Aufregung um Friedrich Merz, Sarah Wagenknecht und einen Bügelservice – News vom 18. April 2021
1. Friedrich Merz hinterließ gestern folgende Wortmeldung auf Twitter:
Grüne und Grüninnen?
Frauofrau statt Mannomann?
Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Mutterland?
Hähnch*Innen-Filet?
Spielplätze für Kinder und Kinderinnen?
Wer gibt diesen #Gender-Leuten eigentlich das Recht, einseitig unsere Sprache zu verändern?
Auf diesen Tweet erhielt Merz derart viele feindselige und offen beleidigende Reaktionen, dass mehrere Medien darüber berichteten – etwa "Der Westen", der als SPD-nah eingeordnet wird, unter der Clickbait-Schlagzeile "Friedrich Merz kurz vor Comeback im Bundestag – aber DAMIT löst er neue Empörung aus":
Dann teilte er albern gegen die Grünen und gendergerechte Sprache aus, offenbar um die konservativ gestimmte Basis zu erreichen. Diese Attacke ruft seine politischen Gegnern auf den Plan. Im Netz ist die Empörung groß. So eine Äußerung sei einfach nur noch peinlich und aus der Zeit gefallen.
Der Artikel ist so einseitig, wie man es erwarten durfte: Menschen, die die Gendersprache kritisch sehen, gelten als "konservativ"; die über neuntausend Menschen, die Merz zustimmten, werden erst gar nicht erwähnt. Hier spielen sich die identitätspolitische Twitter-Bubble und die Leitmedien perfekt die Bälle zu, verstärken einander und profitieren voneinander: Die Leitmedien erhalten Material, um Genderkritiker als "aus der Zeit gefallen" zu verunglimpfen. Der Twitter-Mob wiederum wird durch die Erwähnung in den Leitmedien aufgewertet – oder wie es Douglas Murray in seinem Buch Der Wahnsinn der Massen" formuliert (das auch Kapitel zum Feminismus und zum "Krieg gegen die Männer" enthält):
Wie die Arbeiten von Jon Ronson und anderen über das sogenannte "Public Shaming" – eine Art virtueller Steinigung, eine Hexenjagd im Netz, eine Strafe am digitalen Pranger – gezeigt haben, lässt das Internet neue Formen des Aktivismus und Mobbings zu, verkleidet als sozialer Aktivismus, der den Tenor der Zeit widerspiegelt. Der Drang, Leute zu finden, denen man vorwerfen kann, "falsch zu denken", funktioniert, weil der Täter belohnt wird.
Natürlich verstärkt sich die identitätspolitische Bubble auf Twitter auch gegenseitig. Gerade bei den Kommentaren unter dem Merz-Tweet erkennt man gut: Je schärfer eine Beleidigung gegen Merz formuliert wurde (die Journalistin Hatice Akyün etwa empfahl Merz psychotherapeutische Hilfe, der Kinder- und Jugendpsychologe Eberhard Schlie spricht von "Hohlraum statt Hirn", die Autorin Erzählmirnix nennt Merz einen "besonders peinlichen Konservativen"), desto höher stieg die Zahl der Likes. Das führte schnell zu einem Überbietungswettbewerb: Wo der eine Merz eine "Bewerbung bei der AfD" vorwarf, musste der andere schon an Merz Verstand zweifeln und ein Dritter Merz den "letzten Dorftrottel" nennen, um mithalten zu können.
~ Hass und Internetmobbing gibt es aber dennoch bekanntlich nur vom rechten Lager. ~
Auch "Die Zeit" greift auf der Grundlage einer dpa-Meldung den Furor gegen Merz einseitig und unkritisch auf:
Hämische Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. In unzähligen Kommentaren unter dem Tweet wurde Merz aufs Schärfste kritisiert. Die Autorin Sophie Passmann etwa schrieb: "Der Witz war 2008 ganz lustig und damit sind Sie sich selbst im Vergleich zu Ihrem restlichen Weltbild weit voraus." Die Europaabgeordnete Katrin Langensiepen (Grüne) erklärte: "Es schMERZt".
Zuvor hatte Merz sich auf dem Nominierungsparteitag im Hochsauerlandkreis ähnlich geäußert. Laut vorab verbreiteten Redemanuskript sagte er außerdem: "Wir werden niemandem erlauben, Meinungsfreiheit an Schulen und Universitäten einzuschränken, und wir sagen auch klar, dass wir in dieser Zeit andere Herausforderungen sehen, als uns damit zu beschäftigen, die Mohrenstraße umzutaufen oder Universitätsarbeiten schlechter zu bewerten, weil die oder der "Zuprüfende" die "Gender***" nicht richtig gesetzt hat." Der CDU-Kreisverband wählte den 65-jährigen Merz in einer Kampfabstimmung zum Direktkandidaten für den Wahlkreis.
2. Opfer solcher "virtuellen Steinigungen" werden aber auch wir nonkonformen Linken, beispielsweise Sarah Wagenknecht. Sie kritisiert im Interview mit dem Deutschlandfunk ebenfalls ein Überhandnehmen der Identitätspolitik in Wagenknechts eigenem politischen Lager, während viele Bürger ganz andere Probleme beschäftigen:
Es gelingt den linken Parteien nicht, diesen Menschen ein attraktives Angebot zu machen, und stattdessen führt man teilweise wirklich abgehobene Diskussionen über Sprachverbote, Denkverbote, die an den Problemen der Leute, die jeden Monat hart arbeiten, die oft genug um ihren Wohlstand immer mehr kämpfen müssen, an deren Problemen einfach vorbeigehen.
(…) Es ist ja kaum noch möglich, irgendwie rational über eine Lösung von Problemen zu diskutieren. Es ist einerseits natürlich, dass von der politischen Rechten gehetzt wird, aber das erwartet man nicht anders. Aber dass jetzt auch Linke im Grunde jeden, der abweicht – sofort hat man dann die Keule, man sei ein Rassist, man sei gar noch ein Nazi. Das ist ja alles so inflationär gebraucht. Das ist eine Art der Diskussion, die überhaupt nicht hilfreich ist.
(…) Die übergroße Mehrheit der Menschen sieht sich als Mann oder Frau und möchte sich dafür auch nicht entschuldigen und hat auch andere Probleme als solche Diskussionen. Das ist das, was ich damit meine, und nicht den Kampf gegen Diskriminierung von Minderheiten. Das ist ein selbstverständliches linkes Anliegen und das ist von mir immer unterschrieben worden – selbstverständlich!
3. In der Schweiz sorgte ein anderen Fall wegen mangelnder geschlechterpolitischer Korrektheit für Unmut und schließlich Zensur:
Die St.Gallerin Franziska Portmann hat beschlossen, neben ihrem Job im Gesundheitswesen einen Bügelservice zu starten. Dafür wollte sie im Mitteilungsblatt der Gemeinde Mörschwil werben. Ihr Inserat stiess allerdings auf Empörung und wurde verweigert.
Hier erfährt man mehr.
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