Gender Education Gap: Politik lässt Jungen weiter im Stich
1. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, ist der Bildungserfolg weiterhin stark vom Geschlecht abhängig:
In Sachen schulischer und beruflicher Bildung schneiden junge Frauen oft besser ab als junge Männer. Was unter dem Schlagwort Gender Education Gap diskutiert wird, zeigt sich unter anderem in Schul- und Hochschulabschlüssen. Im Abgangsjahr 2023 waren unter den 259.200 Absolvierenden mit Allgemeiner Hochschulreife an allgemeinbildenden Schulen 55% Frauen und 45% Männer. Je geringer der formale Schulabschluss, desto stärker kehrt sich das Geschlechterverhältnis um und junge Männer sind in der Mehrheit: Unter den 130.300 Absolvierenden mit Erstem Schulabschluss waren 59% Männer und nur 41% Frauen. Der Erste Schulabschluss ist ein allgemeinbildender Abschluss der Sekundarstufe I, der üblicherweise am Ende der 9. Klasse erworben werden kann.
(…) Auch bei den Wiederholungsquoten zeigt sich ein Unterschied zwischen den Geschlechtern. Im Schuljahr 2023/2024 wiederholten 147 100 Schülerinnen und Schüler eine Klassenstufe, 56 % waren männlich und 44 % weiblich.
Junge Männer neigen eher dazu, vergleichsweise früh von der Schule abzugehen und auch im Anschluss nicht nahtlos in eine Aus- oder Weiterbildung zu starten. Im Jahr 2023 hatten gut 15% der Männer im Alter von 18 bis 24 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung maximal einen Ersten oder Mittleren Schulabschluss und waren nicht in Aus- oder Weiterbildung. Unter Frauen im selben Alter traf das auf rund 11% zu. Die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern ist in den letzten Jahren größer geworden: Zehn Jahre zuvor hatte der Anteil unter Frauen bei gut 9 % und unter Männern bei gut 10 % gelegen.
(…) Ähnlich wie bei der Allgemeinen Hochschulreife sind Frauen auch unter den Absolvierenden an Hochschulen insgesamt in der Mehrheit. 53 % der insgesamt 501 900 Hochschulabschlüsse im Prüfungsjahr 2023 machten Frauen, 47 % aller Absolvierenden waren Männer.
(…) Auch in den einzelnen Fächergruppen sind Frauen unter den Absolvierenden meist stärker vertreten als Männer – mit Ausnahme der Ingenieurwissenschaften (74 % Männer) und des Sports (54 % Männer). Einen besonders großen Teil der Absolvierenden machten Frauen 2023 in den Geisteswissenschaften (74 %) und in der Fächergruppe Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften (69 %) aus. Aber auch in den stärker belegten Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (60 %) oder in den Naturwissenschaften einschließlich Mathematik (53 %) waren Frauen unter den Absolvierenden in der Mehrheit.
Knapp zwei Drittel (66 %) der endgültig nicht bestandenen Prüfungen an Hochschulen im Jahr 2023 wurden von Männern abgelegt und ein Drittel (34 %) von Frauen. Der Anteil der endgültig nicht bestandenen Prüfungen an allen Abschlussprüfungen war damit unter Männern (5,3 %) mehr als doppelt so hoch wie unter Frauen (2,5 %).
2. Christian Schmidt antwortet auf Nele Pollatscheks "Zeit"-Artikel, der das verstaubte Argument hervor gekramt hat, die Wehrpflicht dürfe für Frauen nicht gelten, weil die ja schwanger werden könnten.
3. Ein Untersuchungsbericht im Fall Stefan Gelbhaar hat beim RBB gravierende Mängel festgestellt.
Zwar habe es bei der Berichterstattung schwere journalistische Fehler der Autorinnen und Autoren gegeben. Es sei jedoch nicht nachvollziehbar, dass dieses Team überhaupt mit dieser Aufgabe betraut wurde. Gleiches gelte für die Redakteurin, die den Rechercheprozess begleitete. Es fehlten wesentliche Voraussetzungen für die redaktionelle Bearbeitung und Betreuung eines solchen Themas, heißt es in dem Bericht.
(…) Auch Biesingers Argumentation, die Berichterstattung sei wegen betrügerischer Absicht und krimineller Energie der falschen Protagonistin zustande gekommen, die mit großem Aufwand eine falsche Identität vorgespiegelt hätte, nimmt der Bericht auseinander. "Das Täuschen über eine Identität durch bloße Nennung eines falschen Namens am Telefon stellt aus unserer Sicht eine einfache Täuschungshandlung ohne großen Aufwand dar", heißt es.
(…) Der Bericht kommt zum Schluss, dass der RBB die redaktionellen Strukturen schärfen müsse, um Fehler in Berichten künftig zu vermeiden. So sollte es zum Beispiel verpflichtende Schulungen zur Verdachtsberichterstattung geben.
Das wäre in vielen Redaktionen dringend notwendig.
4. Die Autorin einer Bücherreihe für Mädchen hat jetzt ihr erstes Buch mit Gute-Nacht-Geschichten für Jungen herausgebracht.
In dem Buch werden anhand von 12 illustrierten Geschichten, die auf imaginären Planeten spielen, Themen wie Selbstakzeptanz, Ablehnung, Freundschaft und Einvernehmlichkeit behandelt. Sein Ziel ist es, Jungen gegen die einschränkenden und manchmal schädlichen Botschaften darüber zu immunisieren, was es bedeutet, ein Mann in der Welt zu sein.
"[Männliche Charaktere] werden sehr oft als emotional unreife Individuen dargestellt, die andere retten müssen, weil sie nicht in der Lage sind, sich selbst zu retten", erklärt Cavallo gegenüber Parents. "Ich hatte das starke Gefühl, dass Jungen dazu inspiriert werden müssen, sich selbst zu erobern."
Cavallo ist vor allem für das 2016 gemeinsam mit Elena Favilli herausgegebene Buch "Good Night Stories for Rebel Girls" bekannt, eine reich illustrierte Sammlung von 100 ermutigenden Gute-Nacht-Geschichten über echte Frauen, die Großes erreichen und die Welt verändern.
(…) Cavallo wurde zu dieser einzigartigen Herangehensweise an die Gutenachtgeschichten für kleine Mädchen inspiriert, nachdem sie sich eingehend mit der Rolle von Märchen in der Gesellschaft befasst hatte. Als sie ihre Aufmerksamkeit darauf richtete, wie männliche Charaktere in diesen Geschichten dargestellt werden, veränderte sich ihr Blick auf die Welt - und auf die Rolle der Männer darin. Sie ist der Meinung, dass die Figur des Märchenprinzen in der Regel dieselbe Funktion erfüllt: Er kommt zur Rettung einer weiblichen Hauptfigur, hat aber selten eigene Leidenschaften oder Verständnis für sein eigenes Innenleben.
"Für jedes Mädchen, das lernt, dass es auf einen Prinzen warten muss, gibt es einen Jungen, der lernt, dass seine Berufung darin besteht, eine Funktion zu erfüllen und nicht ein Mensch zu sein", sagt Cavallo.
(…) Als überzeugte Feministin fand Cavallo, dass ihr das Schreiben von Rebel Girls so leicht von der Hand ging, dass sie das gesamte Buch in vier Monaten geschrieben hatte. Doch als sie sich den Märchen für Jungen zuwandte, stieß sie auf ein unerwartetes Hindernis: ihre eigenen tief verwurzelten Vorurteile über Männer.
Zwei Jahre lang hat Cavallo recherchiert, um diese unbewussten Vorurteile auszupacken, ein tiefes Mitgefühl für Jungen und Männer zu entwickeln und zu lernen, wie man sie durch das Erzählen von Geschichten stärken kann. Die Übung machte auch deutlich, warum es ein Buch wie dieses bisher noch nicht gegeben hatte: Die Autorin musste zunächst "in einen Abgrund des Schmerzes starren", der sich aus der jahrhundertelangen Erfahrung ergab, dass Männer ihrer Menschlichkeit beraubt und zu starren Erwartungen gezwungen wurden.
Das allein macht deutlich, warum das so selten geschieht. Die allermeisten Journalistinnen zum Beispiel würden doch sagen: "ZWEI JAHRE?? Nur um meine Vorurteile und meinen sexistischen Hass gegen Männer loszuwerden? Eine Haltung, die sich bestens verkauft? So weit kommt's noch!"
Angesichts der Tatsache, dass Bildschirmzeit und Videospiele immer mehr in alle Bereiche des häuslichen und familiären Lebens eindringen, stellt sich die Frage, ob dieses Buch überhaupt in die Hände von Jungen gelangen wird. Cavallo ist der Meinung, dass wir uns darauf konzentrieren sollten, ein Umfeld zu schaffen, das die Liebe zum Lesen fördert, anstatt den Jungen die Bildschirme wegzunehmen, was sich immer wie ein harter Kampf anfühlen wird. Damit Jungen ein Buch dem Bildschirm vorziehen, müssen sie sich in den Büchern, die sie lesen, selbst wiedererkennen können, und zwar durch männliche Charaktere, die das ganze Spektrum des Menschseins verkörpern, ist sich Cavallo sicher.
Dies hätte weitreichende Auswirkungen für Jungen, nicht nur auf persönlicher Ebene, sondern auch im Klassenzimmer. Lesen gilt als starker Prädiktor für den akademischen Erfolg und könnte Jungen den Schub geben, den sie akademisch brauchen.
5. Die Post. Über den Verteiler von DAVIA, einem internationalen Bündnis gegen häusliche Gewalt, bei dem ich Mitglied bin, erreicht mich die folgende Nachricht:
Liebe DAVIA-Freunde,
Sie haben wahrscheinlich schon von dem neuen Netflix-Film "Adolescence" gehört. Es ist einer dieser Filme, die auf Anekdoten und Ideologie beruhen, nicht auf der Wahrheit. Vor zwei Wochen hat DAVIA eine Pressemitteilung herausgegeben, in der die verschiedenen Behauptungen von "Adolescence" entkräftet werden.
Aber das Narrativ von "Adolescence" verbreitet sich weiter, einschließlich eines kürzlich erschienenen Artikels in der New York Times. Das Bild des wütenden Jungen mit geballten Fäusten verrät die Ideologie hinter dem Artikel.
Viele Personen haben Adolescence kritisiert. Letzte Woche erklärte die Kolumnistin Nicole Russell: "Adolescence vertritt eine politische Agenda, und die Erzählung ist darauf aufgebaut. Es ist ein Estrich über toxische Männlichkeit mit einem 13-jährigen Kind im Mittelpunkt."
Wir können nicht zulassen, dass sich dieses toxische Narrativ weiter ausbreitet. Wir müssen unsere Stimme erheben und uns auf jede erdenkliche Weise wehren. Wir müssen darauf hinweisen:
Frauen sind bei häuslicher Gewalt genauso oft Täter wie Männer.
Frauen sind weitaus häufiger als Männer Täter bei Kindesmisshandlungen
Jungen verdienen Mitgefühl und Hilfe, keine toxischen Gender-Klischees.
Wir müssen kämpfen, kämpfen, kämpfen!