"Das Gekreisch widert einen je länger, je mehr an"
1. In der Schweizer Zeitung "Der Bund" äußert sich Bettina Weber unter der Schlagzeile "Das Gekreisch widert einen je länger, je mehr an" zum aufgeladenen Gesprächsklima in der Geschlechterdebatte:
Eine Schule in Stäfa [Kanton Zürich] musste diese Woche den seit zehn Jahren stattfindenden Gender-Tag absagen, weil es nach einem heftigen Shitstorm so ernst zu nehmende Drohungen gab, dass die Sicherheit gefährdet war. SVP-Nationalrat Andreas Glarner hatte das Informationsschreiben der Schule veröffentlicht, auf dem die Telefonnummer der Schulsozialarbeiterin zu lesen war.
Ein paar Wochen zuvor wurde in Basel über das neue kantonale Gleichstellungsgesetz debattiert. Auf dem Podium sassen vier Personen, die das gut finden, sowie die Biologin Martina Meier. Weil sie – Tochter der feministischen Philosophin Carola Meier-Seethaler – kritisiert, dass sich das Gesetz neu nicht mehr länger nur auf Frauen, sondern auch auf die LGBTI-Community bezieht, wurde sie am Ende der Veranstaltung als Faschistin beschimpft.
Beide Vorfälle zeigen das Niveau, auf dem sich die Diskussion befindet, sobald es im Entferntesten um das Thema Gender geht. Es dominieren die Pole, die Lauten, die Aggressiven, jene, die "Gender-Gaga" schreien, wenn das herkömmliche Rollenmodell hinterfragt wird – und die anderen, die "Nazi" brüllen und es "transphob" finden, wenn jemand darüber nachdenkt, ob es klug ist, Teenagern Pubertätsblocker zu verabreichen.
Das Gekreisch macht müde. Es nervt. Und es widert einen je länger, je mehr an.
Besonders bitter daran ist, dass beide Seiten der Sache, für die sie angeblich so brennen, einen Bärendienst erweisen. In Grossbritannien sorgte letztes Jahr eine Untersuchung für Aufsehen, die klar zeigte, dass die Mehrheit der Bevölkerung überhaupt kein Problem mit trans Menschen hat und es sehr richtig findet, dass diese gehört und geschützt werden.
Auf Ablehnung hingegen stiessen die Gehässigkeit, mit der darüber debattiert wird, sowie die Allgegenwärtigkeit des Themas.
Es ist davon auszugehen, dass die Schweizer Bevölkerung das Ganze ähnlich pragmatisch sieht. Heisst: Die Politiker und Aktivistinnen könnten das Schreien sein lassen. Man hörte ihnen nicht nur aufmerksamer zu. Womöglich würde sich auch herausstellen, dass alles weniger schlimm ist als gedacht.
2. Ein "feministisches Hochschulkollektiv" hat die Uni Zürich besetzt:
"Wir haben genug davon, dass Mann uns ins Wort fällt! Genug von sexistischen Bemerkungen und sexualisierter Gewalt, genug von einer binären Einteilung der Toiletten und genug vom Leistungsdruck!", zitiert die Mitteilung Kollektivmitglied Gabi Lang. "Das feministische Hochschulkollektiv fordert an der Uni wie auch in anderen öffentlichen Institutionen Rückzugsräume, die nur FLINTA-Personen offen sind."
3. Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) will sich nach eigenen Worten für eine bundesweite elektronische Fußfessel für Gewalttäter gegen Frauen einsetzen. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) sagte Rhein: "Näherungsverbote wirken oft nicht, weil sie nicht ausreichend kontrolliert werden können. Wir werden deshalb bei der nächsten Justizministerkonferenz eine Änderung des Gewaltschutzgesetzes vorschlagen, die den Einsatz der Fußfessel in diesen Fällen vorsieht."
4. In der "taz" findet man einen gelungenen Artikel, dessen Autor über seine Erfahrungen als Obdachloser ebenso schreibt wie über die momentane Situation von Obdachlosen generell.
5. "Erst wollen sie ein Kind, dann kümmern sie sich um ihren Job" betitelt "Die Zeit" vorwurfsvoll einen Artikel Alexandra Euls über Väter (Bezahlschranke). Was nachvollziehbar aussieht – wer eine größer gewordene Familie ernähren muss, muss mehr Geld verdienen – erscheint hier als Charakterfehler, den man pädagogisch beseitigen muss: "Drei Expertinnen raten zu mitunter harten Maßnahmen."
So tadelt die Soziologin Jutta Allmendinger: "Wir haben es mit verschenkten Potenzialen zu tun. Die Neigung der Väter, sich mehr einzubringen, ist ja da, sie gehen ihr nur nicht nach." Ihre Kollegin Kim Bräuer empfiehlt die schon erwähnten "harten Maßnahmen", und zwar "damit die Väter nicht so leicht davonkommen", wie die Sozialwissenschaftlerin Mariam Tazi-Preve formuliert, die Frauenstudien unterrichtet.
Vielleicht hätte einem Artikel über Väter die Perspektive des einen oder anderen Vaters gutgetan, statt über Väter wie über schwer Erziehbare zu schreiben? Selbst eigentlich bedenkenswerte Ratschläge erfolgen in dem Artikel stattdessen von oben herab:
Kim Bräuer von der TU Braunschweig schlägt zudem eine Männerquote für Kitavorstände und Elternbeiräte in Schulen vor. "Das wäre ein Weg, die Väter ein Stück weit in ihr Glück hineinzuzwingen", sagt sie.
Man spürt den ganzen Artikel hindurch die schwere Last, die diese engagierten Frauen mit den blöden Vätern tragen. Ähnlich schwer müssen vor 150 Jahren Missionare getragen haben, als sie die Wilden zum Christentum bekehren wollten.
Der Professor für Soziologie Martin Schröder wies gestern übrigens auf diesen Umstand hin, der ein wesentlicher Faktor dafür ist, dass in Top-Jobs vor allem Männer zu finden sind:
Väter sind viel zufriedener mit ihrem Leben, wenn sie länger arbeiten. Im Gegensatz dazu sind Mütter nicht zufriedener, wenn sie länger arbeiten.
Und dagegen schwirrt jetzt ein Soziologinnengeschwader an, das meint, viel besser zu wissen, was Glück für Männer bedeutet – auch wenn sie sie zu diesem Glück zwingen müssen.
Wieso sind eigentlich so viele Frauen derart unfähig, sich mit Männern auf Augenhöhe zu unterhalten und ihre Perspektive ernstzunehmen?
6. In allen 250 Bezirken der indischen Hauptstadt Delhi wird es bald "rosa Parks" geben, in denen der Zutritt für Männer verboten sein wird. Die neue Initiative wurde von der Stadt ins Leben gerufen, um den Frauen einen "komfortableren Raum" zu bieten.
7. Hadmut Danisch wirft einen Blick zurück auf die Benachteiligung von Frauen im Jahr 1900.
8. Die Post. Einer meiner Leser empfiehlt uns – sehr zu Recht – den Song "To be a Man" von Dax.
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