Trans Person schockiert davon, was es bedeutet, ein Mann zu sein: "Ich beklage den Verlust von Privilegien, von denen ich nicht mal wusste, dass ich sie hatte"
1. Die Reihe von Berichten, in denen eine trans Person feststellt, dass es kein Zuckerlecken ist, ein Mann zu sein, ist um einen neuen Beitrag reicher geworden.
Trans Männer und trans Frauen haben die einzigartige Erfahrung, als mehr als ein Geschlecht zu leben - und all die gesellschaftlichen Erwartungen und/oder die Last, das damit einhergeht. Ihre einzigartige Perspektive bietet ihnen äußerst wertvolle Einblicke und Möglichkeiten für ein tiefes Verständnis - was hoffentlich bei den Zuhörern ein neues Mitgefühl für den Kampf, den jedes Geschlecht durchmacht, hervorruft.
Kürzlich sprach ein Transmann über den "Kulturschock" der männlichen Einsamkeit und erzählte, wie sehr es seiner Psyche geschadet hätte, wenn er gezwungen gewesen wäre, mit den oft heimtückischen Botschaften aufzuwachsen, die Jungen und Männer erhalten.
In einem Reddit-Beitrag sprach der Mann zunächst offen über die "soziale Isolation", die entsteht, wenn man ständig als "potenzieller Triebtäter" wahrgenommen wird.
Er merkte zwar an, dass "alle Fremden, unabhängig von ihrem Geschlecht, in meiner Nähe auf der Hut sind", aber vor allem Frauen wirkten "unglaublich distanziert, kalt und lustlos". Er fügte jedoch hinzu, dass er als jemand, der sich früher auf dieselbe Weise schützen musste, verstehe, woher die "Rüstung" komme ("Frauen sind nicht nur unnötig vorsichtig"). Aber für diejenigen, die noch nie ein Leben als Frau erlebt hatten, konnte er leicht nachvollziehen, wie diese Art von Verhalten als "Verschwörung" gegen das andere Geschlecht angesehen werden konnte.
"Selbst jetzt, mit all meinem Wissen darüber, wie man sich als Frau in der Welt zurechtfindet, gelingt es mir nicht, mein Hirn davon zu überzeugen, dass diese Rüstung keine soziale Ablehnung ist."
Und dann ist da noch das Fehlen der "inhärenten Kameradschaft", etwas, das die betreffende Person als Frau erfahren hat, das aber jetzt hart erkämpft werden muss. "Die Tatsache, dass ich keine gegenseitige Verwandtschaft bei einfachen Gesprächen mehr erfahre, ist ein wahnsinnig einsames Gefühl", schrieb er, "ich trauere um den Verlust eines Privilegs, von dem ich nicht einmal wusste, dass ich es hatte."
(…) "Es ist mir jetzt völlig klar, dass die meisten gleichgeschlechtlichen Männer wahrscheinlich unter chronischer emotionaler Unterernährung leiden. Sie werden gerade so viel sozialer Kontakte beraubt, dass es ihre Psyche ernsthaft beeinträchtigt, aber nicht genug, um zu merken, dass es passiert", schrieb er und fügte hinzu, dass es ihn sicherlich seelisch fertiggemacht hätte, so aufzuwachsen.
Dieser Beitrag sprach vielen wohlmeinenden Männern aus dem Herzen, die ihr ganzes Leben lang mit einer Form von Einsamkeit und Stigmatisierung zu kämpfen hatten.
"Es ist so seltsam, ich erinnere mich ganz genau an den Moment, als ich vom Kind zum Teenager wurde, von einem Moment, wo ich als ... niedlich oder harmlos oder was auch immer angesehen wurde, bis hin zu einer möglichen Bedrohung. Und das macht einen wirklich, wirklich, wirklich, wirklich fertig, und zwar auf eine Art und Weise, über die ich noch nie etwas gehört habe. Was ich verrückt finde, denn das ist wirklich eines der schlimmsten Dinge, die mir je passiert sind! Und ein Typ hat mal versucht, mich umzubringen!"
"Ich bin ein Typ, der diese Situation schon einmal erlebt hat. Einmal war ein Mädchen von vielleicht 10-12 Jahren oder so allein mit mir in einem großen Laden und hatte sichtlich Angst, allein zu sein. Ich halte mich im Allgemeinen für einen guten Menschen und mein Instinkt sagt mir natürlich, dass ich zu ihr gehen und versuchen sollte, ihr zu helfen. Nach einem Schritt hielt ich wirklich inne und dachte, wie kann ein fremder Kerl, der doppelt so alt ist wie sie, in dieser Situation etwas besser machen? Irgendwie ist es scheiße, dass ich diesen Gedanken habe."
(…) Dennoch gab es auch einige, die ermutigende Worte fanden, indem sie erzählten, wie es ihnen gelang, das Stigma zu durchbrechen, ihre eigenen Freundesgruppen zu bilden und trotz allem ein emotionales Bewusstsein zu entwickeln.
"Das Üben von emotionaler Reflexion hat es mir ermöglicht, eine erfülltere Beziehung zu führen, in der ich sofort erkennen und ansprechen konnte, wenn ich mich schlecht fühlte, bevor es schlimmer wurde - nicht nur mit meinem Partner, sondern auch mit Freunden. Ich glaube, dass die Gesellschaft zum Glück immer besser in der Lage ist, psychische Probleme anzuerkennen, und dass es auch für Männer wichtig ist, zu erkennen, wie wichtig es ist, auf ihre emotionalen Bedürfnisse einzugehen."
"Es macht wirklich einen enormen Unterschied, wenn man seinen Jungs eine SMS mit ‚Ich liebe dich‘ schickt. Schaffen Sie sich einen eigenen Raum der Fürsorge, wenn die Welt das nicht tut."
2. Der SWR, o Wunder, lässt einen Wissenschaftler in einem Podcast die tatsächliche Forschungslage bei häuslicher Gewalt erklären:
Endet häusliche Gewalt tödlich, sind die Opfer überwiegend Frauen. Doch ansonsten ist das Geschlechterverhältnis ziemlich ausgeglichen. Und häusliche Gewalt konzentriert sich – entgegen vieler medialer Darstellungen – auch nicht auf bestimmte soziale Milieus.
Christian Roesler ist Professor für klinische Psychologie an der Katholischen Hochschule Freiburg. Seine Studie über "Partnerschaftsgewalt und Geschlecht" ist 2024 als Buch im Nomos Verlag erschienen.
Im verlinkten Klappentext des Buches heißt es zutreffend:
Nach wie vor herrscht in der Öffentlichkeit die Auffassung vor, dass vor allem Männer Täter und Frauen Opfer sind. Das Buch zeigt in einem Überblick über Hunderte wissenschaftlicher Studien, dass beide Geschlechter in gleichem Maße zu Opfern bzw. Tätern werden. Die Versorgungsstrukturen für Betroffene orientieren sich aber nach wie vor am oben genannten Stereotyp.
Partnerschaftsgewalt kann nur durch zirkuläre Modelle angemessen erklärt werden, was grundsätzlich ein paartherapeutisches Vorgehen nahelegt; dieses ist als wirkungsvoll belegt, während die herkömmlichen Strategien der Inschutznahme des Opfers sowie Täterprogramme sich über Jahrzehnte hinweg als ineffektiv erwiesen haben.
Der Hörer, der mich auf den SWR-Podcast aufmerksam machte, schrieb mir dazu: "Fing erst unangenehm an, weil die Moderatorin empört schien, weil der Frauen-Opferstatus in Gefahr gerät. Sie hat den Gast anfangs noch oft abgewürgt und versucht, das Thema zu lenken. Hat aber irgendwann nachgegeben." Professor Roesler erklärt sehr gut, dass inzwischen über 700 Studien (!) die Gleichverteilung bei häuslicher Gewalt belegen, selbst Studien aus der Türkei und dem Iran. In de mediale Berichterstattung sickert dieses Wissen nur minimal ein. "Schreiben wir jetzt komplet an der Realität vorbei?", wundert sich die Journalistin.
3. Mein Buchtitel "Sind Frauen bessere Menschen?" hatte seinen Grund: Auch einer aktuellen Studie zufolge hält man Frauen für moralisch höherwertiger als Männer. Wenn Versuchsteilnehmer beispielsweise aufgefordert werden, sich das Gesicht einer "moralisch guten Person" vorzustellen, dann denken sie überwiegend an eine Frau. Darüber hinaus schreiben sie Frauen eher moralisch gute Eigenschaften zu.
4. Einer weiteren neuen Studie zufolge gibt es zu viele Jazzlehrer, die sich als Männer identifizieren. Die Studie wurde vom "Institute of Jazz and Gender Justice" unterstützt.
5. Karin Prien (CDU), Ministerin für Bildung und Familie im Kabinett Merz, hat eine neue Hausanordnung ausgegeben. Ihr zufolge sollen sich die Beamten des Ministeriums in ihrer internen und externen Kommunikation (also u.a. in E-Mails, Vermerken, Gesetzesvorlagen) ab sofort an die klassischen Rechtschreibregeln halten. Das bedeutet: Schluss mit Gender-Sternchen. Und auch mit dem großen Binnen-I, wie etwa bei LehrerInnen oder MinisterInnen.
6. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute:
Lieber Arne Hoffmann,
hier ein Link zu einer Kolumne einer Feministin, die mich wirklich unangenehm berührt hat:
Die Überschrift "Wo Frauen über eigene Vorurteile stolpern", das klingt ja nach Selbstkritik. Doch man liest am Ende bloß, dass die Autorin es irgendwie hinkriegen will, ihren Umzug möglichst ohne Männer zu machen. Der Fahrer des Umzugswagens ist allerdings ein Freund von ihr, doch ärgert sie sich, dass sie hier einen Mann braucht. Nur: Wieso ist das eigentlich ein Problem? Dafür hat man doch Freunde.
Interessant auch dies. Eine Zwischenüberschrift lautet: "Männer drucksen rum, Frauen packen an". Das klingt wie ein Trend, eine allgemeingültige Behauptung. Aber diese Zwischenüberschrift, so liest man, beruht auf einem einzigen Erlebnis. Sie fragt bei einer WG, die aus zwei Männern und einer Frau besteht. Die beiden Männer springen nicht sofort, aber die Frau sagt ihre Hilfe zu. Fertig ist eine Überschrift, die daraus eine vermeintliche Tatsache allgemeiner Gültigkeit macht.
Die Autorin stellt nun fest, dass sie Vorurteile gegenüber Frauen hatte, weil sie ihnen das Fahren eines Umzugswagens nicht zugetraut habe. Die Selbsterkenntnis reicht aber nicht soweit, die im Artikel vertretenen Vorurteile zu hinterfragen: Wieso bedeutet Feminismus, keine Männer brauchen zu wollen? Was ist daran schlimm, einen männlichen Freund um Hilfe zu bitten?