Freitag, April 23, 2021

Friedrich Merz liebäugelt mit Verbot von Gendersprache – News vom 23. April 2021

1. Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat sich jetzt sehr deutlich zur feministischen Sprachpolitik geäußert:

Den wachsenden Zwang zum Gebrauch von "Gendersprache" halte er für "rechtlich angreifbar", sagte Merz. "Es gibt nach meiner Wahrnehmung einen kulturellen Konsens in der Republik – die überwiegende Mehrheit der Menschen lehnt die Gendersprache ab."

Merz kritisierte ausdrücklich Universitäten und TV-Moderatoren für ihre sprachlichen Regeln. "Wer gibt zum Beispiel Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern das Recht, Prüfungsarbeiten auch danach zu bewerten, ob die Gender-Sternchen verwendet werden oder nicht?", fragte der CDU-Politiker. "Wer gibt Nachrichtenmoderatorinnen und -moderatoren das Recht, in ihren Sendungen einfach mal so eben die Regeln zur Verwendung unserer Sprache zu verändern?"

Merz erinnerte daran, dass Frankreich allen staatlichen Institutionen untersagt habe, geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. "Die Franzosen haben offenbar ein besseres Feingefühl für den kulturellen Wert ihrer sehr schönen Sprache", sagte Merz. Gerade in gesellschaftlich verantwortungsvollen Positionen "kann das nicht jeder so machen, wie er das vielleicht gerne hätte."

Die Bevölkerung habe das Recht, "dass gerade die mit Pflichtbeiträgen finanzierten Medien Rücksicht nehmen auf ihre Empfindungen und ihre Meinung". Und Studentinnen und Studenten an den Universitäten hätten das Recht, "dass ihre Prüfer auf sach- und wissenschaftsfremde Bewertungskriterien in den Prüfungsarbeiten verzichten".




2. Der SWR berichtet darüber, wie die grün-schwarze Regierung in Baden-Württemberg das Wahlrecht ändert, um mehr Frauen ins Parlament zu bekommen:

Nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg haben Grüne und CDU angekündigt, das Wahlrecht ändern zu wollen. Das gab Grünen-Chef Oliver Hildenbrand auf einer Pressekonferenz am Donnerstag bekannt. "Unser Landesparlament soll noch deutlicher ein Spiegelbild der Gesellschaft werden", so Hildenbrand. "Mit mehr Frauen, mehr jungen Menschen, mit mehr Menschen mit Zuwanderungsgeschichte."

Bereits vorab war bekannt geworden, dass sich die Arbeitsgruppe Inneres, Justiz und Verfassung darauf geeinigt hatte, dass es künftig ähnlich wie im Bund ein Zwei-Stimmen-Wahlrecht geben soll. Die Einigung ist keine Überraschung, weil Grüne und CDU schon in ihrem Sondierungspapier geschrieben hatten, ein personalisiertes Verhältniswahlrecht mit einer geschlossenen Landesliste einführen zu wollen. Zudem sollen Jüngere schon ab 16 Jahren wählen dürfen. Künftig sollen Wählende mit der Erststimme ihren Direktkandidaten im Wahlkreis in den Landtag wählen können. Die Zweitstimme soll wie bei der Bundestagswahl an eine Partei gehen. Entsprechend dem landesweiten Stimmenanteil käme dann eine gewisse Anzahl von Kandidatinnen und Kandidaten von den Landeslisten der Parteien ins Parlament. Ziel der Reform ist unter anderem, mehr Frauen ins Parlament zu bekommen. Die Parteien könnten auf ihren Listen Frauen weit vorne platzieren.




3. In Wien wurde die "geschlechtergerechte" Verteilung von Filmfördermitteln beschlossen.



4. Das ZDF-Magazin "Frontal 21" hat sich in einem viertelstündigen Beitrag mit der Spaltung unserer Gesellschaft durch die Identitätspolitik beschäftigt: "Schweig, alter weißer Mann!" Der Beitrag ist differenziert und informativ: Wenn etwa sogar eine Frau, die einen queer-feministischen Buchladen eröffnet, Stress bekommt, weil ihr Großvater ein Nationalsozialist war, läuft etwas derart falsch, dass auch das ZDF es nicht mehr übersehen konnte.



5. Auch die Islamische Zeitung greift das Thema auf. Ein Auszug:

Die [feministische] Journalistin und Autorin Mithu Sanyal erklärte, dass es tatsächlich einen aggressiven Ton in der Gesellschaft gebe. Sie stelle sich aber die Frage, ob die Mehrheit wirklich gefährdet sei. "Und ich glaube, sie ist es in ganz bestimmten, kulturell geführten Debatten." In diesen Fällen müsse man aufpassen. In den meisten anderen Bereichen sei jedoch das Gegenteil der Fall. So sei die Minderheit der migrantisch geprägten jungen Männer die Verlierer in der Schule.




6. Die Autorin Şeyda Kurt fordert in ihrem neuen Buch, das ideologisch belastete und deshalb fragwürdige Konzept der Liebe durch den Begriff der "Zärtlichkeit" zu ersetzen:

Hintergrund ihres Buches sei die Überlegung gewesen, dass die Gesellschaft hauptsächlich über Unterdrückungsverhältnisse strukturiert sei. Doch gerade diese würden aus intimen Beziehungen herausgelassen. Kurt hat sie nun wieder dorthin zurückgebracht:

"Ich versuche, die Debatten, die wir über Antirassismus und intersektionalen Feminismus in den letzten Jahren führen – und die erfreulicherweise auch vor allem unter jungen Menschen sehr stark geworden sind –, mit in meine Beziehung zu tragen, weil es mir ein Anliegen ist, gewisse patriarchale Logiken zu dekonstruieren, die auch in der westeuropäischen Philosophie und Aufklärung sehr stark gemacht wurden", erläutert die Autorin.

Kurt versteht ihr Buch auch als politische Arbeit. Denn es gehe ihr darum, "patriarchale, rassistische und kapitalistische Tradierungen in der Liebe" deutlich zu machen. Die romantische Liebe wie auch der Kapitalismus hätten sich zwar durchgesetzt und seien dominant, doch sollten sie nicht als "unumstößlich" angenommen werden. Ein anderes Miteinander sei denkbar, unterstreicht Kurt.


Das Buch steht derzeit auf Platz 1 in den Amazon-Chart-Rubriken "Genderstudien", "Soziale Gerechtigkeit" und "Queer Studies".



7. Nochmal zurück zum Thema Gendersprache – das Blog "Wahlinfo Passau" fordert einen reflektierteren Umgang damit:

Nachdem wir als feministischer Internetblog seit Kurzem auch eine Soko "Gender-Verbrechen" betreiben, die Tag und Nacht nach falsch oder gar nicht gegenderten Plural- oder sonstigen Wortkonstruktionen fahndet, sind wir aktuell in einem sehr prominenten und damit um so erschreckenderen Fall fündig geworden.

Über die Überschrift in der PNP "Baerbock als Kanzlerkandidatin der Grünen nominiert" mussten wir zunächst noch schmunzeln. Typisch bayerische Provinzjournalierende – die können nicht mal richtig gendern. In der weiteren Recherche waren wir dann endgültig geschockt. Nicht nur bei den politisch stets korrekten Spiegel-Kolumnist°innen, nein auch bei den links-feministischen taz-Kolleg;-)innen, bei den neoliberal-reaktionären FAZ-Chauvinist+innen sowieso – überall stand dasselbe: "Baerbock wird Kanzlerkandidatin."

Liebe Journalist§innen – was soll das? Jetzt haben wir seit über 15 Jahren eine KanzlerIN und Baerbock will jetzt auf einmal Kanzler werden? Nein, sicher nicht! Baerbock ist KanzlerINkandidatin. Und zwar definitiv Kanzlerinkandidatin und nicht Kanzler:innenkandidatin, weil sie ja nicht entweder Kanzler oder Kanzlerin, sondern ganz bestimmt Kanzlerin werden will. (zur richtigen, fallspezifischen Verwendung von Kanzler:innenkandidatin später mehr)

Wir erhofften uns Bestätigung und Klärung auf der Homepage der Grünen. Wenn einer gendern kann, dann die besserverdienenden Lastenradfahrenden. Weit gefehlt. Zitat: "Annalena Baerbock ist die grüne Kanzlerkandidat:in zur Bundestagswahl 2021." Wie bitte? Kanzlerkandidat:in? Bei Annalena Baerbock handelt es sich – soweit bekannt – um eine einzelne weibliche Person. Warum ist sie dann nicht Kandidatin? Wenn sie Kanzlerkandidat:in ist, bedeutet das doch wohl, dass sie sich ihres Geschlechtes nicht sicher ist oder sich auf keines festlegen will, aber trotzdem weiß, dass sie ein männlicher Kanzler werden will. Sonst wäre sie ja wohl (siehe oben) Kanzlerinkandidatin.


Hier geht es weiter mit einer "Lektion für Fortgeschrittene" anhand einer vetrackten Situation, über die sich viele vermutlich noch gar nicht richtig Gedanken gemacht haben.





8. Wir kommen zur Reklame, einer neuen Genderama-Rubrik inspiriert durch die Amadeu-Antonio Stiftung:

Eine Rezensentin von "LovelyBooks" hat gestern meinen aktuell erschienenen Ratgeber "Lecken" besprochen.

Eine weitere Rezensentin stellt diesen Ratgeber im Magazin "Was liest du?" vor.

Meine Erotik-Ratgeber werden von Frauen offenbar ganz unterschiedlich beurteilt: von Frauen, die diese Bücvher ganz offenkundig nicht gelesen haben (Veronika Kracher) negativ; von Frauen, die sich mit Sexualität und Erotik auskennen, hingegen sehr gut.






X. Zuletzt die Post. Eine Leserin, die gerne mit ihrem Vornamen Tanja vorgestellt werden möchte, schreibt mir zu der Kontroverse über die Menstruationshandschuhe:

Hallo,

bestimmt gibt es dazu viele Zuschriften und sicherlich/hoffentlich auch welche von Frauen. Ich wollte nur anmerken, dass ein solches Produkt, so es denn das Bedürfnis danach gibt, ja schon lange existiert: der Gunmihandschuh. Gibt's im 50er Pack und größer, auch in verschiedenen Farben. Für weitaus weniger Geld. Von daher ist das Produkt eigentlich nur Beispiel für Auswüchse des Kapitalismus, wo Leuten Sachen verkauft werden für Probleme, deren Lösung gar nicht notwendig war. In Einzelverpackung. Und pink. Mit jeder Menge venture capital.

Das kaufen dann Frauen ... und beschweren sich über "pink tax". Sorry. Wer sich so verarschen lässt ...

Zum Bedürfnis und der Frage, ob es denn überhaupt existiert: Öffentliche Ort ohne Entsorgungsmöglichkeit für Damenhygieneprodukte sind wirklich selten. Eher sehe ich noch einen Bedarf bei Besuchen in privaten Haushalten, in denen selten oder kaum (menstruierende) Frauen verkehren oder es andere Anlässe für einen kleinen Mülleimer im Bad gibt. Hier behilft "frau" sich damit, das ganze Geschehen in viel Klopapier einzuwickeln und nach dem Restmülleimer zu fragen ... Eine leere Tempo-Packung täte es auch. Und ich kenne Frauen, die dafür aus ihrer Handtasche schon den Hundekot-Beutel benutzt haben. In den zehn Fällen im Leben, wo das mal vorkommt ...

Zur Debatte, wie so was in gemischten WGs gehandhabt wird, kann ich mangels Erfahrung nichts beitragen. Ich gehöre eher zur Fraktion derer, die mit solchen Körpervorgängen normal, aber mit dem gebotenen Anstand umgehen. Da kann man den Wohnungsinhaber gegebenfalls auch mal drauf hinweisen, dass so ein Mülleimer ganz praktisch wäre, wenn frau denn künftig öfter vorbeikommen will.

Zum Leserbriefschreiber: Tampons hat ein Mann erfunden, ja. Ob es ein Bedürfnis war, oder ob diese Erfindung eine gute ist, sehen Frauen unterschiedlich. Vielleicht haben die menstruationsbewegten Frauen deswegen keine erfunden. Sondern konzentrieren sich auf Menstruationstassen und derlei nachhaltige Produkte. Deren Handling in öffentlichen Toiletten ist übrigens bisher für manche Frauen tatsächlich etwas kompliziert, allerdings fiel mir da bisher auch keine Lösung ein.

Ein 08/15-Artikel aus dem medizinischen Bereich vielleicht?!

Zum eigentlichen Punkt, dass Hass und Drohungen ja wohl dem Fass den Boden ausschlagen und dass es ein Unding ist, dass immer so getan wird, als käme sowas immer nur aus bestimmten Richtungen ... dazu schreibe ich jetzt nichts weiter, das versteht sich von selbst!

PS in eigener Sache sozusagen: Danke auch für Ihre Links und Beiträge zum Thema "Väter". Wir sind gerade frisch Eltern geworden und reden aus Anlass dieser Beiträge sehr oft über unsere eigenen Rollenverständnisse, -erwartungen und Wünsche. Und regen uns sehr darüber auf, dass es nach einem "Glückwunsch" und gelegentlichem Smalltalk für den Chef keine Rolle spielt, dass man Vater geworden ist. Da werden trotzdem Meetings um 19 Uhr angesetzt ... Die mein Mann konsequent absagt, aber da ist er natürlich in einer guten Position, sich das "herausnehmen" zu können.

Heute hatte ich einen Zahnarzttermin und zum Verbleib des Babys in dieser Zeit fragte die Arzthelferin, ob denn meine Mutter jetzt beim Kind sei. Ich war recht geplättet. Nein, die Kleine ist beim Papa! Ja, die kommen klar. Ist ja ihr Papa. Sie ist satt, und alles andere kann der Papa ja auch. Ich hoffe, die Welt ändert sich.




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