Mittwoch, September 17, 2025

Was in Deutschland kaum jemanden interessiert: So kann man die hohe Zahl der Selbstmorde bei Männern halbieren

Im Overton-Magazin beschäftigt sich der Psychologe Professor Stephan Schleim, der vor Jahren schon männerfreundliche Beiträge auf Telepolis veröffentlichte, mit der hohen Selbstmordrate von Männern. Der Artikel ist eigentlich in Gänze lesenswert, und ich muss bei diesem auszugsweisen Zitat einige wichtige Aspekte weglassen:

Am 10. September jährte sich wieder der Jahrestag zur Prävention von Suizid. Die Berichterstattung hat mich vielfach erstaunt: Während Geschlechtsunterschiede von nur 10 oder 5 Prozent oft die Medien füllen, wurde der in vielen „entwickelten“ Ländern 200- bis 300-prozentige Geschlechtsunterschied bei den Suiziden gar nicht thematisiert. Auch die offizielle Informationsseite der WHO erwähnt ihn mit keinem Wort. Und das, obwohl sich Männer in vielen Ländern zwei- bis viermal so oft das Leben nehmen – oder sogar öfter.

(…) Neben Männern allgemein gibt es einige, doch kleinere Gruppen mit einem höheren Suizidrisiko: nämlich Flüchtlinge und Migranten, Angehörige der LGTBI+ Community und Gefangene. Als Gründe für einen Suizid hebt die WHO impulsive Handlungen im Zusammenhang mit stressvollen Lebensereignissen hervor, so wie finanzielle Not, Beziehungsprobleme, chronische Schmerzen und Krankheit.

(…) Warum sterben aber so viel mehr Männer durch Suizid, obwohl Frauen häufiger einen Suizid versuchen? Letztere wählen meist weniger tödliche Methoden und werden gerettet. Demgegenüber wählen Männer eher tödlichere Methoden; im Internet kursieren sogar Listen für besonders "männliche" (gemeint ist: tödliche) Verfahren.

Studien zu Geschlechtsstereotypen legen nahe, dass Männer sich mehr dafür schämen, einen Suizidversuch zu überleben. Es gilt auch als männlich, seine Probleme selbst zu lösen und sich nicht helfen zu lassen.

Frauen tendieren eher dazu, psychosoziale Probleme zu internalisieren, also die Schuld bei sich zu suchen; sie haben häufiger Angststörungen und Depressionen. Männer externalisieren Probleme eher, sie reagieren häufiger mit Risikoverhalten, starkem Drogenkonsum und/oder mit Gewalt.

Dass sich diese Gewalt – vor allem schwere Gewalt – am häufigsten gegen andere Männer richtet, wird in den Medien auch kaum berichtet. Mir wurde schon mit Klagen gedroht, wenn ich diese Tatsache aus den Kriminalstatistiken kommunizierte. (Ich habe meine Aussagen nicht zurückgenommen und wurde nicht verklagt.)

Männer sind nicht nur bei den Suiziden, sondern auch bei Schulabbrüchen, schlechteren Bildungsabschlüssen, Obdachlosigkeit und in Gefängnissen überrepräsentiert, teils sehr stark überrepräsentiert. In so gut wie allen Ländern sterben sie Jahre früher. Wenn sie sich beschweren, werden sie schnell als "Wutmänner" verhöhnt; ziehen sie sich zurück, macht man sich über sie als "unfreiwillige Zölibatäre" (Incels) lustig.

(…) Ich kann es nicht beweisen, aber hege nach 20 Jahren Forschung im Bereich von Psychologie, Soziologie und Neurowissenschaften die Vermutung, dass wir weniger Polarisierung und Radikalisierung in der Gesellschaft hätten, wenn es mehr positive Männlichkeitsbilder gäbe und mehr Hilfsangebote für sie. In den Medien dominieren Darstellungen von Männern in Machtpositionen oder als Kriminelle.


Professor Schleim beendet seinen Beitrag mit einem bewährten Fünf-Punkte-Plan aus der klinischen Psychologie, falls man sich mit Selbstmordgedanken quält:

1. Gib dir ein Versprechen, dir jetzt nichts anzutun: Nimm dir vor zu warten, auch wenn du gerade starke emotionale Schmerzen erfährst. Schaffe so zeitlichen Abstand zwischen den Suizidgedanken und möglichen Handlungen. Die Unterstützung von anderen kann dir dabei helfen. Suizidgedanken hängen oft mit psychischen, persönlichen oder sozialen Problemen zusammen, die sich behandeln lassen oder die von selbst wieder vorbeigehen. Wahrscheinlich wird es dir wieder besser gehen, wenn an diesen Problemen gearbeitet wird.

2. Vermeide Alkohol und andere Drogen: Psychoaktive Substanzen können deine Urteilsfähigkeit einschränken oder dich zu impulsiven Handlungen verleiten. Sie könnten auch die Suizidgedanken verstärken.

3. Sichere deine Umgebung oder begebe dich in eine sichere Umgebung: Vermeide nach Möglichkeit, allein zu sein oder an Dinge zu denken, durch die du dich schlechter fühlst. Entferne Gegenstände, mit denen du dich verletzen könntest.

4. Es gibt immer Hoffnung – Menschen, die Schlimmes erleben, geht es im Lauf der Zeit oft wieder besser: Extremer emotionaler Stress schränkt unsere Fähigkeit ein, Problemlösungen zu sehen. Mit Hilfe geht es einem oft wieder besser. Es gibt Menschen, die dir zuhören und Verständnis entgegenbringen, zum Beispiel bei der Telefonseelsorge (0800 111 0 111) oder Nummer gegen Kummer (116 111). Im Notfall kannst du auch den Notruf wählen.

5. Behalte deine suizidalen Gefühle nicht für dich: Auch wenn das schwierig sein kann, ist es wichtig, dass du deine Gedanken, Gefühle und möglichen Pläne mit anderen teilst. Vielleicht hast du schon eine Vertrauensperson – zum Beispiel einen Freund, ein Familienmitglied, einen Therapeuten oder jemanden in der Seelsorge. Ein Gespräch mit einer erfahrenen Person kann dir helfen. Wahrscheinlich kannst du deine Situation dann in einem anderen Licht sehen und auf Ideen kommen, wie du deine Probleme bewältigst. So ein Gespräch kann zur Einsicht führen, dass deine Situation vorübergehend ist und wieder besser werden wird.


Das mögen auf persönlicher Ebene hilfreiche Ratchläge sein – aber was kann auf gesellschaftlicher Ebene getan werden? Diese Frage ist abstrakt, weil sich deutsche Politiker und Journalisten ohnehin nicht dafür interessieren – Feministinnen bezeichnen diese Gleichgültigkeit gegenüber dem Massensterben von Männern gerne als "Patriarchat". Aber wir verrückten Männerrechtler tanzen wieder aus der Reihe und beschäftigen uns trotzdem mit solchen Fragen. In den vergangenen Wochen hat der Washingtoner Therapeut Tom Golden einen Dreiteiler veröffentlicht, wie Finnland das Problem der hohen Suizidrate anging, statt lediglich zu argumentieren, dass "Männer einfach keine Hilfe suchen". Die drei Teile findet man hier, hier und hier. Das alles ist auch für ein Zitat im Volltext auf Genderama, so wie ich das sonst gerne mache, zu umfangreich, zumal Golden irritierenderweise bereits dargelegte Dinge gerne mal wiederholt. Aber ich kann den Inhalt seiner Beiträge zusammenfassen:

In den 1980er Jahren hatte Finnland eine der höchsten Suizidraten in Europa, insbesondere bei mittelalten, ländlichen und isolierten Männern. Das Land führte daraufhin die Studie "Suicides in Finland 1987" durch, die jeden der etwa 1.400 Suizidfälle detailliert analysierte (durch psychologische Autopsien, Interviews mit Angehörigen und Aktenprüfungen). Dies identifizierte Risikogruppen wie Männer im ländlichen Raum, Jäger, Wehrpflichtige und Alkoholabhängige. Daraus entstand das nationale Suizidpräventionsprogramm (1992–1996), das eine 20-prozentige Reduktion innerhalb von zehn Jahren anstrebte. Es involvierte Schulen, Militär, Kirchen, Medien und lokale Vereine. Beispiele für Interventionen:

Das Programm "Hyvä Mehtäkaveri" (Guter Jagdkamerad) schulte Jäger, auf die mentale Gesundheit ihrer Kollegen zu achten.

Für abgelehnte Wehrpflichtige gab es das Projekt "Young Man, Seize the Day" mit beruflicher Beratung.

Die A-Clinic-Foundation integrierte Suchtbehandlung in die Prävention.

Lehrer und Geistliche wurden geschult, Warnsignale zu erkennen, und Krankenhäuser verbesserten die Nachsorge für Suizidversuche.

Journalisten schrieben verantwortungsvoller über dieses Thema.

Innovationen wie "Open Dialogue", ein community-basiertes psychiatrisches Modell in Westfinnland, reduzierte Hospitalisierungen und Suizidrisiken bei Psychose-Patienten.

Bis Mitte der 1990er Jahre sank die Suizidrate um 20 Prozent. Die Rate bei Männern fiel von 52,6 pro 100.000 Einwohner (1990) auf 20,3 pro 100.000 (2023) – eine Reduktion um 61 %. Die Selbstmordrate unter Männern war mehr als halbiert worden. Dies beeinflusste auch andere nordische Länder.

Diese nordische Welle machte die Suizidprävention von einer Randerscheinung zu einem zentralen politischen Ziel. Die Bereitschaft Finnlands, Suizid zu einem vermeidbaren Problem der öffentlichen Gesundheit zu erklären, gab anderen Ländern den Mut, dasselbe zu tun.

(…) In Finnland wurde Selbstmord als nationaler Notfall behandelt. Die Regierung sammelte Daten zu jedem Fall, identifizierte Risikogruppen und entwickelte dann Maßnahmen, die die Menschen dort abholten, wo sie sich aufhielten – in Jagdvereinen, Kasernen, Schulen und Dorfkirchen. Prävention wurde zur Aufgabe aller: Lehrer, Geistliche, Journalisten und sogar Jäger wurden mobilisiert. Männer wurden nicht ignoriert, sondern als Priorität genannt.

(…) Die Lehren daraus sind klar:

1. Recherchieren Sie. Prävention beginnt damit, zu wissen, wer wo und warum stirbt. Die psychologische Autopsiestudie Finnlands ist nach wie vor der Goldstandard für das Verständnis von Selbstmord im Kontext.

2. Maßgeschneiderte Interventionen. Allgemeine Slogans retten keine Leben. Finnland hat spezifische Maßnahmen für Jäger, Soldaten, Landwirte, Alkoholiker und Selbstmordversucher entwickelt.

3. Beziehen Sie ganze Gemeinschaften mit ein. Suizidprävention ist nicht nur Aufgabe von Psychiatern. Lehrer, Geistliche, Journalisten, Kollegen und Gleichaltrige können ebenfalls eine Rolle spielen.

4. Sprechen Sie Männer direkt an. Selbstmord bei Männern ist kein Nebengedanke, sondern ein zentrales Thema. Finnland hat es gewagt, dies auszusprechen, und Maßnahmen speziell für Männer entwickelt.

5. Setzen Sie Ihre Bemühungen fort. Kurzfristige Projekte können Veränderungen anstoßen, aber langfristige Strukturen verankern sie. Das ist nach wie vor eine der unvollendeten Aufgaben Finnlands – und eine der wichtigsten Lektionen für andere.

Für (…) jedes Land, das noch immer die Hände ringt, weil "Männer keine Hilfe suchen" bietet Finnland einen Entwurf. Man wartet nicht darauf, dass Männer zu einem kommen. Man geht zu ihnen. An ihren Arbeitsplatz, in ihre Vereine, ihre Kasernen, ihre Gemeinden. Man macht Prävention zu einem Teil des Alltags.


Finnlands Vermächtnis, führt Tom Golden abschließend aus, "ist eine Herausforderung für uns alle: Wenn ein kleines Land am Rande Europas das schaffen konnte, welche Ausrede haben wir dann, es nicht zu versuchen?"



Dienstag, September 16, 2025

SPIEGEL: "Kann man noch mit Männern leben?"

1. Vor einigen Tagen ist das Buch "Mit Männern leben" der französischen Feministin Manon Garcia erschienen. Aufhänger des Buches ist der Prozess um Dominique Pelicot, der eine große Zahl von Männern seine betäubte Frau hatte vergewaltigen lassen. Er hatte die Mittäter über eine Online-Chatseite ohne Moderation ausfindig gemacht, die als Tummelplatz für Drogenhandel, Pädokriminalität, Gewaltverabredungen und insbesondere für sexualisierte Gewalt diente. Dort gab es einen Chatroom namens "à son insu" („ohne ihr Wissen“), in dem über das Betäuben von Partnerinnen und deren anschließende Vergewaltigung gesprochen, Bilder geteilt und konkrete Verabredungen getroffen wurden. Mit anderen Worten: Es war ein Tummelplatz für Kriminelle. Manon Garcias Buch, für das dieser Tage Leitmedien bis hin zur ARD Reklame machen, tut nun so, als sei der Mann an sich das Problem. Ein Interview bei Spiegel-Online etwa eröffnet mit reiner Hate Speech:

SPIEGEL: Frau Garcia, Ihr Buch beginnt mit einem markanten Zitat der Autorin Marguerite Duras: "Man muss die Männer sehr lieben. Sehr, sehr. Sehr lieben, um sie lieben zu können. Sonst ist es nicht möglich, sonst kann man sie nicht ertragen." Kann man Männer lieben?

Garcia: Ich finde diesen Satz sehr kraftvoll, weil er den Widerspruch hervorhebt zwischen der nahezu grenzenlosen Liebe, die Frauen für Männer empfinden, und dem Verhalten von Männern – insbesondere gegenüber Frauen.


Die "grenzenlose Liebe, die Frauen für Männer empfinden" wird durch Manon Garcias und Marguerite Duras sexistischen Attacken überdeutlich. Würden unsere Leitmedien ähnliche Beiträge über Muslime veröffentlichen, indem sie die im Verhältnis auf die Gesamtzahl winzige Zahl von Terroristen unter ihnen als stellvertretend für die Gesamtheit nehmen? Natürlich nicht. Geht es gegen Männer sind aber alle schleusen offen. In dem Interview heißt es weiter:

SPIEGEL: Sie haben den öffentlichen Prozess in Avignon wochenlang begleitet. Dominique Pelicot stand vor Gericht, weil er seine Frau Gisèle über Jahre mit Schlafmitteln betäubt, vergewaltigt und anderen Männern zur Vergewaltigung angeboten hat. Mit ihm waren 50 Mittäter angeklagt. Wie haben Sie diesen Gerichtsprozess erlebt?

Garcia: Der Prozess hat mir und vielen anderen Frauen, die ihn täglich in der Presse oder vor Ort im Gerichtssaal verfolgt haben, erneut die Allgegenwärtigkeit sexueller Gewalt vor Augen geführt. Die Zahlen haben mich nicht losgelassen: Wie konnte Dominique Pelicot so viele Männer finden, die bereit waren, seine Frau zu vergewaltigen? Bedeutete das, dass viele Männer, denen ich täglich begegnete, ebenfalls dazu bereit gewesen wären, wenn sich die Gelegenheit geboten hätte?


Im Ernst? Die Frau hat ein komplettes Buch über den Prozess geschrieben und nicht verstanden, dass Pelicot seine Mittäter über eine Plattform von Kriminellen gefunden hat? Sicher würden die SPIEGEL-Interviewer an dieser Stelle gleich. sehr kritisch nachfragen.

Kleiner Scherz, Leitmedien fragen nur bei Leuten kritisch nach, deren Ansichten die Journalisten nicht teilen. Dem SPIEGEL reicht es, der Befragten die Bälle vorzulegen, die sie dann ins Tor schießen kann.

SPIEGEL: Diese Wut führt Sie zu existenziellen Fragen: Wie kann man angesichts solcher Abgründe noch mit Männern leben? Zu welchem Preis?

Garcia: Diese Fragen stellten sich alle im Gerichtssaal – nicht zuletzt, weil die Angeklagten so normal wirkten. Am Anfang des Prozesses war es kaum möglich, zu erkennen, wer Angeklagter und wer Besucher war. Es gab nichts, was sie äußerlich unterschied. Zugleich waren die Angeklagten untereinander so verschieden: sämtliche Schichten, Alter, Berufe. Manche von ihnen wirkten sogar sympathisch, manche waren gutaussehend… Und es waren so viele Täter. Man hatte den Eindruck, dass sie für alle Männer stehen.


Ich glaube nicht, dass "man" diesen Eindruck hatte, sondern allenfalls diejenigen, die schon hart in der sexistischen Spur liefen. Ansonsten hat Garcia natürlich recht: Polizeiliche Ermittlungen könnten so viel einfacher sein, wenn man Kriminelle an ihrem Aussehen erkennen könnte. Und es ist wirklich verwunderlich, dass nicht alle Kriminellen hässlich sind. Sorry, man hat es hier mit einem Abgrund der Verblödung zu tun, der sich allein durch die Brille des Geschlechterhasses erklären lässt.

Das Interview wird immer irrer:

SPIEGEL: Ist es fair, von Männern im Allgemeinen zu sprechen? Diese 51 Täter zu Vertretern der halben Menschheit zu erklären?

Garcia: Letztlich stehen wir vor einem statistischen Problem: Fast alle Frauen haben sexuelle Übergriffe erlebt. Wenn man Männer fragt, will niemand von ihnen jemals übergriffig gewesen sein. Die Rechnung geht nicht auf. Auch mit Blick auf den Pelicot-Prozess hatten viele Männer den Reflex, zu sagen: Das hat nichts mit mir zu tun. Ich will Männer dazu einladen, sich zu fragen, was sie mit diesen Männern vor Gericht verbindet. Es ist nicht angenehm, sich damit auseinanderzusetzen, aber nur so lernt der Einzelne dazu und verändert sein Verhalten.


Ich schätze, wenn man eine Million Muslime fragt, ob sie Terroristen sind, sagt auch niemand von ihnen ja. "Die Rechnung geht nicht auf." Ähnlich dürfte es aussehen, wenn man eine Million Schwarze fragt, ob sie Drogen verticken. Die meisten dürften antworten, Kriminalität habe nichts mit ihnen zu tun. Sollten sie sich wirklich fragen, was sie mit schwarzen Drogenhändlern verbindet, um dazu zu lernen und ihr Verhalten zu ändern? Sollen x-beliebige Juden beispielsweise in Berlin Verantwortung für Kriegsverbrechen übernehmen, die israelische Soldaten begangen haben? All das ist absurd. Wir sind hier bereits tief im Herzen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Bei SPIEGEL & Co. erhält dieser Hass ein Forum.

SPIEGEL: Was verbindet den durchschnittlichen Mann mit den Abgründen dieses Falls?

Garcia: Fast alle Männer haben Erfahrungen gemacht, die in einer Beziehung zu diesem Fall stehen – Nacktfotos von Frauen ohne deren Wissen geteilt, Berührungen oder Sex forciert, Fehlverhalten von Freunden toleriert. All dem liegt ein Kontinuum zugrunde: die Fantasie, Frauen zu benutzen.


Hier würde mich sehr die Forschungsmethode interessieren, mit der Garcia es geschafft hat, alle oder "fast alle" Männer zu den von ihr genannten Punkten zu befragen. Hat sie natürlich nicht. Ihr Geschwafel ist so stichhaltig wie ""Fast alle Schwarzen haben ihre Finger doch in irgendwelchen krummen Dingern drin. All dem liegt ein Kontinuum zugrunde: der Hass auf Weiße." Wenn es nicht DER SPIEGEL wäre und Feindseligkeit gegen Männer so verbreitet, würde man fast denken, dass der Interviewer Garcia vorführt und feministischen Sexismus geschickt zur Schau stellt.

SPIEGEL: Eine mögliche Antwort auf die Frage, ob man mit Männern leben kann, lautet schlicht: nein. In Südkorea hat sich die 4B-Bewegung etabliert. Frauen verzichten darauf, Männer zu daten, zu heiraten, Kinder zu kriegen. Im Westen sieht man in Teilen ähnliche Entwicklungen, nach Trumps Wiederwahl gewann die 4B-Bewegung auch in den USA an Bedeutung. Ist das eine Lösung?

Garcia: Als politisches Programm erscheint mir das wenig berauschend. Und trotzdem – man muss realpolitisch anerkennen, dass es manchmal die einzige Lösung ist.

SPIEGEL: Inwiefern?

Garcia: In diesem Sommer war ich auf Mutter-Kind-Kur im Allgäu. In der Klinik waren nur Frauen und ihre Kinder, keine Männer weit und breit. Und ich merkte, wie ich mich sicherer fühlte, wie ich meiner Tochter deutlich mehr Freiheiten ließ – weil ich keine Angst hatte, dass ihr etwas zustößt, sobald sie mein Sichtfeld verlässt. Ich halte nichts von Separatismus. Aber wenn es eine solche Erleichterung bedeutet, nur von Frauen und Kindern umgeben zu sein, dann ist das ein Zeichen dafür, dass etwas mit Männlichkeit und mit den Geschlechterbeziehungen in unserer Gesellschaft nicht stimmt.


Wenn sich ein Nazi darüber freut, dass er in einer Klinik im Allgäu keinen Schwarzen begegnet, weil er sich dort endlich sicher fühlt: Ist das wirklich ein Zeichen dafür, dass etwas mit Schwarzen nicht stimmt?



2. Chantal Louis, die man unter anderem von ihrer Mitarbit bei Alice Schwarzers Zeitschrift "Emma" kennt, hat ein neues Thema für den Feminismus entdeckt: Unkraut jäten.



3. Wir wechseln von den Feministinnen (gut) zu den Männer- und Väterrechtlern (böse): Der Väteraufbruch für Kinder weist auf seinen kommenden Online-Workshop "Gewaltfreie Kommunikation in Trennungsfamilien" hin. Beteiligte Referentin ist Prof. Dr. Nina Weimann-Sandig, Professorin für Empirische Sozialforschung und Soziologie an der Evangelischen Hochschule Dresden.



Montag, September 15, 2025

Britischer Chirurg: "Israelische Armee schießt gezielt auf die Hoden von Jungen in Gaza"

1. Der britische Chirurg Professor Nick Maynard von der Universität Oxford, dem von König Charles die Ehrenmedaille für seine Arbeit in Gaza verliehen wurde, berichtet in Interviews immer wieder über das Leiden der Menschen dort und über die Greueltaten der israelischen Armee. In einem Interview von Ende Juli, auf das ich jetzt erst gestoßen bin, kommt er auf einen Punkt zu sprechen, der auch für Männerrechtler relevant ist:

An anderer Stelle im Interview behauptete Dr. Maynard, israelische Soldaten würden Zivilisten an Hilfsstellen erschießen, "fast wie bei einem Zielschießspiel".

Die IDF erklärte, sie "weise die Behauptungen einer vorsätzlichen Schädigung von Zivilisten, insbesondere in der beschriebenen Weise, kategorisch zurück".

Dr. Maynard behauptete, er habe Jungen im Alter von nur 11 Jahren operiert, die "an Lebensmittelverteilungsstellen" erschossen worden seien, die von der von den USA und Israel unterstützten Gaza Humanitarian Foundation betrieben werden. "Sie waren gegangen, um Lebensmittel für ihre hungernden Familien zu holen, und wurden erschossen", sagte er. "Ich habe einen 12-jährigen Jungen operiert, der auf dem Operationstisch starb, weil seine Verletzungen so schwer waren."

Dr. Maynard fuhr fort: "Noch beunruhigender war das Muster der Verletzungen, das wir beobachteten, nämlich die Häufung von Verletzungen an bestimmten Körperteilen an bestimmten Tagen. An einem Tag kamen sie überwiegend mit Schussverletzungen am Kopf oder Hals, an einem anderen Tag an der Brust, an einem weiteren Tag am Bauch. Vor zwölf Tagen kamen vier junge Teenager herein, die alle absichtlich in die Hoden geschossen worden waren. Das ist kein Zufall. Die Häufung war viel zu offensichtlich, um Zufall zu sein, und es schien uns fast wie ein Zielschießspiel. Ich hätte das niemals für möglich gehalten, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte."


Das kann ich ihm nicht verdenken. Bei meiner Forschung über sexuelle Gewalt in militärischen Konflikten bin ich zwar auch auf Genitalverstümmelungen gestoßen, aber noch nicht mittels einer Schußwaffe. Auch aus Gaza war bisher nur bekannt, dass israelische Soldaten Kindern in den Kopf oder die Brust schossen. (Und natürlich haben in früheren Jahren israelische Soldaten friedlich protestierenden Palästinensern gerne die Kniescheiben zerschossen.)



2. In Wien muss der Verfassungsgerichtshof entscheiden, ob Männer beim Bundesheer zusammengebundene lange Haare tragen dürfen. Ein Berufssoldat hat sich an das Höchstgericht gewandt, da er sein Recht auf Gleichheit verletzt sieht: Frauen ist es per Erlass des Verteidigungsministeriums gestattet, ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zu binden. Der Soldat wünscht die Aufhebung einer über ihn deshalb verhängten Disziplinarstrafe.



3. Vor ein paar Wochen habe ich hier Auszüge aus einem inzwischen vieldiskutierten Artikel der New York Times zitiert, deren Autorin darüber klagte, dass Männer sich beim Dating zu wenig einbringen. Die große Aufmerksamkeit, die der Artikel erhalten hat, scheint den SPIEGEL dazu inspiriert zu haben, einen Beitrag derselben Machart zu veröffentlichen:

Die Männer, die mir heute gegenübersitzen, bringen das selten mit. Sie sagen: "Naja, ich date eben so nebenbei", oder "Ach, ich glaube, ich lösche die App bald wieder". Oder: "Ich habe gerade eigentlich keine mentale Kapazität für Dating." Sie klingen wie ein großes Meinetwegen. Meinetwegen, wenn es denn sein muss, gehen wir halt auf ein Date. Weil man das halt so macht. Woran liegt das, und warum sind das so viele?




4. Toxische Weiblichkeit? Bei Magdeburg haben sich zwei Frauen um einen Sitzplatz im Zug geprügelt.



5. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute:

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

so sehr es richtig und notwendig ist, die Instrumentalisierung von Gewalttaten seitens Zugewanderter durch die AFD zu kritisieren, so sehr muss man feststellen, dass die AFD nicht die einzige Partei ist, welche dies tut.

Im Niedersächsischen Landtag sprach der Grüne Abgeordnete anlässlich der aktuellen Stunde zu dem Attentat [in Friedland] unter anderem folgendes:

--- Und nicht nur dieser Punkt kommt leider viel zu kurz, zu Gunsten der Frage der Nationalität und des Bleibestatus des mutmaßlichen Täters, so die Direktorin des Kriminalwissenschaftlichen Instituts der Leibniz Universität Hannover, Professorin Susanne Beck: So nachvollziehbar die Suche nach Schuld, so verständlich der Wunsch der Gesellschaft nach der Distanzierung von Straftaten, warnt die Strafrechtlerin Politik vor der "simplen Logik, dass die Tat nicht passiert wäre, wenn wir diese Person wie geplant aus der Gesellschaft ausgeschlossen hätten" weil es die "strukturellen Ursachen" übersehe, etwa, dass Gewalt zumeist von Männern ausgehe und nicht selten eine unzureichende psychologische Versorgung vorliege.‘ ---

Die Aussage, das Gewalt zumeist von Männern ausgehe ist nicht weniger pauschal als die aus AFD-Kreisen oft wiederholte Aussage, dass unter Zugewanderten in der polizeilichen Kriminalstatistik bei Gewaltverbrechen bestimmte ethnische Gruppen überrepräsentiert seien.




Donnerstag, September 11, 2025

Drei populäre Irrtümer: Falschbeschuldigungen, Selbstmord, Jugendgewalt

1. Eine Statistik, die Feministinnen erfolgreich in den Medien gestreut haben, wo sie immer wieder mal als vermeintlicher Fakt zitiert wird, lautet, dass von Falschbeschuldigungen sexueller Gewalt nur drei Prozent betroffen wären. Auf der Website Strafakte.de hat sich der Rechtsanwalt Mirko Laudan mit Bezug auf den Juraprofessor Tonio Walter die Zahlen genauer angesehen und erklärt, wie die Falschbehauptung zustande kam:

In ihrem Kurzbeitrag behaupten sie mit Berufung auf den Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe sowie eine "Studie" aus dem Jahr 2009 von Jo Lovett und Liz Kelly, in der die Verfasserinnen für Deutschland eine Stichprobe von 100 Akten der Staatsanwaltschaft Stuttgart untersuchten, dass es in Deutschland nur 3% Falschbeschuldigungen im Bereich der Sexualstraftaten geben soll. Sieht man sich die Studie allerdings kurz an, ist sofort offensichtlich, dass diese Angabe nicht stimmen kann. Allein methodisch ist die Untersuchung bei 100 Akten von lediglich einer Staatsanwaltschaft zweifelhaft und weit entfernt von repräsentativ.

In 3 Fällen der 100 Verfahren wurde nach Abschluss der Ermittlungen ein Ermittlungsverfahren wegen falscher Verdächtigung eingeleitet, so dass die Schlussfolgerung war, nur in diesen 3% gehe die Strafanzeige auf eine Falschbeschuldigung zurück. In 41 Fällen war sich die Justiz aber entweder sicher, es mit einer objektiv falschen Beschuldigung zu tun zu haben, oder sie konnten dies zumindest nicht ausschließen. Darunter waren vier Freisprüche vom Tatvorwurf der Vergewaltigung und 34 Einstellungen mangels Tatverdacht. In all diesen Fällen wurde nie untersucht, ob dem eine Falschbeschuldigung zugrunde lag.




2. Eine weitere beliebte Falschbehauptung, die durch die Medien geistert, lautet, es sei durch die Forschung erwiesen, dass Männer durch ihre Männlichkeit eher selbstmordgefährdet sind als Frauen. Hierzu hatte der Psychologe Dr. John Barry gestern das Wesentliche erklärt:

2017 wurde eine Arbeit mit dem Titel "Männlichkeit und Suizidgedanken" veröffentlicht, die fast sofort eine Welle positiver Aufmerksamkeit erhielt. Das ist nicht überraschend, da die Hauptautorin, Prof. Jane Pirkis, in der dreiteiligen Dokumentation "Man Up" mitwirkte , die 2016 in verschiedenen australischen Medien ausgestrahlt und von Movember finanziert wurde. In der Dokumentation sprach Pirkis über den Zusammenhang zwischen Männlichkeit, psychischer Gesundheit und Suizid.

Die Studie "Männlichkeit und Suizidalität" aus dem Jahr 2017 beeindruckte durch ihr Design: Sie umfasste eine sehr große Stichprobe von fast 14.000 Männern und war Teil der australischen Längsschnittstudie zur Männergesundheit (auch "Ten to Men" genannt). In der Studie von Pirkis et al. wurden Männer zu Suizidgedanken befragt. Dabei wurde eine hierarchische multiple Regression verwendet, um die Zusammenhänge zwischen Männlichkeit und Suizidalität zu untersuchen, nachdem zuvor die Zusammenhänge zwischen anderen Faktoren (Demografie, Verhalten, psychische Gesundheit) und Suizidalität untersucht wurden.

Angesichts des Titels der Studie "Männlichkeit und Suizidalität" könnte man meinen, Männlichkeit sei der stärkste Prädiktor für Suizidalität. Tatsächlich wird die Studie fast immer so diskutiert, als sei dies das wichtigste Ergebnis. Tatsächlich kam die Studie jedoch zu dem Ergebnis, dass Männlichkeit nur einen schwachen Prädiktor für Suizidalität darstellt und vier weitere Variablen (Depression, belastende Lebensereignisse, Single-Dasein und Alkoholmissbrauch) stärkere Prädiktoren für Suizidalität sind.

Aber das ist nicht alles. Was im Titel des Artikels von Pirkis et al. als "Männlichkeit" bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit nur ein Aspekt von Männlichkeit: Selbstständigkeit, die im CMNI-Fragebogen als "Weigerung, Hilfe zu suchen" konzeptualisiert wird. Sie sollten hier innehalten und sich fragen: Ist der Wunsch, Hilfe zu suchen (oder nicht), nicht ein viel zu enges Konzept, um etwas so Komplexes wie Männlichkeit zu definieren? Obwohl der Titel des Artikels also "Männlichkeit und Suizidgedanken" lautete, wäre "Hilfesuche und Suizidgedanken" ein genauerer Titel gewesen. Beachten Sie, dass keine der anderen 10 CMNI-Subskalen für Männlichkeit signifikante Prädiktoren für Suizidalität waren. Im Gegenteil, zwei von ihnen – heterosexuelle Präsentation und Streben nach Status – lagen sehr nahe daran, signifikant vor Suizidalität zu schützen.

Dennoch wird "Männlichkeit und Suizidalität" in der Wissenschaft häufig zitiert und hat auch außerhalb der Wissenschaft Einfluss auf die Entwicklung der Geschichte genommen. Leider konzentrieren sich Websites, die Männer unterstützen, eher auf die Gefahren der Männlichkeit, anstatt sich beispielsweise auf die Arten von belastenden Lebensereignissen zu konzentrieren, die am häufigsten mit Suizidalität in Verbindung gebracht werden.

Pirkis und Kollegen sind nicht für die Erfindung des Narrativs "Männlichkeit verursacht Selbstmord" verantwortlich. Es ist Teil der paradigmatischen Fixierung auf ein "Defizitmodell" von Männlichkeit, das Männlichkeit mit schlechtem Verhalten und schlechter körperlicher und geistiger Gesundheit in Verbindung bringt. Forschung dieser Art gibt es seit den 1980er Jahren, und sie hat in den letzten zehn Jahren an Fahrt gewonnen. Ebenso wenig ist dieses Narrativ die Schuld der meisten wohlmeinenden Forscher, die diesem ausgetretenen Pfad gefolgt sind. Als ich 2011 mit der Erforschung der psychischen Gesundheit von Männern begann, basierte unsere erste Studie auf früheren Forschungsergebnissen auf diesem Gebiet und tappte daher direkt in dieselbe Falle. Als wir uns jedoch die Ergebnisse ansahen, stellten wir fest, dass etwas nicht stimmte, und unser anfänglicher Fehler veranlasste uns, andere Wege zu erkunden, um die psychische Gesundheit von Männern und die Risikofaktoren für Selbstmord zu verstehen. Uns wurde klar, dass es ein ernstes Problem mit der Forschung auf diesem Gebiet gab, und wir stellten sicher, dass wir nicht noch einmal in dieselbe Falle tappten. Meiner Ansicht nach wird die Forschung zur Suizidprävention enorm davon profitieren, wenn man sich von der These "Männlichkeit verursacht Suizid" abwendet und sich auf Themen konzentriert, die tatsächlich zur Suizidprävention beitragen können, wie etwa Interventionen im Zusammenhang mit dem Zerfall von Familien.

Trotz der anhaltenden, scheinbar nicht enden wollenden Produktion fehlerhafter Forschungsergebnisse, die auf dem Defizitmodell der Männlichkeit basieren, gibt es Hinweise darauf, dass Männlichkeit tatsächlich gut für die psychische Gesundheit ist. Untersuchungen meiner Kollegen und anderer Gruppen haben ergeben, dass Männlichkeit mit einem höheren Selbstwertgefühl und einer positiven Einstellung , einem geringeren Depressionsrisiko und einem geringeren Suizidrisiko einhergeht . Weitere Forschung dieser Art könnte möglicherweise dazu beitragen, Suizidpräventionsstrategien realistischer und effektiver zu gestalten.

Leider ist die männliche Psychologie in der Ausbildung und im therapeutischen Bereich oft blind. Wo dieses Thema überhaupt zur Sprache kommt, wird es meist im Kontext negativer Männlichkeitsvorstellungen wie hegemonialer Männlichkeit, toxischer Männlichkeit oder der Patriarchatstheorie behandelt. Um das Narrativ "Männlichkeit führt zu Suizid" zu ändern, müssen Universitäten und therapeutische Ausbildungsstätten die Verantwortung dafür übernehmen, ihren Studierenden eine fundierte Ausbildung in männlicher Psychologie zu vermitteln. Nur so können Studierende und Auszubildende später effektiver mit Problemen wie Suizid umgehen, die nach wie vor überproportional viele Männer und Jungen betreffen.




3. Seit 2001 berichte ich über die wachsende Gewaltbereitschaft unter Teenagerinnen, die dem beliebten Trend widerspricht, eine Neigung zur Gewalt allein bei jungen Männern sehen zu wollen. Inzwischen rekrutieren in Schweden kriminelle Banden zunehmend Teenagerinnen für brutale Taten bis hin zu Auftragsmorden. Gegen etwa 280 Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren wurden dort vergangenen Jahr Ermittlungsverfahren wegen Mordes, Totschlags oder anderer Gewaltverbrechen eingeleitet. "Die Welt" berichtet unter der Schlagzeile " Die 15-Jährige konnte wählen, ob sie auf die Tür oder den Kopf des Opfers zielt. Sie wählte den Kopf."

"Mädchen werden oft als Opfer dargestellt", sagte der schwedische Justizminister Gunnar Strömmer im April. "Aber ihre Beteiligung an kriminellen Kreisen ist viel verbreiteter als wir lange angenommen haben."

(…) Die schwedische Polizei bestätigte der Nachrichtenagentur AFP, dass ihr nur wenige Daten und Untersuchungen zur Rolle von Frauen und Mädchen im organisierten Verbrechen vorliegen. Schwedens Nationaler Rat für Verbrechensvorbeugung arbeitet derzeit an einer eingehenden Studie zur Art der Verbrechen, die von Frauen und Mädchen begangen werden, sowie zu der Gewalt, der sie andererseits ausgesetzt sind. Die Schlussfolgerungen sollen im Oktober veröffentlicht werden.

KSAN, der Dachverband von Organisationen, die sich mit Drogen- und Alkoholmissbrauch von Frauen und deren Folgen befassen, erklärte in einem im März veröffentlichten Bericht, Mädchen könnten "eine treibende Kraft sein und kriminelle Aktivitäten erleichtern". Zugleich seien sie oft "selbst Opfer und zutiefst gefährdet".

Dasselbe gilt für Jungen, bei denen die Opfer-Erfahrungen ebenso sehr ausgeblendet werden wie bei Mädchen die Rolle als Täter.



Dienstag, September 09, 2025

Die psychologischen Auswirkungen falscher Anschuldigungen und wie Männer damit umgehen

Der Monat September ist in der internationalen Männerrechtsbewegung dem Thema "Falschbeschuldigungen" gewidmet, und speziell heute ist der "International Falsely Accused Day". Passend dazu hat der Psychologe Dr. John Barry, Mitbegründer des Male Psychology Network, der BPS Male Psychology Section und des Centre for Male Psychology, aktuell einen Artikel darüber veröffentlicht, der einige Hintergründe beleuchtet. Das ist unter anderem deshalb wichtig, weil es in feministischen Statements immer wieder heißt, dass Falschbeschuldigungen doch keine großen Auswirkungen auf die Betroffenen habe beziehungsweise einen Preis darstellen, den man nun mal zu zahlen habe.

Ich dokumentiere Dr. Barrys Artikel hier im Volltext. Links zu Belegstellen findet ihr im Original. Einen Link habe ich übernommen, da er auf eine wichtige Aktion hinweist, die heute stattfindet.



Wer sich mit der psychischen Gesundheit von Männern auskennt, weiß, dass die Folgen einer falschen Anschuldigung des Missbrauchs, insbesondere des sexuellen Missbrauchs, für die Angeklagten und ihre Familien überwältigend und katastrophal sein können.

Wie häufig sind falsche Anschuldigungen? Die Schätzungen variieren stark, aber selbst wenn man davon ausgeht, dass falsche Anschuldigungen nicht so häufig vorkommen und daher kein ernstes Problem darstellen, sind die Auswirkungen für die fälschlich beschuldigten Personen enorm. Eine im August 2025 veröffentlichte Umfrage von YouGov für DAVIA unter über 5.000 Personen ergab, dass Männer etwa doppelt so häufig wie Frauen fälschlich des Missbrauchs beschuldigt werden, darunter "häusliche Gewalt, Kindesmissbrauch, sexueller Übergriff oder andere Formen des Missbrauchs". Die Umfrage ergab eine Quote falscher Anschuldigungen bei 6 % der Männer in Großbritannien, 11 % in den USA, 16 % in Argentinien und 18 % in Australien.

In diesem Artikel geht es nicht um Männer, die Missbrauchshandlungen begehen – dafür gibt es Gesetze, die angemessen gegen sie vorgehen sollten –, sondern um Männer, die fälschlicherweise des Missbrauchs beschuldigt werden, und um die psychologischen Auswirkungen einer solchen falschen Beschuldigung. Die wichtigste Beweisquelle, die hier verwendet wird, ist der wissenschaftliche Übersichtsartikel von Dr. Samantha K. Brooks und Professor Neil Greenberg von der Abteilung für Psychologische Medizin des King’s College London. Der Bericht mit dem Titel "Psychologische Auswirkungen einer zu Unrecht angeklagten Straftat: Eine systematische Literaturübersicht" wurde 2021 veröffentlicht . In dem Bericht bewerten Brooks und Greenberg 20 Interviewstudien, in denen Personen zu ihren Erfahrungen mit falschen Beschuldigungen befragt wurden. Die meisten Studien stammten aus den USA und Großbritannien und an allen nahmen männliche Teilnehmer teil, die einige Zeit im Gefängnis verbracht hatten, bevor ihre Verurteilung aufgehoben wurde.

Die in der Studie erhobenen Vorwürfe deckten ein breites Spektrum mutmaßlicher Taten ab, von Mord über Sexualverbrechen bis hin zu Kindesvernachlässigung. Unabhängig von der Art der Anschuldigung zeigten sich in allen Studien jedoch ähnlich belastende Erfahrungen. Diese Ähnlichkeiten ließen sich in acht Themenbereiche unterteilen, die im Folgenden näher erläutert werden. Diese acht verschiedenen Problemtypen verstärkten sich gegenseitig und führten zu komplexen und schwerwiegenden psychischen Problemen, selbst wenn sich die Unschuld des Mannes letztendlich erwies. Lassen Sie uns anhand einiger Zitate aus der Studie jeden der acht Themenbereiche genauer betrachten:

1/ Veränderung der eigenen Persönlichkeit

Viele Männer berichteten von erheblichen Persönlichkeitsveränderungen und wurden aufgrund des Traumas ängstlicher. Viele wurden auch weniger vertrauensvoll und feindseliger gegenüber anderen. Viele verloren ihr Gefühl der Würde, die Hoffnung und den Sinn für die Zukunft. Eine formelle Entschuldigung oder ein öffentliches Bekenntnis zur Unschuld half, das Stigma etwas zu lindern. Eine Minderheit der entlasteten Männer erlebte eine sogenannte "posttraumatische Entwicklung" beispielsweise "eine positivere Einstellung und nimmt Dinge nicht mehr als selbstverständlich hin".

2/ Stigmatisierung

Viele der Angeklagten fühlten sich von anderen als schuldig abgestempelt. So wurden sie beispielsweise von Freunden gemieden und von Fremden belästigt. In einigen Fällen wurde das Stigma verinnerlicht, und die Angeklagten "schwankten zwischen dem Wunsch, die Vorwürfe zu bekämpfen, und dem Wunsch, sich aus Scham zu isolieren".

3/ Einstellungen zum Justizsystem

Die meisten Angeklagten berichteten von einem Vertrauensverlust in die Polizei, das Strafrechtssystem und in die öffentliche Meinung.

4/ Psychische und körperliche Gesundheit

Obwohl die meisten Angeklagten keine psychiatrische Vorgeschichte hatten, stellten Studien "extreme Auswirkungen auf die Gesundheit, insbesondere die psychische Gesundheit, fest, die die Teilnehmer häufig daran hinderten, ihrer normalen Arbeit und ihren sozialen Aktivitäten nachzugehen". Etwa die Hälfte der Angeklagten litt an klinischen Depressionen, und Selbstmordgedanken waren häufig. Angst- und Panikstörungen kamen ebenfalls häufig vor. Etwa die Hälfte litt an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Die meisten Angeklagten hatten Schlafprobleme. Etwa die Hälfte hatte gesundheitliche Probleme wie Schmerzen, Bluthochdruck, Essstörungen und Drogenmissbrauch. Viele verspürten allgemeine Gefühle von Bitterkeit, Verlust, Hoffnungslosigkeit, Leere, Wut, Aggression, Hilflosigkeit und "chronischen Gefühlen der Bedrohung und Angst in der Öffentlichkeit". Beachten Sie, dass "mehrere Studien von ‚sekundären Traumata‘ bei engen Familienangehörigen der zu Unrecht Angeklagten berichteten" und dabei ähnliche Symptome aufwiesen wie die Angeklagten.

5/ Beziehungen

Etwa die Hälfte der angeklagten Männer zog sich sozial zurück und isolierte sich. Einige berichteten von Apathie hinsichtlich der Aufrechterhaltung enger Beziehungen. Oft zerbrachen Freundschaften, Beziehungen und soziale Netzwerke, sogar zu Kindern oder Enkelkindern. Viele fühlten sich aus diesen Beziehungen gedrängt. Einige hatten das Gefühl, dass sie ihr Kind nicht mehr so beschützen konnten wie vor der falschen Anschuldigung. Einige erlebten "Beziehungsabbrüche, Scheidungen oder den Verlust des Sorgerechts für ihre Kinder". In einigen Fällen, in denen der Angeklagte inhaftiert war, passten sich die Familien an ein Leben ohne ihn an. "Nur eine Studie berichtete von positiven Auswirkungen auf Beziehungen, [wo] 8 von 100 Teilnehmern dieser Studie berichteten, dass die Familie nach dem Freispruch enger zusammengerückt sei, da sie einen ‚äußeren Feind‘ bekämpften."

6/ Auswirkungen auf Finanzen und Beschäftigung

Die meisten Teilnehmer berichteten von einer erheblichen finanziellen Belastung, selbst wenn sie Prozesskostenhilfe und Schadensersatz erhielten. Diese Belastung war auf Anwaltskosten, Verdienstausfall, Rentenkürzungen und den Verlust des Eigenheims zurückzuführen. In vielen Fällen setzte dies Familie und Freunde finanziell unter Druck. Einer Studie zufolge mussten 28 % ihr Eigenheim verkaufen, um die Prozesskosten zu decken. Einer anderen Studie zufolge geriet etwa ein Drittel der Angeklagten in finanzielle Not. In einigen Fällen hatten die Teilnehmer nach der Inhaftierung kaum noch ein Gespür für den Wert des Geldes, was zu Haushaltsschwierigkeiten, leichtsinnigen Ausgaben und Schulden führte.

Die meisten der Angeklagten verloren ihren Arbeitsplatz, wurden in ihrer Position herabgestuft oder mussten mit Barrieren rechnen, beispielsweise der Arbeit mit Kindern oder schutzbedürftigen Erwachsenen. Vorstrafen verhinderten eine spätere Beschäftigung, und es wurde schwierig, Referenzen von Arbeitgebern zu bekommen.

7/ Traumatische Erlebnisse in der Haft

Viele Teilnehmer befürchteten, im Gefängnis angegriffen oder getötet zu werden, und einige wurden tatsächlich schwerer Gewalt ausgesetzt. "Einige berichteten, sie hätten gelernt, aus Selbstschutz aggressiv und einschüchternd zu sein." Viele Teilnehmer berichteten von Fehlverhalten der Polizei, und viele empfanden ihr Kreuzverhör durch die Polizei als traumatisch, ebenso wie ihren Prozess und ihre Erfahrungen im Gefängnis. Ironischerweise wurde "die Beschäftigung mit dem Beweis der Unschuld von der Gefängnisverwaltung tendenziell als Beweis für mangelnde Reue gewertet", was sich negativ auf ihre Behandlung auswirkte, z. B. auf Privilegien wie Familienbesuche.

8/ Anpassungsschwierigkeiten

"Diejenigen, die inhaftiert waren, neigten dazu, in Heimen untergebracht zu werden und hatten Schwierigkeiten, sich an das Leben außerhalb des Gefängnisses zu gewöhnen. … Die Teilnehmer berichteten, dass sie in den ersten Wochen nach ihrer Entlassung Schwierigkeiten mit alltäglichen Aufgaben hatten, fühlten sich dadurch jedoch gedemütigt und schämten sich, um Hilfe zu bitten." Viele verloren ihre Orientierung und hatten Mühe, sich wieder in eine Welt einzufügen, die sich in vielerlei Hinsicht weiterentwickelt hatte (z. B. durch technologischen Fortschritt), sodass die Angeklagten in ihrer Entwicklung in dem Alter "eingefroren" waren, in dem sie zum ersten Mal ins Gefängnis kamen.

Diese acht Punkte sind eine erschreckende Liste der Erniedrigung und Verzweiflung, insbesondere wenn man bedenkt, dass viele zu Unrecht beschuldigte Männer nicht nur eines davon, sondern alle erlebt haben. Die Autoren der Studie schließen mit der Feststellung: "Diese Studie zeigt, dass die Folgen ungerechtfertigter Anschuldigungen schwerwiegend sein können. Daher ist es wichtig, die besten Möglichkeiten zu finden, die zu Unrecht Beschuldigten und ihre Familien zu unterstützen."

= Umgang mit falschen Anschuldigungen =

Wenn Sie fälschlich beschuldigt werden, ist es wichtig, Kontakt zu Personen und Organisationen aufzunehmen, die Ihnen helfen können. Es ist auch hilfreich, einige der Strategien zu berücksichtigen, die in der Überprüfung identifiziert wurden und von Personen angewendet werden, die bewusst oder spontan fälschlich beschuldigt werden.

Wie erwartet war die Unterstützung von Familie und Freunden von unschätzbarem Wert. Wenn jedoch die mit der falschen Anschuldigung verbundenen Stressfaktoren diese Beziehungen zu sehr belasteten, war es hilfreich, auf andere Unterstützungsnetzwerke zurückzugreifen (z. B. Organisationen, die sich mit Justizirrtümern befassen). Tatsächlich waren diese Organisationen auch für Familie und Freunde hilfreich. Ein unterstützendes Netzwerk von Menschen, z. B. eine Selbsthilfegruppe oder die Teilnahme an Konferenzen, war ebenfalls wertvoll. (In diesem Zusammenhang ist der Marsch in London am Internationalen Tag der falschen Anschuldigung am Dienstag, dem 9. September 2025, relevant.) Die Autoren der Studie schlagen vor, dass noch weitere Forschung erforderlich ist, um herauszufinden, welche Elemente dieser Unterstützungsnetzwerke am hilfreichsten sind.

Es gibt Hinweise darauf, dass Aktivismus hilfreich sein kann, z. B. indem man anderen hilft, die Ähnliches durchmachen, sich für politische Reformen engagiert oder allgemein das Bewusstsein schärft. Solche Aktivitäten können den zu Unrecht Beschuldigten helfen, einen Sinn in ihrem Leiden und einen Sinn in ihrem Leben zu finden. Manche Menschen sind jedoch durch ihre Erfahrungen zu traumatisiert und wollen einfach mit ihrem Leben weitermachen.

Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass es "ebenfalls wichtig ist, die öffentliche Wahrnehmung der zu Unrecht Beschuldigten zu verbessern. Untersuchungen legen nahe, dass die öffentliche Wahrnehmung von Entlasteten tendenziell negativ ist und der Wahrnehmung tatsächlicher Straftäter nicht unähnlich ist, obwohl bekannt ist, dass sie entlastet wurden. Dies könnte daran liegen, dass die Öffentlichkeit befürchtet, dass der Entlastungsprozess selbst fehlerhaft war." Sie sagen, es seien Forschungsarbeiten nötig, um Wege zur Verbesserung der öffentlichen Wahrnehmung zu finden. "Andernfalls werden die zu Unrecht Beschuldigten weiterhin von anderen stigmatisiert, was die psychischen Auswirkungen ihrer Erfahrung wahrscheinlich verschlimmert … Die Bereitstellung maßgeschneiderter, beschleunigter psychiatrischer Dienste, einschließlich beruflicher Rehabilitation, wäre ebenfalls hilfreich", allerdings mangele es an Mitteln für Fallmanagement und Betreuung der zu Unrecht Beschuldigten.

Manchen Menschen helfen Sport, Achtsamkeit oder Yoga, doch es bedarf weiterer Forschung, um herauszufinden, welche Strategien für welche Personen am besten geeignet sind. Eine Studie ergab, dass "fälschlicherweise wegen Sexualdelikten Angeklagte eher zu emotions- als zu aufgabenorientierten Bewältigungsstrategien neigen. Diese sind weniger konstruktiv, da sie sich eher mit den emotionalen Auswirkungen befassen als zu versuchen, Probleme zu lösen." Zukünftige Forschung könnte die Gründe dafür untersuchen und die Auswirkungen solcher Bewältigungsstrategien auf das psychische Wohlbefinden berücksichtigen.

Wie aus der Untersuchung hervorgeht, haben Falschbeschuldigungen erhebliche negative Auswirkungen – nicht nur für die beschuldigte Person, sondern auch für ihre Angehörigen. Die Untersuchung unterstreicht zudem den Bedarf an weiterer Forschung auf diesem Gebiet, insbesondere zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Thema und zur Entwicklung wirksamer Strategien zur Unterstützung fälschlich Beschuldigter.




Montag, September 08, 2025

"Kill yourself now, bitch!"

1. Warum nicht mal ein Streaming-Tipp gleich zu Beginn? Ich habe gestern Abend eine fesselnde True-Crime-Dokumentation auf Netflix gesehen, "Unknown Number: The High School Catfish". Thema ist ein Fall von Cybermobbing mit Nachrichten wie "Kill yourself now, bitch!" Der "Serienfuchs" stellt diese Doku näher vor:

Ganz gleich, ob auf Instagram oder TikTok – die Video-Reaktionen zum Ende von "Unbekannte Nummer: Der Highschool-Catfish" nehmen zu. Denn die True-Crime-Doku lässt viele Zuschauer:innen fassungslos zurück, nachdem der große Twist der Geschichte enthüllt wurde. Doch worum geht es und wieso reden alle davon? Im Mittelpunkt der Dokumentation stehen Lauryn Licari und ihr Freund Owen McKenny. Beide gehen noch auf die Highschool, als sie plötzlich bedrohliche, vulgäre und erniedrigende Textnachrichten erhalten. Niemand weiß, wer dahintersteckt, doch die Nachrichten reißen nicht ab und zeigen schnell, dass jemand die beiden Jugendlichen genau beobachtet.

Anfangs scheint das Ziel der Nachrichten darin zu bestehen, Lauryn und Owen auseinanderzubringen. Bald darauf kommentieren sie Lauryns Outfit in der Schule und beleidigen sie – ein erster Hinweis für die Betroffenen, dass die Absender:innen möglicherweise Mitschüler:innen sind. Dieser Verdacht bestätigt sich jedoch nicht, auch nachdem die Schule die Situation im Blick hat. Fast zwei Jahre lang trudeln weitere Nachrichten ein, die zunehmend explizite sexuelle Handlungen mit Owen beschreiben und Lauryn sogar zum Suizid auffordern. Weitere Familien und Kinder werden hineingezogen. Die Polizei kommt nicht weiter, Ermittlungen verlaufen im Sande. Erst das mittlerweile eingeschaltete FBI bringt die Wahrheit ans Licht.


Hier geht es weiter mit der Enthüllung des Täters, also ist hier offenkundig eine Spoiler-Warnung angebracht. Allerdings konnte ich, obwohl ich in diesem Punkt gespoilert war, die Doku fasziniert schauen, zumal sie keine Agatha-Christie-Detektivgeschichte ist: Der Täter wird zur Hälfte der Doku genannt, und wir bekommen über lange Minuten die Konfrontation und Festnahme via Bodycams der Polizeibeamten zu sehen.

Ich gehe stark davon aus, dass sich die Leitmedien diesmal nicht so verzückt auf dieses Angebot von Netflix stürzen werden wie bei der Serie "Adolescence", obwohl es diesmal um die Dokumentation eines realen Falls geht und keine erfundene Geschichte. Auf dem Bewertungsportal Rotten Tomatoes geben die Zuschauer ein zu 75 Prozent positives Urteil ab; aus der Fachpresse liegen nicht einmal ausreichend Besprechungen vor, um überhaupt eine Bewertung möglich zu machen.



2. Weiter geht es mit einem Podcast-Tipp: Das Hamburger Abendblatt widmet sich dem Thema Eltern-Kind-Entfremdung. In der ersten Folge geht es um Thomas Prantner, der seine Kinder seit sieben Jahren nicht gesehen hat: "Er kritisiert ein veraltetes Familienrecht und Institutionen, die oft überfordert sind, und zeigt auf, dass es in solchen Fällen weniger um das Wohl der Kinder, als vielmehr um Macht und Kontrolle geht."

Wir kommen auf dieses Thema gleich noch einmal zurück, sobald es um Artikel aus dem Ausland geht.



3. Unter der Überschrift "Für die Linke hört Gleichheit an der Kasernentür auf" (obwohl das bei vielen Rechten nicht anders ist), beschäftigt sich das Magazin CICERO mit der Debatte um die Wehrpflicht:

114.000 neue Soldaten braucht die Bundeswehr – und Friedrich Merz macht den Vorschlag, die Wehrpflicht auf Frauen auszudehnen. Doch die "feministische" Linke will sich den Rocksaum nicht schmutzig machen: Rechte ja, Pflichten nein.


Hier geht es weiter.



4. In der Berliner Zeitung berichtet Sophie-Marie Schulz, wie man in der Firma SAP mit dem Gendern umgeht. Ein Auszug:

Ein Mitarbeiter des Unternehmens hat mit der Berliner Zeitung über einen erheblichen internen Druck im Umgang mit dem Gendern gesprochen, über denkwürdige Gespräche mit der Personalabteilung und mögliche Gründe, warum SAP seiner Einschätzung nach weiterhin an der Genderpraxis festhält. Aus Sorge davor, gekündigt zu werden, möchte Elias P., ein langjähriger Mitarbeiter des Softwaregiganten, nicht identifiziert werden.

Sollte sich ein Unternehmen dazu entschließen, Sprache zu regulieren und festzulegen, was und wie etwas gesagt wird, dann geschieht das selten beiläufig. Es sind meistens detaillierte Regelwerke, die festlegen, welche Begriffe, Formen und Anredeweisen im internen wie externen Gebrauch als angemessen gelten. Bei SAP tragen diese internen Regularien den Titel "Gender-Guide", umfassen 20 Seiten und werden als "ein ausgewogener Ansatz zur Erfüllung der Kommunikationsbedürfnisse eines börsennotierten Unternehmens" bezeichnet.

Offiziell handelt es sich dabei um eine Sammlung von Empfehlungen, die nicht verpflichtend sind und das Ziel verfolgen, "so inklusiv wie möglich" zu kommunizieren. In der Praxis jedoch hat sich der Leitfaden längst zu einem Standard entwickelt, an dem kaum ein Weg vorbeiführe – so zumindest berichtet es Elias P.

Bereits die Entstehungsgeschichte des Leitfadens sorgte bei dem SAP-Mitarbeiter für Irritationen. Das größtenteils auf Englisch veröffentlichte Dokument wurde von einer Inderin verfasst, die in den USA lebt und nach Informationen der Berliner Zeitung kein Deutsch spricht. Alle im Gender-Guide enthaltenen deutschsprachigen Beispiele stammen von einer Amerikanerin, die zwar in Deutschland lebt, aber keine Muttersprachlerin ist. Wieso hat sich SAP gerade für diese beiden Autorinnen entschieden? Auf diese und weitere Fragen hat die Berliner Zeitung keine Antwort erhalten.


Elias P. stört sich vor allem daran, dass die komplizierte Gendersprache es funktionalen Analphabeten, Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen und manchen Zuwanderern unnötig schwer macht.

Zusammen mit Kollegen aus Syrien, Deutschland und anderen Ländern ist er deshalb erneut auf die Führungsebene zugegangen und hat die "Gender-Entwicklung" kritisiert. Statt über Barrierefreiheit oder Teilhabe wurde aber vor allem über die Bedeutung internationaler Rankings gesprochen, in denen Unternehmen nach bestimmten Gleichstellungskriterien bewertet werden. Für Elias P. der Moment, in dem ihm klar wurde: Hier geht es weniger um Inklusion, sondern primär um die Außenwirkung von SAP.

In Gesprächen mit der Personalabteilung sei vermittelt worden, dass es bei der Einführung der geschlechterneutralen Sprache in erster Linie um jene Rankings gehe. Seitdem sieht er sich in seiner Vermutung bestätigt, dass Sprache im Unternehmen nicht aus Überzeugung verändert wird, sondern als Teil einer globalen Strategie, die auf Ansehen und Kapitalmärkte zielt.

Elias P. ist überzeugt: Hätte die Unternehmensleitung morgen den Eindruck, genderfreie Sprache sei wirtschaftlich vorteilhafter, würde SAP ohne Zögern kehrtmachen. "Die 180-Grad-Wende wäre kein Problem, wenn sie dem Aktienkurs dient", sagt er. In Amerika wurde dieser Kurswechsel nach der Wiederwahl von Donald Trump bereits vollzogen.

(…) Und was folgt aus dem, was Elias P. stellvertretend für "viele Kollegen" berichtet? Ein Mitarbeiter soll bereits die Reißleine gezogen haben: "Ein Kollege, der inzwischen das Unternehmen verlassen hat, bat darum, nicht gegendert angeschrieben zu werden. Das eskalierte: Er wurde vor dem Team als problematisch dargestellt. Auch wenn offiziell niemand gezwungen wird, entsteht ein faktischer Anpassungsdruck."

Die Äußerung offener Kritik bleibe eine Ausnahme, weil die Sorge vor beruflichen Konsequenzen groß sei. SAP sei aber keinesfalls das einzige Unternehmen, das durch Genderleitfäden in der Belegschaft Druck erzeugt. Seine eigenen Erfahrungen decken sich mit Berichten von Personen, die Elias P. als Mitinitiator eines Volksbegehrens gegen gendergerechte Sprache zugetragen wurden.

Viele Menschen hätten ihm erzählt, sich aus Angst vor einem Jobverlust nicht an der Initiative beteiligen zu wollen. "Das war für mich ein Schlüsselmoment", sagt er, "weil es zeigt, wie groß das Misstrauen gegenüber staatlichen und institutionellen Strukturen mittlerweile ist."

Das Beispiel verweist auf eine Entwicklung, die über die konkrete Sprachfrage hinausgeht: Wo Beschäftigte und Bürger das Gefühl haben, ihre Meinungsäußerung könne ihnen schaden, schwindet das Vertrauen in demokratische Prozesse. Statt offener Debatte entstehe ein Klima der Selbstzensur. Für Elias P. ist das Gendern bei SAP deshalb auch ein Symptom für eine tiefer liegende Verunsicherung: Die Sprache, die eigentlich verbinden soll, wird zum trennenden Marker, an dem Loyalität gemessen wird.




5. Unter der Überschrift "Problemfall Penisträger" beschäftigt sich der SPIEGEL mit Männern und Männlichkeit:

"Hauptsache gesund", sagen Leute ohne Taktgefühl, wenn eine Schwangere verkündet: "Es wird ein Junge!" Ein Junge? Mitgefühl macht sich breit, selbst Eltern kann so ein Ultraschallbild um die 20. Woche Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Genauer gesagt: der Penis. Zu diesem Zeitpunkt etwa so groß wie ein Reiskorn ‒ aber schwer beladen mit negativen Zuschreibungen.

Denn Penisträger, so das Narrativ, sind nicht niedlich und brav, sondern laut, wild, aggressiv. Fußball statt Flöte, Grunzlaute statt Grammatik. In der Schule von Lehrern weniger gemocht und von Mädchen abgehängt. Später im Leben womöglich gewalttätig, drogensüchtig oder vor der Spielkonsole verrottend. Das Reiskorn wird zum Schicksal.

Der Autor und Comedian Schlecky Silberstein ließ sich sogar dazu hinreißen, seinen Penis mit einem Fluch zu belegen. Er ist überzeugt, ohne das vermeintlich beste Stück hätte er im Leben besser dagestanden: Als Frau wären ihm innigere Freundschaften, bessere Bildungschancen und eine stabilere Gesundheit vergönnt gewesen, so Silberstein.

Aber was kann der Penis dafür? Er ist ein eher unspektakuläres Organ: verletzlich, schlaff, bei Kälte zieht er sich beleidigt zurück. Kein Zepter, keine Waffe, auch ein Designpreis wird ihm wohl für immer verwehrt bleiben. Seine Besitzer hingegen stehen aktuell unter scharfer Beobachtung. Wenn schon kleine Jungs nicht länger das It-Piece in der Geschlechterlotterie sind, was sollen wir bloß mit diesen verhaltensauffälligen Männern anfangen?


Hier geht es weiter mit dem Artikel, der selbst einen ordentlichen Teil Männerbashing enthält, um im letzten Absatz scheinheilig zu fragen, "ob wir es eines Tages schaffen, uns alle in unserer herrlich widersprüchlichen Bandbreite zu sehen, nicht als 'die' Männer und 'die' Frauen, die so oder so sind?"

Den darunter verlinkten SPIEGEL-Artikel "Was macht einen richtig guten Mann aus?" lese ich, wenn der SPIEGEL auch fragt, was eine richtig gute Frau ausmacht.



6. Das Wall Street Journal berichtet in einem so wertschätzenden Artikel, wie man ihn sich auch in deutschen Leitmedien wünschen würde, über die Erfolge von Väterrechtlern im US-Bundesstaat Kentucky:

Den Vätern ging es nicht gut.

Es war das Jahr 2017, und in ganz Kentucky schlossen sich geschiedene Väter gegen einen gemeinsamen Feind zusammen: ein Sorgerechtssystem, das ihrer Meinung nach ihre Ex-Frauen bevorzugte.

Obwohl die Sorgerechtsgesetze in Kentucky und anderswo den Richtern Ermessensspielraum bei der Entscheidung darüber einräumen, welche Aufteilung im besten Interesse des Kindes sei, behaupteten verärgerte Väter, dies bedeute in der Regel, dass sie auf die Rolle von "Disneyland-Vätern" reduziert würden, die jedes zweite Wochenende ins Disneyland kommen und gezwungen seien, zwei Tage Spaß in das zu quetschen, was die Mütter in zwei Wochen schaffen könnten.

"Man wird zu einer Art ‚Onkel Papa‘ statt zu einem Elternteil", sagt der 53-jährige Rob Holdsworth. 2014 gab er widerwillig sein Leben und seine Karriere im öffentlichen Dienst in Dayton, Ohio, auf und zog nach Bowling Green, wohin seine Ex-Frau mit ihren beiden Söhnen gezogen war. Er nahm den einzigen Job an, den er finden konnte – Nachtarbeit in einer Seifenfabrik –, um die Jungen nur ein paar Mal im Monat zu sehen.

"Es war sehr deprimierend, hier zu sein, ein paar Meilen von meinen Kindern entfernt, und mir gesagt zu bekommen, dass ich sie nie wiedersehen werde", sagte Holdsworth.

Allein in dem Haus in der Nähe der Grundschule seiner Söhne – er lief in ihren leeren Zimmern ein und aus und starrte auf das Buntstiftposter "Papa, du bist unser Superheld", das sie ihm zum Vatertag geschenkt hatten – hatte Holdsworth mehr Zeit, als er füllen konnte. Er beschloss, sie damit zu verbringen, sich für Gesetze einzusetzen, die Vätern wie ihm bei Scheidung oder Trennung mehr Rechte einräumen.

Im ganzen Land gewann die Väterrechtsbewegung an Dynamik. Eine gleichmäßige Aufteilung der Zeit und Entscheidungsbefugnisse zwischen den Eltern, so argumentierten ihre Befürworter, reduziere das Gefühl der Verlassenheit bei Kindern, fördere die Gleichstellung der Geschlechter und baue Spannungen zwischen zerstrittenen Paaren ab.

"Es gibt kein Gesetz, das mehr Menschen betrifft als Steuern oder Verkehr", sagte Matt Hale, stellvertretender Vorsitzender der National Parents Organization, einer Interessenvertretung, die früher unter dem Namen Fathers and Families bekannt war. "Kindern den gleichen Zugang zu beiden Elternteilen zu gewähren, ist einfach gesunder Menschenverstand." Väter wie Hale und Holdsworth fanden bei Abgeordneten wie Jason Nemes, einem Abgeordneten des Staates Kentucky, ein offenes Ohr, dessen Vater nach der Scheidung seiner Eltern sein Hauptvormund war.

Kentucky verabschiedete 2018 als erster Bundesstaat ein Gesetz, das das gemeinsame Sorgerecht zur Standardregelung bei Scheidungen und Trennungen machte. Vier weitere Bundesstaaten – Arkansas, West Virginia, Florida und Missouri – haben seitdem eigene Versionen des Sorgerechtsgesetzes von Kentucky verabschiedet. Rund 20 weitere Bundesstaaten erwägen ähnliche Gesetze oder stehen kurz davor, wie eine Analyse der National Parents Organization zeigt.

Das Gesetz ist zum Vorbild für andere Bundesstaaten geworden, nicht zuletzt, weil die Scheidungsrate in Kentucky stark gesunken ist. Zwischen 2016 und 2023 sank sie um 25 Prozent, verglichen mit einem landesweiten Rückgang von 18 Prozent, wie aus einer Analyse des National Center for Family & Marriage Research der Bowling Green State University hervorgeht.

Hale bezeichnet den Rückgang der Scheidungsrate als unbeabsichtigten Vorteil des Sorgerechts. Er vermutet, dass Eltern zunehmend zusammenbleiben, weil sie wissen, dass sie so oder so regelmäßig Kontakt haben werden. "Sie können es also genauso gut klären." Er fügte hinzu, er habe Geschichten von Paaren gehört, die sich aufgrund der Annahme des gemeinsamen Sorgerechts gegen eine Trennung entschieden hätten und Jahre später froh seien, zusammengeblieben zu sein.


Die folgenden Absätze stellen die uns sattsam bekannte feministische Gegenposition dar, dass es slchen Väter ja doch nur ums Geld ginge und das geteilte Sorgerecht von gewalttätigen Männern benutzt würde, um Kontrolle über ihre Familie auszuüben. Danach geht der Artikel aber im großen und ganzen väterfreundlich weiter:

"Wir alle haben Kentucky beobachtet", sagte Emma Johnson, eine geschiedene Befürworterin des gemeinsamen Sorgerechts und Autorin von "The 50/50 Solution". Sie glaubt, dass es ihren Kindern am besten geht, wenn sie genauso viel Zeit mit ihrem Vater verbringen wie sie mit ihr. Johnson argumentiert, dass die Erwartung, dass Kinder zu ihren Müttern gehören, Frauen zurückhält. "Ich komme beruflich nicht weiter, wenn ich mir ständig frei nehme, um ein krankes Kind abzuholen", sagte Johnson, die in Richmond, Virginia, lebt.

(…) Väterrechtsaktivisten finden das Beispiel Holdsworths in Bowling Green ermutigend. Er ist überzeugt, dass das Gesetz ihm ermöglicht hat, eine wichtigere Rolle im Leben seiner Söhne zu spielen. Seine Hingabe für seine Kinder ist überall in seinem Zuhause spürbar. Obst und Müsliriegel liegen ordentlich auf den Küchenarbeitsplatten, und gerahmte Highschool-Zeugnisse schmücken die Wände, neben einer Tabelle, die den Dollarwert jedes A auflistet. "Ich habe angefangen, sie für ihre Noten zu bezahlen, weil ich sage, das ist ihr Job", sagte Holdsworth.

Er könne sich 30 Dollar für lauter Einsen leisten, fügte er hinzu, weil der Sorgerechtsrichter entschieden habe, dass Holdsworth keinen Unterhalt mehr zahlen müsse. Kürzlich entschied der Gesetzgeber von Kentucky, dass Eltern, die mehr Zeit mit der Betreuung ihrer Kinder verbringen, weniger Unterhalt zahlen sollten. Seine Ex-Frau reagierte nicht auf eine Bitte um Stellungnahme.

Einige Rechtswissenschaftler befürchten jedoch, dass finanzielle Anreize das Wohl der Kinder trüben. "Ein großes Problem bei diesem Gesetz ist, dass viele Väter behaupten, sie wollten ein 50:50-Sorgerecht, obwohl sie eigentlich nur eine Reduzierung des Kindesunterhalts wollen", sagt Ralph Richard Banks, Professor für Familienrecht in Stanford.

Holdsworth sagt, bei etwa einem Drittel der Männer, die er durch die Väterrechtsbewegung kennengelernt habe, sei es offensichtlich gewesen, dass es ihnen nur ums Geld ginge. Doch, so Holdsworth, "die meisten Väter wollen ihre Kinder aus den richtigen Gründen."

In Henderson, Kentucky, trennten sich der 32-jährige Jordan Pyles und seine 29-jährige Ex-Freundin Ashlyn Harrell, als sie noch mit ihrer Tochter Brileigh schwanger war. Pyles sagte, er habe nicht annähernd so viel Zeit mit Brileigh verbringen können, bis Kentuckys Parlament mit der Debatte über das 50-50-Gesetz begann, als sie drei Jahre alt war. Er erklärte, seine Ex sei dem gemeinsamen Sorgerecht gegenüber aufgeschlossener geworden, als sie wusste, dass es Gesetz werden würde. "Jeder Tag, den ich nicht bei meiner Tochter war, war ein Tag weniger ihrer Kindheit und ein Tag weniger, an dem ich ihr Leben positiv beeinflussen kann", sagte Pyles, der im Baugewerbe arbeitet.

Harrell sagte, sie sei überrascht gewesen, wie gut die gleichberechtigte Aufteilung der Elternschaft funktioniert habe. Das Wissen, dass sie und Pyles gleichermaßen an Brileighs Leben beteiligt seien, habe ihnen eine bessere Zusammenarbeit ermöglicht, sagte sie.

"Als wir anfingen, hatte ich Angst und war nervös", sagte Harrell, eine Hausfrau. "Jordan und ich sind zwei sehr unterschiedliche Menschen, daher war es beunruhigend. Aber größtenteils hat es wirklich reibungslos geklappt."

Die elfjährige Briliegh Locke-Pyles kann sich nicht erinnern, dass sie jemals nicht gleich viel Zeit mit ihren Eltern, ihren Stiefeltern und ihren Halbgeschwistern verbracht hat. Sie tanzt in der Küche ihres Vaters herum und knabbert Popcorn. Sie sagt, es täte ihr leid für ihre Freunde, die nicht so viel Zeit mit ihren geschiedenen Eltern verbringen können.

"Das Schönste sind definitiv drei Weihnachten", sagte sie und zählte die bei ihrer Mutter, ihrem Vaters und ihren Großeltern auf. "Aber im Ernst, wahrscheinlich ist das Schönste, dass ich nicht so lange auf eine Seite meiner Familie verzichten muss."




Donnerstag, September 04, 2025

Zeitenwende in den USA: Wie Jungen und Männern plötzlich geholfen werden soll

1. Immer mehr Mitglieder der Partei der Demokraten in den USA begreifen, wie sehr sie Jungen und Männer politisch vernachlässigt haben und wie wahlentscheidend das geworden ist. Dazu gehört jetzt auch Adrian Fontes, Secretary of State des Bundesstaats Arizona. Ein Artikel der Zeitung "Deseret News" aus Utah beschäftigt sich eingehender mit den anstehenden Entwicklungen. Einige Auszüge daraus:

Einsamkeit und Selbstmord unter jungen Männern nehmen zu – junge Männer sind mittlerweile einem höheren Suizidrisiko ausgesetzt als Männer mittleren Alters. Viele wünschen sich eine Familie, doch fast die Hälfte hat keine festen Partner . Sie leben länger bei ihren Eltern und haben keine Ahnung, ob sie sich ein Haus leisten und für die Familie sorgen können. Sie werden von jungen Frauen, deren politische Ansichten oft anders sind als ihre eigenen, abgeschrieben oder sogar verachtet .

(…) Doch es gibt Hoffnungsschimmer aus einer unerwarteten Richtung: der Welt der Politik.

Nachdem die "Jungenkrise" jahrelang in der Wissenschaft und den Sozialwissenschaften diskutiert wurde, wird sie nun auch für Gouverneure – darunter Spencer Cox aus Utah, Gavin Newsom aus Kalifornien und Wes Moore aus Maryland – zu einer Priorität.

"Könnten die plötzlich überall auftauchenden ‚Jungenprobleme‘ zu einem überraschenden politischen Thema bei den Zwischenwahlen werden?", fragte Richard Whitmire, der Autor des 2010 erschienenen Buches "Why Boys Fail", kürzlich in den sozialen Medien.

"Das ist meine Prognose", fügte Whitmire hinzu. "Das Interessante daran: Beide Parteien könnten es sich sichern."

Die Politisierung eines Themas werde zwar nicht oft als positiv angesehen, in diesem Fall jedoch möglicherweise, sagte Whitmire in einem Interview. Er setzt sich seit langem für umfassende Veränderungen im Bildungswesen ein, um Jungen früher das Lesen beizubringen, und wünscht sich einen mutigen Politiker, der sich dieser Forderung annimmt.

Zu den weiteren Lösungsansätzen, die im ganzen Land vorgeschlagen werden, gehören Programme, die mehr jungen Männern eine Hochschulausbildung und eine Ausbildung ermöglichen, die Bereitstellung von mehr Vorbildern und Mentoren für Jungen, die Ausweitung der Unterstützung für die psychische Gesundheit und die Begrenzung der Zeit, die Jungen und Teenager mit süchtig machendem und destruktivem Verhalten im Internet verbringen.

Diese Initiativen werden mit dem Bewusstsein entwickelt, dass Erfolg kein Nullsummenspiel ist – niemand möchte die Fortschritte, die Mädchen und Frauen sowohl in der Bildung als auch am Arbeitsplatz erzielt haben, zunichtemachen, wie Newsom in seiner jüngsten Durchführungsverordnung zur Unterstützung von Jungen und Männern sagte. Es besteht jedoch ein neuer parteiübergreifender Konsens darüber, dass Jungen und Männer Aufmerksamkeit brauchen.


Wo es jahrzehntelang einen parteiübergreifenden Konsens gab, dass die Anliegen und Nöte von Männern so scheißegal sind wie nur irgendwas, hat sich der Wind jetzt also komplett gedreht, und über Jahrzehnte hinweg ignorierte Forderungen der Männerrechtsbewegung haben den Mainstream erreicht. Das ist ebenso epochal wie die Zeitenwende bei der Weltgesundheitsorganisation, über die Genderama gestern berichtete.

Im Februar 2012 veröffentlichte die Deseret News einen ausführlichen Bericht über den "Krieg gegen Jungen" und untersuchte, wie junge Männer in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Beruf an Boden verloren. Von dieser "Jungenkrise" führt ein direkter Zusammenhang zu der sogenannten "Männlichkeitskrise", die junge Männer heute plagt.

Die gute Nachricht ist, dass plötzlich viele neue Kräfte an Bord kommen. Ein Grund dafür ist die Wiederwahl von Präsident Donald Trump, ein Ereignis, das in der Demokratischen Partei zu Selbstzweifeln geführt hat, was die Situation der jungen amerikanischen Männer angeht.

Whitmire schrieb kürzlich für die Bildungswebsite The74million.org, dass das Thema "die größte politische Chance sei, die man sich vorstellen könne", eine, die geradezu prädestiniert sei, um Eltern einzubeziehen.

In dem Artikel wies er darauf hin, dass Virginias Gouverneur Glenn Youngkin 2021 gewählt wurde, "indem er Eltern in Orten wie dem wohlhabenden Loudoun County wegen Disziplin, Maskenpflicht und der Nutzung von Toiletten und Umkleideräumen durch Transgender-Schüler aufwiegelte. Das ist Kleinkram im Vergleich zu den größeren Problemen der Jungen".

Zu diesen umfassenderen Problemen gehören die Zahl der Männer, die als Erwachsene noch bei ihren Eltern leben; die steigende Zahl der Männer, die angeben, keine engen Freunde zu haben; und eine höhere Arbeitslosenquote als bei Frauen, selbst unter Männern mit Hochschulabschluss. Männer mit Hochschulabschluss weisen mittlerweile etwa die gleiche Arbeitslosenquote auf wie Männer ohne Hochschulabschluss.

In der Schule schneiden Mädchen in vielen Bereichen besser ab als Jungen; Jungen werden häufiger vom Unterricht ausgeschlossen. Und 47 % der jungen Frauen haben einen Hochschulabschluss, verglichen mit 37 % der Männer.

Richard Reeves, Gründer und Präsident des American Institute for Boys and Men, sagte vor drei Jahren in einer Rede bei Deseret News: „Gegenüber Jungen und Männern wird oft mit dem erhobenen Zeigefinger gewedelt, aber es werden kaum helfende Hände gereicht."

Doch in einem Interview letzte Woche sagte Reeves, dass sich in diesem Bereich "die Lage wirklich ziemlich schnell verändert", und zwar auf vielversprechende Weise.

Er sagte zum einen, dass die Gouverneure, die sich mit der Angelegenheit befassen – darunter auch Gretchen Whitmer aus Michigan –, dies auf ernsthafte Weise tun.

"In jedem Fall haben sie klar entschieden, dass es sich um ernste Probleme handelt und dass sie hier regieren sollten, anstatt nur Podcasts darüber zu veröffentlichen. … Es hat sich nicht wie ein Kulturkampf angefühlt", sagte Reeves.

Obwohl Gavin Newsom sich in seinem Podcast tatsächlich auf das Thema konzentrierte, und zwar am selben Tag, an dem er per Dekret Maßnahmen zur Unterstützung von Männern erließ, sagte Reeves, er sei ermutigt durch die "Ernsthaftigkeit der Absichten in Bezug auf dieses Thema, was sich in der Berichterstattung widerspiegelte, die respektvoll, nicht sensationslüstern und auf Lösungen ausgerichtet war."

"Sie haben nicht versucht, mit diesem Zeug lediglich einen Nachrichtenzyklus zu gewinnen. Und für mich ist das unglaublich wichtig und unglaublich ermutigend", sagte Reeves.

"Ich möchte weniger Zeit damit verbringen, darüber zu reden, wohin sich Männlichkeit entwickelt und was das für Politik und Kultur bedeutet und was Sie von der Netflix-Serie ‚Adolescence‘ halten, und viel mehr darüber reden: ‚Hier ist ein wirklich gutes Programm, um mehr männliche Lehrer zu bekommen‘, ‚Hier ist ein erfolgreicher Weg, mehr Männer in die psychiatrische Versorgung zu bringen und die Selbstmordrate zu senken‘ und ‚Hier ist eine wirklich gute Ausbildung, um die Chancen für Jungen nach der High School zu verbessern‘.

"Ich freue mich, dass sich dies Stück für Stück aus dem Kulturkampf heraus und in die Sphäre der Experten hinein zu bewegen scheint", sagte er.

Das American Institute for Boys and Men habe mit einigen Gouverneuren gesprochen, sagte Reeves. Sie hätten beispielsweise an der Ausarbeitung von Newsoms Executive Order mitgewirkt, und das Institut sei dabei, einen Mitarbeiter einzustellen, der mit dem Büro des Gouverneurs von Maryland zusammenarbeiten soll. Auch andere Bundesstaaten hätten sich gemeldet, und Reeves plane, im kommenden Jahr unter anderem nach Montana und Indiana zu reisen, um zu besprechen, was getan werden könne.

Auch Utah steht bei diesen Bemühungen an vorderster Front. Gouverneur Cox hat 2023 eine Task Force zum Wohlergehen von Männern und Jungen eingerichtet, deren Bericht noch in diesem Jahr erwartet wird, sagte Aimee Winder Newton, Direktorin des Utah Office of Families und Co-Vorsitzende der Task Force zusammen mit Nic Dunn, Vizepräsident und Senior Fellow am Sutherland Institute.

Die Task Force sei aus dem Wunsch des Gouverneurs entstanden, sich umfassender mit psychischer Gesundheit zu befassen, sagte Winder Newton. Später bat Cox seine Mitarbeiter, Reeves‘ 2022 erschienenes Buch "Of Boys and Men" zu lesen, und Reeves traf sich später per Zoom mit dem Team, um darüber zu sprechen.

Die Task Force wird politische Empfehlungen in drei Bereichen abgeben: geistige und körperliche Gesundheit, Bildung und Berufschancen sowie die Frage, wie bei den Männern und Jungen Utahs ein starkes Gefühl der Zielstrebigkeit gefördert werden kann.

"Eine der größten Stärken Utahs sind unsere starken Familien. Wir brauchen starke Mütter und Väter. Wir brauchen starke Ehefrauen und Ehemänner; wir brauchen, dass es allen gut geht", sagte Winder Newton.

Whitmire wies in seinem Beitrag für die Bildungswebsite The74million.org darauf hin, dass sich die geschlechtsspezifische Kluft bei der Hochschulreife bereits im Kindergarten abzeichnet. "Im Alter von fünf Jahren liegt die geschlechtsspezifische Kluft bei der Schulreife bei 14 Prozentpunkten zugunsten der Mädchen, die bereit sind, diese frühen akademischen Herausforderungen zu meistern."

Er schreibt weiter: "Es gibt viele kleine Maßnahmen, die die Schulen ergreifen können, um die Probleme der Jungen zu beheben. Pädagogen wissen bereits, was zu tun ist: Sie tun ungefähr dasselbe, was sie vor Jahren für Mädchen getan haben, um Defizite in Mathematik und Naturwissenschaften erfolgreich auszugleichen. Indem sie Mathematik und Naturwissenschaften zu partizipativen Projekten machten, Wissenschaftlerinnen als Vorbilder in die Klassenzimmer holten und sich darauf konzentrierten, mehr Mädchen für diese Fächer zu begeistern, gelang ihnen die Wende. Vor der Wiedereröffnung der Mittelschule aufgrund der Pandemie waren die Unterschiede zwischen den Mathematik- und Naturwissenschaftsleistungen von Jungen und Mädchen verschwunden. Wenn die Herausforderungen, vor denen Jungen stehen, nicht angegangen werden, ist das nicht nur ein Problem für den Einzelnen, sondern für die Gesellschaft, und dies kann sogar zu einer sinkenden Geburtenrate führen", sagte Whitmire in einem Interview.

"Sie werden keine Kinder haben, wenn Sie keinen heiratsfähigen Partner finden … einen gleichberechtigten Partner. Das wird immer schwieriger zu finden", sagte er.

Whitmire hofft, dass ein Demokrat der Mitte wie Rahm Emanuel, der Anfang des Monats in der Washington Post zu diesem Thema schrieb, sich für die Bildung von Jungen stark machen wird. Dazu müsste ein Politiker den Zorn von Lehrergewerkschaften und Pädagogen auf sich nehmen, die sich gegen Veränderungen sträuben. Denn Whitmire glaubt, das Problem liege in der Art und Weise, wie amerikanische öffentliche Schulen Jungen unterrichten.

Das politische Interesse ist ein Hoffnungsschimmer für Whitmire, der seit Jahrzehnten darüber spricht, wie sehr Amerikas Schulen Jungen im Stich lassen, und der, wie er sagt, keine Fortschritte sieht. "Wenn man sich die Zahlen zur psychischen Gesundheit ansieht, wie etwa die Selbstmordrate, hat sich die Lage allmählich verschlechtert. Es gab keine wirklichen Versuche, das Problem anzugehen, wie es vor 25 Jahren bei Mädchen in Mathematik und Naturwissenschaften der Fall war. … Jemand muss das zur Priorität machen", sagte er.

Wes Moore kündigte in seiner Rede zur Lage der Nation im Februar eine Initiative an, deren Ziel es ist, Jungen und Männern zu helfen. "Bei jedem einzelnen Indikator, der uns wichtig ist, fallen die Leistungen junger Männer und Jungen zurück", sagte er nach seiner Rede dem Magazin Washingtonian.

(…) Ein Problem, das Reeves schon lange beschäftigt, ist der sinkende Anteil männlicher Lehrer an den Schulen, wodurch Jungen Vorbilder und Repräsentation entzogen werden. Laut Education Week ist "der Gesamtanteil männlicher Lehrer an den Schulen in den letzten drei Jahrzehnten gesunken, von 30 Prozent im Jahr 1987 auf 23 Prozent im Jahr 2022, dem aktuellsten Jahr, für das bundesweit Daten vorliegen."

Unter den politischen Entscheidungsträgern herrsche zunehmend Einigkeit darüber, dass dieses Problem angegangen werden müsse, sagte Reeves. "Ich glaube, die Alarmglocken läuten derzeit ziemlich laut", sagte er. Finanzielle Anreize und Stipendien gehören zu den Lösungen, die in Betracht gezogen werden.




2. Im Vergleich zu diesen Entwicklungen lebt Deutschland noch immer komplett hinterm Mond. Aktuellstes Beispiel: Die ARD hat gestern Abend eine Reportage über die "Manosphäre" gesendet, also jenen Websites, wo die Dinge, die die US-Demokraten erst nach Trumps Wahlsieg entdeckten, schon seit Jahrzehnten angesprochen werden. Dass die ARD-Reportage nicht angemessen ausgewogen und differenziert, sondern reißerisch berichtet, wird schon durch ihren Titel klar: "Shut up, Bitch!"

Christian Schmidt kommentiert dieses erneute Versagen unserer Leitmedien.



3. Die Bundeswehr brauche dringend mehr Frauen, sagt der Wehrbeauftragte Henning Otte. Er macht sich für einen einjährigen Pflichtdienst stark – nicht nur militärisch.



4. Für die neue Offensive im Gazastreifen sollen sich Zehntausende israelische Reservisten zum Dienst melden. Doch viele verweigern den Dienst. Die Tagesschau berichtet:

Viel Zeit hat Gavrieli nicht, er will den Dienst verweigern, vor allem will er andere auch davon überzeugen: "Ein Krieg muss ein strategisches Ziel haben", sagt er. "Dieser Krieg hat aber kein Ziel, außer die Regierungskoalition von Netanjahu am Leben zu halten. Wir müssen die Geiseln zurückbringen." Der Krieg müsse enden, sagt Gavrieli. "Und hoffentlich gibt es in Gaza eine alternative Regierung mit Palästinensern.“

Mit seiner Meinung ist Gavrieli nicht allein. Mehrere Hundert Reservisten haben sich in einer Gruppe namens "Soldaten für die Geiseln" zusammengeschlossen. Auch Natan Ruchansky gehört dazu. "Ich wurde einberufen und soll nach Gaza gehen", sagt er. "Das werde ich nicht, weil ich mein Leben riskiere. Ich bin ein freier Mensch. Am 7. Oktober habe ich mein Leben riskiert." Die Geiseln hätten keine Wahl gehabt, so Ruchansky. "Ich kann nicht etwas zustimmen, bei dem sie geopfert werden." Auch die vielen toten Palästinenser im Gazastreifen könne er nicht ertragen, fügt er hinzu.

(…) Von der Kampfrhetorik aber ist nicht einmal mehr Israels Armeespitze vollends überzeugt. Armeegeneralstabschef Eyal Zamir hatte sich zunächst gegen eine erneute Großoffensive und die Einberufung vieler Reservisten ausgesprochen, sich aber gegen die Politik nicht durchgesetzt. Den rollenden Zug könnten nun auch einige Hundert Kriegsdienstverweigerer nicht mehr stoppen, meinen Beobachter.


Natürlich, auch diesen Zug hätte man sehr viel früher aufhalten müssen, auch außerhalb Israels. Aber dazu hätte man ja aktiv werden und sich angreifbar machen müssen …



kostenloser Counter