Rubiales Rücktritt: "Der Skandal ist nicht der Kuss, sondern die Cancel-Wut"
1. Bei der Siegerehrung der Frauenfußball-WM drückte der spanische Verbandschef Rubiales einer Spielerin einen Kuss auf den Mund. Der Vorfall eskalierte zum Sexismus-Skandal - jetzt ist Rubiales zurückgetreten. Zu Unrecht, argumentiert Larissa Fußer bei Apollo News:
Die Medien waren außer sich. (…) "Form der sexuellen Gewalt", donnerten stern und FAZ auf ihre Startseite. Bild lieferte "Die Skandal-Akte des Spanien-Bosses". Die Story schrieb sich quasi von selbst: Der schmierige Spanier-Macho steckt der National-Spielerin gegen ihren Willen die Zunge in der Hals. Als Beweis für die Übergriffigkeit der Handlung wurde ein Video von Hermoso angeführt, in dem sie nach der Siegerehrung über den Kuss sagt, dass er ihr nicht gefallen habe. Die Zeitungsredakteure lieferten den Kontext: Ekel-Rubiales sei ja schon mal vorgeworfen worden, Verbandsgelder für Orgien-Partys mit einigen Frauen aus dem Fenster geworfen zu haben. Passt also ins Bild, dass er mal ganz frei seine Spielerinnen busselt, sollte sich der Leser offenbar denken. Im Nebensatz erwähnte man kurz, dass die Vorwürfe vom Verband stets abgewiesen wurden.
So geht es munter im Hau-Drauf-Modus weiter: Zwar zitierten die meisten Medien Hermosos offizielle erste Stellungnahme zu dem Kuss, in der sie sagte, dass man "dieser Geste der Freundschaft und der Dankbarkeit nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken" sollte. Zur Einordnung wurden dann jedoch mehrere Kommentare spanischer Politikerinnen dagegengestellt, die das ganz anders gesehen haben. "Es ist eine Form der sexuellen Gewalt, die wir Frauen täglich erleiden und die bisher unsichtbar war und die wir nicht normalisieren dürfen", kommentierte Spaniens Gleichstellungsministerin Irene Montero auf Twitter (jetzt "X") den Kuss. Es stehe die Zustimmung im Mittelpunkt, erklärte die Politikerin, die sich in ihrer Twitter-Biografie selbst als Feministin bezeichnet. Sie ergänzte: "Nur ein Ja ist ein Ja".
Dass die Politikerin hier eine politische Einordnung vornahm, ist kein Zufall. Die letzte spanische Links-Regierung hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, dass bei sexuellen Handlungen die ausdrückliche Zustimmung aller Beteiligten erfordert. Seit 2022 ist der Entwurf rechtskräftig. Inzwischen regieren jedoch die Konservativen im Land. Die Regierung war an den Debatten um den Gesetzesentwurf zerbrochen.
Kurz nachdem Hermoso ihr erstes beschwichtigendes Statement abgegeben hatte, änderte sich jedoch die Stimmung in der Frauennationalmannschaft. Fünf Tage nach dem WM-Finale traten die spanischen Nationalspielerinnen in einen "Streik" und forderten den Rücktritt von Rubiales. Danach folgte Schlag auf Schlag. Der Weltverband Fifa sperrte Rubiales vorläufig für 90 Tage, selbst die Vereinten Nationen schalteten sich ein. "Wie schwierig ist es, jemanden nicht auf die Lippen zu küssen?", sagte der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stephane Dujarric, Ende August in New York. Schließlich stellte sich auch der spanische Fußballbund gegen Rubliales, der ihn zuvor noch unterstützt hatte.
Dann kam der Fall auch juristisch ins Rollen. Anfang September erstattete Nationalspielerin Hermoso Anzeige gegen Rubiales, die spanische Staatsanwaltschaft reichte Klage wegen sexueller Nötigung ein. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft öffentlich gemacht, dass sexuelle Nötigung mit einer Freiheitsstrafe zwischen einem und vier Jahren bestraft werden könne. Nun hat Rubiales dem Druck offensichtlich nachgegeben.
Die rasante Eskalation des Kuss-Skandals befremdet. Erst recht, wenn man sich das Videoaufzeichungen anguckt, die Hermoso noch kurz nach ihrem WM-Sieg veröffentlichte. Die vereinte Apollo News-Übersetzungseinheit hat sich zusammengetan und sich das damals viel zitierte Video angeschaut. Es ist eine ausgelassene Partystimmung zu sehen. Hermoso filmt sich dabei, wie sie aus einer Sektflasche trinkt. Im Hintergrund scheint jemand über den Kuss zu sprechen – Hermoso ruft: "Aber es hat mir nicht gefallen!". Sie lacht danach in die Kamera. Dann scheint sie jemand zu fragen, warum sie nichts gemacht habe. Hermoso antwortet feixend: "Was hätte ich denn tun sollen?" Dann fragt eine Männerstimme: "War’s denn mit Zunge?". Die Fußballerin macht eine verneinende Geste. "Ein bisschen schon", sagt der Mann – Hermoso lacht. Später sieht man die Spielerin grinsend im Arm von Luis Rubiales in der Umkleide stehen. Rubiales verkündet feierlich, dass er die Spielerinnen zur Feier des Tages auf eine Reise nach Ibiza einladen will. Als alle jubeln, ruft Rubiales: "Und dort feiern wir die Hochzeit von Jenni und Luis Rubiales".
Über die Körpersprache von Hermoso im Video gibt es geteilte Meinungen unter den Apollo-Autoren: Manche sind der Meinung, ihr sei der Kuss tatsächlich zu viel gewesen, und sie habe nur aus Verlegenheit gelacht. Andere sagen, dass das ganze Video nur Albereien in einer euphorischen Siegeslaune zeigt und man überhaupt nicht sehen könne, dass Hermoso irgendein Problem mit dem Kuss gehabt haben soll. Wie auch immer es nun gewesen war, eins ist klar: Im Vergleich zum WM-Sieg scheint der Nationalspielerin der Kuss des Verbandspräsidenten komplett wumpe gewesen zu sein. Hätte sie im Video wirklich offenbart, dass sie gerade einen schlimmen, sexuellen Übergriff erlebt habe (so wie es sämtliche Medien suggerierten), hätte sie nicht dermaßen ausgelassen gegrinst und gejubelt.
(…) Dass dieser Mann wegen eines Freuden-Kusses nun am Ende seiner Karriere steht, ist unheimlich. Der eigentliche Skandal in der Causa Rubiales ist nicht der Kuss, sondern die unfassbare Macht, die die MeToo-Bewegung immer noch hat.
2. Die Nachdenkseiten titeln "Neuer Nationaltrainer gesucht – Warum nicht mal eine Frau?" In der Glosse von Jens Berger heißt es:
Vergangenen Zeiten nachzutrauern, ist rückwärtsgewandt und selten produktiv. (…) 1974 waren es lupenreine deutsche Machos, die mit ihrem Finalsieg über die progressiven Holländer dem feministischen Aufbruch in den Rücken fielen. Der Weltmeistertitel von 1990 ist untrennbar mit der nationalen Besoffenheit der Wiedervereinigung und der aufkeimenden Großmannssucht verbunden. "Wenn jetzt noch Spieler aus der DDR dazukommen, sind wir auf Jahre unschlagbar. Das tut mir leid für den Rest der Welt", so der damalige Teamchef Franz Beckenbauer. Und auch über den Titel 2014 sollten wir uns keinen falschen Illusionen hingeben. Auch wenn Trainer Jogi Löw als metrosexuelle Stilikone dem überkommenen Männerbild längst vergangener Zeiten nicht wirklich entsprach, so bleibt er uns doch vor allem wegen seiner primatenhaften Machogesten, wie dem Griff in den Schritt, in Erinnerung. Alte weiße Männer bleiben nun einmal alte weiße Männer – egal, wie frau es dreht oder wendet.
Schon nach dem unrühmlichen Abgang von Löw verpasste der DFB die Chance für einen Epochenwechsel. Anstatt endlich mal eine Frau zu nominieren, entschied man sich mit Hansi Flick schon wieder für einen alten weißen Mann – dazu noch heterosexuell und ohne Migrationserfahrung. Gerade so als hätte man(n) beim DFB noch nie was von Frauenquote, Awareness, Geschlechterrollen, Antifeminismus, Rassismus, Homo- und Transphobie oder Genderkompetenz gehört. Dass man sich damit einen Bärendienst erwiesen hatte, wurde schließlich bei der letzten WM in Katar selbst für die Chauvinisten in der DFB-Chefetage offensichtlich. Trotz One-Love-Binde konnte sich das Team nicht vom repressiven Druck des reaktionären Altherren-Chauvinismus auf der Trainerbank befreien und verlor ein Spiel nach dem anderen.
Dabei sollte frau nicht unter den Tisch fallen lassen, dass es sogar beim Alte-Weiße-Männer-Verband DFB durchaus zart keimende Pflanzen des Aufbruchs gab. So wurde der frauenfeindliche Markenname "Die Mannschaft" vom DFB ersatzlos kassiert und der scheidende alte weiße DFB-Manager Oliver Bierhoff soll mit Nadine Keßler durch eine junge Frau abgelöst werden. Gut so! Aber immer noch zu wenig!
Ein starkes Signal wäre es jetzt, auch den Cheftrainer-Posten mit einer Frau zu besetzen. Seit seiner Gründung im Jahr 1903 hatte der DFB ausschließlich Männer für diesen Posten nominiert. Das muss man frau sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Eine Frauenquote von 0%! Und da wundert man sich ernsthaft darüber, dass es auf dem Platz nicht so gut läuft?
3. Das Forum Soziale Inklusion (FSI) nimmt Stellung zur Reform des Unterhaltsrechts:
Das Bundesjustizministerium hat die Grundzüge der geplanten Reform des Unterhaltsrechts veröffentlicht. Es ist zu begrüßen, dass sich die Politik diesem für viele Trennungsfamilien wichtigen Themen nach vielen Jahren aktiver Vermeidung nun zuwendet. FSI nimmt zusammen mit fünf weiteren Verbänden zu den Eckpunkten des Ministeriums Stellung.
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4. Nach dem aktuellen Väterreport des Familienministeriums fordern die Gewerkschaften mehr Unterstützung derjenigen Papas, die mehr Zeit bei ihrer Familie verbringen möchten.
"Die Arbeitgeber müssen endlich die Flexibilität an den Tag legen, die sie von ihren Beschäftigten immer einfordern", sagte DGB-Vizechefin Elke Hannack dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). "Da ist die Familienstartzeit – zehn Tage frei rund um die Geburt eines Kindes – als Einstieg in die partnerschaftliche Aufgabenteilung bestens geeignet. Sie muss jetzt endlich kommen."
Die Gewerkschafterin betonte: "Die traditionelle Aufgabenverteilung in Familien hält sich vielerorts hartnäckig – vielleicht auch, weil Kinderbetreuung nicht nur bedeutet, zwei Stunden mit dem Kind auf dem Spielplatz zu verbringen. Sondern es geht um mehr; am Ende hängt auch die ganz gewöhnliche Hausarbeit dran."
(…) Zudem müssten Unternehmen Männer stärker unterstützen, die länger als zwei Monate in Elternzeit gehen möchten, forderte Meret Matthes, Referentin für Frauen- und Gleichstellungspolitik der Gewerkschaft Verdi. "Arbeitgebende müssen endlich signalisieren, dass es gern gesehen ist", sagte Matthes dem RND. "Männer ringen unter anderem damit, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, weil sie das Feedback bekommen: ‚Haben Sie denn keine Frau?‘". Das sei in vielen Betriebskulturen so verankert.
Wenn es um Väter geht, hätte man natürlich vor allem gern erfahren, was denn der Referent für Männerpolitik der Gewerkschaft Verdi sagt. Ein solches Amt gibt es dort aber leider nicht.
5. "Jungen sind häufiger psychisch krank als Mädchen" berichtet der Psychiater Dr. Andreas Hagemann in einem Interview mit der "Welt". Ein Auszug:
WELT: Wie häufig sind psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen?
Hagemann: Das Robert-Koch-Institut untersucht in einer Langzeitstudie, wie es um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen steht, die KiGGs-Studie. Laut der Untersuchung gelten 16,9 Prozent der Kinder und Jugendlichen bis 17 Jahren als psychisch auffällig. Jungen sind häufiger psychisch krank als Mädchen. Dennoch geht die Zahl der betroffenen Jungen in der Altersgruppe neun bis 17 Jahren zurück. Dies sind allerdings Zahlen von vor der Pandemie.
WELT: Und wie ist das Bild nach der Corona-Zeit?
Hagemann: Die Pandemie war aus meiner Erfahrung der Treiber für psychische Auffälligkeiten. Laut einer aktuellen Studie des Zentralinstituts der Kassenärztlichen Vereinigung stieg der Anteil von depressiven Mädchen von 2019 bis 2021 um 27 Prozent. Auch diese Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass bei Jungen die Häufigkeit von psychischen Erkrankungen um acht Prozent zurückgegangen ist. Sie zeigen eher Verhaltensauffälligkeiten wie etwa Aggressionen.
Welt: Auch die Zahl der verhaltensauffälligen Kinder nimmt zu. Was passiert da?
Hagemann: Die innere Organisation der Gefühlswelt eines Kindes kann man mit einem Hausbau vergleichen. Es bedarf einer Reihenfolge beim Aufbau der Mauern, die alles tragen. Man kann einen Hausbau nicht beim Dach beginnen. Wenn die tragenden Mauern nicht stehen, wird das Gebäude immer wieder zusammenbrechen. Vielleicht ist das Dach notdürftig am Gerüst befestigt, wenn dies aber abgebaut wird, bricht wieder alles zusammen. Deshalb sind die Grundmauern, die inneren Strukturen, welche Eltern bieten, extrem wichtig. Die liebevolle Haltung der Eltern ist die Grundlage einer psychisch gesunden Entwicklung ihrer Kinder.
6. Der Informationsdienst Wissenschaft wirft einen feministischen Blick auf die Energiewende. Ein Auszug:
Damit der Wandel zu einem nachhaltigen Energiesystem gelingt, brauche es mehr Geschlechtergerechtigkeit, sagt die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Cara Daggett. Während eines einjährigen Fellowships am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit - Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS) erforscht sie, wie die Politik gesellschaftliche Strukturen fördern kann, die eine Abkehr von fossilen Energieträgern erleichtern.
Fossile Brennstoffe sind mehr als nur eine Industrie, die gigantische Gewinne erwirtschaftet. Ihre Nutzung hat laut Daggett auch zur Entstehung einer Mentalität beigetragen, der zufolge die Natur für den Menschen arbeiten sollte. Am meisten profitierten von dieser Art des Wirtschaftens weiße Männer in den Industrieländern: Einige von ihnen standen an der Spitze von Regierungen und Ölgesellschaften, viele andere verdienten gutes Geld als Facharbeiter. Das bedeute jedoch nicht, dass Männer von Natur aus eine positive Haltung zu fossilen Brennstoffen haben. Vielmehr untersucht Daggett, wie sich Strukturen der intensiven Energienutzung und eines patriarchalen Imperialismus gemeinsam entwickelt und gegenseitig verstärkt haben. Im Zentrum stand dabei die Ausbeutung: von der Natur, von Frauen, von Kolonien.
In ihrem Essay "Petromaskulinität. Fossile Energieträger und autoritäres Begehren" (2018) untersuchte Daggett, Professorin für Politikwissenschaft an der Virginia Tech, das Zusammenspiel dieses dominanten Männlichkeitsbegriffs mit der Macht der fossilen Industrie. Sie zeigte auf, dass die Widerstände gegen ein nachhaltigeres Energiesystem eng verknüpft sind mit neuen autoritären Bewegungen, die geprägt sind von Rassismus, Frauenhass und Leugnen des Klimawandels. Der mangelnde Einfluss von Frauen auf die Entwicklung des Energiesystems ist ein Symptom dieses umfassenderen Problems.
Daggetts Ziel am RIFS ist es, aus einer feministischen Perspektive Alternativen für ein gerechteres und nachhaltigeres Energiesystem zu entwerfen. "Feministische Energie: Geschlechterspezifische Dimensionen der Entwicklung von Solar- und Windenergie" lautet der Titel ihres Projektes, an dem sie mit zwei Ko-Autorinnen arbeitet.
7. Auch in Hessen will eine Initiative jetzt ein Volksbegehren gegen die Gendersprache anstoßen. Hier findet man diesen Aufruf.
8. An der Paracelsus-Uni Salzburg heißt es inzwischen: Wer nicht gendert, dessen Arbeit soll nicht nur schlechter bewertet, sondern überhaupt nicht angenommen werden.
9.
Ein junger Mann aus den USA, der als Schüler von seiner Lehrerin sexuell missbraucht wurde, erhält von dem Schulbezirk in Kalifornien eine Summe von 2,25 Millionen Dollar. Insgesamt wurden mehr als 8 Millionen Dollar an drei Kläger ausgezahlt.
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet.
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