Dienstag, Mai 02, 2023

MeToo: "Auch im Fall Reichelt gibt es nicht nur Gut und Böse"

1. Jan Fleischhauer kommentiert die Kontroverse um den ehemaligen Chefredakteur der Bildzeitung Julian Reichelt:

In der MeToo-Berichterstattung bevorzugen viele Medien Geschichten ohne Grautöne: hier das Opfer, dort der Täter. Die Wirklichkeit ist unübersichtlicher, wie SMS-Nachrichten im Fall Julian Reichelt zeigen.


Hier geht es weiter.



2. Die Bildzeitung hat ihren Artikel über die Ausschreitungen auf der Frauendemo in Berlin (Genderama berichtete) durch ein sehenswertes Video ergänzt.

Die gezeigten Krawalle sind nicht der erste Fall dieser Art. Auf ein Video von Männerrechtlern, die sich so aufführen, warte ich seit Jahren. Es ist grotesk, dass sich allein aufgrund von Geschlechterklischees, die sich in den Köpfen vieler Journalisten festgefressen haben, randalierende Feministinnen kein Thema sind, aber Männerrechtler, die Blogs, Bücher, Offene Briefe und dergleichen verfassen, zur gemeingefährlichen Bedrohung hochgejazzt werden. Blätter wie der "Tagesspiegel" phantasieren abstruse Verknüpfungen zwischen Männerrechtlern und Terrorismus, und gegen das kreuzbrave, dialogorientierte Forum Soziale Inklusion, das sich nicht mal als maskulistisch definiert, wird eine regelrechte Kampagne geführt.

Auch "Die Zeit" berichtet über die Angriffe der Feministinnen auf die Polizei.



3. Die Tagesschau berichtet:

Der ukrainische Grenzschutz will verhindern, dass Männer im wehrfähigen Alter das Land verlassen. Dafür setzen die Grenzer auf Abschreckung. Viele schaffen es trotzdem - einige aber sterben auf der Flucht.


Hier erfährt man mehr.



4. Die deutsche Apothekervereinigung hat scharfe Kritik am Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für eine geschlechtergerechte Änderung des Warnhinweises bei der Medikamentenwerbung geübt.

Auf Initiative Lauterbachs hatte das Kabinett beschlossen, mit einer Gesetzesänderung den bisherigen Warnhinweis in der Werbung neu zu fassen. So soll es künftig heißen: "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt oder fragen Sie in Ihrer Apotheke." Bisher lautet die im Heilmittelwerbegesetz vorgeschriebene Formulierung: "... und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker". Mit dieser Formulierung werde nicht nur den in den Apotheken arbeitenden Frauen vor den Kopf gestoßen, sagte die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Gabriele Regina Overwiening. Sie sei auch ein Affront gegen den gesamten Berufsstand, kritisierte sie. "Warum sollten Ärztinnen und Ärzte persönlich und genderkonform genannt werden, die Apotheke aber nur als Ort?"



5. Männer erhalten nur etwa halb so oft wie Frauen die Diagnose Depression, ein Unterschied, der sich über viele Studien und Länder hinweg zeigt. Allerdings werden knapp drei Viertel aller Selbsttötungen von Männern begangen; bei rund der Hälfte aller Suizide ist eine Depression die wichtigste Ursache. Auch sind mehr als doppelt so viele Männer wie Frauen alkoholabhängig, ebenfalls ein Begleitsymptom von Depressionen. Warum also werden Depressionen bei Männern dann so selten diagnostiziert? Damit beschäftigt sich der Schweizer Tages-Anzeiger (hinter einer Bezahlschranke):

Hier kann Andreas Walther weiterhelfen, Psychotherapeut und Oberassistent für Wissenschaft und Lehre an der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Zürich. Er forscht schon seit einigen Jahren zu Depressionen bei Männern. "Bei Männern werden Depressionen oftmals nicht als solche diagnostiziert", sagt Walther. "Das liegt daran, dass Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen, Ärztinnen und Ärzte bei einer Gruppe von depressiven Männern Schwierigkeiten haben, Depressionen richtig zu erkennen, weil die Symptome, über die Männer vordergründig berichten, nicht den definierten Diagnosekriterien entsprechen."

(…) Doch Depressionen sind vielfältig. Sie haben verschiedene Ursachen, verschiedene Verläufe, manchen hilft jenes, anderen dieses, und auch die Symptome unterscheiden sich mitunter von Fall zu Fall. Ein gewisses Muster lässt sich dabei auf das Geschlecht zurückführen: "Frauen zeigen häufig sogenannte internalisierende oder prototypische Symptome wie depressive Stimmung, Erschöpfung, übermässige Schuldgefühle oder exzessives Grübeln", sagt Walther, "während Männer oft sogenannte externalisierende männertypische Symptome wie Reizbarkeit, Wut, Aggression, erhöhtes Risikoverhalten, somatische Symptome wie Kopf- oder Magenschmerzen und Substanzmissbrauch aufweisen." Was auffällt: Letzteres ist in den ICD-11-Diagnosekriterien nur bedingt enthalten.


Eigentlich wissen Genderama-Leser das schon aus früheren Beiträgen in diesem Blog. Allerdings wusste ich das auch und habe mich trotzdem letztes Jahr von dem gängigen Fragebogen verarschen lassen, der meine Depressions-Symptome nicht erfasste.

Im Tages-Anzeiger heißt es weiter:

Müssten die Kriterien da nicht angepasst werden? Jein, findet Andreas Walther. "Die Depression ist aus gutem Grund so breit definiert", sagt er, "und trotzdem funktioniert es so für gewisse Gruppen nicht gut. Man sollte es wohl ein bisschen erweitern und auch zum Beispiel erhöhte Reizbarkeit, Aggression, erhöhtes Risikoverhalten oder erhöhten Substanzkonsum, der aber noch keine Substanzkonsumstörung darstellt, als Symptome aufnehmen."

Ähnlich sieht das auch Katarina Stengler, Direktorin des Zentrums für Seelische Gesundheit am Helios-Park-Klinikum Leipzig und ausserplanmässige Professorin an der Uni Leipzig. "Leider ist es so, und man muss hier wirklich ‹leider› sagen, dass die männerspezifischen Kriterien nicht in die letzten Überarbeitungen der Diagnosesysteme eingeflossen sind, obwohl viele Fachleute seit mindestens zehn Jahren darauf hinweisen", sagt Stengler.

Allerdings ist es auch nicht so, dass jede Depression bei Männern mit Wut und Aggression beginnt. In einer Studie aus Kanada vor drei Jahren war die Verteilung so, dass 25 Prozent der Männer mit depressiven Symptomen die klassischen Anzeichen hatten, 39 Prozent gemischte Symptome und etwa 35 Prozent ein eher "männliches", externalisierendes Symptomprofil zeigten. Auch wenn die Stichprobe mit rund 300 betroffenen Männern eher klein war: Nicht alle, aber doch viele Männer scheinen durch das Diagnoseraster zu fallen.

Katarina Stengler hält es daher für zwingend notwendig, weitere Aufklärungsarbeit zu leisten: gegenüber praktizierenden Psychotherapeuten und Psychiatern, aber insbesondere auch beim Nachwuchs. "Geschlechterdifferenzierende Inhalte müssten viel stärker im Medizin- und Psychotherapiestudium und in der Psychotherapieausbildung auftauchen, aber auch in den Weiterbildungen für praktizierende Ärzte und Psychotherapeuten", sagt Stengler. Denn auch wenn die Diagnosekriterien nicht den Stand der Forschung wiedergäben: Die benötigten Instrumente stünden bereit. "Für Depressionen gibt es gendersensitive Screening-Instrumente", sagt Stengler. Ein solches ist die Male Depression Risk Scale (MDRS). Dabei handelt es sich um einen Fragebogen, mit dem Therapeuten jene Depressionssymptome erkennen können, die in den herkömmlichen Verfahren nicht auftauchen.




6. Es gibt allerdings auch konkrete Ursachen für eine Männerdepression:

Ganze Behörden und viele Gesetze dienen dem einen Zweck, den "weißen Mann" zu benachteiligen. Weil er angeblich sonst so bevorteilt ist? Ach, ich wäre gern wirklich der Riese, für den sie mich offenbar halten.


Hier geht es weiter mit dem Artikel von Dushan Wegner.



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