Warum der Fall Luke Mockridge jetzt die MeToo-Bewegung erschüttert – News vom 1. Juni 2022
1. Einen lesenswerten Beitrag zur Kontroverse um Luke Mockridge (Genderama berichtete mehrfach) findet man heute von Antje Hildebrandt auf t-online. Ich finde den Artikel so spannend und aufschlussreich, dass das einer der Fälle ist, wo ich empfehlen würde, ihn gleich in seiner Gesamtheit zu lesen, statt nur die Häppchen, die ich hier auszugsweise als Zitate veröffentliche. So einige auf Twitter sind seit Veröffentlichung des Artikels am Toben.
Plötzlich tauchte das Gerücht auf, der Komiker Luke Mockridge habe versucht, seine Freundin zu vergewaltigen. Was auf den ersten Blick ins Bild zu passen schien, wurde zum Wendepunkt für die deutsche #MeToo-Bewegung. #MeToo wurde zum Instrument einer Gruppe von Menschen, die den Hashtag nutzten, um Aufmerksamkeit für sich selbst zu generieren und Jagd auf vermeintliche Täter zu machen.
An die Spitze der Bewegung setzte sich eine Frau, über die ein früherer Mitstreiter von #MeToo, der Schauspieler Andrim Emini, sagt, sie sei eine "narzisstische Kriegstreiberin": Anne Wiese, die sich selbst Jorinde nennt. Mit 19 sei sie bei einem Waldspaziergang oral vergewaltigt worden, hat sie mal erzählt. Damit legitimiert sie ihren Kampf gegen sexualisierte Gewalt. Wiese ist Studentin, Bloggerin und Aktivistin. Sie hat eine LGBTQ-Community um sich geschart, die in den sozialen Netzwerken aggressiv Stimmung macht – gegen vermeintliche Täter, aber auch gegen alle, die ihre Arbeit kritisieren.
Unter dem Hashtag #KonsequenzenfuerLuke tritt sie im Frühjahr 2021 einen Shitstorm gegen den Sat.1-Comedian los. Sie fordert, einen Mann abzustrafen, gegen den bis heute keine belegten strafrechtrechtlichen Vorwürfe erhoben werden. Erst durch ihre Kampagne entstand der Eindruck, er sei ein Täter, ein Vergewaltiger.
Schauspieler Emini, der nach eigenen Worten selbst Opfer sexualisierter Gewalt geworden ist, sagt heute, dass er auch unter denen war, die Stimmung gegen Mockridge gemacht hatten. Auch er habe ihn in einem Post vorverurteilt. Das bedauere er. Bevor man jemanden an den Pranger stelle, müsse man recherchieren. "Sonst wird’s gefährlich." Doch mit der Suche nach Beweisen habe sich Jorinde Wiese nicht aufgehalten. Und diese Methode habe dazu geführt, dass sich Unterstützer von #MeToo von der Bewegung getrennt hätten.
(…) Auf der Suche nach Mitstreitern ist sie Tag und Nacht auf Twitter und Instagram unterwegs. Mit Erfolg. Prominente wie Thomas Spitzer, Stefanie Giesinger oder Carolin Kebekus springen auf den Zug auf: Sie machen Stimmung gegen Kritiker, die auf die Unschuldsvermutung pochen. Schlecht für Mockridge, gut für Wiese. (…) Erst der Fall Mockridge öffnet ihr Türen zu den Medien. Zeitungen fragen sie jetzt für Interviews an. Sie wird auch eines der Gesichter von "Hate Aid", einer Organisation, die Opfer von Hass im Netz berät. Amnesty International lädt sie als Expertin ein zu Fragen zum Thema Internethetze – als Opfer.
(…) Wiese kämpft jetzt noch an einer anderen Front gegen Mockridge: t-online liegt der Screenshot einer Direktnachricht auf Instagram vor, der belegt, dass sie für den "Spiegel" vermeintliche Zeuginnen gesucht hat. Es geht um eine Enthüllungsgeschichte über den Fall Mockridge im September 2021. Weite Teile mussten später zwar nach einem Gerichtsbeschluss geändert werden, aber der Bericht hatte das Bild verfestigt, das schon Wiese mit ihrer Kampagne #Konsequenzenfuerluke gezeichnet hatte: Erfolgreicher Comedian nimmt sich, was er braucht. Er benutzt Frauen, auch gegen ihren Willen.
Anruf bei Simon Bergmann. Er ist der Anwalt von Luke Mockridge, neben seinem Partner Christian Schertz einer der profiliertesten Anwälte für Persönlichkeitsrechte in Deutschland. (…) Die Kampagne gegen Mockridge zerrt auch an seinen Nerven. Er sagt, er werde künftig nicht mehr zögern, Aktivisten zu verklagen, wenn sie Mandanten mit unbewiesenen Vorwürfen verleumdeten. Er spricht vom "Twitter-Wahnsinn".
(…) Den Ball flach halten, das war seine Taktik. Er sagt: "Wenn man Aktivistinnen und Aktivisten angreift, kann das zu einem Bumerang werden." Sie würden dann Solidarität im Internet organisieren und sich selbst als Märtyrer inszenieren. Inzwischen hat er Wiese für Mockridge abgemahnt, als sie ihn in einem Interview mit watson.de als "mutmaßlichen Täter" bezeichnete.
Dazwischen lag der "Spiegel"-Artikel. Der sei eine "Zäsur” gewesen, sagt Anwalt Bergmann. "In dem Moment haben auch die, die noch zu ihm gestanden haben, gesagt: Oh Gott. Wenn der 'Spiegel' das schreibt, muss ja was dran sein." (…) Vier ungenannte Frauen warfen Mockridge in dem Text vor, er sei in der Öffentlichkeit bei Anmachen übergriffig geworden. Beweise haben sie keine. Andere Frauen zogen ihre Aussagen zurück, weil sie aus dem Zusammenhang gerissen und die von ihnen geschilderten Ereignisse so nicht stattgefunden hatten. Von den ursprünglichen Vorwürfen im "Spiegel"-Bericht ist nach mehreren Gerichtsentscheidungen jetzt wenig übrig. Trotzdem bleibt der Verdacht an Mockridge kleben. Mit ihrer Kampagne hat Jorinde Wiese den Rahmen für die Verdachtsberichterstattung geschaffen.
(…) Ein Kollerateralschaden, der auf das Konto von #MeToo Germany geht? Die Bewegung hatte Wiese zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeschlossen, sagt der Schauspieler Andrim Emini. Sie sei vielen zu radikal gewesen. Trotzdem passierte danach etwas, wovor Frauen wie Catherine Deneuve oder Ingrid Caven schon 2018 gewarnt haben, als die Bewegung aus den USA nach Deutschland übergeschwappt ist: Der Kampf gegen Machtmissbrauch hatte sich in sein Gegenteil verkehrt. "Der Drive der Bewegung ging in Richtung Rufmord", bilanziert die Berliner Autorin Barbara Sichtermann, eine Feministin der ersten Generation.
(…) Von der Unschuldsvermutung ist da keine Rede mehr. Dabei ist Wiese von Anfang an mit dieser Forderung konfrontiert worden. Im Mai 2021 schreibt sie auf Instagram: "Die Stimmen, die UNSCHULDSVERMUTUNG rufen, sind laut." Sogar in ihrem Umfeld regt sich jetzt Protest. Aber namentlich traut sich kaum einer, ihr zu widersprechen. Wer auf der Unschuldsvermutung beharrt, ist ein "misogyner Täterschützer" oder "falsch abgebogen". Den herrscht sie an: "Lösch das sofort!"
(…) t-online liegen ein Dutzend Aussagen von Menschen vor, die der Aktivistin vorwerfen, sie habe ihre Geschichte für PR-Zwecke missbraucht und sie im Internet abgewatscht. Trotzdem tritt sie als Referentin für Amnesty International auf. Im Februar spricht sie in Räumen der Volkshochschule Freiburg über Hate Speech im Internet. Aber warum gerade Wiese? Menschen, die sie kennen, sind entsetzt. Unter der Ankündigung erscheinen knapp 100 kritische Kommentare. Sie werden gelöscht, die Nutzer blockiert. Eine Anfrage von t-online, ob Amnesty die Vorwürfe gegen die Expertin für Hass und Hetze bekannt sind, bleibt unbeantwortet. Wenig später tritt Wiese als Referentin bei Amnesty in Zürich auf.
(…) Was sagen Menschen dazu, die sich im Vorstand von #MeToo-Germany engagiert haben? Im Impressum von #MeToo Germany standen im Laufe der Zeit 27 Namen von Gründungsmitgliedern. Ob die Schauspielerinnen Tina Ruland und Floriane Daniel oder die Netzfeministin Anne Wizoreck, Erfinderin des Hashtags #Aufschrei – niemand von ihnen meldet sich zurück.
Sieht so aus, als wären es die irren, gemeingefährlichen Männerrechtler und nicht die gefeierten Netz-Feministinnen gewesen, die früh gesehen haben, wohin diese Reise geht.
2. Wir wechseln in die USA.
Das Urteil im Prozess gegen Johnny Depp dürfte in den nächsten Tagen fallen, aber sein langjähriger Freund, der Schauspieler Greg Ellis, sagt, dass kein Geldbetrag Depps Ruf wiederherstellen könne. Er glaubt, dass Amber Heards Vorwürfe falsch sind und dass ihre Behauptungen das "wahre Opfer" häuslicher Gewalt, nämlich Depp, zerstört haben.
(…) Ellis, der Depp seit 20 Jahren kennt, sagte, dass das Gerichtsurteil den Schaden, der seiner Karriere und seinem Leben zugefügt wurde, nicht wiedergutmachen wird. "Es gibt keinen Geldbetrag, der seinen ramponierten Ruf wiederherstellen kann", teilte Ellis kürzlich in einem YouTube-Video mit.
"Kein Dollarbetrag kann den psychologischen Schaden, den er seinen Kindern zugefügt hat, ungeschehen machen", fügte er hinzu. "Kein Sack voll Gold kann die Zerstörung seiner Karriere oder den Schmerz, den seine Familie und seine Freunde erlitten haben, wettmachen. Doch wenn ein Mann von falschen Anschuldigungen niedergestreckt wird und dringend Hilfe braucht, wie viele schauen dann auf ihre Füße und schlurfen rückwärts in den ermüdenden, antiseptischen Wahn, dass alle Männer toxisch sind und wir reflexartig den Frauen glauben müssen".
(…) "Warum ist es für eine Frau wie Amber Heard akzeptabel, häusliche Gewalttaten zu begehen und damit davonzukommen", fragte er. "Weit über 70 % der Anschuldigungen wegen häuslicher Gewalt, die zu einer einer einstweiligen Verfügung oder einer Notfallschutzverfügung führen, werden nicht aufrechterhalten, wenn der Fall zu einer Dauer- oder Beweisanhörung kommt. Dies zeigt, dass einstweilige Verfügungen allzu leicht zu erwirken sind und dass die Mehrzahl der Anschuldigungen wegen häuslicher Gewalt falsch oder unbeweisbar ist."
"Dies ist ein Affront gegenüber den wirklichen Opfern häuslicher Gewalt", fügte Ellis hinzu. "Es muss einen rechtlichen Mechanismus geben, damit sich Frauen und Männer in missbräuchlichen Beziehungen sicher fühlen können. Dieser Mechanismus darf jedoch nicht als Instrument zur Rufschädigung einer anderen Person verwendet werden. Die Folgen sind zu schrecklich. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir die Täter, die falsche Anschuldigungen erheben, vor Gericht zur Rechenschaft ziehen. Und diejenigen, die solche Behauptungen aufstellen, mit Gefängnisstrafen zu bestrafen. Es muss eine abschreckende Wirkung haben."
Ellis sagte, dass über das Ergebnis des Johnn Depp-Prozesses hinaus Änderungen vorgenommen werden sollten. "Andernfalls werden Scharlatane, Goldgräber und Trickbetrüger weiterhin die Superwaffe der Silberkugel als Werkzeug nutzen, um Unschuldigen zu schaden", so Ellis.
"Das rechtliche Instrument der einstweiligen Verfügung wurde als Schutzschild für Frauen gebaut. Heutzutage werden sie zu leicht zu Silberkugeln umfunktioniert, die buchstäblich, nicht nur im übertragenen Sinne, Männer töten. In einer Welt, in der ein Verdacht immer auf Schuld hindeutet, ist ein ordentliches Verfahren tot. Sag es der Welt, Johnny. Schau, was ein Richter oder eine Jury denkt, sagte Amber Heard. Sag der Welt, dass ich, Johnny Depp, ein Mann bin. Ich bin auch ein Opfer von häuslicher Gewalt. Mal sehen, wie viele Leute dir glauben oder sich auf deine Seite schlagen."
Ellis sagte, dass das Urteil im Prozess gegen Johnny Depp nichts an dem Schaden ändern wird, der bereits angerichtet wurde. "[Depps Anwältin] Camille Vasquez hat Amber Heard dazu gebracht, ihre Karten im Zeugenstand ofenzulegen", sagte er. "Amber Heard benutzte die Silberkugel einer falschen Anschuldigung von häuslicher Gewalt, um den Ruf von Johnny Depp zu zerstören. Sie richtete irreparablen Schaden an und kostete ihn und die Legionen von Menschen, die aufgrund seines guten Namens in der Filmindustrie beschäftigt sind. Dutzende, vielleicht sogar Hunderte von Millionen von Dollar. Integrität muss man sich in der Aufregung verdienen, nicht nur in der Bequemlichkeit behaupten. Ich bin stolz darauf, dass ich Johnny Depp sechs Jahre lang während seiner Situation als Verteidiger vor der Öffentlichkeit öffentlich zur Seite gestanden habe. Wir alle sind Johnny Depp. Er vertritt uns alle."
Hier findet man den vollständigen Artikel.
Dass Amber Heard hinter Gittern landet, ist inzwischen nicht mehr nur ein frommer Wunsch von Johnny Depps Unterstützer, sondern wird als realistische Möglichkeit bewertet:
Aaron Minc, auf Verleumdungen spezielisierter Rechtsanwalt, erklärte, dass "mehr und mehr objektive Beweise dafür, dass sie unter Eid gelogen hat", zu einer Verurteilung der Schauspielerin führen könnten.
Er äußerte sich zu einem Zeitpunkt, an dem die Geschworenen im Fall des zerstrittenen Paares ihre Beratungen am Dienstag (31.05.22) wieder aufnehmen werden, nachdem ihre Anwaltsteams am Freitag (27.05.22) im Fairfax Courthouse in Virginia ihre flammenden Schlussplädoyers gehalten haben.
Mine sagte der Website JOE "vor ein paar Tagen", dass er nicht glaube, dass Heard, 36, für irgendetwas, was sie im Zeugenstand während des Verleumdungsprozesses ihres Ex-Mannes Johnny Depp gesagt habe, strafrechtlich verfolgt werden könne.
Er erzählte, wie er seine Meinung änderte, als der Fall auf sein Ende zusteuerte: "Ich denke, je weiter der Fall voranschreitet und wir immer mehr objektive Beweise dafür finden, dass sie unter Eid lügt, desto mehr besteht die Möglichkeit, dass sie Beweise fabriziert, Fotos fabriziert, blaue Flecken fabriziert und Indizien verändert hat, um sie dann einzureichen."
Minc warnte davor, dass das Fälschen von Beweisen nicht nur "sehr ernst", sondern auch "sehr beleidigend" für das Justizsystem sei.
Er sagte: "Ich würde hoffen, dass die Staatsanwaltschaft sich das genau anschaut, denn wenn es eindeutige Beweise dafür gibt, dass sie das getan hat, sollte das auf jeden Fall in Betracht gezogen werden. "Wenn es bewiesen wäre, dass das der Fall war, und es gibt sicherlich einige Fragen, die derzeit im Prozess aufgeworfen werden, könnte das möglicherweise zu einer strafrechtlichen Verfolgung und zu Gefängnisstrafen führen."
Heard wurde von den Anwälten von Depp, 58, beschuldigt, über alles gelogen zu haben, angefangen bei der Tatsache, dass sie Make-up benutzen musste, um blaue Flecken zu verdecken, die ihr der "Fluch der Karibik"-Darsteller angeblich zugefügt hatte, bis hin zu der Tatsache, dass sie die 7 Millionen Dollar aus der Scheidungsvereinbarung nicht für gute Zwecke gespendet hat.
Sean Caulfield, Partner der Anwaltskanzlei Hodge, Jones and Allen, erklärte, dass Heard in Großbritannien ein Verfahren wegen Meineids drohen könnte, da die Irreführung eines Gerichts "den Kern unseres Rechtssystems trifft".
Auf die Frage, ob er sich vorstellen kann, dass die Polizei die Behauptung untersucht, sie habe unter Eid über die Spende ihrer 7 Millionen Dollar gelogen, fügte er hinzu: "Ja, ich denke schon. Auch wenn dies nicht im Mittelpunkt des Falles steht, so ist Meineid doch die größte Bedrohung und trifft den Kern unseres Justizsystems, so dass die Polizei aufgefordert werden könnte, zu ermitteln, um zu zeigen, dass jedes Mitglied der Öffentlichkeit, das das Gericht anlügt, wegen Meineids verfolgt werden kann."
Siehe dazu auch: Janice Fiamengo: "Bedeutet Johnny Depps Verleumdungsprozess das Ende von #MeToo?"
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