Samstag, Mai 06, 2023

50 Prozent: Papst führt Frauenquote ein

1.
Papst Franziskus hat bei der im Oktober anberaumten Synode zur Synodalität die Rolle von Frauen und Laien deutlich aufgewertet. Nicht nur Ordensmänner, sondern auch Schwestern werden mit Stimmrecht vertreten sein, neben weiteren 70 Mitgliedern mit Stimmrecht, die keine Bischöfe sind. 50 Prozent dieser aus den Ortskirchen vorgeschlagenen Kandidaten sollten Frauen sein.


Die Vatican News berichten.



2. Unter der Schlagzeile "Dann könnte man auch die Ohrläppchen abschneiden lassen" hat Aline Pabst für die Saarbrücker Zeitung ein Interview mit Werner Meier, dem Landesvorsitzenden des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, geführt. Ein Auszug:

Aline Pabst: Herr Meier, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) sieht im 2012 durch den Bundestag verabschiedeten Beschneidungsgesetz eine Gefährdung des Kindeswohls. Wie ist die Haltung des saarländischen Landesverbands dazu?

Werner Meier: Die gleiche wie die des Bundesverbands: Neben der furchtbaren Praktik der weiblichen Genitalverstümmelung, die wir auf das Schärfste ablehnen, lehnen wir auch eine Beschneidung von Jungen aus nicht-medizinischen Gründen ab.

Aline Pabst: Wieso?

Werner Meier: Es ist eben ganz prinzipiell ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Wenn es dafür keine Begründung gibt, ist das nicht angebracht. Profan gesagt: Dann könnte man auch die Ohrläppchen abschneiden lassen. Da sagen wir auch, dass wir das nicht machen. In früheren Zeiten, als die Hygiene viel kritischer war, war eine Beschneidung vielleicht eine angebrachte Maßnahme, aber das ist eine sehr lange Zeit her.

(…) Aline Pabst: Ein Betroffener aus Saarbrücken, der unter seiner Beschneidung sehr leidet, berichtete von einem Kinderarzt, der bei seinem sechsjährigen Neffen eine Beschneidung empfahl. Gibt es bei manchen Ihrer Kollegen noch Aufklärungsbedarf?

Werner Meier: Es werden ja entsprechende Schulungen angeboten. Letztendlich liegt diese Entscheidung auch nicht bei den Kinderärzten, sondern beim Operateur, dem Patienten und seinen Eltern. Wir können nur Auffälligkeiten feststellen und den Patienten zu einem Kollegen mit der entsprechenden Fachkompetenz – idealerweise einem Kinderchirurgen oder -urologen – überweisen. Der muss dann die Vor- und Nachteile einer Beschneidung mit den Eltern besprechen und, wenn es um ältere Kinder und Jugendliche geht, natürlich auch mit denen. Letztendlich gibt es für eine Beschneidung wirklich sehr wenige medizinische Gründe.




3. Im linken Overton-Magazin beschäftigt sich Roberto de Lapuente mit "gekapertem Feminismus":

Neulich saßen Richard-David Precht und Markus Lanz mal wieder zusammen. Podcasten. Wie immer ging es über allerlei. Auch um die Außenministerin und ihren China-Besuch. Precht wollte ganz ehrlich sein, sagte dann folgende Sätze: "Was für ein Unfall, dass die Frau Außenministerin geworden ist." Und: "Die hätte unter normalen Umständen im Auswärtigen Amt nicht mal ein Praktikum gekriegt."

Da war alles programmiert darauf, dass sich etliche im Lande, die Baerbock weiterhin für das Beste halten, was diesem Land widerfahren ist, stark empören würden. Und so geschah es dann auch. Was warf man dem Philosophen vor? Dass er frauenfeindlich sei, ja geradewegs ein Sexist. Er könne es nicht verschmerzen, dass eine Frau einen guten Job mache. Feministen und Feministinnen wüteten nun gegen Precht.

Aber halt, sind das die Stimmen des Feminismus, die hier laut wurden? Oberflächlich betrachtet mag man das meinen, schließlich formiert sich hier der Widerspruch, nachdem ein Mann eine Frau kritisiert hat. Da muss man gegenhalten und die patriarchalen Strukturen darlegen. In so einem Fall braucht die Geschmähte Schutz: Vor einem übergriffigen Mann.

Die Situation ist aber freilich eine andere: Hier hat nicht etwa ein Mann eine Frau kritisiert, sondern ein Bürger einen Teil der Bundesregierung. Der Souverän urteilte also über jemanden, der abgestellt wurde, um für ihn zu sprechen und zu handeln. Das ist die eigentliche Betrachtungsweise. Geschlechter kommen da gar nicht vor. Nur Machtverhältnisse. Und die werden praktischerweise ausgeblendet, wenn man von Sexismus spricht, wo eigentlich von Macht – und schlimmer noch – von missbrauchter Macht die Rede sein sollte.


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4. Im Journal für Internationale Politik und Gesellschaft der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung setzt sich Eszter Kováts damit auseinander, wie schnell in unserer Gesellschaft missliebige Meinungen in die rechte Ecke gerückt werden – etwas, das auch uns Männerrechtlern allzu oft widerfährt. Aufhänger des Beitrags ist eine missglückte Sendung des TV-Clowns Jan Böhmermann, der diesmal gegen Feministinnen wie Alice Schwarzer wegen ihrer Positionierung zum Selbstbestimmungsgesetz pöbelte und sie mit Scheißehaufen verglich. Ein Auszug aus Kováts' Essay:

In der Sendung wurden alle Kritikerinnen und Kritiker verunglimpft. In einer arroganten Art und Weise wurde ihnen die feministische Legitimation abgesprochen. Laut Böhmermann bestehe die einzig richtige feministische Haltung darin, das Gesetz vorbehaltlos zu unterstützen. Sein "Mansplaining" von Feminismus gegenüber Frauen zielte jedoch nicht darauf ab, Andersdenkende zu überzeugen, sondern sie vor aller Augen zu delegitimieren: Kein anständiger Mensch – so die Botschaft – dürfe solche Ansichten vertreten, weil sie eindeutig von der extremen Rechten stammten.

Die von einem Millionenpublikum gesehene Sendung ist ein anschauliches Beispiel für die zentrale diskursive Strategie eines zensierenden Social-Justice-Aktivismus im Westen, der über Genderfragen hinausgeht: Ob beabsichtigt oder nicht, werden abweichende Meinungen mit der extremen Rechten in Verbindung gebracht. Das beinhaltet gleich zwei Logiken der Delegitimierung: Jedes Gegenargument kommt von der moralisch falschen Seite, und jede angebliche Gesellschaftskritik ist eigentlich eine Verschwörungstheorie. (…) Wer Kritik übt, hat nicht nur Unrecht, sondern ist eine verachtenswerte Person, die ihren Hass oder ihre Bigotterie hinter Argumenten verschanzt, die von rechtschaffenen Menschen verachtet werden sollten.

(…) Dieser moralistische Diskurs macht oft den Fehler, die Anliegen der Mitglieder bestimmter Gruppen mit den Zielen und Strategien der damit verbundenen sozialen Bewegungen gleichzusetzen – als würde die Kritik an Letzterer zwangsläufig bedeuten, dass Erstere ignoriert werden, oder als würde, direkt oder indirekt, das ihnen zugefügte Leid vergrößert. Nach dieser Logik ist jede Kritik an #MeToo Sexismus, jede Kritik an der Leihmutterschaftsindustrie Homophobie und jede Kritik an der Prostitutionsindustrie Ausgrenzung von Sexarbeiterinnen. Nach dieser Logik ist es rassistisch, wenn jemand die Excel-Tabellen-ähnliche Aufzählung "intersektionaler" Identitäten hinterfragt, und trans- und queerfeindlich, wenn jemand nicht jeden partikularen Identitätsanspruch blindlings akzeptiert.

(…) Zwar handeln die genannten Akteure bestimmt aus besten Motiven, aber sie verhindern eine kritische Diskussion. Auch Kritik an den beteiligten Eliten ist tabu. Dabei ist es durchaus legitim, empirisch zu fragen, wer die maßgeblichen Stimmen hinter bestimmten sozialen Anliegen sind und welche Gruppen von einer bestimmten Politik profitieren. Es gibt ausgesprochen überzeugende Beiträge, die den Zusammenhang zwischen dieser Art von Politik und den Eliten in Medien und Wissenschaft problematisieren.

(…) Wie repräsentativ, wie weit verbreitet und systemisch diese Diskurse in der Zivilgesellschaft sind, müsste empirisch noch genauer untersucht werden. Sie sind jedenfalls keine Einzelfälle an den extremen Rändern der Gesellschaft, sondern in den Medien und gesellschaftlichen Bewegungen, in Politik und Wissenschaft präsent. Sie sind keine Beschreibungen von tatsächlichen Konfliktlinien – für oder gegen Gleichheit und Inklusion –, sondern sie sind diskursive politische Strategien, um diese Konfliktlinien herzustellen und eine bestimmte Lesart von sozialer Gerechtigkeit hegemonial festzuschreiben.

Wenn Menschen vor die Alternative gestellt werden – "Entweder du bist auf unserer Seite oder du bist ein rechter Verschwörungstheoretiker, der moralisch auf der falschen Seite der Geschichte steht" –, mag das eine abschreckende Wirkung entfalten und dafür sorgen, dass Menschen aus Angst den Mund nicht mehr aufmachen. Aber auf lange Sicht wird sich damit keine Mehrheit für irgendetwas mobilisieren lassen. Vielmehr wird es diejenigen radikalisieren, die so angegangen werden.


Manchmal frage ich mich, ob diese Radikalisierung von Andersdenkenden nicht sogar durch derart feindselig-unfaire Diskurse vorangetrieben werden soll. Wer einmal radikalisiert ist, lässt sich ja noch leichter aus der politischen Arena ausgrenzen als zuvor.



5. Tom Todd hat mich für seinen Youtube-Kanal Genderwelten zu meinem neuen Buch "Sexuelle Gewalt gegen Männer" interviewt. Unser Gespräch berührt verschiedene Aspekte des Themas, wie etwa die Häufigkeit solcher Übergriffe, das Stigma und die Scham, die damit für männliche Opfer verbunden sind, die Herausforderungen bei der Anzeige und Strafverfolgung solcher Fälle sowie die Notwendigkeit einer besseren Unterstützung und Hilfe für männliche Betroffene. Unsere Unterhaltung soll – so wie mein Buch – das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines integrativeren und geschlechtersensibleren Ansatzes im Umgang mit sexueller Gewalt schärfen.



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