Donnerstag, Juni 23, 2022

Soziologe erklärt: "Warum geschlechtergerechte Sprache nicht gerecht ist" – News vom 23. Juni 2022

1. In der Frankfurter Allgemeinen beschäftigt sich der Soziologe und Psychologe Stefan Beher mit der Gendersprache:

Gegner von Gendersprache leben in schweren Zeiten. Sie stellen zwar zahlreichen Umfragen zufolge eine große und gar wachsende Mehrheit in der Bevölkerung. Noch unter Frauen überwiegt eine teils starke Ablehnung, und nicht einmal im gendernden Kernmilieu, nämlich bei den Anhängern der grünen Partei, sympathisiert die klare Überzahl mit Asteriskus oder Binnen-I. Doch zumindest im veröffentlichten Diskurs werden Kritiker der Gendersprache mittlerweile klar geschmäht: zu männlich, zu rechts, irgendwie nicht auf der Höhe der Zeit. Gegen die offiziellen Regelungen zur Orthographie wird mittlerweile in Schulen und Universitäten, auch in Verlagen und Behörden sprachliche "Gerechtigkeit" eingefordert — und sanktioniert. Zuweilen nicht nur moralisch, sondern auch in der harten Währung etwa von Benotungen.

Nun mag man einwenden, dass auch Mehrheiten irren können und höhere Einsicht auch sie auf den rechten linken Pfad zurückführen müsste. Sicherlich: Auf die Frage, ob oder in welchem Ausmaß politischer Aktivismus in Schulen und Behörden, im öffentlichen Rundfunk und in den Printmedien über das Medium der Sprache diese uneinsichtige, die Erkenntnisse der Zeit verschlafende, möglicherweise gar latent frauenfeindliche Mehrheit pädagogisch, zwar gegen ihren Willen, aber doch zu ihrem Besten, formen soll und wie sich dieser gute Zweck mit anderen Erfordernissen von Sprache, etwa Lesbarkeit, Ästhetik oder bloß Verständlichkeit für andere, so noch zusätzlich disprivilegierte Gruppen verträgt, können keine rein wissenschaftlichen Antworten erwartet werden. Für andere Aspekte wird allerdings gern auf wissenschaftliche "Fakten" verwiesen. So leide das generische Maskulinum insbesondere an dem Makel, dass seine Leser sich nicht in ausreichendem Maße Leserinnen vorstellen, die daher aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit durch die ungeliebten Formen "sichtbar" gemacht werden müssten.


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2. Unter der Überschrift Sittlich desorientiert: Buchtipps für die Tabuthemen unserer Gesellschaft stellt der Kulturteil des STERN auch zwei meiner Titel vor. Darüber hinaus zeigt der Artikel, dass man als deutscher Journalist auch ohne Schaum vorm Mund über Männerrechtler schreiben kann. Ein Auszug:

Mann gegen Frau, Frau gegen Mann, Mann gegen Mann, Frau gegen Frau, Transgender und non-binäre gegen cis-Heteros, jeder gegen jeden, alle füreinander. Wer sich etwas mit Feminismus und der deutlich kleineren und jüngeren Männerbewegung befasst, verliert schnell den Überblick, wer was eigentlich von wem will.

Irgendwie einen sich alle in ihren Zielen: So wie jede Ideologie wollen sie unser aller Leben erträglicher und fairer machen und das mit einfachen Antworten auf schwierige Fragen. Und doch ist für beide das Gesagte des anderen ein Tabubruch, weil es dann doch immer um ebenjene Grenzverschiebungen geht, die die jeweils andere Gruppe anstößig findet.

Egal, in den Bewegungen steckt politisches Knallpotenzial und der Tabubruch ist so sehr an der Tagesordnung, dass es schwerfällt, überhaupt nachzukommen. Deshalb eine kleine und unvollständige Übersicht der schönsten Tabubrüche, festgehalten in Büchern:

(…) Sexismus gegen Männer – geht das überhaupt? Ja, sagt Arne Hoffmann in seinem Buch "Not am Mann – Sexismus gegen Männer" und geht dabei hart mit der Feminismus-Bewegung in Deutschland ins Gericht. Um seine Thesen zu untermauern, zieht er Studien zu Rat und kommt zu überraschenden Ergebnissen. Dass Männer in Sorgerechtsstreitigkeiten häufig den Kürzeren ziehen, ist allgemein bekannt und irgendwie akzeptiert. Dass sie aber auch ähnlich häufig Opfer sexueller Gewaltverbrechen in Kriegen werden wie Frauen, ist ein Thema, das weder die betroffenen Männer gerne aussprechen, noch der breiten Öffentlichkeit bewusst ist.

(…) Wer hätte es gedacht: Wahres Glück liegt nicht (für jeden) im Ausleben einer Sexsucht begraben, sondern vielleicht in tiefer Zwischenmenschlichkeit und einem Funken Empathie. Aber für beides muss Mann eben seinen Mund aufbekommen, wenn er die Aufbauen und zeigen will. Die deutsche Standardliteratur liefern Maximilian Pütz und Arne Hoffmann unter anderem in "Der Casanova Code" – uhlala.




3. Wegen dem Vorwurf der Vergewaltigung leitet Frankreich eine Untersuchung gegen eine Staatssekretärin ein.



4. Das Schweizer Fernsehen widmet einen achtzehnminütigen Beitrag sexuellen Übergriffen gegen Männer.



5. In Pakistan verstehen die ersten, dass sexuelle Gewalt auch Jungen trifft:

Ausgehend von den Ergebnissen einer detaillierten Befragung von 63 Sozialarbeitern, die an vorderster Front Jungen unterstützen, die Opfer sexueller Ausbeutung geworden sind, und einer detaillierten rechtlichen Analyse gibt es mehrere Faktoren, die dazu beitragen, dass in Pakistan ein hohes Risiko besteht, dass Jungen sexuell missbraucht und ausgebeutet werden.

Jungen genießen im Vergleich zu Mädchen eine große Freiheit. Während die meisten Einschränkungen in Bezug auf Bewegung und Mobilität im öffentlichen und privaten Raum für Mädchen gelten, sieht man Jungen auf der Straße herumlaufen oder in Friseurläden, Restaurants, Fabriken und Bergwerken arbeiten, manchmal unbeaufsichtigt. Dieser Mangel an Aufsicht und das Ignorieren der alltäglichen Aktivitäten von Jungen tragen zur Gefährdung bei.

Wir haben fest definierte Geschlechternormen, die Männer durch Attribute wie Dominanz, Stärke und die Fähigkeit, sich und andere zu schützen, charakterisieren. Diese Normen minimieren die Risikowahrnehmung von Jungen und die Art und Weise, wie sie Gefühle und Schmerz erleben können. Jungen fällt es schwer, sexuellen Missbrauch und sexuelle Ausbeutung zu verstehen und zu akzeptieren und anschließend Unterstützung oder Hilfe zu suchen.

(…) Selbst wenn das Kind Hilfe sucht, wird sexueller Missbrauch und Ausbeutung von Jungen aufgrund des unzureichenden Rechtsrahmens und der unterentwickelten sozialen Unterstützungssysteme nicht als wichtiges Kinderschutzproblem anerkannt. (…) Es ist von entscheidender Bedeutung zu erkennen und zu verstehen, dass die sexuelle Ausbeutung und der Missbrauch von Jungen ein wichtiges Kinderschutzproblem in Pakistan ist.




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