Freitag, Juni 17, 2022

Mainzer Professor für Neueste Geschichte: "Gegen das ewige Opferlamento des Feminismus" – News vom 17. Juni 2022

1. In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine wenden sich Professor Dr. Andreas Rödder, der Neueste Geschichte an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz lehrt, sowie die ehemalige Familienministerin Dr. Kristina Schröder gegen das "Opferlamento des Feminismus" und seine sozialen Folgen. Der Artikel nimmt in zentralen Punkten Rückgriff auf Argumente, die Maskulisten seit Jahrzehnten vortragen. Ein Auszug:

So wird inzwischen die Parität, also die hälftige Vertretung von Frauen gefordert, zum Beispiel in Parlamenten und auf den Landeslisten, die von den Parteien erstellt werden. Was aber wäre ein gerechter Maßstab für Parität? Der Anteil von Frauen an der Bevölkerung oder ihr Anteil an der Mitgliederschaft, weil der Eintritt in eine Partei der freien Entscheidung und keiner Diskriminierung unterliegt? Können 26,5 Prozent der Mitglieder aufgrund ihres hälftigen Anteils an der Bevölkerung die Hälfte der Listenplätze beanspruchen? Bedeutete dies nicht notwendig, dass die Anforderungen an das unterrepräsentierte Geschlecht deutlich geringer sein müssten, während Männer in ihren Chancen in Zukunft deutlich benachteiligt würden. Sollten nicht mündige Bürger durch ihre Wahl entscheiden können, welche sozialen Gruppen in gewählten Gremien wie vertreten sind?

Die Gerechtigkeitsfrage ist nicht so einfach, wie es pauschale Forderungen nach "Parität" erscheinen lassen. Das gilt auch für den sogenannten Gender-Pay-Gap. So enthalten die statistischen Gesamtgrößen nicht nur Verzerrungen aufgrund von Branchen, Unternehmensgrößen und geleisteten Überstunden, sondern vor allem aufgrund unterschiedlicher biographischer Entscheidungen, die oftmals bereits vor Jahrzehnten getroffen worden sind. Aber auch heute liegt der Männeranteil beim Studium der Elektro- und Informationstechnik bei 84 Prozent. 77 Prozent der Studenten der Germanistik sind Frauen. Rund um die Geburt eines Kindes neigen Frauen nach wie vor deutlich häufiger als Männer dazu, ihre Berufstätigkeit zu reduzieren oder zeitweise aufzugeben. Solange erwachsene Personen frei entscheiden können und unter Abwägung aller Vor- und Nachteile ihr Konzept eines guten Lebens leben, können wir daran nichts Falsches erkennen.

Ungleiche Bezahlung für gleiche Tätigkeit hingegen ist inakzeptabel – daher gibt es sie zum Beispiel im öffentlichen Dienst auch nicht. Mit einer Ausnahme: Mit zunehmender Dienstzeit steigt man in den Erfahrungsstufen auf und verdient für die gleiche Tätigkeit mehr. Ist dieser Pay-Gap zwischen Dienstälteren und -jüngeren legitim oder eine Diskriminierung Jüngerer? Und was ist mit frei verhandelbaren Verträgen: Wenn ein Chefarzt ein höheres Gehalt aushandelt als eine Chefärztin – ist das eine strukturelle Benachteiligung im Sinne des Gender-Pay-Gap? Oder ist es unterschiedliches Verhandlungsgeschick, das keiner staatlichen Regulierung bedarf? Vielleicht hat die Chefärztin in den Verhandlungen auch durchblicken lassen, dass sie weniger als ihr Kollege bereit ist, Überstunden zu leisten, um ihr Kind pünktlich aus dem Kindergarten abzuholen – ist das unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit ein Problem?

Und was ist mit den neuen Ungerechtigkeiten, die durch Quoten erzeugt werden – diesmal vonseiten des Staates? Die Frauenquote für Unternehmensvorstände kann dazu führen, dass eine kinderlose Unternehmertochter aus München-Bogenhausen den Vorzug vor einem vierfachen Familienvater mit Migrationshintergrund aus Berlin-Neukölln erhält. Die Chancen eines jungen Mannes können aufgrund offizieller oder inoffizieller Quotenvorgaben über Jahre empfindlich gemindert sein, weil er als Mitglied eines Geschlechterkollektivs für Vorteile in Haftung genommen wird, die andere Mitglieder dieses Kollektivs früher tatsächlich oder vermeintlich hatten – ist das wirklich gerecht? Und wenn Professuren eigens für Frauen ausgeschrieben werden, widerspricht eine solche Maßnahme zugunsten der Geschlechtergerechtigkeit sowohl dem Prinzip der Individualgerechtigkeit als auch den Prinzipien der liberalen Wettbewerbsgesellschaft. Diskriminierung in der Vergangenheit durch Diskriminierung in der Gegenwart zu beantworten, ist die explizite Maßgabe von Ibram X. Kendi, einem der Vordenker amerikanischer Identitätspolitik. Wir halten dies für zutiefst illiberal und ungerecht.

(…) Gleichstellung und Gleichberechtigung stehen für unterschiedliche Gesellschaftsmodelle. Wer Gleichstellung sagt und meint, Gleichberechtigung zu meinen, weil Begriffe doch nicht so wichtig seien, darf sich nicht wundern, wenn hinterher tatsächlich Gleichstellung praktiziert wird. Gleichstellung ist ein dirigistischer Ansatz, der auf kollektive Ergebnisse zielt und persönliche Präferenzen ignoriert: eine neuständische Modellierung nach Gruppen und Quoten, die dann Diversität genannt wird. Gleichberechtigung hingegen setzt auf möglichst gleiche und faire Voraussetzungen, die zu unterschiedlichen, ungleichen Ergebnissen führen: zu einem freiheitlichen Pluralismus, der sowohl dem bürgerlichen Gesellschaftsideal als auch dem christlichen Menschenbild entspricht.




2. Was Professor Dr. Andreas Rödder wohl nicht bedacht hat, ist, wie teuer seine Einstellung ist. "Durch Antifeminismus entstehen hohe Kosten" erklärt Boris von Heesen Thomas Gesterkamp in einem Interview für das Gunda-Werner-Institut, das zur Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne) gehört. In diesem Zusammenhang fordert Boris von Heesen, "digitalem Hass im Netz (…) durch konsequente Verfolgung und abschreckende Strafen" zu begegnen. Darüber hinaus könnten "Kommunikationskampagnen, die Einzelfälle aus der Anonymität herausholen, präventiv versuchen, hassende Männer für die Folgen und das Leid der angegriffenen Frauen zu sensibilisieren."

Der Sprung zwischen Ideologiekritik und "Hass" ist hier offenkundig kühn. Der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer hat hierzu eigentlich alles Notwendige gesagt:

"'Antifeministisch' ist ja, das sei bei dieser Gelegenheit angemerkt, ein merkwürdiger Vorwurf. Der Begriff legt nahe, es gebe für anständige Menschen eine Pflicht, 'feministisch' zu sein, und schon die Nichterfüllung dieser moralischen Pflicht begründe einen schweren Charaktermangel der Person. Das stimmt aber bei 'feministisch' so wenig wie bei 'islamistisch' oder 'kapitalistisch'. So wenig wie 'feministisch' ein Attribut ist, welches per se den Einzug ins Himmelreich garantiert, ist 'antifeministisch' die Fahrkarte zur Hölle."


Nun könnte Boris von Heesen hier einwenden: "Mag sein, Herr Fischer, aber haben Sie sich mal überlegt, was das alles kostet, wenn wir nicht alle derselben Meinung sind?"

Feministen haben natürlich großes Interesse daran, Widerspruch zu ihrer Auffassung als "Hass" zu etikettieren – und als eine Form von Meinungsfreiheit, die sich unsere Gesellschaft finanziell einfach nicht leisten kann.



3. Österreichs Standard beklagt den Einfluss "antifeministischer Väterrechtler" auf politische Entscheidungen. Ein Auszug:

Unter dem Schlagwort Doppelresidenz wird zudem das Narrativ der elterlichen Lasten, die ausgewogen auf beide Elternteile aufgeteilt werden sollen, ausgeweitet. Um den Eltern angeblich die Angst zu nehmen, ihr Kind im Zuge der Trennung zu verlieren, hat das Justizministerium einen Begriff aus der Mottenkiste der Väterrechtler ausgegraben. Übersehen wird dabei, dass Mütter diese Angst zumeist nicht teilen. Vielmehr erhärtet sich der Eindruck, dass der Großteil der Forderungen, für die Väterrechtler seit Jahrzehnten lobbyieren, durch die Novelle erfüllt werden. Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern wird dabei jedoch nur vorgaukelt, in Wirklichkeit werden auf dem Rücken von Kinderrechten die Interessen der Väterrechtslobby durchgesetzt.

(…) Väterrechtler profitieren von der verbreiteten Vorstellung, dass es grundsätzlich ein wichtiges Anliegen sei, die Rechte als Vater ernst zu nehmen und sich für diese zu engagieren. Jene väterrechtsbewegten Gruppierungen, die im deutschsprachigen Raum ab den 1990ern vor allem aus dem Umfeld organisierter Männerrechtler und Maskulisten hervorgingen, hatten jedoch von Beginn an wenig gemein mit der einst progressiven, profeministischen Männerbewegung der 1970er Jahren, die sich für Kritik an Männlichkeit und eine Umwälzung patriarchaler Strukturen einsetzte. Im Gegenteil, Väterrechtler versuchen heute Gleichstellungsdebatten zu beeinflussen, um die feministischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte rückgängig zu machen. Sie imaginieren dabei eine feministische Vorherrschaft in der Gesellschaft, die Mädchen und Frauen bevorteile, sodass nun Buben und Männer die eigentlichen Opfer wären.

Dabei inszenieren sich Väterrechtler als Opfer in nahezu jeder Lebenslage, sei es im Bildungswesen, am Arbeitsmarkt, beim Staatsdienst, im Gesundheitswesen, in den Medien oder auch im Familien- und Scheidungsrecht. Sie geben zwar vor, Verantwortung für ihre Kinder übernehmen zu wollen, ein Blick auf ihre zentralen Forderungen veranschaulicht jedoch ihre antifeministische Agenda und zeigt, dass es ihnen großteils um Rechte geht, die auf niedrigere Unterhaltszahlungen und Kontrollmöglichkeiten über die Ex-Partnerinnen hinauslaufen.

(…) Auch hinter der oft anzutreffenden Forderung nach "wahrer Gleichberechtigung" verbirgt sich zumeist die Vorstellung einer angeblich "natürlichen" Verteilung von Macht zwischen den Geschlechtern. Das bedeutet nichts anderes als eine klassische Rollenverteilung, der ein biologistisches Verständnis der vermeintlichen natürlichen Aufgaben von Männern und Frauen in dieser Gesellschaft zugrunde liegt.

(…) Gerade der Umstand, dass Väterrechtsorganisationen durch ihre Lobbyarbeit politische Entscheidungen maßgeblich mitbestimmen und zudem international vernetzt sind, macht ihren politischen Einfluss durchwegs gefährlich. Umso bedauernswerter, dass sich selbst eine grüne Justizministerin nicht eher an jenen Vätern orientiert, die sich aus einer profeministischen Perspektive mit Benachteiligungen auseinanderzusetzen, ihre eigene Eingebundenheit in privilegierte Dominanz-Strukturen reflektieren und sich gemeinsam mit Feministinnen für eine gerechtere Gesellschaft einsetzen.


Wie man merkt, strotz der Artikel vor Unterstellungen, die schlicht behauptet und in keiner Weise belegt werden. Er stammt von Judith Goetz, "Gender-Forscherin und Rechtsextremismusexpertin", Mitglied der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit (FIPU), des Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus und der Europäischen Feministischen Plattform sowie Andrea Czak, geschäftsführende Obfrau und Gründerin des Vereins Feministische Alleinerzieherinnen, dessen Hauptanliegen "die Verbesserung der Gesetze im Kindschafts- und Unterhaltsrecht" ist, "da das Rechtssystem historisch gesehen ein Instrument ist, um Herrschaft durchzusetzen".



4. In einem wegweisenden Urteil hat ein Gericht im US-Bundesstaat Colorado entschieden, dass Studenten, denen sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden, auch an privaten Universitäten ein Recht auf ein faires Verfahren haben.



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