Wir haben eine Leitmediendebatte und eine Gegenkultur. Die geteilten Öffentlichkeiten erreichen sich fast nicht mehr."


Ähnlich formulierte es der Journalist Rüdiger Suchsland vorgestern auf Telepolis:

Allein diese Art der Auseinandersetzung mit den Querdenkern zeigt, was falsch läuft in Deutschland. Es gibt hier keine Streitkultur. Es herrscht keine Lust am Diskurs, an Auseinandersetzung, an anderer Meinung. Es wird allerorten von "Diversität" geschwafelt, aber die Meinung soll uniform und orthodox sein. (…) Streit irgendeiner Art ist nicht gewollt. Selbst Film- und Literaturkritiker bekommen noch im privaten Umfeld immer zu hören: "Warum musst du denn eigentlich immer so kritisch sein? Schreib doch mal was Schönes, was Nettes?"


Von einem feministischen Leser dieses Blogs habe ich vor Kurzem ähnliches gehört: Ihn nerve an Genderama das ständige "gnäg, gnäg" meiner Kritik. Ob ich das nicht mal bleiben lassen könnte? Obwohl es natürlich absurd ist, ausgerechnet von einem Schriftsteller zu erwarten, dass er auf Zeitkritik verzichtet, haben so etwas linke Autoren bekanntlich seit der 68er-Bewegung zu hören bekommen. Franz Josef Strauß und Helmut Kohl reagierten sehr barsch auf kritische Stimmen. Inzwischen haben viele Linke dieselbe gruselige Haltung angenommen.

In dem Telepolis-Artikel heißt es weiter.

Man könnte darauf aufmerksam machen, dass sich nicht ein Kritiker rechtfertigen muss, sondern das Bestehende; dass sich die Mächtigen rechtfertigen müssen, nicht die Ohnmächtigen.


So wird das aber in der Linken vielfach nicht mehr gesehen, seit sie die Diskurshoheit übernommen hat. Sie fordert zum Beispiel von uns Männerrechtlern Rechtfertigungen dafür ein, dass wir die Regierungspolitik nicht brav abnicken.

Der Psychologe und Publizist Ahmad Mansour schließlich berichtet, dass seine Kollegen mittlerweile Schwierigkeiten haben, in bestimmten Zeitungen ihre Artikel und Meinungen zu platzieren.

Auch aufgrund dieses immer stärkeren Verfalls demokratischer Prinzipien werden die Bücher von in den klassischen Medien bestens verankerten Feministinnen dort zuhauf besprochen, während nicht gleichermaßen institutionalisierte Männer-Aktivisten herabgesetzt und tabuisiert werden. Dieses Verhalten resultiert nicht allein daher, dass wir für die männliche Hälfte der Bevölkerung eintreten eintreten, während der "alte weiße Mann" heute als Feindbild Nummer Eins dient. Sie rührt auch daher, dass Medien wie "Die Zeit" mit Kritik aus dem "bösen" Internet immer schwerer zurecht kommen.

Kommen wir zu der Rezension selbst. Ihr Verfasser Daniele Dell’Agli, bei dem ich angefragt habe, ob ich sie auf Genderama veröffentlichen darf, schreibt mir zu seiner Rezension:

Ich halte mich mit einer persönlichen Einschätzung der Situation weitgehend zurück. Wer mag, kann erkennen, dass ich den Zug für abgefahren halte. Die Männer haben in den 90ern zu lange untätig bis gönnerisch akklamierend einer Machtergreifung zugesehen, die auf dem Schleichweg der Pädagogik uns mittlerweile neben zahllosen jungen Genderfanatikerinnen fast ebenso viele androphobe Männer vom Typ Bernd Ulrich (der altersmäßig eher als Konvertit einzustufen ist) beschert hat.

Was das heißt, haben wir bei der Kandidatenkür der Grünen gesehen, die nicht zuletzt die ultimative Wahrheit über die Funktion der Geschlechterquote verraten hat. Man sollte sich jedoch nicht in Sicherheit wiegen, dass die Entscheidung für eine Ex-Trampolinspringerin und Mutter zweier Kinder (andere Qualifikationen konnte selbst die Süddeutsche Zeitung nicht benennen) das Schicksal ihrer Partei besiegelt haben könnte, im Gegenteil. Ich habe Ihnen eine Meldung zu den neuesten Machenschaften von Christine Lagarde beigefügt, die ein Szenario wahrscheinlich werden lassen, bei dem sich spitzenquotierte Frauen aus der Wirtschaft zusammen mit allen nur erdenklichen weiblichen Interessengruppen, der gesamten Kultur- und dem Großteil der Medienszene parteiübergreifend und mit großen Anzeigenkampagnen querschalten werden, um Frau Bärbock durchzudrücken und dies als Endsieg über das "Patriarchat" zu feiern.

Ich habe große Achtung vor Ihrer unentwegten Bereitschaft zu Dialog und Kooperation, doch die Geschichte kennt leider kein einziges Beispiel einer gelungenen Apeasement-Politik. Der Staatsfeminismus wird seinen Kurs zum Totalitarismus des 21. Jahrhunderts nicht mehr korrigieren.


So viel zum Vorspann: Kommen wir nun zu der oben im Original verlinkten Rezension von "Gleichberechtigung beginnt zu zweit", die ich (sozusagen als "Gastbeitrag") hier auf Genderama veröffentlichen darf:



Der Titel dieses Buches ist Programm. Und obwohl er eine Selbstverständlichkeit formuliert: dass zu einer Geschlechterbeziehung zwei gehören und dass alles, was in und mit ihr passiert von Männern und Frauen getragen werden muss, liest sich das heute mehr denn je wie eine Utopie. Denn alles, was im Namen der Gleichberechtigung von Frauen besonders in den letzten drei Jahrzehnten unternommen wurde, ist ohne sachliche Notwendigkeit, aber mit stets polemischer Zuspitzung gegen die Menschenrechte der anderen Hälfte der Bevölkerung gerichtet gewesen. Aus der anvisierten, längst erreichten und politstrategisch geleugneten Gleichberechtigung von Mann und Frau ist die permanente Herabwürdigung, Dämonisierung und Diffamierung alles Männlichen geworden, die sich in zahlreichen Gesetzen zur Schlechterstellung von Jungen, Männern und Vätern niedergeschlagen hat. Dass es so nicht weitergehen kann, wird auch immer mehr Frauen bewusst. Darum hat der Herausgeber Arne Hoffmann in dem vorliegenden Sammelband die Stimmen von Feministinnen und Männerechtlern versammelt, um die verschiedenen Aspekte der angedeuteten Misere aus möglichst unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten und Wege zu ihrer Überwindung aufzuzeigen.

Das ist durchaus eine Premiere: geschlechterpolitisch engagierte Frauen und Männer, freischaffende Publizisten und Blogger, Soziologen, Psychologen, Therapeuten und Aktivisten, die jenseits der festgefahrenen Frontstellungen zwischen Feminismus und Maskulismus die Idee des vom Herausgeber so genannten "integralen Antisexismus" zu konkretisieren versuchen. "Integral" bedeutet hierbei nichts anderes, als dass geschlechtsbedingte Diskriminierungen jeder Art geächtet werden, unabhängig davon, ob sie Frauen oder Männer betreffen. Dass sich dies keineswegs von selbst versteht, zeigte zuletzt die vielgerühmte Istanbul Convention, deren erklärtes Ziel es ist, ausschließlich Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, als ob Männer, die wesentlich häufiger Opfer von Gewalt werden, Menschen zweiter Klasse wären.

Arne Hoffmann, Verfasser zahlreicher Bücher zu Geschlechterthemen und verantwortlich für das Blog "Genderama", ist der publizistisch umtriebigste Autor der Männerrechtsbewegung, und es mutet schon paradox an, dass ausgerechnet die sich "linksliberal" gerierenden Leitmedien sein unermüdliches Streiten für eine antisexistische Geschlechterpolitik totzuschweigen versuchen (zuletzt und brandaktuell sein Buch "Feindbild weiße Männer. Der rassistische Sexismus der identitätspolitischen Linken"), während Hetz- und Schmähschriften wie "Ich hasse Männer" von Pauline Harmange eine breite Bühne bereitet wird, auf der allen Ernstes die Pro- und Contra-"Qualitäten" solcher Machwerke diskutiert werden.

Der 450 Seiten starke Band bringt 21 Beiträge nebst Vorwort und Anhang des Herausgebers, das sind ebenso viele Ansätze, einen anderen Geschlechterdiskurs zu führen, wie ihn sogar Mithu Sanyal anmahnt, die wesentlichen Anteil an der Entstehung dieses Buchprojekts hatte. Wissenschaftliche Analysen, politische und ethische Perspektiven, pragmatische Lösungsversuche, Berichte und Fallbeschreibungen aus der jeweiligen Praxis: die verschiedenen Aspekte der gegenwärtigen Problemlage fügen sich zu einem Bild, das selbst feministische Aktivistinnen wie Wendy McElroy oder Christina Hoff Sommers nur noch als besorgniserregende Schieflage beschreiben können, die dringend korrigiert werden muss – durch einen "realitätsnahen, Männer respektierenden, vernunftgeleiteten Feminismus."

Ganz in diesem Sinne fragt die Psychologin Sandra Herrmann vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen mit häuslicher Gewalt: "Wie kann ein menschliches und partnerschaftliches Miteinander funktionieren, wenn ein geschlechtliches Gegeneinander propagiert wird?" Die Paartherapeutin Astrid von Friesen wiederum erinnert an eine triviale Erkenntnis, die im Zuge der Auflösung des Familienverbundes und der separatistischen Stoßrichtung radikalfeministischer Diskurse verloren zu gehen droht: dass das Paar und nicht der Einzelne die Urzelle menschlicher Existenz ist. Erkennt man dessen Beziehungsdynamik an, liegt es auf der Hand, dass Geschlechterkonflikte nur auf der Basis gemeinsamer Verantwortung statt gegenseitiger Schuldzuweisungen gelöst werden können.

Desgleichen hebt auch Jeanette Hagen das "Potenzial der Unterschiede" zwischen Mann und Frau hervor, während Maike Wolf, ehemalige Vorsitzende der Jungliberalen, aus ihrer Enttäuschung über das "gebrochene Versprechen" des Feminismus keinen Hehl macht: die Gleichberechtigung beider Geschlechter nicht vorangetrieben zu haben. Eine Antwort auf die Frage, warum weite Teile der Frauenbewegung von Anbeginn glaubten, ihre Ansprüche nur gegen die von Männern geschaffenen Institutionen und sozialen Strukturen durchsetzen zu können, findet man in dem Beitrag des Soziologen Ingbert Jüdt, der sich detailliert mit der konstitutiven Bedeutung des Patriarchatsmythos für das Selbstverständnis und die Legitimierung des Feminismus auseinandersetzt.

Man findet in diesem Band sowohl Feministinnen, die wie Robin Urban und Monika Ebeling betonen, warum es auch für Frauen wichtig ist, sich um Leidenserfahrungen von Jungen und Männern zu kümmern; und Männerrechtler, die gerade, weil sie die Errungenschaften der Emanzipation bejahen, eine Ethik echter Gleichberechtigung anmahnen, die jedoch immer rücksichtsloser von einem als Gendermainstreaming getarnten Staatfeminismus verhindert wird. Wie das konkret funktioniert, kann man in dem zugleich erhellenden wie deprimierenden Bericht Gerd Riedmeiers vom "Forum Soziale Inklusion" über seine Erfahrungen mit der einseitigen Geschlechterpolitik in deutschen Ministerien entnehmen.

Noch drastischere Beispiele für die gesellschaftliche Akzeptanz politisch instrumentierter Diskriminierung von Männern, aber auch für den epidemisch in den sozialen Medien wütenden Männerhass führt Lucas Schoppe vor. Der für seine akkuraten Analysen des laufenden Wahnsinns bekannte Blogger ("man tau") muss am Ende desillusioniert konstatieren, dass die Auslöschungsfantasien einer kleinen fanatischen Minderheit, die selbst vor faschistoiden Hashtags des Typs #MenAreTrash nicht zurückschreckt, von der überwiegenden Mehrheit der Frauen, auch der Feministinnen zwar abgelehnt werden, von diesen aber auch keinen expliziten Widerspruch erfahren. Das macht es den vielen maskulistischen Foren und Blogs nicht einfacher, gegen den misandrischen Mainstream der Leitmedien und seiner institutionellen Rückendeckung durch Politik und Universitäten die Öffentlichkeit für ihre Anliegen zu sensibilisieren.

Es ist ein durchgehendes Merkmal der Beiträge dieses Bandes, dass sie auf Dialog und dort, wo die Fronten verhärtet sind, auf Deeskalation setzen. Das macht sie einer breiten Leserschaft jenseits partei- oder identitätspolitischer Zugehörigkeit leichter zugänglich. Am Ende fragt man sich allerdings nicht ohne Bitterkeit, auf welch utopischem Niveau sich das Geschlechterverhältnis heute bewegen würde, wäre die Frauenbewegung vor fünfzig Jahren mit solch einem inklusiven, die Männer nicht feindselig ausschließenden, sondern empathisch mitreißenden Konzept aufgebrochen.




Den besprochenen Sammelband findet man beispielsweise hier im Handel.



Sonntag, April 25, 2021

Bei der Europäischen Zentralbank gilt "Zutritt nur für Frauen" – News vom 25. April 2021

1.
Die Europäische Zentralbank (EZB) führt im November eine Konferenz durch. Diskutieren will man dort neue Forschungsarbeiten mit geldpolitischer Relevanz. Ähnliche Veranstaltungen gibt es zuhauf. Dieser Anlass hat es aber in sich: Zugelassen sind nämlich nur wissenschaftliche Beiträge von Frauen. Auch auf den Panels sind keine Männer erlaubt. Die Einladung richtet sich nur an "female experts".


Hier geht es weiter.



2. Das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken wird in allen Veröffentlichungen das Gender-Sternchen verwenden und sich gegen Genitalverstümmelung engagieren, solange Mädchen und Frauen davon betroffen sind.



3. Der öffentlich-rechtliche Kanal FUNK mag manchen Mist produzieren, aber jetzt auch ein zwanzigminütiges Video über häusliche und sexuelle Gewalt gegen Männer. Der Macher des Beitrags verrät über die Zahl der Rückmeldungen, die er auf seine Anfrage nach Betroffenen erhalten hat: "Dass es so viele werden, hätte ich nicht gedacht." Klar. Maskulisten sprechen zwar seit über 20 Jahren darüber, werden aber auch genauso lange in den Medien ausgegrenzt und denunziert.

Der verlinkte Beitrag ist absolut sehenswert, etwa wenn er die Folgen solcher Gewalt zeigt und die Reaktionen, die misshandelte Männer erleiden, wenn sie nach Hilfe suchen. Obwohl ich seit 20 den erwähnten 20 Jahren in dem Thema drin bin, geht mir zum Beispiel das Interview mit einem Betroffenen immer noch nah: Seid also darauf vorbereitet, dass es euch ähnlich gehen kann.



4. 60 000 Wohnungs- und Obdachlose sollen in Nordrhein-Westfalen geimpft werden



5. Ein neues feminismuskritisches Filmprojekt ist in Planung. Auf der verlinkten Website finden sich außer einem Teaser, der bereits Lust auf dieses Projekt macht, folgende Erläuterungen zum Ansatz dieses Dokumentarflims:

Die Kernfrage ist: Wie können wir aus dem befeuerten Geschlechterkrieg aussteigen und etwas Neues gestalten? Das ist gar nicht so schwer, sagen meine Protagonisten. Eine Gesprächspartnerin: "Wenn wir diesen Schritt schaffen, aufzuhören mit den Fingern aufeinander zu zeigen und gemeinsam in eine Richtung schauen, dann können wir die Welt verändern. Ich glaube, das lohnt sich."

(…) Kritiker der Geschlechterpolitik werden oft als frauenfeindlich, rechtsgerichtet oder patriarchalisch dargestellt. Das gipfelt etwa darin, eine ganze Gruppe unserer Gesellschaft - sogenannte alte weiße Männer - zu diskriminieren und diesen Menschen das Recht auf Mitsprache im Geschlechterdiskurs zu entziehen. Ein respektvoller Dialog sieht anders aus.

Ich möchte mit meinem Film deshalb denjenigen die Hand reichen, die sich nicht mit einfachen Antworten zufriedengeben, sondern die Dinge hinterfragen. Diese Menschen stellen die Mehrheit, davon bin ich überzeugt. Denn Frauen und Männer sind in ihrer langen Geschichte noch nie gegeneinander, sondern immer gemeinsam für gesellschaftliche Veränderungen eingetreten. Dieses uns verbindende Gut will ich wieder in Erinnerung rufen.




Samstag, April 24, 2021

Drei Frauen entwickeln gendergerechte Spielkarten: "Warum ist die höchste Karte männlich?" – News vom 24. April 2021

1. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hat drei junge Frauen interviewt, die gendergerechte, diverse und nachhaltig produzierte Spielkarten vertreiben. Die bisherigen Spielkarten seien "kein Abbild unserer Gesellschaft mehr". (Tatsächlich? Die Leute tragen heute keine Hellebarden und Kronen mehr? Gut, dass jemand auf diese Trendverschiebung hinweist.)



2. Spiegel-Online hat Juha Kaakinen interviewt, der gerade dabei ist, in Finnland die Obdachlosigkeit abzuschaffen.



3. Während für die Stuttgarter Zeitung "häusliche Gewalt" wie selbstverständlich allein "Gewalt gegen Frauen" bedeutet, berichtet die "Welt" anhand des Schicksals von Tami Weissenberg über Gewalt gegen Männer (leider hinter einer Bezahlschranke). Auf das neue Buch von Weissenberg hatte ich hier Ende März hingewiesen.



Freitag, April 23, 2021

Friedrich Merz liebäugelt mit Verbot von Gendersprache – News vom 23. April 2021

1. Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat sich jetzt sehr deutlich zur feministischen Sprachpolitik geäußert:

Den wachsenden Zwang zum Gebrauch von "Gendersprache" halte er für "rechtlich angreifbar", sagte Merz. "Es gibt nach meiner Wahrnehmung einen kulturellen Konsens in der Republik – die überwiegende Mehrheit der Menschen lehnt die Gendersprache ab."

Merz kritisierte ausdrücklich Universitäten und TV-Moderatoren für ihre sprachlichen Regeln. "Wer gibt zum Beispiel Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern das Recht, Prüfungsarbeiten auch danach zu bewerten, ob die Gender-Sternchen verwendet werden oder nicht?", fragte der CDU-Politiker. "Wer gibt Nachrichtenmoderatorinnen und -moderatoren das Recht, in ihren Sendungen einfach mal so eben die Regeln zur Verwendung unserer Sprache zu verändern?"

Merz erinnerte daran, dass Frankreich allen staatlichen Institutionen untersagt habe, geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. "Die Franzosen haben offenbar ein besseres Feingefühl für den kulturellen Wert ihrer sehr schönen Sprache", sagte Merz. Gerade in gesellschaftlich verantwortungsvollen Positionen "kann das nicht jeder so machen, wie er das vielleicht gerne hätte."

Die Bevölkerung habe das Recht, "dass gerade die mit Pflichtbeiträgen finanzierten Medien Rücksicht nehmen auf ihre Empfindungen und ihre Meinung". Und Studentinnen und Studenten an den Universitäten hätten das Recht, "dass ihre Prüfer auf sach- und wissenschaftsfremde Bewertungskriterien in den Prüfungsarbeiten verzichten".




2. Der SWR berichtet darüber, wie die grün-schwarze Regierung in Baden-Württemberg das Wahlrecht ändert, um mehr Frauen ins Parlament zu bekommen:

Nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg haben Grüne und CDU angekündigt, das Wahlrecht ändern zu wollen. Das gab Grünen-Chef Oliver Hildenbrand auf einer Pressekonferenz am Donnerstag bekannt. "Unser Landesparlament soll noch deutlicher ein Spiegelbild der Gesellschaft werden", so Hildenbrand. "Mit mehr Frauen, mehr jungen Menschen, mit mehr Menschen mit Zuwanderungsgeschichte."

Bereits vorab war bekannt geworden, dass sich die Arbeitsgruppe Inneres, Justiz und Verfassung darauf geeinigt hatte, dass es künftig ähnlich wie im Bund ein Zwei-Stimmen-Wahlrecht geben soll. Die Einigung ist keine Überraschung, weil Grüne und CDU schon in ihrem Sondierungspapier geschrieben hatten, ein personalisiertes Verhältniswahlrecht mit einer geschlossenen Landesliste einführen zu wollen. Zudem sollen Jüngere schon ab 16 Jahren wählen dürfen. Künftig sollen Wählende mit der Erststimme ihren Direktkandidaten im Wahlkreis in den Landtag wählen können. Die Zweitstimme soll wie bei der Bundestagswahl an eine Partei gehen. Entsprechend dem landesweiten Stimmenanteil käme dann eine gewisse Anzahl von Kandidatinnen und Kandidaten von den Landeslisten der Parteien ins Parlament. Ziel der Reform ist unter anderem, mehr Frauen ins Parlament zu bekommen. Die Parteien könnten auf ihren Listen Frauen weit vorne platzieren.




3. In Wien wurde die "geschlechtergerechte" Verteilung von Filmfördermitteln beschlossen.



4. Das ZDF-Magazin "Frontal 21" hat sich in einem viertelstündigen Beitrag mit der Spaltung unserer Gesellschaft durch die Identitätspolitik beschäftigt: "Schweig, alter weißer Mann!" Der Beitrag ist differenziert und informativ: Wenn etwa sogar eine Frau, die einen queer-feministischen Buchladen eröffnet, Stress bekommt, weil ihr Großvater ein Nationalsozialist war, läuft etwas derart falsch, dass auch das ZDF es nicht mehr übersehen konnte.



5. Auch die Islamische Zeitung greift das Thema auf. Ein Auszug:

Die [feministische] Journalistin und Autorin Mithu Sanyal erklärte, dass es tatsächlich einen aggressiven Ton in der Gesellschaft gebe. Sie stelle sich aber die Frage, ob die Mehrheit wirklich gefährdet sei. "Und ich glaube, sie ist es in ganz bestimmten, kulturell geführten Debatten." In diesen Fällen müsse man aufpassen. In den meisten anderen Bereichen sei jedoch das Gegenteil der Fall. So sei die Minderheit der migrantisch geprägten jungen Männer die Verlierer in der Schule.




6. Die Autorin Şeyda Kurt fordert in ihrem neuen Buch, das ideologisch belastete und deshalb fragwürdige Konzept der Liebe durch den Begriff der "Zärtlichkeit" zu ersetzen:

Hintergrund ihres Buches sei die Überlegung gewesen, dass die Gesellschaft hauptsächlich über Unterdrückungsverhältnisse strukturiert sei. Doch gerade diese würden aus intimen Beziehungen herausgelassen. Kurt hat sie nun wieder dorthin zurückgebracht:

"Ich versuche, die Debatten, die wir über Antirassismus und intersektionalen Feminismus in den letzten Jahren führen – und die erfreulicherweise auch vor allem unter jungen Menschen sehr stark geworden sind –, mit in meine Beziehung zu tragen, weil es mir ein Anliegen ist, gewisse patriarchale Logiken zu dekonstruieren, die auch in der westeuropäischen Philosophie und Aufklärung sehr stark gemacht wurden", erläutert die Autorin.

Kurt versteht ihr Buch auch als politische Arbeit. Denn es gehe ihr darum, "patriarchale, rassistische und kapitalistische Tradierungen in der Liebe" deutlich zu machen. Die romantische Liebe wie auch der Kapitalismus hätten sich zwar durchgesetzt und seien dominant, doch sollten sie nicht als "unumstößlich" angenommen werden. Ein anderes Miteinander sei denkbar, unterstreicht Kurt.


Das Buch steht derzeit auf Platz 1 in den Amazon-Chart-Rubriken "Genderstudien", "Soziale Gerechtigkeit" und "Queer Studies".



7. Nochmal zurück zum Thema Gendersprache – das Blog "Wahlinfo Passau" fordert einen reflektierteren Umgang damit:

Nachdem wir als feministischer Internetblog seit Kurzem auch eine Soko "Gender-Verbrechen" betreiben, die Tag und Nacht nach falsch oder gar nicht gegenderten Plural- oder sonstigen Wortkonstruktionen fahndet, sind wir aktuell in einem sehr prominenten und damit um so erschreckenderen Fall fündig geworden.

Über die Überschrift in der PNP "Baerbock als Kanzlerkandidatin der Grünen nominiert" mussten wir zunächst noch schmunzeln. Typisch bayerische Provinzjournalierende – die können nicht mal richtig gendern. In der weiteren Recherche waren wir dann endgültig geschockt. Nicht nur bei den politisch stets korrekten Spiegel-Kolumnist°innen, nein auch bei den links-feministischen taz-Kolleg;-)innen, bei den neoliberal-reaktionären FAZ-Chauvinist+innen sowieso – überall stand dasselbe: "Baerbock wird Kanzlerkandidatin."

Liebe Journalist§innen – was soll das? Jetzt haben wir seit über 15 Jahren eine KanzlerIN und Baerbock will jetzt auf einmal Kanzler werden? Nein, sicher nicht! Baerbock ist KanzlerINkandidatin. Und zwar definitiv Kanzlerinkandidatin und nicht Kanzler:innenkandidatin, weil sie ja nicht entweder Kanzler oder Kanzlerin, sondern ganz bestimmt Kanzlerin werden will. (zur richtigen, fallspezifischen Verwendung von Kanzler:innenkandidatin später mehr)

Wir erhofften uns Bestätigung und Klärung auf der Homepage der Grünen. Wenn einer gendern kann, dann die besserverdienenden Lastenradfahrenden. Weit gefehlt. Zitat: "Annalena Baerbock ist die grüne Kanzlerkandidat:in zur Bundestagswahl 2021." Wie bitte? Kanzlerkandidat:in? Bei Annalena Baerbock handelt es sich – soweit bekannt – um eine einzelne weibliche Person. Warum ist sie dann nicht Kandidatin? Wenn sie Kanzlerkandidat:in ist, bedeutet das doch wohl, dass sie sich ihres Geschlechtes nicht sicher ist oder sich auf keines festlegen will, aber trotzdem weiß, dass sie ein männlicher Kanzler werden will. Sonst wäre sie ja wohl (siehe oben) Kanzlerinkandidatin.


Hier geht es weiter mit einer "Lektion für Fortgeschrittene" anhand einer vetrackten Situation, über die sich viele vermutlich noch gar nicht richtig Gedanken gemacht haben.





8. Wir kommen zur Reklame, einer neuen Genderama-Rubrik inspiriert durch die Amadeu-Antonio Stiftung:

Eine Rezensentin von "LovelyBooks" hat gestern meinen aktuell erschienenen Ratgeber "Lecken" besprochen.

Eine weitere Rezensentin stellt diesen Ratgeber im Magazin "Was liest du?" vor.

Meine Erotik-Ratgeber werden von Frauen offenbar ganz unterschiedlich beurteilt: von Frauen, die diese Bücvher ganz offenkundig nicht gelesen haben (Veronika Kracher) negativ; von Frauen, die sich mit Sexualität und Erotik auskennen, hingegen sehr gut.






X. Zuletzt die Post. Eine Leserin, die gerne mit ihrem Vornamen Tanja vorgestellt werden möchte, schreibt mir zu der Kontroverse über die Menstruationshandschuhe:

Hallo,

bestimmt gibt es dazu viele Zuschriften und sicherlich/hoffentlich auch welche von Frauen. Ich wollte nur anmerken, dass ein solches Produkt, so es denn das Bedürfnis danach gibt, ja schon lange existiert: der Gunmihandschuh. Gibt's im 50er Pack und größer, auch in verschiedenen Farben. Für weitaus weniger Geld. Von daher ist das Produkt eigentlich nur Beispiel für Auswüchse des Kapitalismus, wo Leuten Sachen verkauft werden für Probleme, deren Lösung gar nicht notwendig war. In Einzelverpackung. Und pink. Mit jeder Menge venture capital.

Das kaufen dann Frauen ... und beschweren sich über "pink tax". Sorry. Wer sich so verarschen lässt ...

Zum Bedürfnis und der Frage, ob es denn überhaupt existiert: Öffentliche Ort ohne Entsorgungsmöglichkeit für Damenhygieneprodukte sind wirklich selten. Eher sehe ich noch einen Bedarf bei Besuchen in privaten Haushalten, in denen selten oder kaum (menstruierende) Frauen verkehren oder es andere Anlässe für einen kleinen Mülleimer im Bad gibt. Hier behilft "frau" sich damit, das ganze Geschehen in viel Klopapier einzuwickeln und nach dem Restmülleimer zu fragen ... Eine leere Tempo-Packung täte es auch. Und ich kenne Frauen, die dafür aus ihrer Handtasche schon den Hundekot-Beutel benutzt haben. In den zehn Fällen im Leben, wo das mal vorkommt ...

Zur Debatte, wie so was in gemischten WGs gehandhabt wird, kann ich mangels Erfahrung nichts beitragen. Ich gehöre eher zur Fraktion derer, die mit solchen Körpervorgängen normal, aber mit dem gebotenen Anstand umgehen. Da kann man den Wohnungsinhaber gegebenfalls auch mal drauf hinweisen, dass so ein Mülleimer ganz praktisch wäre, wenn frau denn künftig öfter vorbeikommen will.

Zum Leserbriefschreiber: Tampons hat ein Mann erfunden, ja. Ob es ein Bedürfnis war, oder ob diese Erfindung eine gute ist, sehen Frauen unterschiedlich. Vielleicht haben die menstruationsbewegten Frauen deswegen keine erfunden. Sondern konzentrieren sich auf Menstruationstassen und derlei nachhaltige Produkte. Deren Handling in öffentlichen Toiletten ist übrigens bisher für manche Frauen tatsächlich etwas kompliziert, allerdings fiel mir da bisher auch keine Lösung ein.

Ein 08/15-Artikel aus dem medizinischen Bereich vielleicht?!

Zum eigentlichen Punkt, dass Hass und Drohungen ja wohl dem Fass den Boden ausschlagen und dass es ein Unding ist, dass immer so getan wird, als käme sowas immer nur aus bestimmten Richtungen ... dazu schreibe ich jetzt nichts weiter, das versteht sich von selbst!

PS in eigener Sache sozusagen: Danke auch für Ihre Links und Beiträge zum Thema "Väter". Wir sind gerade frisch Eltern geworden und reden aus Anlass dieser Beiträge sehr oft über unsere eigenen Rollenverständnisse, -erwartungen und Wünsche. Und regen uns sehr darüber auf, dass es nach einem "Glückwunsch" und gelegentlichem Smalltalk für den Chef keine Rolle spielt, dass man Vater geworden ist. Da werden trotzdem Meetings um 19 Uhr angesetzt ... Die mein Mann konsequent absagt, aber da ist er natürlich in einer guten Position, sich das "herausnehmen" zu können.

Heute hatte ich einen Zahnarzttermin und zum Verbleib des Babys in dieser Zeit fragte die Arzthelferin, ob denn meine Mutter jetzt beim Kind sei. Ich war recht geplättet. Nein, die Kleine ist beim Papa! Ja, die kommen klar. Ist ja ihr Papa. Sie ist satt, und alles andere kann der Papa ja auch. Ich hoffe, die Welt ändert sich.




Donnerstag, April 22, 2021

Insider-Report: Wie das Genderlager Recht und Rechtswissenschaft ideologisiert

Einer meiner Leser schrieb mir vergangene Woche:



Derzeit nehme ich an einer Webkonferenz "Law and Gender" meiner Universität teil — mehr als Gegenspieler, weil die Liste der Dozenten die gewohnte Einseitigkeit bietet. Unter anderem nimmt auch Frau Professorin Laskowski teil, die in juristischer Hinischt federführend für die verfassungswidrigen Paritätsgesetze war. Ich würde an für sich gerne darüber eine längere Zusammenfassung und Bewertung schreiben, habe allerdings weder Plattform noch Accounts in social media. Hätten Sie Interesse daran, etwas derartiges — natürlich mit Ablehnungsrecht und Prüfungsrecht Ihrerseits — auf Genderama zu veröffentlichen?




Ich habe ihn dazu eingeladen, mir den von meinem Leser daraufhin eingereichten Text angesehen und entschieden, ihn hier als Gastbeitrag zu veröffentlichen, weil er meines Erachtens gut zeigt, wie im Geschlechterbereich Recht und Rechtswissenschaft zunehmend ideologisiert und politisiert werden. Genderama ist zwar vorrangig als News-Blog gedacht, das jeder problemlos mal eben in seiner Mittagspause lesen kann, aber gelegentlich möchte ich hier auch einer ausführlichen Darstellung und Analyse auf höherem Niveau zu Spezialthemen innerhalb der Geschlechterdebatte Raum geben.



I. Veranstaltung

Bei der Veranstaltung handelte es sich um ein Multiplier-Event für den geplanten Masterstudiengang "Law and Gender" der Universität des Saarlandes (mehr hier, hier und hier. Es waren verschiedene Vorträge, aufgeteilt auf den 13 und 15. April 2021. Bei Masterstudiengängen dieser Art erhält der Absolvent nachher das Recht, den Titel "LL.M" (Master of Laws) zu führen. Wie sinnvoll die Zusatzqualifikation solcher Studiengänge ist, hängt im Wesentlichen davon ab, wer gefragt wird. Nicht unbeachtlich ist dabei das Interesse der ausrichtenden Universitäten. Diese Studiengänge sind typischerweise "drittmittelfinanziert". Dabei fällt für die Universitätszentrale der "Overhead" ab, das sind je nach Standort soweit ich weiß aber jedenfalls mehr als 10% der Einnahmen. Frage ist natürlich: wer stellt die Drittmittel bereit? In diesem Fall: Erasmus+.

II. Wie ich zur Veranstaltung kam

Ich bin zurzeit Rechtsreferendar, aber noch Mitarbeiter an der Universität des Saarlandes und habe — über welchen E-Mail-Verteiler auch immer — eine Einladung zur Veranstaltung erhalten. Nun bin ich zugegebenermaßen kein Freund von Quoten und grundsätzlich kritisch bis äußerst kritisch gegenüber Ideen und daraus abgeleiteten Maßnahmen des "Genderlagers" eingestellt. Nichtsdestotrotz bin ich der Überzeugung, dass man sich auch mit seinem vermeintlichen Feind — so schwer das auch sein mag — möglichst höflich unterhalten sollte (das bedeutet ja gerade zivilisiert, oder nicht?). Also entschloss ich mich, teilzunehmen. Zwei gute Kollegen an der Universität sind ähnlich skeptisch eingestellt. Der Versuch, sie zur Teilnahme zu überzeugen, schlug leider fehl.

III. Inhalt der Veranstaltung

Verschiedene Dozenten hielten Kurzeinheiten zum Thema Gender und Recht. Im Wesentlichen waren das Werbeveranstaltungen, wieso man den Studiengang braucht und was dann darin vermittelt wird. Drei der Vorträge haben nur mittelbar etwas mit dem Masterstudiengang zu tun gehabt und genau die möchte ich hervorheben:

1. Diskriminierung und Antidiskriminierung in der juristischen Ausbildung

Dozentin war Frau Dr. Dana-Sophia Valentiner. Was mich zu Beginn des Vortrages nicht hätte mehr faszinieren können: Es war das erste Mal, dass ich beobachten konnte, wie es jemand wirklich präzise und diszipliniert schaffte, die -Innen-Form im Sprachgebrauch zu verwenden. Bisweilen dachte ich, das wäre unmöglich. Aber sie zog das wirklich durch und ich dachte mir: Respekt. All die Bewunderung konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, wie merkwürdig sich das anhört. Es war — jedenfalls für mich — stets ein Bruch im organischen Sprachfluss. Ich musste auch bei jeder Verwendung feststellen, dass mein Gehirn den Kontext nicht automatisch zerlegen konnte — "meint sie jetzt wirklich nur die Juristinnen oder alle Juristen?". Sie bemühte sich zwar sehr, vor dem -Innen eine kurze Sprachpause zu machen, aber es ist für den Hörer schon eine Zumutung, auf solch feine Nuancen zu achten. Für mich war das leider erneut ein Beleg dafür, dass es sich bei den vermeintlich geschlechter"gerechten" Ideen — all die sonstigen systemimmanenten Widersprüche mal dahingestellt — schlicht um keine anwendbare Lösung handelt.

Der Vortrag selbst hatte für mich einen Titel, von dem ich mir viel erhoffte, aber die Enttäuschung ließ nicht lange auf sich warten. Sie präsentierte lediglich die Ergebnisse einer von ihr einst vorgenommenen Auswertung, in der sie eine gewisse Menge von juristischen Fällen auf Geschlechterverteilung hin untersuchte. Ich empfehle das Lesen der Studie, denn sie ist äußerst anschaulich. Man erkennt in jedem zweiten Satz politische Leidenschaft. Dem kundigen Leser, der die Forderungen dieses politischen Lagers kennt, wird nicht entgehen, dass viele — meist höchst umstrittene — politische Pseudorealitäten dort als Wahrheit behandelt werden. Als Beispiel sei gender"gerechte" Sprache genannt. Allerdings sollte das bei einer Beteiligung von mehreren Gleichstellungsbeauftragten und der Förderung aus Gleichstellungsmitteln nicht Überraschung provozieren, sondern Trauer um die Allokation von Steuergeldern.

Die Idee, ein statistisches Missverhältnis der Geschlechter in juristischen Ausbildungssachverhalten, als Problem zu betrachten, war mir neu. Bemerkenswert war jedoch, dass bei diesem Vortrag — und wie sich zeigen wollte: auch in Folgenden — mehrere Grundannahmen stillschweigend den Raum beherrschten. Sobald ein Dozent auf ein statistisches Ungleichgewicht hinwies: bei allen Beteiligten zustimmendes Nicken mit teils zusammengepressten Lippen. Diese Verhaltensweise konnte ich bisweilen immer dann beobachten, wenn politische Mentalität wieder einmal glücklicherweise ihre Rechtfertigung fand — "ah, mal wieder ein krimineller Ausländer, so wie wir es doch immer wussten!". Offenbar galt unbenannt, aber doch im gemeinschaftlichen Konsens, das Gesetz: statistische Ungleichheit = Diskriminierung. Interessanterweise konnte ich diese Reaktion nicht beobachten, wenn ein statistisches Übergewicht von Frauen in "guten" Dimensionen dargestellt wurde — dafür kennzeichnend: bei Frauen < 50% hieß es "nur", bei Frauen > 50% hieß es "schon".

Der Leiter und Organisator der Veranstaltung — Herr Professor Giegerich — las zu Beginn beider Tage aus einer Zuschrift, die er offenbar von jemandem erhalten habe. Der Verfasser kritisierte wohl, dass es sich bei der Veranstaltung nicht um Wissenschaft handle. Er las diesen Text wie ich fand — leider — nicht mit der notwendigen Reflexion, die eine solche Zuschrift bei Wissenschaftlern auslösen sollte, sondern mit einem Ausdruck wohlwollender Ignoranz, die ihre Veredelung in dem typisch politischen "wie Sie sehen, meine Damen und Herren: es gibt noch viel zu tun!" fand. Inwiefern vorher Versuche unternommen wurden, den Verfasser in die Runde zu bekommen, kann ich nicht beurteilen, allerdings ist es für mich nicht sonderlich überraschend, dass er nicht teilnahm. Wer in aller Welt nimmt freiwillig an Veranstaltungen teil, in denen er a la "es gibt noch viel zu tun" missioniert werden soll?

Als Begründung wurde unter dem Stichpunkt "Wer bildet eigentlich aus?" dann der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Professoren deutscher rechtswissenschaftlicher Fakultäten dargestellt. Hier wurde dann für mich evident, wieso der oben erwähnte Verfasser seine Kritik äußerte. Was zum Teufel soll das heißen? Heißt das etwa, dass männliche Professoren schon per Definition so fies sind und nur das eigene Geschlecht wählen? Wieso sollte das so sein? Bisweilen konnte ich persönlich bei der Erstellung juristischer Sachverhalte lediglich beobachten: Das Geschlecht ist ziemlich egal. Das interessiert wirklich niemanden. Eigentlich ist es Kennzeichen juristischer Fertigkeit, dass zwischen wesentlichen und unwesentlichen Informationen unterschieden wird. Wenn ein Mandant in einem Satz sowohl den Erwerb neuer Schuhe als auch ein Schreiben vom Vermieter erwähnt, sollten Sie nicht nach der Schuhgröße fragen. Naheliegend und fast schon trivial eigentlich die Erklärung, dass Personen in juristischen Sachverhalten lediglich generische Funktion zukommt (es kommt ja gerade nicht auf sie an) und dass sie deshalb überwiegend männlich gewählt werden, denn so macht das unsere Sprache eben. Die Vorstellung, der juristische Ausbildungssachverhalt "Der A schießt auf den B." verstärke vorhandene Stereotype, während "Die A schießt auf die B" sie aufbreche, erschließt sich mir nicht mal mit Phantasie.

2. Frauen in der juristischen Praxis

Den Vortrag hielt Frau Rechtsanwältin Katharina Miller. Im Vergleich zum ersten Vortrag empfand ich ihn deutlich angenehmer, denn hier wurden — zumindest teilweise — Probleme so dargestellt, dass man tatsächlich darüber reden konnte.

Der erste Teil des Vortrages konzentrierte sich auf die Geschlechterverteilung in juristischen Berufen. Während der Anteil von Frauen im Staatsdienst rasant gewachsen ist, liegt der Anteil von Rechtsanwältinnen nur bei 35,6%. Das für mich tatsächlich Interessante lag allerdings zwischen den Zeilen. Sie selbst stellte fest, dass dieser Umstand offenbar der beruflichen Sicherheit geschuldet ist, die von der Privatwirtschaft typischerweise nicht gegeben wird — als Richter steht ihre berufliche Sicherheit in unserer Verfassung, welcher Beruf kann das sonst von sich behaupten? Und ich dachte mir: So close. Tatsächlich lassen sich viele statistische Unterschiede mit biologischen Durchschnittsunterschieden (insbesondere Neurotizitismus und Agreeableness) erklären, und ganz offenbar wurde von der Autorin stillschweigend die These geduldet, dass Frauen (durchschnittlich!) Berufe mit größerer Sicherheit suchen. Man könnte durchaus sehr provokativ fragen: Was ist daran verkehrt? Wieso sollte das Wirtschaftsleben ein einheitliches Sicherheitsniveau bieten? Ist es nicht gerade eine tolle Sache, dass es verschiedene Sicherheiten gibt und sie wählen können, je nachdem, was sie wollen? (Security diversity?) Wieso sollten Männer und Frauen durchschnittlich dasselbe wollen? Kann man das überhaupt durch kulturelle oder soziale [Eingriffe] verändern?

Man könnte meinen, dass Sicherheit und Entgelt jeweils zwei positive Dimensionen sind. Dementsprechend ist es eigentlich eine triviale Erkenntnis, dass diese beiden Dimensionen nicht beide maximiert werden können. Wer maximale Sicherheit will, muss mit weniger Entgelt leben. Wer maximales Entgelt will, muss auf maximale Sicherheit verzichten. Für mich relevant wäre auch, was ich persönlich, also als Individuum dagegen tun soll. Das statistische Ungleichgewicht von verschiedenen Fachanwälten wurde dargestellt (Frauenüberhang im Familien- und Sozialrecht, Männerüberhang im Baurecht). Muss ich jetzt Familienrecht machen, damit die Statistik besser aussieht? Wieso — das wurde ausdrücklich gefordert — sollte dann eine Frau einen Fachbereich wählen, für den in ihr keine Leidenschaft brennt? Damit irgendeine Statistik besser aussieht? Aber vermutlich sind das Fragen, die nur dann relevant sind, wenn man auf das Individuum abstellt und nicht auf die Gruppenidentität. "Wir Frauen …" fiel nicht nur einmal.

Sie schilderte dann aber ein Problem bei Stillzeiten im Hinblick auf Strukturen in größeren Unternehmen, in denen typischerweise keine "Stillpausen" abgehalten werden, um Milch abzupumpen. Das war für mich erfrischend, denn das war das erste Problem über einer gewissen Erheblichkeitsschwelle — wenn nicht sogar generell das erste echte Problem. Sie skizzierte allerdings dann fast schon reflexartig einen fast schon unüberwindbaren Graben zwischen "dem System" und "den Frauen". Ebenso enttäuschend war die vermeintliche Lösung: Nicht Frauen sollten sich anpassen, sondern das System. Äußerst militant gefordert. Ich fragte sie dann später, wieso denn "das System" Änderungsbereitschaft zeigen solle, wenn die andere Partei, also "die Frauen", sich fast schon renitent auf den Standpunkt stellt, dass von ihr keine Änderungsbereitschaft auszugehen hat. Ihre Antwort war von der Art und Weise her wirklich herzlich, das will ich ausdrücklich festhalten. Sie stellte auch klar, dass solche Transformationen nur miteinander funktionieren — der Widerspruch zum voran Gesagten sei dahingestellt. Inhaltlich überzeugen konnte sie mich leider trotzdem nicht. Ihre Nachfrage, ob meine Frage beantwortet sei, musste ich leider negativ bescheiden. Die Organisatorin sprang ihr dann zur Seite und erwähnte die Lösung in den Niederlanden, durch die offenbar betriebliche Stillpausen vom Gesetzgeber durchgesetzt werden. Ob das tatsächlich eine Lösung ist, die durch gegenseitiges Aufeinanderzugehen gekennzeichnet ist: fraglich. Es ist mir ohnehin unerklärlich, woher die Erwartung an die Wirklichkeit kommt, man könne alles haben. Dass verschiedene Dinge im Leben miteinander konkurrieren und diese Konflikt letztlich durch eine interne Wertehirarchie gelöst wird, die dazu zwingt, das eine für das andere zu opfern, ist doch eigentlich eine Geschichte so alt wie die Zeit selbst. Nicht umsonst steht die Geschichte von Kain und Abel am Anfang der Bibel. Letztlich muss da jeder für sich entscheiden, was er will. Für mich ist — jetzt schon, obwohl ich noch keinen Nachwuchs habe — offensichtlich, dass letzteres 10 mal erfüllender ist, weswegen ich mir nicht die Frage stelle, durch was die Menge der Frauen an beruflichem Auftrieb gehindert wird, sondern was die Menge an Männern bewegt, Familien- für Karrierezeit zu opfern.

Mit Frau Miller hätte ich mich tatsächlich gerne noch länger unterhalten. Ohnehin war ihre offene, sympathische Art, die sich auch in der Antwort auf meine Frage niederschlug, für mich der Mehrwert der Veranstaltung. Dadurch gewann ich die Überzeugung, dass man sich mit dem einen oder anderen Vertreter dieser Ideologie möglicherweise doch gut unterhalten kann. Allerdings war der Zeitrahmen für Rückfragen wirklich eng. Insgesamt muss ich an der Stelle anmerken, dass die Veranstaltung keinen gut organisierten Eindruck erweckte. Bei mehreren Dozenten gab es technische Probleme, die nur mit schlechter Vorbereitung zu erklären sind. Ein Grinsen konnte ich mir kaum verkneifen, als eine Rednerin aus Schweden (eine Professorin für Gender-Studies) Probleme mit der Aufnahmelautstärke ihres Mikrofons hatte und zur Kompensation ihr Notebook dann vor ihr Gesicht hielt, um näher dran zu sein.

3. Gender quota for political participation

Der dritte Vortrag wurde von Frau Professorin Laskowski gehalten, zum Thema "Gender quota for political participation". Hier muss ich sagen: Das fand ich wirklich schlecht. Wenn man den Vorwurf der Wissenschaftsferne belegen will, dann mit diesem Vortrag. Kennzeichnend für wissenschaftlichen Dialog ist ja eigentlich, dass man Argumente tauscht. Die müssen nicht überzeugend sein, aber es ist ein Akt der Fairness, die vom Gegner vorgetragenen Tatsachen und Ansichten zu kommentieren und sich damit auseinanderzusetzen. Die juristische Kurzchronologie: Vorschlag der Paritätslisten (unter anderem von Laskowski in djbZ 14, 93—142) » Gegenansicht (unter anderem Martin Morlok, Ade Parité, DÖV 19, 14—20) » Gesetz Brandenburg & Thüringen » Urteile der beiden Verfassungsgerichte 2020 » jetzt.

Die beiden Verfassungsgerichte schlossen sich nicht der Ansicht von Laskowski an. Bemerkenswert dabei ist aber, dass Morlok ein paar Argumente anführte, die mich beispielsweise überzeugten, zu denen Laskowski aber kein Wort verlor. Und das ist das Geschlechterverhältnis in der Partei selbst. Ihre Darstellung: In Fraktionen (also den Leuten, die tatsächlich im Parlament sitzen) sind nur so und so viel Prozent an Frauen vertreten — in (gerundeten) Prozenten für den Bundestag:

21 CDU | 17 CSU | 42 SPD | 11 AFD | 24 FDP | 54 Linke | 58 Grüne.

Argumentation von Morlok: Wesentlich ist nicht der Vergleich Bevölkerung—Fraktionsanteil, sondern Parteizusammensetzung—Fraktionsanteil. Und siehe da, auf einmal sieht die Sache anders aus (Fraktionsverhältnis—Parteiverhältnis):

20—26 CDU | 42—33 SPD | 11—17 AFD | 24—22 FDP | 54—37 Linke | 58—40 Grüne.

Ich hatte mich deswegen eigentlich wirklich auf den Vortrag gefreut, denn ich wollte wissen, was sie dazu sagt. Bemerkenswert ist ja vor allem, dass die Differenz bei SPD, Linken und Grünen wesentlich größer ist als bei CDU, AFD und FDP. Leider: nichts.

Im Vortrag befindet sich auch die These, dass es keine empirischen Belege dafür gäbe, dass Frauen im Durchschnitt geringeres politisches Interesse aufweisen. Ich saß am Tag vor dem Vortag im Wartezimmer beim Arzt und fand mit Smartphone-Browser auf Anhieb drei. Ich hatte diese These noch woanders gelesen. (unterer anderem hier, insbesondere direkt am Anfang im abstract: "That women generally have lower levels of interest in politics than men is a well rehearsed political fact (Andersen, 1975; Baxter & Lansing, 1983; Burns, 2001; Burns et al., 2001; Campbell et al., 1954; Hayes & Bean, 1993; Tolleson Rinehart, 1992) ..."). Von mir aus kann man die anführen und alle widerlegen, von mir auch aus pauschal behaupten, dass das alles Idioten sind, aber die Behauptung, es gebe überhaupt kein Material, ist schlicht und ergreifend falsch. Meiner Meinung nach ist das der Modus operandi eines politischen Soldaten, der wissenschaftliches Fundament für politische Forderungen anlegen will.

An einer anderen Stelle wurde auf einen Beschluss vom Bundesverfassungsgericht Bezug genommen. Auf der Folie stand

"BVerfG 2015 (2 BvR 3058/14): „Structural disadvantages of female politican“ (recital 24, 8 — with reference to KG Berlin 2014, 4 W 55/14)."

Es ging in der Sache um versagte Prozesskostenhilfe und inzident um das Frauenstatut der Grünen. Das Interssante: Durch die Darstellung auf der Folie und die begleitenden Worte wurde der Eindruck erweckt, dass das Bundesverfassungsgericht die strukturelle Benachteiligung weiblicher Politiker in irgendeiner Form bestätigte. Den Beschluss kann jeder hier nachlesen. Zunächst mal sei festgestellt, dass die fragliche Passage unter "I." steht. Das ist im Beschluss lediglich die Darstellung des Sachverhalts. Es wird dort geschildert, was im Vorverfahren passiert ist. Und selbst wenn das eine Feststellung gewesen wäre: Das ist keine Feststellung von struktureller Benachteiligung weiblicher Politiker, sondern lediglich der Vorwurf an den Beschwerdeführer, er habe sich nicht hinreichend zum Vorwurf der Gegenpartei, dass es so sei, geäußert. Das ist aber was ganz anderes. Das ist eine feine, aber durchaus wesentliche Unterscheidung, denn wie man unten im Beschluss (Rn. 17) liest, ist das die Grundlage für die für den damaligen Beschwerdeführer ungünstige Entscheidung des Gerichts. Jetzt befinden wir uns auch im Block, in dem die Begründung der Entscheidung erfolgt.

Für mich nahezu erschreckend war im Übrigen der Umstand, dass bei jeder Entscheidung gegen das eigene Lager mit einer apodiktischen Selbstverständlichkeit die Ursache bei "Männern" gesehen wurde. Dieses anonyme — und wie ich finde auch (wirklich) sexistische — Feindbild kam für mich in diesem Vortrag besonders stark zur Geltung.

IV. Fazit

Die Frage, ob es sich bei der Veranstaltung um Wissenschaft handelt, ist meiner Ansicht nach zu kurz. Vermutlich wäre die Frage besser: "Ist das noch Wissenschaft?". Irgendwo gibt es vermutlich eine sich stetig bewegende Grenze, bei deren Übertritt man nicht mehr nach Erkenntnis strebt, sondern in die Forschung hereinragender politischer Arm einer politischen Ideologie ist.

Hinsichtlich des Organisators kann das mit Sicherheit nicht behauptet werden. Er zeigte sich sogar sichtlich begeistert, als ich am ersten Tag eine kritische Anmerkung hatte. Vermutlich ist hier eher Problem, dass die Veranstaltung von Art und Umfang nur Dozenten zulässt, die in wesentlichen, aber umstrittenen Grundannahmen alle eine gewisse Ansicht vertreten. Was soll man auch groß zum Thema "2+2+2+2=22" sagen, wenn man mit "2+2=11" Probleme hat?

Hinsichtlich des Vortrages von Laskowski ist insbesondere angesichts der oben erwähnten irreführenden Zitation von "structural disadvantages ..." — jedenfalls für mich persönlich — die Grenze zur Politik überschritten. Wo das hinführt, zeigt ja Brandenburg. Im Verfahren in Brandenburg hat Rot/Rot/Grün es geschafft, dass ausgerechnet die NPD die Verfassung verteidigt. Ein bemerkenswerter Bärendienst an der Gesellschaft.

Für mich ist nicht ersichtlich, was jemand in diesem Studiengang soll, der nicht bereits religiöse Überzeugung in sich trägt. Nahezu jede Einheit im Curriculum (ich meine sogar jede) trägt das Präfix "feminist". Vermutlich bräuchte es Veranstaltungen, die mehr die angesprochenen Grundsatzfragen thematisieren, aber ich halte es für unwahrscheinlich, dass es so was geben wird — schade eigentlich.




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