Dienstag, Februar 21, 2023

Neue Zürcher Zeitung zur Meldestelle Antifeminismus: "Eine Demokratie braucht keine Denunziantenportale"

1. In der Neuen Zürcher Zeitung ist die Meldestelle Antifeminismus "Thema des Tages":

Weniger als fünf Minuten dauert es, eine unliebsame Person, die den Studiengang Gender-Studies als "Geldverschwendung" bezeichnet, bei einer staatlich geförderten Stiftung zu melden. Die Bestätigung der Meldung folgt sogleich per Mail mit bestem Dank vom "Antifeminismus-Monitoring-Team" der Amadeu-Antonio-Stiftung. Vergleiche zum Stasi-Überwachungsapparat der DDR wären historisch schief, trotzdem ist es nicht frei von Ironie, dass die Gründerin der Stiftung und ehemalige Vorsitzende, Anetta Kahane, von 1974 bis 1982 inoffizielle Mitarbeiterin der Staatssicherheit war.

Die Meldestelle Antifeminismus ist das erste bundesweite Portal, wo "sexistisch, frauen- und queerfeindlich motivierte" Worte, Taten, Organisationen und Menschen anonym gemeldet werden können. Das grüne Familienministerium unter Leitung von Lisa Paus fördert diesen feministischen Schutzwall mit 133 000 Euro. Im Jahr 2020 betrug das Budget der Amadeo-Antonio-Stiftung 5,8 Millionen Euro. Ein Teil des Geldes kommt vom Staat und damit von den Bürgern, die im Fall der neuen Meldestelle durch Steuergelder ihre eigene Diskreditierung finanzieren.

Die Beispiele, die die Stiftung als "Antifeminismus" deklariert, reichen von strafrechtlich relevanten Taten wie "Angriffen auf Frauen, queere Menschen und Einrichtungen" über Veranstaltungen mit "bekannten Antifeminist*innen" bis hin zu Kritik an "gendergerechter Sprache" und "Sticker/Flyer mit antifeministischen Inhalten". Auch Publikationen, die über eine "vermeintliche ‹Homo- und Translobby› oder ‹Gender-Ideologie›" berichten, sind laut der staatlich geförderten Stiftung eine Gefahr.

Es ist leicht vorstellbar, dass ein konservativer Politiker, der sich bei einer Wahlkampfveranstaltung gegen Sprachregelungen und für die Familie als Keimzelle der Gesellschaft ausspricht, tausendfach als Antifeminist gemeldet wird. So ist es ein Kinderspiel, den politischen Gegner anzuschwärzen und bei Bedarf auf das Urteil der Stiftung zu verweisen.

Besonders perfide ist die Vermischung von Gewalttaten mit harmlosen Aussagen, die klar von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. So stellt man Politiker, die sich gegen das Gendern positionieren, oder Medien, die kritisch über die Auswüchse der Transideologie berichten, auf eine Stufe mit Kriminellen. Aber auch das Melden vom Nachbarn, Dozenten oder Vorgesetzten ist zulässig, sollte sich einer der Genannten "antifeministisch" äussern. Ein Terminus, der sich breit auslegen lässt und dessen Schwammigkeit fast jeden zum Antifeministen macht, dessen Weltbild nicht gleichauf mit dem der Queer- und Transaktivisten ist.

Die Amadeu-Antonio-Stiftung wehrt sich gegen den Vorwurf des öffentlichen Prangers. Betrachtet man den Aufbau der Website, ist das als reine Schutzbehauptung zu bewerten. Mit wenig Aufwand lässt sich ein "Vorfall" melden, unter dem Button "Chronik" wird voraussichtlich bald eine Liste von Negativbeispielen "unterhalb der Strafbarkeitsgrenze" zu finden sein.

Die Stiftung bereitet hier eine Infrastruktur des Spitzelns vor, des Misstrauens gegen Mitbürger, Medien und Vereine. Es ist das Gegenteil einer liberalen Gesellschaft, in der verschiedene Positionen immer wieder neu verhandelt werden und missliebige Haltungen ausgehalten werden müssen. Weder der Staat noch Stiftungen können die Bürger verpflichten, Feministen zu sein.

(…) Die Amadeu-Antonio-Stiftung versucht mit der Meldestelle unter dem Deckmantel der emanzipatorischen Intention Fakten zu schaffen. Daran ist wenig bis nichts feministisch, aber alles antidemokratisch und illiberal. Denunziation steht im Gegensatz zu den Werten einer liberalen Gesellschaft, für die die Stiftung angeblich eintreten will. Gesellschaftliche Gräben werden nicht überwunden durch denunziatorische Portale, sondern durch einen offenen Diskurs. Die Bundesregierung sollte ihre Förderung von öffentlichen Massregelungsstellen wie die der Meldestelle der Amadeu-Antonio-Stiftung beenden. Ein staatlich finanzierter Pranger für Meinungen innerhalb einer pluralistischen Mehrheitsgesellschaft ist nicht fortschrittlich, sondern autoritär.


Aus den Reihen der Antifa werden die Vorwürfe hingegen zurückgewiesen:

Antifeminismus ist eine tödliche, menschenverachtende Ideologie und wird doch als solche nicht anerkannt folgerichtig sind genaue Zahlen der Todesopfer nicht bekannt. (…) Dennoch werden antifeministische Straftaten immer noch nicht systematisch erfasst.

Nun hat die Amadeo Antonio Stiftung folgerichtig und endlich auch eine Meldestelle für antifeministische Straftaten entwickelt. Und es zeigt sich wieder, wie weit Antifeminismus auch im bürgerlichen/konservativen Milieu verankert ist. So wurde beispielsweise von Journalistinnen und Politikerinnen behauptet, diese Meldestelle wolle nur Männer an "den Pranger" stellen. Das ist Täter-Opfer-Umkehr par excellence. Und das Schlimme: Auch hier glauben die Täter wirklich, Opfer zu sein, einfach nur weil sie Angst haben, nicht mehr ohne Konsequenzen ihren antifeministischen Müll abladen und FLINTA nicht mehr ungefragt belästigen zu dürfen. Die Autorin und Incel-Expertin Veronika Kracher schrieb hierzu treffend auf Twitter: "Bürgerliche bis Neonazis titschen aus. Daraus spricht vor allem eins: die Wut, nicht mehr weiter Frauen und queere Menschen angreifen zu dürfen."

Antifeminismus ist eine zentrale Ideologie im Rechtspopulismus und Rechtsextremismus, wird aber weniger stark als menschenfeindlich erkannt und gewertet. Feministinnen werden lächerlich gemacht, in den sozialen Netzwerken mit Hass, Mord- und Gewaltandrohungen überhäuft. Die Agitation gegen sexuelle Vielfalt und die Gleichwertigkeit aller Geschlechter ist auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft anschlussfähig. (…) Antifeminismus wird weiter gesellschaftsfähig gemacht und ist doch eine tödliche Ideologie.


In der linken Wochenzeitung "Freitag" hingegen trägt ein Beitrag Katharina Körtings die Überschrift "Feminismus als Staatsdoktrin? Ohne mich!" Obwohl die Autorin stramm feministisch denkt ("Die ganze Welt ist frauenfeindlich, und dagegen muss man sich wehren."), erteilt sie der Meldestelle eine klare Absage: "Das Ganze erinnert unangenehm an stalinistische Schauprozesse, aber ich bin mir nicht sicher, ob diese Assoziation nicht selbst schon 'antifeministisch' – und dort zu melden wäre." Im Fazit des insgesamt lesenswerten Artikels heißt es deshalb:

Der Staat (…) fördert – mit meinem Steuergeld! – nicht Nachdenklichkeit und Dialog, sondern die Denunziation Andersdenkender, Zensur, Opferdenken und damit letztlich die Aufteilung der Gesellschaft in die Guten und die Bösen. Feminismus funktioniert aber nur als Protestbewegung. Wenn er im Namen des Fortschritts in den Rang einer Staatsdoktrin erhoben wird, bin ich raus. Dann solidarisiere ich mich lieber mit denen, die nicht wissen, was sie denken oder fühlen sollen. Zum Beispiel anti-antifeministisch indoktrinierte Jungen.


So viel Skepsis und Widerstand gegenüber staatlicher Indoktrination würde man auch der Antifa wünschen.



2. Annalena Baerbock will eine Botschafterin für feministische Außenpolitik ernennen. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung mit Bezug auf ein Entwurfspapier für die "Leitlinien feministischer Außenpolitik", über das der SPIEGEL berichtet.

In dem Papier, das wohl am 1. März vorgestellt werden soll, heißt es demnach: "Die Botschafter*in wird für das Mainstreaming feministischer Außenpolitik Sorge tragen. Sie wird die Leitlinien weiterentwickeln und ihre Umsetzung sicherstellen." Das 41-seitige Dokument bestehe aus insgesamt zwölf Leitlinien, berichtet der Spiegel, sechs davon zielen demnach auf die Arbeitsweise im Auswärtigen Dienst ab und sechs auf das außenpolitische Handeln. Die Leitlinien seien "als Arbeitsinstrument des Auswärtigen Amts gedacht", ist im Entwurfstext zu lesen.

Feministische Außenpolitik sei "keine Außenpolitik für Frauen, sondern für alle Mitglieder einer Gesellschaft", zitiert der Spiegel aus dem Text. Sie mache sich "für alle stark, die aufgrund von Geschlechtsidentität, Herkunft, Religion, Alter, Behinderung, sexueller Orientierung oder aus anderen Gründen an den Rand von Gesellschaften gedrängt werden". Mit dem feministischen Ansatz sollten "historisch gewachsene Machtstrukturen" aufgebrochen werden.

Baerbocks Ministerium will dem Bericht zufolge die Genderkompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärken und einen "Kulturwandel" herbeiführen. "Feministische Außenpolitik verankern wir in allen Pflichtfortbildungen unseres Dienstes, um einen 'feministischen Reflex' auszubilden", schreiben die Autorinnen und Autoren.

Offenbar soll sich die neue feministische Grundhaltung auch in der Mittelvergabe des Außenressorts niederschlagen. "Wir werden auch unsere finanziellen Mittel systematischer in den Dienst feministischer Außenpolitik stellen", zitiert der Spiegel aus dem Leitlinien-Entwurf. "Unser Ziel ist, bis zum Ende der Legislaturperiode Gender Budgeting auf den gesamten Projekthaushalt des Auswärtigen Amts anzuwenden."

Das Auswärtige Amt warnt dem Bericht zufolge allerdings vor zu hohen Erwartungen. "Feministische Außenpolitik hält keine Zauberformel bereit, mit der sich unmittelbare sicherheitspolitische Bedrohungen bewältigen lassen", heißt es im Papier. Zudem zeige Russlands Krieg gegen die Ukraine, dass Menschenleben auch mit militärischen Mitteln geschützt werden müssten. "Deshalb ist feministische Außenpolitik nicht gleichbedeutend mit Pazifismus", so das Außenamt.




3. Für die UN Women sind Frauen und Mädchen vom Ukrainekrieg besonders betroffen. Kritiker sprechen bei dieser verqueren Darstellung von "sexistischer Menschenverachtung" und fragen: "Wie ideologisch verblendet is euer Verein eigentlich?"



4. Zum ersten Mal wird die britische Polizei verpflichtet, Gewalt gegen Frauen und Mädchen als "nationale Bedrohung" zu behandeln. Das bedeutet, dass ihr die gleiche Priorität eingeräumt werden sollte wie schwerer organisierter Kriminalität, Terrorismus und Kindesmissbrauch. Gewalt gegen Jungen und Männer hingegen bleibt unerwähnt.



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