Mittwoch, Februar 01, 2023

Politiker von SPD, CDU und FDP brechen neuen Streit um Wehrpflicht vom Zaun

1. Die Augsburger Zeitung berichtet mit Bezug auf einen Artikel der Süddeutschen Zeitung, der aber hinter einer Bezahlschranke steht:

Nach der Aussage von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), dass die Aussetzung der Wehrpflicht ein Fehler war, fordert die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann eine ehrliche Debatte. Das Aussetzen der Wehrpflicht gelte ausschließlich in Friedenszeiten, heute gebe es durch Russlands Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen sicherheitspolitischen Herausforderungen eine neue Lage, sagte sie der "Süddeutschen Zeitung".

"Im Spannungs- oder Verteidigungsfall kann sie wieder aktiviert werden". Es gehöre aber zur Ehrlichkeit dazu, den Menschen in Deutschland zu erklären, "was das konkret bedeuten würde, würde man die Wehrpflicht wieder aktivieren", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Es gebe zu wenig Kasernen für die Unterbringung. "Angesichts der Abgabe vieler Bundeswehrstandorte an Kommunen, die den Raum für Wohnungsbau genutzt haben, ist das heute schon eine riesige Herausforderung."

Bisher gilt nach Artikel 12a des Grundgesetzes, dass bei einer Wiedereinsetzung jeder männliche deutsche Staatsbürger "vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden" kann. Aber die FDP-Politikerin ist sich sicher, dass das heute auch für Frauen gelten müsse. Frauen vom Dienst zu befreien, würde vor keinem Gericht Stand halten, sagte sie. Zudem fehle das militärische Equipment und könnte kurzfristig auch nicht beschafft werden, "um circa 2,4 Millionen junge Wehrpflichtige im Alter von 18 bis 20 Jahren mehr oder weniger zeitgleich entsprechend ausbilden zu können".

Das Ganze würde nicht nur sehr viel Zeit kosten, "sondern auch zweistellige Milliarden-Beträge". Von Pistorius forderte sie, "konkret Ross und Reiter zu nennen". Die Debatte müsse in Gesellschaft und Bundestag geführt werden, es gebe kein einfaches Ja oder Nein. Pistorius hatte der SZ gesagt: "Wenn Sie mich als Zivilisten fragen, als Staatsbürger, als Politiker, würde ich sagen: Es war ein Fehler, die Wehrpflicht auszusetzen."

(…) Die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) sagte derselben Zeitung, der aktuell geltende freiwillige Wehrdienst reiche nicht aus, um den benötigten Nachwuchs für die Bundeswehr zu generieren. Dass Pistorius nun diese Debatte aufgreife, begrüße sie. "Zwischen Freiwilligkeit und Verpflichtung kann es viele Optionen geben", sagte Högl, räumte aber auch ein: "Momentan sehe ich keine politische Mehrheit für einen verpflichtenden Dienst."


Währenddessen fordert der CDU-Spitzenpolitiker Ralph Brinkhaus eine Rückkehr zur Wehrpflicht. Er wolle jetzt bewusst diesen Stein ins Wasser werfen: "Es würde dem Land gut tun, wenn wir die Wehrpflicht wieder aktivieren würden."

Auch der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag Johann Wadephul (CDU) äußerte sich zu dieser Frage:

Die Bedrohungslagen seien so vielfältig, dass man dringend die Hilfe junger Frauen und Männer brauche: "Und deswegen müssen wir den alten Satz von John F. Kennedy wieder herausholen - `Frage nicht, was Dein Land für Dich, sondern was Du für Dein Land tun kannst` - und müssen in diesem Sinne eine Diskussion über eine Allgemeine Dienstpflicht aller Geschlechter führen", sagte der CDU-Politiker. "Ich glaube, dafür ist jetzt die Zeit reif. Und wir sollten das parteiübergreifend machen", so Wadephul. "CDU und CSU sind jedenfalls zu einer breiten Debatte und zu einer Mitgestaltung bereit."

Dafür müsse die Verfassung geändert werden, sagte er. "Dazu werden wir benötigt und wir sind dazu bereit - und die Signale aus der Ampel schätze ich so ein, dass es Sinn macht, darüber jetzt zu reden." Die Gefahren für die äußere und innere Sicherheit Deutschlands seien deutlich sichtbar, so Wadephul. Dagegen müsse man sich wehren, zivil und militärisch - auch mit Dienstpflichtigen: "Wir haben in den letzten Jahren gelernt, dass Deutschland mannigfachen Gefahren ausgesetzt ist. Natürlich militärischen, wie wir jetzt in der Ukraine gesehen haben - und niemand weiß, ob Putin den Krieg nicht gegen NATO-Staaten fortsetzt."

(…) Eine Wiedereinsetzung der alten Wehrpflicht lehnt Wadephul hingegen ab: "Zur klassischen Wehrpflicht, glaube ich, sollten wir nicht zurückkehren - sie würde nur die Männer betreffen. Wir müssen dann die ganze Gesellschaft sehen, alle Geschlechter sehen - und wir können auch verfassungsrechtlich nur zu einer Wehrpflicht zurückkehren, wenn es eine Spannungssituation gäbe. Die gibt es zurzeit nicht."


Gestern haben die ersten Politiker gegen diese Forderungen Stellung bezogen

FDP-Chef Christian Lindner hat jeder Diskussion um eine Rückkehr zur Wehrpflicht eine Absage erteilt. "Die Wehrpflicht steht für die FDP überhaupt nicht zur Debatte. Das ist eine Gespensterdiskussion. Alle Kraft muss darauf konzentriert werden, die Bundeswehr als hochprofessionelle Armee zu stärken", sagte Lindner am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Die junge Generation habe durch die Pandemie zudem "so viel verloren, dass jetzt nicht noch über eine neue Dienstpflicht spekuliert werden sollte". Lindner verwies auch auf den Fachkräftemangel in allen Bereichen. Er sagte: "Einen ganzen Jahrgang von Ausbildung und Beruf abzuhalten, würde großen Schaden verursachen."

(…) Die Linke kritisierte die Diskussionen um die Wehrpflicht. "Es vergeht kein Tag, an dem sich nicht irgendein Vertreter von SPD, FDP, Grünen oder Union findet, der mit einem neuen Eskalationsvorschlag um die Ecke kommt: Panzerlieferungen, Kampfjets, jetzt die Wiedereinführung der Wehrpflicht", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Linke-Fraktion, Jan Korte. Die Wehrpflicht auszusetzen, sei kein Fehler gewesen, sondern ein zivilisatorischer Fortschritt.


Auch der Grünen-Politiker Anton Hofreiter hatte sich gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht ausgesprochen: "Die Wehrpflicht wird den Herausforderungen, vor denen eine moderne Armee steht, nicht gerecht. Nicht zuletzt aufgrund der Komplexität der Waffensysteme halte ich die Wiedereinführung der Wehrpflicht für wenig hilfreich."

Der Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr hat sich für eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht in Deutschland ausgesprochen. Ansonsten sei Deutschland im Angriffsfall nicht zu verteidigen.

In einem Artikel über sieben Probleme bei der Wiedereinführung der Wehrpflicht heißt es an erster Stelle: "Auch Frauen müssten in Zukunft Wehrdienst leisten. Die bisherige Beschränkung im Grundgesetz nur auf Männer hätte vor Gericht heutzutage wohl kaum Bestand."



2. Nach einer Flucht vor Putins Wehrpflicht sitzen fünf Russen seit Monaten auf einem Flughafen in Südkorea fest.



3. Der First Lady der Ukraine zufolge tragen Frauen die Hauptlast dieses Krieges:

"Die Frauen haben die Hauptlast dieses Krieges getragen, indem sie dafür gesorgt haben, dass es ihren Familien gut geht, dass es ihren Kindern gut geht, dass ihre Kinder in Sicherheit sind. Mütter und Großmütter sind eingesprungen, um sie zu schützen".




4. Die erste offizielle Statistik zur Nutzung von Männerschutzeinrichtungen ("Männerhäusern") in Deutschland liegt vor. Ihr zufolge musste jeder zweite Mann, der Zuflucht vor häuslicher Gewalt suchte, abgewiesen werden, weil die Schutzwohnungen voll ausgelastet waren.



5. Das Boulevard-Magazin "Brisant" (MDR) stellt den Fall Tami Weissenberg vor. Weissenberg war sieben Jahre lang Opfer häuslicher Gewalt geworden und unterstützt inzwischen andere Betroffene. Die Website zur Sendung klärt auf, wo betroffene Männer Hilfe finden (wenn nicht gerade alle Plätze belegt sind). Der fünfeinhalb Minuten lange Beitrag ist sehenswert.



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