Dienstag, September 19, 2023

"Warum wir ein Comeback der Wehrpflicht nicht hinnehmen dürfen"

1. In einem maskulistischen Artikel für "Welt" erklärt Jörg Wimalasena, warum eine Rückkehr der Wehrpflicht nicht akzeptabel ist. Ein Auszug:

Dass sich in Umfragen mittlerweile teils Mehrheiten oder nennenswerte Minderheiten sowie namhafte Politiker für eine Reaktivierung der Wehrpflicht aussprechen, finde ich besorgniserregend. Die Wehrpflicht war einer der unverschämtesten Verstöße gegen die Selbstbestimmung in Nachkriegsdeutschland. Zuletzt neun Monate lang (und in den Jahrzehnten davor noch viel länger) wurden junge Männer dazu gezwungen, ihre Lebenspläne hintanzustellen und für einen sittenwidrigen Hungerlohn entweder der Armee beizutreten oder die personellen Löcher im Sozialsystem zu stopfen.

(…) Der Vorstoß zur Wehrpflicht-Renaissance oder zur Einführung eines Pflichtdienstes erweckt den Eindruck, dass in Zeiten des Arbeitskräftemangels gerade im sozialen Bereich Personalengpässe mit unfreiwilligen, billigen Arbeitskräften abgemildert werden sollen – in Branchen, in denen eigentlich bessere Arbeitsbedingungen und Gehälter notwendig wären, um Berufsbilder attraktiver zu machen.

In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass der Agenda-2010-Architekt Frank-Walter Steinmeier (SPD), dank glücklicher Fügungen ins Schloss Bellevue gestolpert und mittlerweile Bundespräsident, einer der entschiedensten Befürworter einer sozialen Pflichtzeit ist. Menschen in schlechtbezahlte Ausbeutungs-Arbeitsverhältnisse zu zwingen, ist praktisch sein politisches Lebenswerk.

Statt über ein Comeback der Wehrpflicht zu diskutieren, sollten wir lieber eine Debatte um deren vollständige Abschaffung führen – weil sie eben nur ausgesetzt ist. Im "Spannungs- oder Verteidigungsfall" können Männer ab 18 Jahren noch immer eingezogen werden.

(…) Wenn die Wehrpflicht in irgendeiner Form wieder scharf gestellt wird, sollte sie aber auf jeden Fall auch für Frauen gelten. Der linksliberale Ruf nach Geschlechtergerechtigkeit gebietet es geradezu, auch Frauen zum Dienst an der Waffe heranzuziehen. Wenn schon Wehrpflicht, dann soll Clara-Sophie bitte auch mit im Schützengraben liegen. Es wäre ja fast verlogen, wenn die progressive Fortschrittskoalition nur Jungs an die Front schicken würde – junge Männer, über die moderne Feminist*_:Innen sonst die Nase rümpfen, wenn sie nach ein paar Bier auf dem Dorffest "Layla" singen. Damit könnte man auch offensichtliche Widersprüche im neuen Selbstbestimmungsgesetz ausräumen. Denn das sieht vor, dass sich Männer im Kriegsfall mit einer Personenstandsänderung zum weiblichen Geschlecht nicht der Einberufung entziehen können. Noch besser wäre es, man ließe die idiotische Idee Wehrpflicht einfach von vornherein fallen.




2. Der MDR stellt klar: "Wehrpflichtigen Ukrainern in Deutschland droht vorerst keine Auslieferung."

Rudi Friedrich arbeitet bei connection e.V. – einem Verein, der sich international für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure einsetzt. Er sagt, seit Kriegsbeginn verwehre die Ukraine das Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Das sei ein entscheidender Grund dafür, dass die Männer ins Ausland gegangen seien: "Und dann ist es so, dass es auch Soldaten gibt, die mehrere Monate gekämpft haben, aber total ausgepowert und traumatisiert sind und sagen: 'Ich kann das nicht mehr und wenn ich in die Ukraine gehe, dann werde ich ganz sicher wieder an die Front geschickt.'"

Tatsächlich ist die Wehrdienstverweigerung in der ukrainischen Verfassung nicht ausdrücklich vorgesehen. Es gilt das Kriegsrecht. Das bestätigt die Charkiw Human Rights Group auf Nachfrage. "So ist der Militärdienst durch Mobilmachung laut Gesetz für alle wehrberechtigten Personen zwischen 18 und 60 Jahren obligatorisch. In bestimmten Fällen kann Einzelpersonen ein Aufschub dieser Dienstleistung gewährt werden, zum Beispiel wenn es sich bei einer Person um einen Universitätsstudenten handelt." Auch alleinerziehende Väter dürfen den Dienst an der Waffe legal umgehen.

Jene, die schon im Ausland sind, brauchen aber akut jedoch nichts zu befürchten. Jochen Hövekenmeier vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: "Direkt nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine hat die EU die sogenannte Massenzustromrichtlinie in Kraft gesetzt und wir konnten in Deutschland alle Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nach Paragraph 24 Aufnahmegesetz hier bei uns aufnehmen. Es gab kein Asylverfahren und dementsprechend auch keine Möglichkeit, einen möglichen Asyltitel zu entziehen und diese Leute zurückzuschicken. Unabhängig davon, ob es sich um Männer im wehrpflichtigen Alter handelt, Frauen, Kinder, alte Leute – diese Menschen haben einen Aufenthaltstitel."

Dieser humanitäre Aufenthaltstitel ist bis Februar 2024 befristet, wird aber relativ sicher um ein Jahr verlängert. Sollte der humanitäre Aufenthaltstitel irgendwann auslaufen, müssten ukrainische Geflüchtete, wie alle anderen, einen Antrag auf Asyl stellen.

Ob jemandem weiterhin Schutz gewährt wird, ist dann eine Frage, die individuell beantwortet wird, sagt Jochen Hövekenmeier vom Bundesamt für Migration und Asyl: "Denn grundsätzlich hat jeder Staat das Recht, seine meistens jungen Männer zu einem Wehrdienst oder Wehrersatzdienst einzuberufen. Dieses Recht hat natürlich einige Ausnahmen, insbesondere in Kriegsfällen. Diese Ausnahmen müssen geprüft werden – immer vor dem individuellen Hintergrund und vor dem Hintergrund, welche Gefahr, welche Bestrafung einem Menschen eventuell droht, der in sein Herkunftsland zurückkehrt."

Und selbst wenn sich die Ukraine irgendwann ans Ausland wendet, um Fahnenflüchtige mit gefälschten Dokumenten ausliefern zu lassen – eine Auslieferung sei nur im Rahmen eines Strafverfahrens möglich, bei dem eine Straftat nachgewiesen werden müsse, so die Charkiw Human Rights Group. Praktisch gebe es keine Aussicht auf Ermittlungen und Feststellungen der Schuld.




3. Auch in der Ukraine selbst versteckt sich eine unbekannte Zahl an Männern, die nicht mit der Waffe gegen Russland kämpfen wollen. Österreichs "Standard" hat mit einem von ihnen gesprochen.



4. In Russland wurde ein Deserteur zu 13 Jahren Straflager verurteilt. Laut einer Erklärung des Militärgerichts der Stadt Juschno-Sachalinsk wurde er der schweren Fahnenflucht "in einer Phase der militärischen Mobilmachung" für schuldig befunden wurde. Seine Strafe muss er demnach in einer Strafkolonie unter "strengen Haftbedingungen" verbüßen.



Themenwechsel.



5. Ich muss mir unbedingt die Folge "Polizeiruf 110" vom Wochenende – "Little Boxes" – noch anschauen, denn die Kritiken sind streckenweise göttlich.

"Die Welt" schreibt:

Der Fall ist folgender: Ein Mann rennt durch einen Flur. Er hat Panik im Blick. Ihm geht es nicht gut. Bald danach liegt er nackt auf dem Gras vor dem Institut für Postcolonial Studies der Uni München. Und jemand hat ihm blutrot "Rapist" auf den Rücken geschrieben.

"Warum nicht Vergewaltiger", fragt ein Ermittler. "Weil nicht genug Platz war", sagt die Pathologin. Manchmal ist „Little Boxes“ schon sehr lustig. Aber nicht lang, weil dieser Sonntagabendkrimi ja die ideologische Verbohrtheit, das geradezu diktatorische Staat-im-Staat-Gehabe der radikalen Minderheiten-, Gender- und Frauenschützer an den Universitäten auf die Schippe nehmen will, die sie beherrschen, wie das Wahrheitsministerium George Orwells die Welt von "1984".

In eine Welt wird Cris Blohm geschickt, die nicht müde wird, zu betonen, dass sie gerade wieder einmal von einem Auslandseinsatz zurückgekommen ist, die ihr fremder ist als – sagen wir mal – Mali. Ein Wort vom Wege, so läuft die Meinungsmechanik, und man hängt am nächsten Debattenbaum. In das Wespennest, das dieser Debattenbaum ist, kann man, damit wir uns nicht falsch verstehen, gar nicht oft genug stechen.

(…) Den Toten vor dem Institut hatte ein Blog unmöglich gemacht, von dem keiner nichts mehr weiß oder wissen will, den irgendwer gelöscht hat. In dem soll der Mann mit migrantischen Wurzeln aber von einer Frau als Vergewaltiger bezeichnet worden sein. Von der Frau fehlt jede Spur. Beweise gab es keine.

Braucht man ja auch nicht. "Wir stellen die Empfindung einer Frau nicht in Frage", sagt die Frauenbeauftragte des Instituts in ihrem Vortrag. "Wir machen eine Frau nicht ein zweites Mal zum Opfer, indem wir ihre Glaubwürdigkeit anzweifeln." Woraufhin ihr wiederum der Vertreter des Rechtsstaates, in dem sie lebt, der schwarze, schwule, stets perfekt gekleidete Oberkommissar und Blohm-Kollege Otto Ikwuakwu, einen kleinen Vortrag über den Sinn der Unschuldsvermutung hält.

"Wenn Sie ein Rechtssystem bevorzugen", sagt Otto Ikuakwu, "in dem der Staat eine Tat nicht beweisen muss und der Angeklagte keinen Rechtsbeistand bekommt, dann wüsste ich ein paar Länder zum Ausreisen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass Sie da nicht hinwollen."

So geht die Mechanik von "Little Boxes". Die Polizisten, diese Systemknechte, die an der Uni keiner leiden kann, holen sich blutige Hirne an der Mauer des wortreichen, diskursgestählten Verschweigens aller Hintergründe für den Mord. Die hat Stephan Weigl da fein hingebaut und vollgehängt mit lauter kleinen Zetteln vom Ausschnittdienst für besonders irre Genderforschungsdenk- und -sprechakte.

Und die Kommissare reden – für sich, für einander und uns und für jene, von denen sie in "Little Boxes" für Feinde gehalten werden – dagegen an, kreisen in ihrem Einsatz im geistigen Ausland weniger die für den Mord verantwortliche "Tatperson" ein, als den Rest des gesunden Menschenverstands, von dem sich diese intellektuelle Szene – jedenfalls in der hier zirkusreif vorgeführten Form – planetenweit entfernt hat.


Bei Quotenmeter heißt es:

Ein Mann liegt tot im Hof eines universitären Institutes. Nackt. Auf seinem Rücken steht: Rapist. Mit der Polizei reden will hier niemand, denn die Polizei repräsentiert White Privilege, institutionalisierten Rassismus und normative Geschlechtervorstellungen, die alle ausschließen, die nicht in diese restriktiven Kategorien passen.

Dror Zahavi wird nach diesem "Polizeiruf 110" definitiv nie wieder einen "Tatort" drehen dürfen. Zumindest nicht im Auftrag von Sendern, die Kultursensibilität großschreiben und Warnhinweise vor alte Shows von Otto Waalkes oder "Schimanski"-Krimis setzen. "Polizeiruf 110: Little Boxes" ist eine Groteske aus der Mitte der Gesellschaft, ein Film, der einen Kriminalfall dazu nutzt, zwei Welten aufeinanderprallen zu lassen. Aber in einer Konstellation, die so eher ungewöhnlich ist auf einem Sendeplatz, der normalerweise dafür genutzt wird, einem sozial relevanten Thema durch einen feschen Mord Aufmerksamkeit zu verleihen, um schuldbewusst die Benachteiligten der Gesellschaft einmal aus dem bürgerlichen Ohrensessel heraus bedauern zu dürfen. Der "Tatort" ist eben kein einfacher Krimi. Der "Tatort" ist immer auch ein bisschen eine sozialpädagogische Bildungseinrichtung.

Allerdings ist dies kein "Tatort", dies ist ein "Polizeiruf 110", der halt zufällig auf dem gleichen Sendeplatz läuft und sich, vorsichtig ausgedrückt, einen feuchten Kehricht darum kümmert, was politisch korrekt ist. Welche Sprache korrekt ist. Was gesagt werden darf und was nicht. Eigentlich ist der Begriff "feuchter Kehricht" für diesen Film viel zu harmlos. "Einen Scheiß", das wäre eigentlich die korrekte Begrifflichkeit.

Die Feststellung, dass der von Stefan Weigl geschriebene Film den universitären Betrieb, der als Schauplatz dient, auf eine lächerliche Art und Weise präsentiert, ist keineswegs unzutreffend. Das Drehbuch wirkt nicht selten, als habe Weigl einfach mit Freunden abends, bei einem Glas Weizenbier, darüber sinniert, welche Klischeevorstellungen in deren Köpfen umherschwirren, wenn sie an Genderstudiengänge denken.

• Da gibt es die Professorin, die sich Profssx nennt, weil sie die Geschlechtervorstellungen der Gesellschaft verabscheut.

• Da ist die Geichstellungsbeauftragte, die den Job nur bekommen hat, weil sie dann eben doch eine Frau ist.

• Man spricht mit Gender-Gap

• Jede Person, die nicht ein alter, weißer Mann ist, ist ein Opfer – und zwar jede Person!

• Man ist auch ein Opfer von rassistischer Unterdrückung und Sexismus, wenn man sich als wissenschaftliche Mitarbeiterin (mit einem Gehalt knapp über Bürgergeld) eine Luxusvilla am See und einen Anwalt leisten kann, der 6000 Euro die Stunde nimmt – nur weil die Eltern stinkend reich sind, ist man trotzdem ein Opfer, wenn man sich als solches identifiziert!

Und so weiter. "Polizeiruf 110: Little Boxes" lässt keine, aber wirklich keine einzige Klischeevorstellung aus. Die oben genannten Figuren tauchen alle in diesem Film auf und sind exakt jene exaltierten Individuen, die in ihrer selbstgefälligen, selbstbesoffenen Selbstdarstellung und einem großen Strauß weiterer anmaßender Attitüde das verkörpern, was man sich unter abgehobenen Elfenbeinturmbewohnern so vorstellt. Die Darstellung dieses Umfeldes wird nicht mit einem feinen Stift gezeichnet. Weigl nutzt vielmehr den Vorschlaghammer, um ein Klischee nach dem anderen zu präsentieren. Doch bevor es zu Missverständnissen kommt: "Polizeiruf 110: Little Boxes" macht über weite Strecken schon Spaß. Und hinter der Aneinanderreihung von wenig fein gezeichneten Klischeebildern, verbirgt sich eine äußerst pointierte und schonungslose Kritik an den dysfunktionalen Strukturen des universitären Bildungswesens, das in Teilen von seinem ursprünglichen Zweck, der Freiheit der Lehre, abgewichen ist und diese Freiheit der Lehre nicht selten zu einer Worthülse verkommen lässt, wenn eine Ansicht vom akzeptierten Meinungskosmos abweicht.

Der Mann, der dort tot liegt, war ein wissenschaftlicher Mitarbeiter des Institutes für Postcolonial Studies. Für Cris Blohm (Johanna Wokalek) ist dies der erste Fall in München. Sie hat einige Zeit im Ausland gearbeitet (wo, das wird in diesem Film nicht erwähnt). Sie ist eine Idealistin, die man als Menschen eher in einem bürgerlich-linken Milieu verorten würde – und die plötzlich damit konfrontiert wird, dass sie der Feind ist. Und der Begriff Feind ist keinesfalls überhöht. Nein, man redet nicht mit Cops, denn die sind alle Bastarde. Selbst das Mordopfer hat schließlich einen ACAB-Aufkleber auf seinem Rechner kleben gehabt. Als Polizeibeamtin – und schlimmer noch, als Frau, die doch selbst aufgrund ihres Geschlechts unterdrückt wird, macht sie sich zur Komplizin einer Ordnung der systematischen Unterdrückung aller Minderheiten. Es gibt die weißen Männer und die Opfer. Gut, es gibt auch weiße Frauen, die sich den Tätern andienen. So wie auch Polizisten wie Otto Ikwuakwu existieren, Blohms für diesen Fall zugewiesener Partner, der selbst aus Nigeria stammt – und der statt als Opfer zu agieren eine Polizeimarke trägt und dem Schweinesystem dient.

Cris Blohm zumindest ist irritiert. Schon einfachste Nachfragen – "kannten Sie den Toten", werden direkt verbal aggressiv angegangen. Und das von allen Seiten. Von den Studentinnen, weil der Tote eh ein Mann und ein Schwein war. Von der Profssx und anderen Würdenträgssx (?), weil die aggressive Befragung der Polizei den Schutzraum Uni beschädigt. Warum der Tote ein Schwein war? Das steht ja auf seinem Rücken. Rapist – Vergewaltiger. Er soll eine Kommilitonin vergewaltigt haben. Gut, niemand weiß, wen er vergewaltigt haben soll. Es ist nie zu einer Anzeige gekommen. Aber das ist der Tatsache geschuldet, dass die meisten Vergewaltiger selbst dann, wenn ihre Schuld bewiesen ist, mit einem blauen Auge davonkommen. Diese Thematik behandelt die Inszenierung übrigens mit der ihr gebotenen Ernsthaftigkeit. Im Fall des Toten bedeutete das Gerücht allerdings Ächtung, denn der Vorwurf musste echt sein, weil er ein Mann war. Ermittlungen? Unschuldsvermutung? Nicht in diesen Kreisen.

Das Milieu, in dem die Geschichte angesiedelt ist, sieht sich selbst als ein Milieu, das denen eine Stimme geben will, die in dieser Welt keine Stimmen haben, weil die Strukturen so geformt sind, dass ihre Stimmen nicht gehört werden. Doch ist es kein Widerspruch, wenn sich eine Profssx, staatlich alimentiert, als Kämpferin gegen Strukturen eines Systems aufspielt, das sie nicht nur bezahlt, sondern ihrerseits mit Macht ausstattet? Der Macht beispielsweise Stellen besetzen zu können - oder Bewerbungen abzulehnen, wobei sie ihre Ablehnung nicht begründen muss? Bringt sie nicht gleichzeitig die, die sie in ihren Arbeitskreis aufnimmt, in prekäre Abhängigkeitsverhältnisse, wenn diese etwa damit rechnen müssen, dass abweichende Ansichten möglicherweise zu Nicht-Verlängerungen ihrer Arbeitsverhältnisse münden können? Vor allem dann, wenn die Profssx als, wie man sagt, meinungsstark gilt, was nicht selten dem Begriff "selbstherrlich" einen freundlichen Anstrich verleiht?

Als Kriminalfilm mag dieser Polizeiruf etwas schwach auf der Brust sein. Der Fall geht manchmal ein wenig unter. Dafür sind die Figuren einfach herrlich in ihrer Arroganz. Das tiefe Vertrauen der universitären Eliten auf der moralisch richtigen Seite zu stehen, macht eine Reflexion der eigenen Standpunkte für sie überflüssig. Die eigene Überlegenheit erhebt sich zum allgemeinen Dogma, jegliche Anzeichen von Zweifel oder Kritik werden nicht nur verdrängt, sondern als ein Angriff auf die Wahrheit mit einem Gegenangriff pariert. Blind für die Vielschichtigkeit der Realität, sind die handelnden Figuren letztlich selbst Gefangene in einer Blase der Selbstgerechtigkeit.

(…) Im "Tatort" werden 40 Mal im Jahr gesellschaftlich relevante Themen im Rahmen von Kriminalgeschichten durchgespielt. Der große Unterschied: Bei SWR oder dem RBB wäre die Handlung dieses Spielfilmes knochentrocken erzählt worden – mit einer großen Sympathie für genau jene Handelnden, die in diesem Nicht-"Tatort", sondern "Polizeiruf 110" nicht unbedingt mit Sympathiepunkten bedacht werden.


Und schließlich berichtet der FOCUS über die sehr unterschiedlichen Reaktionen auf die Sendung im Internet:

Während auf dem offiziellen "Polizeiruf 110"-Facebookprofil die positiven Stimmen deutlich überwiegen, brach sich beim Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) während und nach der Ausstrahlung deutlich mehr Unmut Bahn. "Boa ey. Was kotzt mich der #Polizeiruf110 an. In diesen Zeiten so Uni und Akademie und Feminismus darzustellen. Wie sehr darf man bitte CSU und AfD und Aiwanger & Co. in die Hände spielen?!?", sorgt sich eine X-Userin über die gesellschaftliche Wirkung des Films.

Auch diese Nutzerin stört sich an der politischen Botschaft: "Wie schrecklich ist bitte der #Polizeiruf110? Wichtige Themen wie Gleichberechtigung, Frauenrechte und Rassismus werden der Lächerlichkeit preisgegeben. Wind auf die Mühlen der #ADF." Hingegen bilanziert ein anderer Krimi-Fan: "Feinste Satire, die sich offenbar nicht jedem erschlossen hat."




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