In der Fachzeitschrift "Nature", einem der weltweit angesehensten Forschungsmagazine, ist vor wenigen Tagen eine Studie der Computerwissenschaftlerin Erica Coppolillo über Hass gegen Männer im Internet erschienen:
"Frauen, die Männer hassen: eine vergleichende Analyse der extremistischen Reddit-Gemeinschaften". Im der Studie vorgeschalteten "Abstract", der Zusammenfassung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse, heißt es:
Während Frauenfeindlichkeit in der gegenwärtigen sozialen Online-Landschaft ein gut etabliertes Thema ist, bleibt Hass gegen Männer deutlich untererforscht. Um diese Diskrepanz zu beheben und das Phänomen der geschlechtsspezifischen Hassrede besser zu verstehen, analysieren wir vier offen als frauenfeindlich und misandrisch deklarierte Reddit-Communities und untersuchen ihre Merkmale auf sprachlicher, emotionaler und struktureller Ebene. Wir untersuchen, ob es möglich ist, substanzielle und systematische Unterschiede zwischen frauenfeindlichen und misandrischen Gruppen zu entwickeln, wenn heterogene Faktoren berücksichtigt werden. Unsere experimentelle Auswertung zeigt, dass keine systematischen Unterschiede zu beobachten sind, wenn eine doppelte Perspektive, sowohl von Mann zu Frau als auch von Frau zu Mann, eingenommen wird, was darauf hindeutet, dass geschlechtsspezifische Hassreden nicht durch das Geschlecht der Täter verschärft werden, sondern ein gemeinsamer Faktor schädlicher Gemeinschaften sind.
Schon die Tatsache, dass diese Studie überhaupt durchgeführt wurde, steht komplett quer zur gesellschaftlichen Kultur auch hierzulande. Während etwa deutsche Journalisten und Redaktionen besessen von der Vorstellung sind, es könnte einen weit verbreiteten Hass gegen Frauen geben, und deshalb seit Wochen hunderte von Artikeln veröffentlichen, in denen sie eine reißerische Netflix-Serie wie eine Dokumentation behandeln, demonstrieren sie noch deutlicher ihr komplettes Desinteresse am gesellschaftlich tatsächlich breit akzeptierten Hass auf Männer.
Wenn beispielsweise in irgendeinem Land eine Autorin wie Pauline Harmange ein Pamphlet herausgibt, das zum Hass gegen Männer aufruft, können etwa beim Rowohlt-Verlag die Korken gar nicht schnell genug aus den Sektflaschen knallen, und die Lektoren stürzen sich augenblicklich auf dieses Manuskript, um es zügig
auch in Deutschland herauszubringen. Wie sehr etliche Leser diesen kranken Hass zu schätzen wissen, zeigen 286 Rezensionen auf Amazon, die dem Buch die Höchstwertung verleihen. Auf der Amazon-Seite sind auch die Reaktionen zusammengestellt, die das Buch in den Medien erhalten hat. Sie reichen von "Harmange hat recht" (Frankfurter Neue Presse) bis zu "Ihr Essay sensibilisiert für vergeudete Energien und mobilisiert für Schwesternschaft und gelebte Männer-freie Räume" (n-tv). Journalisten wie Lektoren liegen einander in den Armen, wenn sie gemeinsam jauchzen: "Euer Hass ist rechts und mörderisch, unser Hass ist geil, geil, GEIL!!!"
Bücher, die in vergleichbarer Weise zum Hass gegen Frauen aufrufen gibt es nicht und wären erst recht bei einem großen Publikumsverlag undenkbar.
Gleichzeitig wird vollmundig eine Schrift mit dem Titel "Mapping the German Manosphere" angekündigt, bei der man jetzt schon absehen kann, dass Männer, die sich online äußern, dort als Problem gelten werden, während es nichts Vergleichbares über ebenso problematische Äußerungen von weiblicher Seite gibt.
Die aktuelle Studie gießt einige Wermutstropfen in den Champagner. Sie befasste sich mit dem wenig erforschten Phänomen der Misandrie (Männerfeindlichkeit) in Online-Räumen, insbesondere im Vergleich zu dem ausführlich untersuchten Thema der Frauenfeindlichkeit. Dazu führte sie eine vergleichende Analyse von vier offen männer- und vier offen frauenfeindlichen Reddit-Communities durch und untersuchte ihre sprachlichen, emotionalen und strukturellen Merkmale. Sie gelangte zu folgenden Ergebnissen:
- Die experimentelle Auswertung ergab KEINE systematischen Unterschiede zwischen frauen- und männerfeindlichen Gruppen, wenn man die Hassrede von Mann zu Frau und von Frau zu Mann betrachtet. Dies deutet darauf hin, dass geschlechtsspezifische Hassrede ein gemeinsamer Faktor in toxischen Online-Gemeinschaften ist, unabhängig vom Geschlecht des Täters.
- Die Studie weist ein enormes Ungleichgewicht in der akademischen Aufmerksamkeit nach: Eine Suche nach "Online-Frauenfeindlichkeit" ergibt bei weitem mehr Ergebnisse als "Online-Männerfeindlichkeit", wobei letztere erst seit etwa 2014 in der wissenschaftlichen Forschung behandelt wird.
- Die Studie ist die erste, die einen systematischen Vergleich von männerhassenden und frauenfeindlichen Online-Communities aus zwei Perspektiven durchführt und damit eine bemerkenswerte Lücke in der Literatur schließt.
- Geschlechtsbezogene Hassreden im Internet schaden Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht.
- Wirksame Lösungen sollten geschlechtsunabhängig sein, um einen fairen und umfassenden Schutz für alle Betroffenen zu gewährleisten.
Für die allermeisten Männerrechtler dürften diese Resultate klar und einleuchtend sein, zumal sie unsere eigenen Beobachtungen bestätigen. Dem Tunnelblick, der in der Geschlechterdebatte ansonsten gepflegt wird, laufen diese Erkenntnisse jedoch derart zuwider, dass die meisten, die sich in dieser Debatte lautstark äußern, komplett damit überfordert sein dürften, diese Erkenntnisse überhaupt intellektuell zu verarbeiten: Es wäre, wie wenn man einen Forscher des Mittelalters mit Quantenphysik behelligen würde.
Wie kommt es überhaupt zu der ungleichen Gewichtung, dass Hass gegen Frauen als Katastrophe und Hass auf Männer mit Begeisterung wahrgenommen wird? Wenn man die Erkenntnisse der aktuellen Untersuchung sowie einer
älteren vergleichenden Studie (Erasmus University Rotterdam) zusammenführt, gelangt man zu folgenden Gründen für diese bizarre Kluft:
- Über Hass gegen Frauen gibt es seit Jahrzehnten einen gut etablierten globalen Diskurs und erhebliche wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Im Gegensatz dazu wird Männerfeindlichkeit erst seit Kurzem in wissenschaftlichen Arbeiten behandelt - 13 Jahre nach den ersten Untersuchungen zur Online-Frauenfeindlichkeit.
- Eine quantitative Analyse zeigt ein krasses Missverhältnis: Die Suche nach "Online-Misogynie" ergibt bei Google Scholar etwa 150.000 Ergebnisse, verglichen mit nur etwa 19.600 für "Online-Misandrie".
- Frauenfeindlichkeit wird oft mit umfassenderen systemischen und institutionellen Problemen wie dem "Patriarchat", "männlichen Privilegien" und Diskriminierung in Verbindung gebracht, die im Mittelpunkt der feministischen Bewegungen und der Sozialpolitik stehen. Dies hat zu einer stärkeren institutionellen und akademischen Unterstützung der Forschung über Frauenfeindlichkeit geführt.
- Männerfeindlichkeit wird manchmal als Reaktion auf "patriarchale" Normen oder als rhetorisches Mittel innerhalb des feministischen Diskurses und nicht als eigenständige Form der Hassrede dargestellt. Diese Einordnung kann dazu beitragen, dass der Begriff in der akademischen Forschung an den Rand gedrängt wird.
- Allerdings betont die neueste Forschung die Notwendigkeit eines doppelperspektivischen Ansatzes, der anerkennt, dass sowohl Misogynie als auch Misandrie Formen von geschlechtsspezifischer Hassrede sind, die Einzelpersonen und Gemeinschaften schaden. Es gibt einen wachsenden Ruf nach ausgewogener, geschlechtsneutraler Forschung und Interventionen, um alle Formen von Online-Hassreden gleichermaßen anzugehen.
Als Männerrechtler weiß ich nie, ob ich glücklich oder unglücklich damit sein sollte, an der Speerspitze der Geschlechterforschung zu stehen. Einerseits gibt einem dieses Wissen Selbstbestätigung. Andererseits starren mich Journalisten bei Interviews regelmäßig an wie die Kuh beim Gewitter, so als könnten sie gar nicht verarbeiten, was ich von mir gebe. (Grüße gehen raus an Mo Asumang & Co.) Das lässt mich eher verzweifeln.
Sowohl der aktuellen Forschung als auch meiner persönlichen Einstellug als Männerechtler zufolge hat es eine ganze Reihe unschöner Folgen, wenn wir uns allein auf Frauenfeindlichkeit konzentrieren und die Verbreitung von (Online-)Hass auf Männer ignorieren:
1. Unvollständiges Verständnis von geschlechtsspezifischer Hassrede
Die Konzentration auf Frauenfeindlichkeit und die Vernachlässigung von Misandrie führt zu einem begrenzten und einseitigen Verständnis der Funktionsweise von geschlechtsspezifischer Hassrede im Internet. Dieses Versäumnis schränkt die Entwicklung umfassender Theorien und Interventionen ein, die sich mit allen Formen geschlechtsspezifischer Feindseligkeit befassen.
2. Verstärkung geschlechtsspezifischer Stereotypen und Polarisierung
Wenn Misandrie übersehen wird, kann sich die Vorstellung verfestigen, dass nur Frauen Opfer von geschlechtsspezifischem Hass sind, wodurch Stereotypen verstärkt und möglicherweise antagonistische "Geschlechterkriege" im Internet angeheizt werden. Diese Dynamik kann die Spannungen eskalieren und die Gräben zwischen den Geschlechtern vertiefen, da männerfeindliche Inhalte - die oft als Humor oder Trolling dargestellt werden - normalisiert und zum Mainstream werden.
3. Untergrabung des Wohlbefindens von Männern und Jungen
Wenn Männerfeindlichkeit nicht anerkannt und untersucht wird, bedeutet dies, dass die psychologischen, sozialen und rufschädigenden Schäden, die Männer und Jungen erleiden, nicht angemessen anerkannt oder behandelt werden. Dies kann dazu beitragen, dass sich Männer ausgegrenzt und vernachlässigt fühlen, was sich auf ihre psychische Gesundheit und soziale Teilhabe auswirkt.
4. Unausgewogene politische und rechtliche Maßnahmen
Politische und rechtliche Rahmenbedingungen, die ohne Berücksichtigung von Männerhass entwickelt wurden, sind möglicherweise weniger wirksam oder sogar voreingenommen, da sie nicht das gesamte Spektrum des geschlechtsspezifischen Missbrauchs berücksichtigen. Dies kann zu ungleichem Schutz und ungleicher Unterstützung für die Opfer führen, unabhängig vom Geschlecht.
5. Verpasste Gelegenheiten für Prävention und Bildung
Ohne Forschung über Männerhass können Bildungsprogramme und Online-Moderationsstrategien schädliche Inhalte, die auf Jungen und Männer abzielen, nicht erkennen oder ihnen entgegenwirken. Diese Lücke schränkt die Wirksamkeit von Maßnahmen ein, die ein respektvolles und integratives Online-Umfeld fördern sollen.
6. Erosion des sozialen Vertrauens und der Bürgerbeteiligung
Die Vernachlässigung von Männerfeindlichkeit kann zu einem breiteren Gefühl der Ungerechtigkeit und Ausgrenzung beitragen, insbesondere bei jungen Männern, die gesellschaftliche Institutionen als gleichgültig gegenüber ihren Erfahrungen empfinden können. Dies kann das Vertrauen in soziale Systeme untergraben und bürgerschaftliches Engagement erschweren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die mangelnde Erforschung von Männerhass weitreichende Folgen hat, vom unvollständigen akademischen Verständnis bis hin zu realen Schäden und sozialer Polarisierung. Die Auseinandersetzung mit Männer- und Frauenfeindlichkeit gleichermaßen ist eine wesentliche Voraussetzung für ausgewogene, wirksame Reaktionen auf Hassreden im Internet und für die Förderung der Gleichberechtigung in digitalen Räumen.
Das ist meine Auffassung als Maskulist. Und genau deshalb gelte ich, gelten wir, für viele Journalisten und Akteure in der etablierten Geschlechterpolitik als Feind.