Mittwoch, Juni 08, 2022

Neue Studie: Lehrer helfen eher ausgegrenzten Schülerinnen als Jungs – News vom 8. Juni 2022

1. Die Frankfurter Allgemeine berichtet:

Lehrer – gleich welchen Geschlechts – würden eher einem weiblichen Schüler als einem männlichen helfen, der im Unterricht ausgegrenzt wird. Dies hat eine Studie des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt sowie der Universitäten Konstanz und Mannheim ergeben.

Die Wissenschaftler legten 101 Lehrern von verschiedenen Schulen und mit unterschiedlicher Berufserfahrung ein fiktives Szenario vor, in dem eine Lerngruppe einen Schüler nicht dabeihaben wollte. Etwa die Hälfte der Probanden erhielt einen Text, in dem das "Opfer" Lukas hieß, die anderen lasen von einer Julia.

In der anschließenden Befragung zeigte sich, dass zwar alle Lehrer die Tendenz hatten einzugreifen, im Fall des Mädchens war diese Neigung aber deutlich stärker. Als Erklärung vermuten die Forscher traditionelle Rollenbilder. Lehrerinnen lehnten die Ausgrenzung noch entschiedener ab als ihre männlichen Kollegen, zeigten aber deswegen keine größere Bereitschaft zu intervenieren.




2. In der Neuen Zürcher Zeitung entlarvt Josef Joffe die derzeit vielbeschworene "feministische Außenpolitik" als Trugbild:

Der Begriff "feministische Aussenpolitik" läuft in diesen Tagen durch die Gazetten, angespornt von Putins Eroberungskrieg in der Ukraine, dem Frauen, Kinder und Wehrlose zum Opfer fallen. Das Patriarchat, ein Schlüsselbegriff des Feminismus, hat nach 77 Jahren Grossmachtsfrieden in Europa wieder zugeschlagen. Was könnten Frauen in der Führung besser machen?

Eine Antwort ist so alt wie die Komödie "Lysistrata" von Aristophanes. Der Name der Heldin ist Programm. "Lysis" ist Auflösung, "Stratos" Heer. Die Frau hat also im Peloponnesischen Krieg die Armeen zerlegt, wiewohl ganz friedlich. Ihre Waffen: Sex und Gold, was die Männer noch mehr lockte als der Krieg. In Athen und Sparta verschwören sich die Frauen gegen die Buben mit dem XY-Chromosom. Die Athenerinnen verschanzen sich auf der Akropolis, wo die Kriegskasse lagert, und verweigern den Männern ihre Körper. Ähnlich in Sparta. Der Liebesentzug wirkt, die Jungs legen ihre Schwerter beiseite und sich selber ins Ehebett.

Es ist eine herzerwärmende Geschichte weiblicher Weisheit, nur stimmt sie nicht. Der Bruderkrieg dauerte 27 Jahre und endete mit dem Sieg Spartas. Doch hat sich die Idee festgesetzt, wonach Frauen die besseren, jedenfalls friedfertigeren Menschen seien. Mütter kümmern sich ums Leben, Männer um Krieg. Frauen sind umsichtig und fürsorglich, testosterongesteuerte Männer schlagen reflexhaft zu, Aggressivität und Gewalt wurzeln in ihrer Natur. Seit dem Ukraine-Krieg ist die Lysistrata-Saga wieder akut. Leider ist sie in den letzten 2500 Jahren nicht bestätigt worden. Der Frieden blieb bloss eine Pause zwischen zwei Kriegen.


"Feministische Außenpolitik" (FAP) wolle das Wesen internationaler Politik umkrempeln.

"Sie denkt strukturelle Gewalt wie Rassismus, Sexismus oder Klassismus mit. Denn die Fokussierung auf die Bedürfnisse von gerade weissen Männern reicht nicht aus, um die Komplexitäten des Lebens zu verstehen . . . Jede Waffe mehr bringt mehr patriarchale Gewalt, [diese] mehr Waffen." Der Sinn der FAP "muss sein, dass patriarchale Regime wie das Putins auch in Russland nicht mehr existieren können".

Das ist die harte Version: eine neue Weltordnung plus Regime-Change, was an George W. Bushs Kriege erinnert. Sodann an den US-Präsidenten Woodrow Wilson und seine Parole im Ersten Weltkrieg: "Make the world safe for democracy". Das hehre Ziel der beiden hatte zwei Haken. Ihre Strategie forderte insgesamt drei Kriege mit Millionen Toten und hat Europa nach 1918 und Nahost nach "mission accomplished" weder befriedet noch demokratisiert.

Heute darf man Wilson/Bush so ironisieren: "Macht die Welt sicher durch Feminismus." Das wirft drei Probleme auf. Erstens: Ob Potentat wie Saddam oder Autokrat wie Putin, die Aggressoren haben leider die Macht, und deren Sturz erfordert überlegene Gegengewalt. Weibliche Überzeugungskraft läutert sie ebenso wenig wie männliche; freiwillig gehen sie nicht, zumal da draussen das Kriegsverbrechertribunal lauert. Also Krieg für den Frieden – und da geht sie dahin, die weiche Macht jedweden Geschlechts.


Darüber hinaus gebe es einen besonders gravierenden Denkfehler:

Er verwechselt Gender mit Gebaren. Die plakatierten Tugenden der Frauen – Friedfertigkeit usw. – lassen sich von ihrer Position in Gesellschaft und Staat nicht trennen. Wer keine Macht hat, wird den Krieg nicht proben. (…) Greifen wir nun in die Geschichte, wo Frauen die Herrschaft errangen, und das Bild sich dreht. Fangen wir an mit Deborah, der israelitischen Heerführerin. "Es gebrach an Regiment in Israel, bis dass ich, Deborah, aufkam, eine Mutter Israels." (Richter 5,7) Unter ihrer Führung siegte ihr Volk im Befreiungskrieg gegen seine kanaanitischen Unterdrücker. Frieden lässt sich nicht oft ohne Waffen schaffen.

Boudicea sammelte 60 n. Chr. ein 100.000-Mann-Heer gegen die Römer, die Britannia unterjocht hatten. Sie schlug sie und brannte Londinum (London) nieder. Die Frau griff zur Gewalt, weil es das nationale Interesse so gebot.

Ein Sprung nach vorn. Isabella von Spanien vereinte ab 1492 mit ihrem Mann Ferdinand die iberische Halbinsel und verjagte die muslimischen Eroberer. Ihr Motto im Wappen: "Er wiegt so viel wie sie." Unter ihrer Herrschaft entstand ein riesiges Imperium in Lateinamerika. Mit anderen Worten: Kolonialismus ist nicht allein Männersache, wie es im Katechismus des Korrekten heisst.

Johanna von Orleans war eine Kriegsherrin. Und Elizabeth I. (Königin von 1558 bis 1603) entsandte ein Heer in die Niederlande, um die protestantischen Brüder (und die Insel) gegen die ausgreifenden Spanier zu schützen – klassische Gleichgewichtspolitik. Sie erfand den englischen Kolonialismus und besiegte die Armada des spanischen Erbfeindes. Sie liess ihre katholische Rivalin Maria Stuart köpfen. Die "Jungfrau-Königin" deklamierte in ihrer berühmtesten Rede: "Ich weiss, ich habe den Körper einer schwachen, zarten Frau, doch das Herz und den Willen eines Königs." Auch wer Röcke trägt, gehorcht auf dem Thron der Staatsräson.

Maria Theresia von Österreich führte ständig Krieg. Katharina die Grosse (Kaiserin von 1762 bis 1796) war eine Vorzeige-Imperialistin. Sie verleibte sich die Krim ein, dann in den Polnischen Teilungen (mit Habsburg und Preussen) das grösste Stück der Beute. Sie kolonisierte Noworossija rings um das Schwarze und das Asow-Meer. Die Frau "friedfertig" zu nennen, hiesse, sie zu beleidigen.

Nun in die Neuzeit. Golda Meir, die erste Regierungschefin Israels, führte ihren Staat 1973 in den Jom-Kippur-Krieg, als Ägypten und Syrien das Land zu überrollen drohten. Diese Frau war robuster als manche ihrer Generäle. Staatsräson und Erinnerung vereinten sich in der weiblichen Seele zur Gewaltbereitschaft: "Israel ist die stärkste Garantie gegen einen neuen Holocaust."

Indira Gandhi marschierte 1971 gegen Pakistan. Das dortige Regime verlor West-Pakistan, heute Bangladesh; seitdem ist Indien die Vormacht in Südasien. Unter der weiblichen Ägide entstand die indische Atombombe. Nicht schlecht für eine friedensbeseelte Frau.

Margaret Thatcher, die "Iron Lady", täuschte die Welt mit ihrer eleganten Garderobe – keine Hosen, stets onduliertes Haar. Als Argentinien 1981 die Falklands eroberte, entsandte sie die Flotte und triumphierte über 12.000 Kilometer hinweg. Manche Männer im Kabinett waren nicht ganz so mutig. Auch nicht George Bush, der 1990 zögerte, Saddam aus Kuwait zu vertreiben. Legendär ist ihr Anruf beim Präsidenten: "Du wirst doch nicht wackeln, George!"

Was lehrt dieser kurze Ausschnitt aus der Geschichte? Machtpolitik kommt von Macht, nicht aus dem Hormonhaushalt. Auf dem Thron handeln Frauen nicht anders als Männer. Dann gilt ihre Sorge nicht den Kindern, sondern dem Staat. Angela Merkel vermied Krieg jenseits symbolischer Einsätze, dies aber genauso wie ihr Macho-Vorgänger Gerhard Schröder und heute der risikoscheue Olaf Scholz. "Weiblich" war ihre kalte Interessenpolitik nicht. Siehe ihr stures Festhalten an Nord Stream 2, welche die östlichen Nachbarn umging. Gas für Deutschland zählte mehr als europäische Solidarität.




3. Spiegel-Online berichtet über den Stand der Dinge bei der Kontroverse um eine Frauenquote in der CDU.



4. Eine interessante Meldung gibt es aus Japan:

Japans Wohlfahrtsministerium führt zum ersten Mal eine Studie durch, die sich speziell auf Jungen und Männer konzentriert, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind, meldeten am Montag Quellen aus dem Ministerium.

Da das Thema in der Gesellschaft wenig bekannt ist, will das Ministerium schnell ein Unterstützungssystem für männliche Opfer sexueller Gewalt schaffen, indem es sich ein besseres Bild von der Situation macht.

Die Scham und die Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird, halten viele männliche Opfer davon ab, über ihre Erfahrungen zu sprechen oder Hilfe zu suchen, so die Hilfsorganisationen.

Das Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales hat eine Forschungsgruppe eingesetzt, die im laufenden Haushaltsjahr, das im März endet, die Feinheiten für die Erstellung der Erhebung festlegen soll. Der Gruppe gehören auch Ärzte an, die Leitlinien für medizinische Einrichtungen erstellen sollen, um männliche Opfer besser betreuen zu können.

Das Kabinettsbüro führt alle drei Jahre eine öffentliche Umfrage durch, in der Männer und Frauen über erlebte Gewalt befragt werden. Die Fragen zu sexueller Gewalt sind jedoch begrenzt, und die Umfrage befasst sich nicht mit den verschiedenen Aspekten sexueller Traumata, die für Männer spezifisch sind.

Bei der letzten Umfrage dieser Art im Jahr 2021, die von November bis Dezember 2020 durchgeführt wurde, gab es 1.635 männliche Befragte.

Davon gaben 1,0 Prozent, d. h. 17 Jungen oder Männer, an, zu sexuellen Handlungen gezwungen worden zu sein, wobei die Täter von Personen, die sie in der Schule kennengelernt hatten, bis hin zu völlig Fremden reichten.

Von den männlichen Opfern haben 12 keine Hilfe in Anspruch genommen, mit Begründungen wie "Ich schaffe das schon irgendwie, indem ich durchhalte", "Ich dachte, es wäre nutzlos, selbst wenn ich Hilfe in Anspruch nehmen würde", "Ich wollte keine anderen Menschen mit hineinziehen" und "Ich wusste nicht, an wen und wohin ich mich wenden sollte, um Rat oder Hilfe zu erhalten".

Unterstützungszentren, von denen einige von Stadtverwaltungen eingerichtet wurden, wollen die Männer ermutigen, Hilfe zu suchen.

"Ich möchte nicht, dass sie (männliche Opfer) sich selbst die Schuld geben. Niemand weiß, was zu tun ist, wenn (ein sexueller Übergriff) plötzlich passiert", sagte ein Mitarbeiter des Fukuoka Victim Support Center in der Präfektur Fukuoka.

Das gesellschaftliche Bewusstsein für sexuelle Gewalt ist überwiegend auf die Erfahrungen von Frauen ausgerichtet, was sich auf Art und Umfang der Forschung sowie auf die Unterstützung der Opfer auswirkt.

Nur wenige Beratungsstellen bieten Hilfe für männliche Opfer an, so Azusa Saito, außerordentliche Professorin für klinische Psychologie an der Mejiro-Universität in Tokio.

"Es gibt Fälle von Männern, die sich fragen, ob sie wirklich gehört werden", fügte sie hinzu.

"Wir müssen die geschlechtsspezifische Voreingenommenheit in der Gesellschaft beseitigen und das Verständnis für die männliche Viktimisierung vertiefen", unter anderem durch Umfragen, die sich nicht nur an Frauen, sondern auch an Männer richten, so Saito.




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