Neue Studie: Schlechte Co-Elternschaft mit Depressionen bei Vätern verbunden
1. Die Neuroscience News, eine Plattform für Nachrichten aus dem Wissenschaftsbereich, berichtet:
Eine neue Studie von Forschern des Karolinska Institutet in Schweden zeigt, dass Väter eher depressiv werden, wenn ihre Kinder noch klein sind und die elterliche Beziehung zu ihnen in den ersten Monaten nach der Geburt schlecht ist. Die Ergebnisse wurden im Journal of Affective Disorders veröffentlicht.
"Wir haben als Gesellschaft viel zu gewinnen, wenn wir die Beziehungen zwischen den Eltern in den frühen Phasen der Elternschaft stärker unterstützen", sagt Michael Wells, außerordentlicher Professor am Department of Women's and Children's Health, Karolinska Institutet. "Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, besteht darin, die Väter im Säuglings- und Kleinkindalter auf ihren Status als Co-Eltern zu untersuchen und bei Bedarf Interventionen zur Verbesserung der Zusammenarbeit und Kommunikation rund um das Kind anzubieten."
Etwa neun bis zehn Prozent der Väter leiden unter nachgeburtlichen Depressionen, was im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sehr hoch ist. Kinder, die mit depressiven Vätern aufwachsen, haben ein höheres Risiko für mentale, emotionale und Verhaltensprobleme in ihrer Jugend, wie frühere Untersuchungen gezeigt haben. Durch die Ermittlung veränderbarer Faktoren, die das Risiko von Depressionen bei Vätern verringern, hoffen die Forscher, Interventionen zu entwickeln, die psychische Erkrankungen bei Eltern und Kindern verhindern können.
In der aktuellen Studie wurden 429 Väter von Kleinkindern im Alter von bis zu zwei Jahren in Schweden über Facebook rekrutiert. Die Teilnehmer wurden gebeten, Fragebögen auszufüllen, in denen sie Symptome von Depressionen und die Art ihrer Beziehungen als Eltern bewerteten. Die Daten wurden zu drei Zeitpunkten erhoben, als die Kinder im Durchschnitt 8, 13 und 26 Monate alt waren. Etwa 20 Prozent der Väter berichteten zu einem bestimmten Zeitpunkt während der Studie über Symptome einer Depression.
Die Ergebnisse zeigen, dass zwei Drittel der Väter, die im ersten Jahr nach der Geburt eine besonders schlechte Beziehung zu ihren Kindern hatten, wahrscheinlich an Depressionen leiden werden, wenn ihre Kinder etwas älter werden. Umgekehrt ist die Wahrscheinlichkeit, dass Väter mit besseren Werten bei der gemeinsamen Elternschaft weniger Depressionssymptome aufweisen, größer. Die Forscher fanden auch Zusammenhänge zwischen Depressionen in früheren Stadien und schlechteren gemeinsamen Elternschaftsbeziehungen in späteren Jahren.
"Wir fanden bidirektionale Zusammenhänge zwischen Depressionen und schlechter Co-Elternschaft, d. h. diese beiden Faktoren scheinen sich gegenseitig in beide Richtungen zu beeinflussen. Das stärkste Anzeichen für die Entwicklung einer Depression war jedoch eine schlechte gemeinsame Elternschaft in der frühen Kindheit und nicht umgekehrt", sagt Michael Wells.
2. Auch der Schweizer Blick greift das Thema "Depressionen bei frischgebackenen Vätern" auf:
Nach einer Geburt erkranken 15 Prozent der Mütter an einer postpartalen Depression (…). Doch frisch im Wochenbett nicht vor Glück zu sprühen, ist verpönt. Daher gilt allzu oft: Schweigen statt Erzählen. Lächeln, statt Hilfe suchen. Die Mütter erfahren wenig Unterstützung – die Väter werden oftmals ganz vergessen. Bei ihnen ist eine postpartale Depression ein noch viel grösseres Tabu. Dabei ist laut Studien mindestens jeder Zehnte betroffen. In der Schweiz sind vergangenes Jahr 89.000 Babys geboren. Das macht konservativ gerechnet 13.000 neu erkrankte Frauen und 10.000 Väter.
"Psychische Erkrankungen sind die häufigste Gesundheitskomplikation nach einer Geburt – und doch spricht man viel mehr über den plötzlichen Kindstod", sagt die promovierte Psychologin Fabienne Forster, die zur psychischen Gesundheit von Eltern forscht. "Wir sprechen von einer sehr hohen Anzahl betroffener Personen, die unentdeckt und unbehandelt bleiben – besonders bei Vätern. Das hat massive volkswirtschaftliche Folgen."
Durch die Pandemie hat sich die psychische Belastung junger Familien verstärkt. Bei dem Verein Postpartale Depression Schweiz meldeten sich dieses Jahr fünfmal so viele Väter wie 2019. Beim ersten Schweizer Väterberater, dem in Bern ansässigen Remo Ryser (50), haben sich die Beratungen seit seinem Start 2019 vervierfacht. "Nicht nur Mütter, auch Väter brauchen manchmal emotionalen Support", so Ryser.
(…) Kürzlich zeigte eine SonntagsBlick-Umfrage: Die Papis von heute wollen präsent sein. 70 Prozent sagen, dass sie sich für ihre Kinder "immer Zeit nehmen" und eine "innige Beziehung" zu ihnen pflegen. Gleichzeitig ist da die Arbeit ausser Haus.
Die Geburt eines Kindes trägt oft zu einer Retraditionalisierung bei: "Das alte Ernährermodell gilt als gestrig – trotzdem sind Väter immer noch oft Haupternährer der Familie", sagt der Männerbeauftragte Markus Theunert (49). Das macht Druck. "Es gibt immer noch dieses Männerbild des Vaters, der das Geld heimbringen und stark sein muss – dabei sind wir auch nur Menschen, keine Roboter", sagt [der junge Vater] Marcelo Vicente. Väter würden nie gefragt, wie es ihnen geht, ob sie Hilfe brauchen, sagt Fabienne Forster. "Und wenn sie sich schlau googlen wollen, steht da nur: Mutter, Mutter, Mutter.".
(…) Betroffene leiden oft unter Schlafstörungen oder Rückenschmerzen, erkennen darin aber keine psychosomatischen Probleme – oder ignorieren sie. Wie oft bei psychischen Erkrankungen gibt es immer noch eine hohe Schwelle, sich Hilfe zu holen. Väterberater Remo Ryser erstaunt dies nicht: "Sprechen Männer über ihre Überforderung, gelten sie als Weichei." Marcelo Vicente erhielt nach seinem Zusammenbruch nicht nur Unterstützung: "Gewisse Personen meinten: Es war ja kein Herzinfarkt, also alles nicht so tragisch." Männer hätten daher gelernt, ihre Gefühle der Überforderung und Angst mit sich selbst auszumachen, sagt Annika Redlich. Redlich: "Überwinden sie ihre Scham, und melden sich bei uns, verpacken sie ihr Leiden oft in das Wort Burnout, welches gesellschaftlich positiver behaftet ist."
Doch selbst wenn sich Väter Hilfe holen, bleibt die postpartale Depression oft unerkannt. "Es kommt immer noch vor, dass ein betroffener Vater an eine Fachperson gelangt, der noch nicht bewusst ist, dass die Krankheit auch Männer betrifft." Für Markus Theunert gibt es daher eine zentrale Botschaft: "Eine Depression bei Männern sieht oft nicht so aus, wie man sich eine Depression vorstellt." Anstelle von Niedergeschlagenheit und Antriebsarmut neigen Männer zu Reizbarkeit, Aggressivität und impulsiven Handlungen. (…) Die Konsequenz: Betroffene Männer erhalten oft keine Hilfe. Vermutlich ist ihre Suizidrate deshalb massiv höher.
Männer und Frauen machen in der Zeit nach der Geburt anderes durch. "Daher wäre es wichtig, dass sich Väter in einer Krise mit einem anderen Mann austauschen könnten", sagt Remo Ryser. Dies scheitert jedoch oft an den aktuellen Gegebenheiten: Die Hebammen, das Pflegefachpersonal und die Beratenden sind meist weiblich. Genauso beziehen sich Studien über die Zeit nach der Geburt vorwiegend auf Frauen, die Klinik-Angebote sind meist als Mutter-Kind-Stationen konzipiert. "In unserem Vorbereitungskurs gab es nur eine Folie, die sich mit Vätern befasste. Und dort stand: so unterstützen sie ihre Frau", erzählt [der Vater] Dario Scuto. "Das ganze System ist auf die Mütter fokussiert, dabei leben wir nicht mehr in den Fünfzigerjahren. Heute sind wir Männer doch wie ein zweites Mami."
Für Markus Theunert ist daher klar: "Es braucht mehr sensibilisierte Fachpersonen, mehr Väterberater, und zu jedem Geburtsvorbereitungskurs gehört ein Vaterfokus." Auf politischer Ebene sei es zentral, die Unterversorgung im psychischen Sektor zu beheben und gleichstellende Massnahmen zu fördern, sagt Fabienne Forster: "Studien zeigen: je mehr Vaterschaftsurlaub Männern zur Verfügung steht, desto seltener entwickelt sie Depressionen."
3. In einem Artikel der "Zeit" schildert Millay Hyatt ihre Probleme mit dem Wechselmodell.
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