Ursula von der Leyen: "Nur weil ich eine Frau bin" – News vom 28. April 2021
1. Vor einigen Wochen kam es zu einem diplomatischen Eklat in den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei:
Anlass des Staatsbesuchs im Präsidentenpalast in Ankara waren insbesondere Gespräche über eine Verlängerung des Flüchtlingsabkommens zwischen EU und Türkei. (…) Beim Pressetermin zu Beginn der Gespräche sollte ein offizielles Foto gemacht werden. Die türkische Regierung sah jedoch vor, dass dieses nur den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und den Ratspräsidenten der Europäischen Union, Charles Michel, zeigen sollte, nicht aber die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen. Daher standen nur zwei Stühle bereit. Von der Leyen war offenbar überrascht von der Situation und musste schließlich, ebenso wie der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, auf einem weiter entfernt stehenden Sofa Platz nehmen.
Zu diesem Vorfall hat sich von der Leyen jetzt geäußert:
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat als Reaktion auf den Sofagate-Vorfall in der Türkei ein klares Plädoyer für mehr Gleichberechtigung in Europa gehalten. Im Europaparlament beschrieb sie am Montagabend, was ihr durch den Kopf ging, als sie im Präsidentenpalast in Ankara auf ein Sofa platziert wurde, während sich EU-Ratspräsident Charles Michel auf einen Sessel neben Recep Tayyip Erdoğan setzte: "Ich fühlte mich verletzt und alleingelassen. Als Frau und als Europäerin."
Sie sei überzeugt, dass viele Frauen im Plenarsaal des Europäischen Parlaments dieses Gefühl der Diskriminierung genau kennen würden, sagte von der Leyen. Es gehe hier nicht um Protokollfragen, sondern um jene Werte, für welche die EU stehe. Sie hatte erwartet, dass sie als erste Frau an der Spitze der EU-Kommission genauso behandelt werde wie die Männer vor ihr. Früher habe es nie an Möbeln gefehlt, auch in den EU-Verträgen gebe es keine Rechtfertigung, sagte von der Leyen: "Ich kann daraus nur schließen, dass ich so behandelt wurde, weil ich eine Frau bin."
(…) Allerdings würden sich parallel Tausende solcher Vorfälle ereignen, von denen niemand Notiz nehme und die meist sehr viel ernster seien, sagte von der Leyen: "Wir müssen sicherstellen, dass diese Geschichten auch erzählt werden." Ein Instrument dafür sei die Istanbul-Konvention, die Frauen vor Gewalt schützen soll.
Nun ist eine Konvention, die nicht Menschen, sondern allein Frauen vor Gewalt schützen soll, fragwürdig – nicht für von der Leyen natürlich, aber für jeden mit einem funktionierenden moralischen Kompass. Dem unbenommen fand von der Leyen schnell Leute, die ihr beipflichteten:
Die Liberale Sophie in 't Veld klagte, dass es auch in der EU "Manspreading auf höchster Ebene" gebe, während die österreichische Sozialdemokratin Evelyn Regner über die tägliche Diskriminierung von Frauen sprach: "Wir werden kleingemacht und weggeschoben."
Das Problem hierbei ist, dass die Behauptungen von der Leyens nicht zutreffen. Das erklärt ein Wikipedia-Eintrag zum Thema "Sofagate". (Die Wikipedia ist als anonym gestaltete Website natürlich keine seriöse Quelle, aber dieser Eintrag fasst die Debatte prägnant zusammen und verweist durchgehend auf die relevanten Belegquellen.)
Die Türkei erklärte den Vorfall später damit, dass der Ratspräsident protokollarisch als Staatsoberhaupt gilt und damit höherrangig ist als die Kommissionspräsidentin, die als Regierungschefin behandelt wird (siehe Protokollarische Rangordnung in der Europäischen Union).
(…) Der türkische Außenminister, Mevlüt Çavuşoğlu der von der Leyen gegenüber im Sofa saß, erklärte: "Das Protokoll der Präsidentschaft entsprach den Forderungen der EU-Seite. Mit anderen Worten: Die Sitzordnung wurde so gestaltet, dass sie deren Forderungen und Vorschläge erfüllt." Türkische Beamten erklärten, dass die Sitzordnung dementsprechend nach den mit dem Stab von Charles Michel im Vorfeld getätigten Absprachen getroffen worden sei.
Der frühere Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte, ihm sei ebenfalls manchmal die gleiche Behandlung widerfahren. "Für jeden war klar, dass aus protokollarischer Sicht der Präsident des Rates die Nummer eins ist", erklärte Jean-Claude Juncker der Wochenzeitung Politico Europe. "Normalerweise hatte ich einen Stuhl neben dem Stuhl des Ratspräsidenten, aber manchmal passierte es, dass ich auf einem Sofa saß."
Ursula von der Leyens Sexismus-Phantasien erweisen sich damit als nicht stichhaltig. Trotzdem wird sie dafür natürlich von Blättern wie der Süddeutschen Zeitung, die immer mehr für ihren "Haltungs-Journalismus" statt für fundierte Recherche stehen, als "vorbildlich" gefeiert:
Ihre Stärken sind Disziplin, Fleiß, Organisiertheit. Und Durchsetzungskraft. Sie hat im konservativ geprägten Westen Deutschlands Kitas populär gemacht. Sie hat es nicht nur geschafft, zur ersten (heftig umstrittenen) Verteidigungsministerin berufen worden zu sein, sondern dies auch in einer zweiten Amtszeit, was kein Selbstläufer ist. Sie führt inzwischen die wichtigste Behörde Europas, die EU-Kommission. Und dann dieser Auftritt am Montag!
Das EU-Parlament sei plötzlich zur Kulisse für den machtvollen Auftritt der Kommissionschefin als Feministin geworden, heißt es in dem Artikel weiter. Von der Leyen könne für sich als Erste in Anspruch nehmen zu zeigen, dass auch Spitzenpolitikerinnen diskriminiert werden.
Journalistische Distanz sieht anders aus als die euphorischen Lobpreisungen der "Süddeutschen". Normalerweise wird in den deutschen Medien nur Annalena Baerbock dermaßen verherrlicht. Auch bei Politikern würdigen Journalisten inwischen weit weniger Kompetenz, Leistung und Ergebnisse als die "richtige", also feministische, Haltung.
2. In Melbourne, Australien, mussten sich Oberstüfler öffentlich dafür entschuldigen, weiße, christliche Männer zu sein:
Letzten Mittwoch wurde das Parkdale Secondary College im südlichen Melbourner Vorort Mordialloc von einer Sozialarbeiterin des örtlichen Kingston Council besucht.
Die Sozialarbeiterin sprach über Privilegien, Pronomen und Intersektionalität.
Während des Vortrags soll die Sozialarbeiterin Jungen, die heterosexuell, weiß und christlich waren, aufgefordert haben, sich vor ihren Mitschülern zu erheben.
Ihnen wurde dann gesagt, dass sie aufgrund ihres Privilegs dafür verantwortlich seien, "Unterdrücker" zu sein.
Die Schüler waren Berichten zufolge schockiert und schämten sich nach dem Vorfall.
Wenige Wochen zuvor war es zu einem ähnlichen Vorfall an einer Schule der australischen Hafenstadt Warrnambool gekommen. Dort hatte man Jungen in ähnlicher Weise gezwungen, bei einer Versammlung aufzustehen und sich bei ihren weiblichen Mitschülern zu entschuldigen.
3. Die preisgekrönte neuseeländische Komikerin Rose Mafeo erklärte, dass es ihren männlichen Kollegen untersagt werden solle, bei ihren Auftritten die MeToo-Kampagne zum Thema zu machen:
In einem aktuellen Interview sprach sich die neuseeländische Stand-up-Künstlerin gegen ihre männlichen Kollegen aus. "Letztendlich profitiert man finanziell immer noch davon, dass man Teil des Problems ist, wenn man die Sache diskutiert", sagte sie dem Evening Standard. "Ich bin es leid, sensible Männer zu sehen, die sagen: 'Was können wir tun? Was können wir TUN? Abgesehen davon, eine einstündige Show darüber zu schreiben ... was können wir TUN?'"
4. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute:
Hallo Herr Hoffmann,
als regelmäßiger Leser Ihres Blogs Genderama und gleichzeitig Angestellter einer evangelischen Landeskirche habe ich die Entwicklungen in Sachen "Feminismus und Gender" in meiner Organisation seit einiger Zeit im Blick. Ein erstaunlich nonkonformer Beitrag zur Sache von der emeritierten Theologieprofessorin Dorothea Wendebourg wurde nun im Evangelischen Pressedienst veröffentlicht - zuerst habe ich nachgeschaut, ob er nicht schon am 1. April herauskam ...
Ich verlinke ihn Ihnen mal: "Frauenarbeit ist verzichtbar."
Es ist aber schon auffällig, dass häufig erst nach erfolgter Pensionierung oder Emeritierung führende Personen aus Parteien und Kirchen den Mut finden, sich mit unbequemen eigenen Meinungen frei zu äußern.
Allerdings. Eines der frappierendsten Beispiele war schon vor zehn Jahren Professor Jens Alber, Soziologe und Forschungsdirektor für Ungleichheit und soziale Integration am Wissenschaftszentrum Berlin unter der meinungsstarken Feministin Jutta Allmendinger. Alber wies auf ein zentrales Missverhältnis in unserer Gesellschaft hin: Während es immer mehr Ungleichheiten zu Lasten von Männern gebe, werde in der Geschlechterdebatte dermaßen mit zweierlei Maß gemessen, dass wir hier "inzwischen ein ebenso beeindruckendes wie bedrückendes Maß einer verzerrten Realitätskonstruktion erreicht haben, das allmählich einer kollektiven Gehirnwäsche nahekommt". Während die mehr und mehr schwindenden Diskriminierungen von Frauen weiterhin in den Vordergrund gerückt würden, blieben Benachteiligungen und soziale Problemlagen, von denen Männer betroffen sind, weitgehend marginalisiert. Alber nannte einige Beispiele und zog zum Schluss seines Artikels das Fazit: "Zumindest sollten diejenigen, die das Geschlecht auch weiterhin als eine zentrale Dimension sozialer Ungleichheit darstellen wollen, allmählich auch die Ungleichheiten zu Ungunsten von Männern zur Kenntnis nehmen. Die Männer wären gut beraten, wenn sie den Universalismus als Wert weiterhin hochhielten, überdies aber eine Sensibilität für die Verwendung von Doppelstandards erkennen ließen und der mit harten Bandagen und doppelten Standards aufwartenden Interessenverfolgung engagierter entgegenträten."
Bezeichnenderweise äußerte sich Professor Alber entsprechend unmittelbar vor seinem Rückzug in den Ruhestand. Solche Fälle erlebe ich immer wieder. Man könnte meinen, dass Menschen Sanktionierungen befürchten müssen, wenn sie sich noch während ihrer Karriere männerfreundlich äußern. Das kann aber natürlich nicht sein, denn wir leben ja bekanntlich in einer freien Gesellschaft und zugleich einem Frauen unterdrückenden Patriarchat.
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